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Schlagwort: Reparaturkalkulation

Schadengeringhaltungsverpflichtung: Das Verweisen des Versicherers auf eine Alternativwerkstatt ist nicht in jedem Fall zulässig

Ein Geschädigter muss sich nicht auf eine von der Versicherung genannte günstigere Alternativwerkstatt verweisen lassen, wenn der Reparaturkalkulation des Sachverständigen bereits durchschnittliche Stundenverrechnungssätze einer freien Fachwerkstatt am Wohnort des Geschädigten zugrunde gelegt wurden.

Auf einem Parkplatz kam es zu einer Kollision zwischen zwei ausparkenden Fahrzeugen. Der Geschädigte wandte sich an einen Sachverständigen und ließ ein Gutachten erstellen. Der Sachverständige legte bei der Reparaturkostenkalkulation Stundenverrechnungssätze eines Eurogarant-Betriebs zugrunde, wobei es sich insoweit um durchschnittliche Stundenverrechnungssätze einer freien Werkstatt handelt. Die gegnerische Unfallversicherung verwies den Geschädigten auf eine noch günstigere Alternativwerkstatt, was von diesem nicht akzeptiert wurde. Er legte seiner Berechnung die Reparaturkostenkalkulation des von ihm beauftragten Sachverständigen zugrunde.

 

Nach Auffassung des Amtsgerichts Gelsenkirchen war die Berechnung des Geschädigten zur Höhe des Schadens nicht zu beanstanden. Ein Verweis auf eine noch günstigere Alternativwerkstatt war im vorliegenden Fall nicht zulässig, da der Reparaturkalkulation des vom Geschädigten eingeschalteten Sachverständigen bereits durchschnittliche Stundenverrechnungssätze einer freien Werkstatt zugrunde lagen. Es wurden dabei keine Preise einer markengebundenen Fachwerkstatt kalkuliert. Der Geschädigte hat somit nicht gegen seine Schadengeringhaltungsverpflichtung verstoßen. Er muss sich nicht auf die günstigsten erzielbaren Preise einer Alternativfachwerkstatt verweisen lassen, wenn bereits durchschnittliche Stundenverrechnungssätze einer freien Fachwerkstatt kalkuliert wurden.

Hinweis: Nach § 249 BGB kann der Geschädigte den erforderlichen Schadenbeseitigungsaufwand vom Schädiger verlangen. Insoweit können ortsübliche und angemessene Kosten erstattet verlangt werden. Ortsüblich und angemessen sind die durchschnittlichen Stundenverrechnungssätze einer freien Fachwerkstatt durchaus. Und wenn bereits solche Kosten kalkuliert sind, sind diese dann auch zugrunde zu legen.

Quelle: AG Gelsenkirchen, Urt. v. 14.02.2017 – 201 C 177/16

Thema: Verkehrsrecht

Ganz oder gar nicht: Reparatur eines schweren Schadens mit Gebrauchtteilen

In Fällen, in denen die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten über der 130-%-Grenze liegen, es dem Geschädigten aber gelungen ist, eine fachgerechte und den Vorgaben eines Gutachtens entsprechende Reparatur durchzuführen, sind die konkret angefallenen Reparaturkosten zu erstatten.

Bei einem Verkehrsunfall wurde das Fahrzeug der Geschädigten erheblich beschädigt. Ein von ihr beauftragter Sachverständiger ermittelte die Bruttoreparaturkosten mit 2.973 EUR. Den Wiederbeschaffungswert gab er mit 1.600 EUR und den Restwert mit 470 EUR an. Die Geschädigte ließ ihr Fahrzeug unter Verwendung von Gebrauchtteilen reparieren, die Reparaturkosten beliefen sich dabei auf 2.079 EUR und lagen somit knapp unterhalb von 130 % des Wiederbeschaffungswerts. Die gegnerische Haftpflichtversicherung zahlte allerdings nur einen Betrag von 1.130 EUR, nämlich den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert.

Der Bundesgerichtshof hat im vorliegenden Fall entschieden, dass der Geschädigten kein weiterer Schadensersatz zusteht. Reparaturkosten, die 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs liegen, können nur dann ersetzt verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in dem Umfang durchgeführt wurde, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung veranschlagt hatte. Im zu entscheidenden Fall hatte die Geschädigte ihr Fahrzeug nicht vollständig nach dessen Vorgabe reparieren lassen. Nach seinen Feststellungen wurden mehrere Zierleisten und ein Kniestück hinten links nicht ersetzt, wie es in der Reparaturkalkulation vorgesehen war.

Hinweis: Der Bundesgerichtshof weist in seiner Entscheidung allerdings darauf hin, dass die Verwendung altersentsprechender und funktionsfähiger Gebrauchsteile einer vollständigen und fachgerechten Reparatur grundsätzlich nicht entgegensteht. Gelingt dem Geschädigten also trotz geschätzter Reparaturkosten über 130 % des Wiederbeschaffungswerts eine vollumfängliche und fachgerechte Reparatur mit altersentsprechenden Gebrauchtteilen, sind die Reparaturkosten zu ersetzen – selbst wenn diese 130 % des Wiederbeschaffungswerts nicht übersteigen.

Quelle: BGH, Urt. v. 02.06.2015 – VI ZR 187/14