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Schlagwort: Restwert

Prognoserisiko: Versicherer muss entstandene Kosten bei Reparaturabbruch nach Fehlprognose begleichen

Erteilt der Geschädigte aufgrund eines Sachverständigengutachtens einen Reparaturauftrag und stellt sich dieses Gutachten im Nachhinein insoweit als fehlerhaft heraus, als dass die Reparaturkosten tatsächlich über 130 % des Wiederbeschaffungswerts liegen, sind die Reparaturkosten für bereits durchgeführte Arbeiten zu erstatten.

Bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall wurde der Pkw des Geschädigten erheblich beschädigt. Ein Gutachter ermittelte die Reparaturkosten mit etwa 4.100 EUR, den Wiederbeschaffungswert mit 6.900 EUR und den Restwert mit 3.300 EUR. Der Geschädigte ließ daraufhin sein Fahrzeug reparieren. Nachdem mit der Reparatur begonnen worden war, stellten Mitarbeiter der Werkstatt fest, dass der gesamte Querträger des Fahrzeugs ausgewechselt werden müsse und sich die Reparaturkosten auf ca. 9.700 EUR beliefen. Da diese somit inzwischen mehr als 130 % über dem Wiederbeschaffungswert lagen, sah der Geschädigte von einer weiteren Reparatur ab und ließ sich von der gegnerischen Haftpflichtversicherung die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert auszahlen. Diese verweigerte allerdings die Übernahme der Kosten für die bereits durchgeführten Reparaturarbeiten in Höhe von 391 EUR.

Das Amtsgericht Schwarzenbek verurteilte die Versicherung zur Zahlung der 391 EUR. Das Gericht führt aus, dass es nicht zu Lasten des Geschädigten gehen könne, dass sich erst im Laufe der Reparatur herausstellt, dass weitere – vom Sachverständigen zunächst übersehene – Reparaturarbeiten notwendig sind.

Hinweis: Mit dieser Verfahrensweise hatte die Versicherung sogar noch Glück: Der Geschädigte hätte hier sogar einen Anspruch darauf gehabt, dass die Reparatur vollständig durchgeführt wird. Die Versicherung hätte somit dann die vollen Reparaturkosten in Höhe von 9.700 EUR zahlen müssen, da sich das insofern verwirklichte Prognoserisiko nicht zu Lasten des Geschädigten auswirken darf.

Quelle: AG Schwarzenbek, Urt. v. 20.05.2016 – 2 C 675/15

Thema: Verkehrsrecht

Vollkasko oder Haftpflicht: Restwert oder Gründe der Verkehrssicherung entscheiden über Abschleppkostenübernahme

Der Versicherungsnehmer hat gegenüber seiner Vollkaskoversicherung keinen Anspruch auf die Erstattung von Abschleppkosten, wenn das versicherte Fahrzeug weitgehend zerstört ist und erkennbar über keinen relevanten Restwert mehr verfügt.

Der Lkw der Geschädigten geriet in Brand und wurde hierdurch fast vollständig zerstört. Auf Veranlassung der herbeigerufenen Polizei wurde das Fahrzeug abgeschleppt. Die hierfür entstanden Kosten von fast 5.300 EUR verlangte die Geschädigte von ihrer Kaskoversicherung ersetzt.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat jedoch entschieden, dass dieser Anspruch auf Erstattung der Kosten nicht besteht, da die Versicherung nur solche Aufwendungen übernimmt, die der Versicherungsnehmer für „geboten“ halten darf. Geboten sind dabei solche Maßnahmen, die erfolgversprechend sind und im verhältnismäßigen Aufwand zum angestrebten Erfolg stehen. Im vorliegenden Fall hatte der ausgebrannte Lkw nur noch einen Restwert von 52 EUR. Bei einem völlig zerstörten und ausgebrannten Fahrzeug hätte daher auch einem Laien einleuchten müssen, dass das Fahrzeugwrack keinerlei Wert mehr verkörpert.

Hinweis: Für Geschädigte ist das Urteil sicherlich nur schwer zu verstehen, da ihnen gemäß der Entscheidung des Gerichts abverlangt wird, vor Ort zu entscheiden, ob ihr ausgebranntes Fahrzeug noch einen Restwert hat oder eben nicht. Da es Versicherungsnehmern meist an Erfahrungssätzen fehlt, dürfte es oftmals nur vom Zufall abhängen, ob die Abschleppkosten von der Vollkaskoversicherung übernommen werden. Stellt sich heraus, dass das ausgebrannte Fahrzeug über keinerlei Restwert mehr verfügt, bleibt Geschädigten nur der Weg, Abschleppkosten mit ihrer Kfz-Haftpflichtversicherung abzurechnen, da diese zur Übernahme der Kosten verpflichtet ist – selbst wenn es nicht zu einem Drittschaden gekommen ist. Begründet wird dies damit, dass zur Sicherung des Verkehrs ein Abschleppen des Fahrzeugs regelmäßig veranlasst wird, da es oftmals zu Verschmutzungen der Straße infolge auslaufender Flüssigkeiten kommt.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.12.2015 – 12 U 101/15
Thema: Verkehrsrecht