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Schlagwort: Schutz

Videoüberwachung von Arbeitnehmern: Der Materialverwertung steht bei entsprechendem Verdacht kein Zeitablauf entgegen

Laut Bundesarbeitsgericht (BAG) kann Videoüberwachung von Arbeitnehmern durchaus rechtmäßig sein. Wenn die dafür notwendigen Voraussetzungen gegeben sind, dürfen die Aufzeichnungen bei entsprechendem Verdacht verwendet werden. Wie lange das Material gerichtlich verwendet werden darf, musste das BAG im folgenden Fall entscheiden.

Ein Arbeitgeber hatte in seinem Tabak- und Zeitschriftenhandel mit Lottoannahmestelle eine offene Videoüberwachung aus Schutz vor Straftaten installiert. Dann wurde ein Fehlbestand bei Tabakwaren festgestellt, und im August wertete der Arbeitgeber die Videoaufzeichnungen entsprechend aus. Auf diesen war schließlich erkennbar, dass eine Arbeitnehmerin an zwei Tagen im Februar vereinnahmte Gelder nicht in die Registrierkasse gelegt hatte. Der Arbeitgeber kündigte ihr daraufhin außerordentlich fristlos, die Arbeitnehmerin klagte dagegen. Sie meinte, die Videoüberwachung sei nach so langer Zeit gerichtlich nicht mehr verwertbar. Das sah das BAG jedoch anders.

Allerdings verwieß das BAG die Angelegenheit an das Landesarbeitsgericht (LAG) zurück, da es nicht selbst abschließend beurteilen konnte, ob die offene Videoüberwachung rechtmäßig war. Bei einer solchen Zulässigkeit ist dann auch die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen zulässig und es läge dementsprechend keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmerin vor. Denn der Arbeitgeber musste das Bildmaterial nicht sofort auswerten – er darf durchaus so lange warten, bis es dafür einen berechtigten Anlass gibt. Sollte das LAG also befinden, dass die offene Videoüberwachung rechtmäßig erfolgt ist, stehen auch die Vorschriften der seit dem 25.05.2018 geltenden DSGVO einer gerichtlichen Verwertung im weiteren Verfahren nicht entgegen.

Hinweis: Die Speicherung von Bildern aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung, die strafrechtlich relevante Handlungen eines Arbeitnehmers zeigen, wird also nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig.

Quelle: BAG, Urt. v. 23.08.2018 – 2 AZR 133/18

Thema: Arbeitsrecht

Amtliche Verwahrung: Gültigkeit eines Testaments trotz Rücknahme

Testamente können beim Amtsgericht in Verwahrung gegeben werden. Das bietet den Vorteil, dass sie nicht verlorengehen oder zerstört werden können. Der Nachteil ist jedoch, dass sie nicht mehr änderbar sind, da eine Rücknahme des Testaments aus der Verwahrung als Widerruf gilt und das Testament somit ungültig macht.

Eine Frau hinterlegte zwei notarielle Testamente zur Verwahrung beim Amtsgericht. Darin setzte sie ihre Enkelin, von der sie gepflegt wurde, zur Alleinerbin ein und bedachte ihre Tochter mit einem Geldbetrag. Ein paar Jahre später verlangte sie die Testamente vom Amtsgericht wieder heraus. Das Amtsgericht belehrte die Frau darüber, dass die Testamente durch die Rückgabe als widerrufen gelten, und vermerkte dies entsprechend auf den Testamenten. In den folgenden zwei Jahren verfasste die Frau noch mehrere Schreiben, die sich auf die Testamente bezogen, die Formulierung „Betrifft mein Testament. Ich muss mein Testament ändern …“ enthielten und das Vermächtnis der Tochter einschränkten. Als die Frau verstarb, machte die Enkelin geltend, sie sei aufgrund der notariellen Testamente Alleinerbin.

Das Gericht musste entscheiden, ob die Testamente durch die Rücknahme wirksam widerrufen worden waren oder nicht. Zwar wurde die Erblasserin über die Folgen des Widerrufs ausdrücklich belehrt, jedoch befand sie sich trotzdem über die Rechtsfolgen im Irrtum. Dies ergibt sich daraus, dass sie immer wieder auf die Testamente Bezug genommen hatte und es ihr offenkundig sehr wichtig war, die Angelegenheit zu regeln. Hätte sie die Rechtsfolge der Rücknahme verstanden und wäre ihr damit klar gewesen, dass das Testament damit als widerrufen gilt, wäre es nicht erforderlich gewesen, diesen Widerruf durch weitere Schreiben erneut zu erklären. Damit sah das Gericht die Testamente als weiterhin gültig und somit die Enkelin als Alleinerbin an.

Hinweis: Sowohl ein notarielles als auch ein eigenhändig verfasstes Testament kann in amtliche Verwahrung beim zuständigen Amtsgericht gegeben werden. Für die Verwahrung muss eine pauschale Gebühr in Höhe von 75 EUR entrichtet werden. Die Verwahrung bietet einen hohen Schutz davor, dass das Testament nicht gefunden, vernichtet oder gefälscht wird, und vermeidet somit Streitigkeiten im Erbfall. Möchte man ein amtlich verwahrtes Testament ändern, muss das Testament persönlich herausverlangt und ein neues, geändertes in amtliche Verwahrung geben werden.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.12.2015 – I-3 Wx 285/14
Thema: Erbrecht

Kündigungsfrist: Eine Verlängerung zum Vorteil des Arbeitnehmers auf Probe ist rechtens

Häufig wird einem neuen Arbeitsverhältnis eine Probezeit vorangestellt. Aber wie genau sieht es dabei mit den exakten Kündigungsmodalitäten aus?

Das Kündigungsschutzgesetz greift nur,

  • wenn der Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt und
  • wenn ein Arbeitsverhältnis mindestens sechs Monate besteht.

Bis zum Ablauf der sechs Monate gilt die sogenannte Wartezeit. Nach Ablauf dieser Wartezeit benötigt der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund – vorher nicht. Der Arbeitnehmer ist währenddessen nur vor einer sitten- oder treuwidrigen Kündigung gesetzlich geschützt. Nun wurde einem Arbeitnehmer innerhalb dieser Wartezeit gekündigt, allerdings nicht mit der gesetzlich kurzen Frist von zwei Wochen, sondern mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende. Dagegen klagte der Mitarbeiter. Er meinte, dass es sich bei der verlängerten Kündigungsfrist von drei Monaten um eine clever gedachte Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes handeln würde.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg war da jedoch anderer Ansicht und wies die Klage ab. Aber: Es lag nur deshalb keine Umgehung des Kündigungsschutzes vor, da in diesem Fall die Verlängerung der Kündigungsfrist im Interesse des Arbeitnehmers gelegen hatte. Denn dieser sollte die Chance erhalten, sich nochmals zu bewähren und für eine Weiterbeschäftigung zu empfehlen. Anders würde das wahrscheinlich aussehen, wenn nur eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitgeberinteresse vorliegt. Will sich ein Arbeitgeber eigentlich gar nicht vom Arbeitnehmer trennen, liegt ein treuwidriges Verhalten vor – und in der Tat eine rechtswidrige Umgehung des Kündigungsschutzes.

Hinweis: Der Arbeitgeber hat hier gewonnen, da er nachweisen konnte, dass er dem Arbeitnehmer noch eine Chance geben wollte, sich zu bewähren – und das lag eindeutig im Arbeitnehmerinteresse. Grundsätzlich sind Kündigungen innerhalb der Wartezeit mit einer Verlängerung der Kündigungsfrist sehr problematisch und können dazu führen, dass eine Kündigung rechtswidrig ist.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 06.05.2015 – 4 Sa 94/14

Thema: Arbeitsrecht

Rauchverbot in Gaststätten und E-Zigarette

Das Rauchverbot in Gaststätten stellt nach der Rechtsprechung eine zulässige Einschränkung der Gewerbefreiheit dar. Nach Aufkommen der E-Zigarette herrschte Rechtsunsicherheit darüber, ob das Rauchverbot in Gaststätten nach den jeweiligen Nichtraucherschutzgesetzen der Länder auch den Konsum einer E-Zigarette umfasst.

Für das Land Nordrhein-Westfalen ist die Frage nun geklärt. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat mit Urteil vom 04. November 2014 (Aktenzeichen: 4 A 775/14) nunmehr festgestellt, dass das nordrheinwestfälische Nichtraucherschutzgesetz nicht für E-Zigaretten gilt. Der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts lag der folgende Fall zugrunde:

Die Stadt Köln hatte einen Gaststättenbetreiber, der den Konsum von E-Zigaretten in seiner Gaststätte geduldet hatte, Ordnungsmaßnahmen angedroht. Die Stadt war der Auffassung, dass das Rauchverbot des Nichtraucherschutzgesetzes NRW in Gaststätten nicht nur den Konsum von Tabakwaren sondern auch denjenigen von E-Zigaretten umfasst. Dagegen erhob der betroffene Gastwirt Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln und begehrte die Feststellung, dass das Nichtraucherschutzgesetz NRW den Konsum von E-Zigaretten nicht untersage. Die Klage des Gastwirts hatte sowohl vor dem Verwaltungsgericht Köln als auch in zweiter Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht Münster Erfolg.

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in seinem Urteil vom 04. November 2014 zum einen darauf abgestellt, dass das Nichtraucherschutzgesetz in NRW die E-Zigarette weder ausdrücklich noch unter Rückgriff auf den Begriff des „Rauchens“ oder „Rauchverbots“ erfasse. Rauchen setze nämlich einen Verbrennungsvorgang voraus, woran es bei der Anwendung der E-Zigarette fehle. Anders als bei herkömmlichen Tabakwaren oder sogar Wasserpfeifen finde bei dem Konsum von E-Zigaretten kein Verbrennungsvorgang sondern eine Verdampfung statt, was einen erheblichen Unterscheid darstelle. Außerdem gelte das Nichtraucherschutzgesetz nur für Tabakwaren, die im Falle von E-Zigaretten zumindest im Rechtssinne nicht vorlägen. Bei der Auslegung des Begriffs „Tabakprodukte“ müsse in Anlehnung an die Vorschrift des § 3 des Vorläufigen Tabakgesetzes zwischen den Begriffen Nikotin und Tabak unterschieden werden. Danach sind Tabakerzeugnisse nur aus Rohtabak oder unter Verwendung von Rohtabak hergestellte Erzeugnisse, die zum Rauchen, Kauen oder zum Schnupfen bestimmt sind. Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Münster zielt das Rauchverbot des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nichtraucherschutzgesetz zu dem ausschließlich darauf ab, den Konsum von Tabakprodukten zu unterbinden und dadurch die Gesundheit von Nichtrauchern vor den Gefahren des Passivrauchens zu schützen. Der Konsum von E-Zigaretten begründe derartige Gefahren jedoch nicht. Bei dem Gebrauch der E-Zigarette entstehe nämlich kein Zigarettenrauch, sondern nur Dampf. Mangels Verbrennungsprozesses finde eine Freisetzung der zahlreichen schädlichen Stoffe, die sich im Zigarettenrauch befinden, nicht statt.

Daher gilt, dass solange das Nichtraucherschutzgesetz NRW das Rauchverbot nicht ausdrücklich auch auf die E-Zigaretten ausgedehnt, in nordrheinwestfälischen Gaststätten weiter Dampf konsumiert werden darf.

Die rechtliche Einordnung der E-Zigarette dürfte allerdings auch nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts in mancher Hinsicht umstritten bleiben und die Gerichte in der einen oder anderen Fallgestaltung beschäftigen. Grund hierfür dürfte vor allem sein, dass es noch keine hinreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Gefahren und Risiken, die mit dem Konsum von E-Zigaretten verbunden sind, vorliegen. So gibt es auf Bundes- und Landesebene zahlreiche Stimmen, die die Auffassung vertreten, dass es sich bei E-Zigaretten um zulassungspflichtige Arzneimittel handelt, die zugleich dem Nichtraucherschutzrecht unterfallen. Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings mit Urteil vom 22. November 2014 (3 C 25/13) die Einordnung von E-Zigaretten als Arzneimittel oder Medizinprodukt abgelehnt. Geklagt hatte der Inhaber eines Wuppertaler Ladengeschäftes für E-Zigaretten und Zubehör, dem die Stadt den Vertrieb nikotinhaltiger Liquids mit der Begründung untersagte, es handele sich hierbei um Arzneimittel, die wegen Fehlens der erforderlichen Zulassung nicht verkehrsfähig seien. Das Bundesverwaltungsgericht sah die nikotinhaltigen Liquides dagegen nicht als Arzneimittel an, da die Liquids weder als Mittel zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten präsentiert wurden, noch erfüllten sie die Funktion eines Arzneimittels. Ein Nutzen der E-Zigarette als Hilfsmittel für eine dauerhafte Rauch- und Nikotinentwöhnung lasse sich wissenschaftlich nicht belegen.

Im Mai 2016 soll allerdings die neue EU-Tabakrichtlinie in Kraft treten, die die E-Zigarette in ihre Regelungen einbezieht. Danach bleiben die Liquids weiterhin frei verkäuflich, d.h. sie unterliegen nicht der Apothekenpflicht. Die Nikotinkonzentration von 20 mg/ml darf nicht überschritten werden, wobei die Aromastoffe in den Liquids erlaubt bleiben. Eine therapeutische Wirkung darf nicht versprochen werden und die Verpackungen sind mit Warnhinweisen zu versehen. Für den Verbraucher ändert sich daher auch nach Inkrafttreten der neuen EU-Tabakrichtlinie nichts, da die E-Zigarette nicht apothekenpflichtig wird.