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Schlagwort: sittenwidrig

Keine Rentenbeteiligung: BGH bestätigt wirksamen Ausschluss des Versorgungsausgleichs durch Ehevertrag

Nicht alles, was Eheleute durch einen Ehevertrag regeln wollen, kann auch tatsächlich geregelt werden. Die dazu erforderlichen Regelungsbefugnisse hat der Bundesgerichtshof (BGH) beschränkt – das gilt auch für den Versorgungsausgleich. Darum ging es auch im folgenden Fall, der unserem obersten Zivilgericht vorgelegt wurde.

Die 1960 geborene Frau und der 1938 geborene Mann heirateten 1981 und bekamen drei Kinder. 1994 schlossen sie einen Ehevertrag. Darin schlossen sie unter anderem den Versorgungsausgleich aus. Als sie sich nur zwei Jahre später 1996 scheiden ließen, machte die Frau geltend, dass der getroffene Ausschluss unwirksam sei. Daraufhin setzte der BGH die Lupe an.

Die Richter prüften dabei zuerst, ob die Frau eine hinreichende eigene Altersversorgung habe. Sie stellten fest, dass dies bei der Frau als Sport- und Gymnastiklehrerin mit viel Berufserfahrung durchaus der Fall sei. Danach ging das Gericht der Frage nach, ob der Ausschluss des Versorgungsausgleichs im vorliegenden Fall zu einem Ergebnis führe, das mit den Grundsätzen der ehelichen Solidarität schlechthin unvereinbar sei – und verneinte dies. Und schließlich betonte der Senat ausdrücklich, dass der Vertrag subjektiv von seiner inneren Intention heraus nicht sittenwidrig – also nicht in schädigender Absicht – geschlossen worden sei. Vielmehr sei er in der beiderseitigen Vorstellung, eine sinnvolle Regelung zu treffen, entstanden. Deshalb erklärte der BGH die vertragliche Regelung in der Summe für durchaus rechtens und schloss sich als letzte Instanz dem Einwand der Frau nicht an. Sie wird also nicht an der Rente des Mannes beteiligt.

Hinweis: Eine ehevertragliche Regelung ist in ihrer Wirksamkeit üblicherweise bezogen auf zwei Zeitpunkte zu überprüfen; nämlich den des Vertragsschlusses einerseits und den von Trennung und Scheidung andererseits. Diese Unterscheidung unterblieb im vorliegenden Fall, weil die Ereignisse mit einem Zeitraum von nur nur zwei Jahren nah beieinander lagen.

Quelle: BGH. Beschl. v. 27.05.2020 – XII ZB 447/19

Thema: Familienrecht

Sittenwidrige Testamentsbedingung: Ein Erbe darf nicht an die halbjährliche Besuchspflicht der Enkel geknüpft werden

In Testamenten werden den Erben immer wieder Bedingungen gestellt, ohne deren Erfüllung sie nicht zu Erben werden. Das jedoch nicht jede Bedingung zulässig ist, beweist das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).


Ein Mann hatte in seinem handschriftlichen Testament angeordnet, dass seine Enkel neben seiner Frau und seinem Sohn zu seinen Erben würden, „aber nur dann, wenn sie mich regelmäßig d.h. mindestens 6-mal im Jahr besuchen“. Von dieser Regelung wussten die Enkel auch, besuchten ihn jedoch nur einmal pro Jahr. Nach seinem Tod verweigerte die Ehefrau den Enkeln daher ihren Erbteil.

Das OLG stellte sich jedoch auf die Seite der Enkel. Es ging davon aus, dass die Bedingung, die die Erbenstellung der Enkel von der Erfüllung einer ihnen auferlegten Besuchspflicht abhängig macht, sittenwidrig und damit nichtig ist. Nach Ansicht des Gerichts sei zwar nichts gegen den Wunsch des Erblassers einzuwenden, seine Enkelkinder in regelmäßigen Abständen bei sich zu Hause zu sehen. Jedoch hatte der Erblasser in diesem Fall durch die Formulierung im Testament in die Entschließungsfreiheit der Enkelkinder eingegriffen.

Hinweis: Grundsätzlich darf ein Erblasser die Erbfolge (abgesehen von Pflichtteilen) frei gestalten und auch an Bedingungen knüpfen. Die Sittenwidrigkeit solcher Bedingung kann nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen angenommen werden, die im Einzelfall zu prüfen sind. Dabei müssen Umstände vorliegen, die erkennen lassen, dass der Erblasser durch einen wirtschaftlichen Anreiz in einer gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verstoßenden Weise ein bestimmtes Verhalten zu „erkaufen“ sucht.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 05.02.2019 – 20 W 98/18

Thema: Erbrecht

Sittenwidrige Löhne: Hungerlöhne zahlende Firmen müssen Jobcenter fürchten

Die größte Gefahr droht Hungerlöhne zahlenden Arbeitgebern durch das Jobcenter.

Eine Pizzeria beschäftigte in den Jahren 2011 bis 2014 eine Auslieferungsfahrerin, die bei einer Arbeitszeit von 35 bis 40 Stunden pro Monat pauschal 136 EUR erhielt. Daneben bekam sie Leistungen zur Grundsicherung vom Jobcenter. Das Jobcenter rechnete nun aus, dass der Stundenlohn bei etwa 3,40 EUR lag. Damit war der Lohn sittenwidrig niedrig, zudem wären bei Zahlung einer angemessenen Vergütung geringere Beträge an Grundsicherung angefallen. Da das Jobcenter also weniger hätte zahlen müssen, wollte es nun die Differenz vom Arbeitgeber erstattet bekommen.

Das Landesarbeitsgericht gab der Klage in Höhe von 5.744,18 EUR statt, da es sich tatsächlich um einen Hungerlohn gehandelt hatte. Die Vereinbarung war unwirksam, es hätte die übliche Vergütung gezahlt werden müssen.

Hinweis: Wird ein solcher Hungerlohn gezahlt und erhält der Arbeitnehmer zusätzlich Aufstockungsleistungen durch das Jobcenter, kann dieses Zahlungen vom Arbeitgeber verlangen. Seit 2015 gibt es den gesetzlichen Mindestlohn, um derartige Hungerlöhne zu vermeiden.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.04.2016 – 15 Sa 2258/15
Thema: Arbeitsrecht