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Schlagwort: Sachverständige

Kontrolle von Gutachten: Persönliche Anhörung des Betroffenen ist im Betreuungsverfahren unerlässlich

Psychische Erkrankungen sowie körperliche, geistige oder seelische Behinderungen eines Volljährigen können eine Betreuung und die Bestellung eines Betreuers erfordern. Dabei ist besonders zu beachten, in welchem Maße der Betroffene selbst zu Gehör zu kommen hat. Dass die Anforderungen der Rechtsprechung hier sehr hoch sind, zeigt im Folgenden einmal mehr der Bundesgerichtshof (BGH).

 

Die Betroffene kam offenbar mit ihrem Betreuer nicht zurecht und hatte die Aufhebung einer über sie eingerichteten Betreuung sowie jedenfalls einen Betreuerwechsel beantragt. Sie wollte stattdessen von ihrem Ehemann vertreten werden. Das Gericht holte ein neues fachpsychiatrisches Gutachten ein. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Frau nicht in der Lage sei, dem Ehemann wirksam eine Vollmacht auszustellen. Deshalb müsse die Betreuung fortbestehen. Da offenbar keine Gründe gesehen wurden, den bisherigen Betreuer auszuwechseln, verblieb es bei der bisherigen Betreuerbestellung.

Aber das Gericht hatte rein schriftlich entschieden und die Betroffene nicht persönlich angehört – und da sah der BGH den Verfahrensfehler der vorherigen Instanzen. Es sei laut BGH diese persönliche Anhörung jedoch unerlässlich, um der Kontrollfunktion gerecht zu werden, die das Gericht gegenüber dem Sachverständigen habe. Nur durch die persönliche Anhörung könne vermieden werden, dass das Gericht „blind“ dem Sachverständigen folge. Deshalb hat der BGH die Vorentscheidungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Hinweis: Auch wenn der Umgang mit Betreuten mühsam sein kann – der BGH nimmt den Schutz gerade dieser Menschen zu Recht sehr ernst.

Quelle: BGH, Beschl. v. 15.02.2020 – XII ZB 438/19

Thema: Familienrecht

Fiktive Abrechnung: Auch über dem Wiederbeschaffungswert liegende Nettoreparaturkosten können erstattet werden

Übersteigen die Nettoreparaturkosten den Wiederbeschaffungsaufwand, ohne über dem Wiederbeschaffungswert zu liegen, kann der Geschädigte auf dieser Basis abrechnen, sofern er das Fahrzeug durch eine (Teil-)Reparatur  in einen verkehrssicheren Zustand versetzt und es mindestens sechs Monate weiter benutzt.

Bei einem unverschuldeten Unfall wurde das Auto des Geschädigten erheblich beschädigt. Der von ihm eingeschaltete Sachverständige ermittelte die Nettoreparaturkosten mit 5.600 EUR, den Wiederbeschaffungswert mit 7.000 EUR und den Restwert mit 2.000 EUR. Danach beträgt der Wiederbeschaffungsaufwand 5.000 EUR. Die gegnerische Versicherung erstattete jedoch nur den Wiederbeschaffungsaufwand – nicht aber die vom Geschädigten verlangten Nettoreparaturkosten.

Das Kammergericht hat die Versicherung zur Zahlung der Nettoreparaturkosten verurteilt. Der Geschädigte war im vorliegenden Fall berechtigt, die Nettoreparaturkosten fiktiv nach Gutachten ersetzt zu verlangen, weil er in Eigenregie das Fahrzeug zumindest teilweise repariert hat. Weiterhin konnte er nachweisen, dass er das Fahrzeug auch sechs Monate nach dem Unfall selbst weiter nutzte.

Hinweis: Im vorliegenden Fall war der Geschädigte berechtigt, die Nettoreparaturkosten ersetzt zu verlangen. Eines Nachweises über die Kosten der Reparatur bedurfte es nicht. Zu den für eine sach- und fachgerechte Reparatur erforderlichen Kosten hätte er sich nur dann äußern müssen, wenn das zur Grundlage seiner fiktiven Abrechnung gemachte Sachverständigengutachten unbrauchbar gewesen wäre. Zu beachten ist aber, dass eine fiktive Abrechnung dann nicht möglich ist, wenn die geschätzten Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert liegen.

Quelle: KG, Urt. v. 14.12.2017 – 22 U 177/15

Thema: Verkehrsrecht

Güterrechtliche Auseinandersetzung: Wie eine Gesellschaftsbeteiligung beim Zugewinnausgleich bewertet wird

Ist ein Ehegatte als Gesellschafter an einer Gesellschaft beteiligt, stellt sich in der Praxis die Frage, wie diese Beteiligung im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung anlässlich der Scheidung zu bewerten ist. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun dazu Vorgaben gemacht, deren Grundzüge wie folgt skizziert sind.

Ein Ehemann hatte mit drei anderen eine Gesellschaft gegründet, die sich mit der Entwicklung und dem Vertrieb von Spracherkennungs- und Sprachlernsoftware beschäftigte. Anfangs wurde die Gesellschaft als BGB-Gesellschaft geführt. Dann folgte die Umwandlung in eine GmbH und schließlich in eine nicht bösennotierte AG. Im Scheidungsverfahren des Mannes tauchte die Frage auf, wie der Gesellschaftsanteil des Mannes an dem Unternehmen im Hinblick auf die Regelung des Zugewinnausgleichs zu bewerten ist.

Aus den für die Bewertung eines Unternehmens zur Verfügung stehenden Methoden entschied sich der eingeschaltete Sachverständige hier für die sogenannte Ertragswertmethode, wie auch der BGH. Wesentlich für die Bewertung nach dieser Methode sind die Erträge des Unternehmens aus der Zeit der letzten drei bis fünf Jahre. Die jüngeren Erträge können dabei stärker gewichtet werden als die älteren.

Ist als Unternehmen eine freiberufliche Praxis oder ein inhabergeführtes Unternehmen zu bewerten, kommt es zu einer sogenannten Modifikation, weshalb dann auch von der modifizierten Ertragswertmethode gesprochen wird. Von dem nach den Erträgen bestimmten Wert wird zuerst der Inhaberlohn abgezogen, dessen Höhe sich nach den individuellen Verhältnissen des Inhabers richtet. Von dem verbleibenden Betrag geht zudem noch ab, was an Steuern vom Inhaber zu zahlen wäre, wenn er sein Unternehmen oder seine Beteiligung am Unternehmen zum ermittelten Wert veräußern würde (latente Steuerlast). Was schließlich übrig bleibt, ist der Betrag, der als Vermögensposition in die güterrechtliche Berechnung einzubeziehen ist.

Hinweis: Der Laie hat keine Möglichkeit, die Problematik allein zu klären. Ein Sachverständiger ist erforderlich, ebenso ein erfahrener Rechtsanwalt.

Quelle: BGH, Urt. v. 08.11.2017 – XII ZR 108/16

Thema: Familienrecht

Unwirtschaftliche Kfz-Reparatur: Ein pauschaler Nachlass beeinflusst die Wirtschaftlichkeit einer Reparatur nicht

Gewährt eine Reparaturwerkstatt einem Geschädigten einen Preisnachlass, ist hierin kein objektives Kriterium zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit zu sehen.

Bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall wurde das Fahrzeug des Geschädigten erheblich beschädigt. Der von ihm beauftragte Sachverständige ermittelte die Reparaturkosten mit 4.900 EUR und bezifferte den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs mit 2.100 EUR. Dem Geschädigten lag daran, sein Fahrzeug reparieren zu lassen. Er vereinbarte daher mit der Werkstatt einen Preisnachlass auf den Arbeitslohn. Zudem wurde sein Fahrzeug mit Gebrauchtteilen repariert. Obwohl der Mann die Reparaturkosten dadurch erheblich mindern konnte, zahlte die Haftpflichtversicherung dennoch nicht den tatsächlich entstandenen Aufwand von 2.700 EUR, sondern nur den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts – insgesamt etwa 1.850 EUR.

Das Landgericht Trier hat entschieden, dass der Geschädigte trotz seiner Mühen um Kostenreduktion keinen Anspruch auf die Erstattung der Reparaturkosten hat. Denn es ist grundsätzlich so, dass Reparaturkosten, die den Wiederbeschaffungswert um 130 % übersteigen, nicht erstattet werden können. Nach Auffassung des Gerichts waren dem Kläger die Reparaturkosten auch nicht dadurch zu erstatten, dass ihm die Werkstatt einen Nachlass auf den Arbeitslohn eingeräumt hatte. Ein solcher pauschaler Nachlass beeinflusst die nach objektiven Kriterien zu beurteilende Wirtschaftlichkeit einer Reparatur nicht, da eine nach diesen Gesichtspunkten unwirtschaftliche Reparatur durch die Gewährung eines pauschalen Nachlasses nicht wirtschaftlich wird. Reparaturkosten können nicht in einen wirtschaftlich vernünftigen und einen wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgesplittet werden.

Hinweis: Wird eine Reparatur innerhalb der 130-%-Grenze nur dadurch möglich, dass sie mit gebrauchten Ersatzteilen durchgeführt wird, ist dies nicht zu beanstanden – solange diese entsprechend den Vorgaben des Sachverständigen erfolgt. Preisnachlässe oder Sonderkonditionen sind jedoch nicht zu berücksichtigen.

Quelle: LG Trier, Urt. v. 26.05.2015 – 1 S 91/14
Thema: Verkehrsrecht