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Schlagwort: Sorgfaltspflicht

Achtlos hangaufwärts geschwungen: Ein Verstoß gegen die FIS-Regeln beim Skifahren kann teuer zu stehen kommen

Egal, auf welche Pisten sich ein Skiurlauber zu schwingen gedenkt – er sollte dabei stets die geltenden Regelungen des internationalen Skiverbands (FIS-Regeln) beachten. Denn dass eine Missachtung des anerkannten Verhaltenskodex teuer werden kann, zeigt der folgende Fall des Landgerichts Frankenthal (LG).

Zwei deutsche Skifahrer hatten an einer Skireise nach Kanada teilgenommen. Bei einer gemeinsamen Abfahrt der Reisegruppe wurde der eine Wintersportler von dem anderen überholt. Hierbei kam es zu einem Zusammenstoß. Bei dem Verletzten wurde nach seiner Rückkehr nach Deutschland ein Kreuzband- und Seitenbandriss sowie eine Verletzung des Innen- und Außenmeniskus festgestellt. Der Skifahrer hatte die FIS-Regeln bei dem Überholmanöver verletzt und wurde zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 27.000 EUR verklagt – und vom LG auch entsprechend verurteilt.

Der Unfallverursacher hatte unmittelbar vor dem Unfall zum Linksschwung angesetzt und ist dann beim Ausfahren aus der Kurve leicht hangaufwärts gefahren. Hierbei gilt nach Nr. 5 der FIS-Regeln jedoch eine besondere Sorgfaltspflicht, die der Skifahrer nicht beachtet hatte. Jeder Skifahrer, der hangaufwärts schwingen oder fahren will, muss sich nach unten und nach oben vergewissern, dass er dies ohne Gefahr für sich und andere tun kann. Und der Unfall bewies, dass dies hier nicht erfolgt war.

Hinweis: Es zeigt sich, wie wichtig eine private Haftpflichtversicherung sein kann. Diese wird wohl mit großer Wahrscheinlichkeit den Skifahrer davor schützen, selbst zahlen zu müssen.

Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 17.11.2020 – 7 O 141/19

Thema: Sonstiges

Eigenverantwortung von Fahrgästen: Kein Schadensersatz nach einem Sturz bei typischen und zu erwartenden Bewegungen eines Busses

Immer wieder passiert es: Ein Fahrgast stürzt beim Anfahren eines Linienbusses und klagt daraufhin auf Schadensersatz, da er der Meinung ist, dass der Busfahrer hier seine Sorgfaltspflicht verletzt hat. So auch in diesem Fall, den das Oberlandesgericht Celle (OLG) zu bewerten hatte.

Doch auch hier hat das OLG die Schadensersatzansprüche des Fahrgasts abgelehnt. Denn der Gestürzte konnte nicht nachweisen, dass sich der Busfahrer nicht verkehrsgerecht verhalten hatte. Es ist in solchen Fällen anerkannt, dass der Fahrer eines Linienbusses nicht verpflichtet ist, seine Fahrgäste dahingehend zu beobachten, ob diese einen Sitzplatz eingenommen oder festen Halt erlangt haben. Vielmehr ist sich der Fahrgast einer Straßenbahn oder eines Linienbusses grundsätzlich selbst überlassen – er ist verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen. Weiterhin gilt, dass der Fahrer eines fahrplangebundenen Linienbusses darauf vertrauen darf, dass die Fahrgäste dieser Verpflichtung nachkommen. Dies gilt insbesondere auch vor bzw. bei dem Anfahren von einer Haltestelle, bei der der Busfahrer seine Aufmerksamkeit insbesondere auf den vor ihm liegenden Verkehrsraum und die übrigen Verkehrsteilnehmer richten muss. Auch hier liegt es allein in der Verantwortung des Fahrgasts, für einen sicheren Halt zu sorgen, um nicht bei typischen oder zu erwartenden Bewegungen des Busses zu Fall zu kommen.

Hinweis: Die Entscheidung entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung. Eine Ausnahme von den dargelegten Grundsätzen besteht nur dann, wenn der zusteigende Fahrgast eine erkennbare schwere Behinderung (z.B. Beinamputation, Erblindung) hat, so dass sich dem Busfahrer geradezu aufdrängen muss, dass dieser ohne besondere Rücksichtnahme gefährdet sein kann.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 26.06.2018 – 14 U 70/18

Thema: Verkehrsrecht

Zweite Rückschau beim Linksabbiegen: Grob verkehrswidriges Verhalten eines Überholenden entbindet von der doppelten Rückschaupflicht

Jeden Linksabbieger trifft prinzipiell die Pflicht der sogenannten zweiten Rückschau. Die Ausnahme dieser Regel greift nur dann, wenn der Linksabbieger in nachvollziehbarer Weise nicht mit einem von hinten kommenden Überholer hat rechnen müssen.

Ein Mann fuhr innerorts hinter zwei Fahrzeugen her. Diese verlangsamten ihre Geschwindigkeit auf etwa 20 bis 25 km/h. Nach einer Strecke von etwa 400 bis 500 m entschloss sich der hinter ihnen Fahrende, die beiden Vorausfahrenden zu überholen – zu einem Zeitpunkt, als seine Fahrbahn von der Gegenfahrbahn durch eine durchgezogene Linie getrennt war. Während des Überholvorgangs stieß er dann mit dem an erster Stelle fahrenden Fahrzeug zusammen, weil dessen Fahrer nach links auf einen Parkplatz abbiegen wollte.

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat Schadensersatzansprüche des Überholenden als unbegründet zurückgewiesen. Zwar habe der Linksabbieger die doppelte Rückschaupflicht zu beachten und eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs auszuschließen. Ein Linksabbieger kann von der Verpflichtung zu dieser zweiten Rückschau aber enthoben sein, wenn ein Überholen aus technischen Gründen nicht möglich ist oder ein Linksüberholen im besonderen Maß verkehrswidrig wäre. Wenn ein Überholen demnach fernliegt, muss sich der Linksabbiegende auch unter Berücksichtigung der gesteigerten Sorgfaltspflicht auf eine solche Möglichkeit nicht einstellen. Wer eine Kolonne überholt, muss nach den Örtlichkeiten zudem sicher sein, dass kein Vorausfahrender links abbiegen will. Hier hat der Überholende in einer unklaren Verkehrslage und bei einem durch Verkehrszeichen angeordneten Überholverbot die vor ihm fahrenden Fahrzeuge überholt und außerdem den nach links gesetzten Blinker des ersten Fahrzeugs übersehen. Der Abbiegende musste im vorliegenden Fall seinerseits nicht damit rechnen, überholt zu werden.

Hinweis: Wie das Urteil zeigt, ist der Abbiegende von der doppelten Rückschaupflicht nur befreit, wenn das Verhalten des nachfolgenden Verkehrs sich als grob verkehrswidrig darstellt. Allein das Verkehrszeichen Überholverbot oder eine Fahrstreifen- und Fahrbahnbegrenzung würden nicht ausreichen, um von dieser Pflicht befreit zu sein.

Quelle: OLG Frankfurt, Urt. v. 11.01.2017 – 16 U 116/16
Thema: Verkehrsrecht

Bushaltestelle: Schadensverteilung bei Kollision zwischen Radler und Fahrgast

Kollidiert ein Radfahrer auf einem Radweg, der an einer Bushaltestelle vorbeiführt und für die Fahrgäste einen reservierten Bereich von bis zu 3 m vorsieht, mit einem just ausgestiegenen Fahrgast, kommt eine Haftungsverteilung von 80 : 20 zu Lasten des Radfahrers in Betracht

Eine Radfahrerin befuhr innerorts einen Radweg. Links von ihr hielt ein Linienbus, aus dem Fahrgäste ausstiegen. Mit einem der Fahrgäste kollidierte die Radfahrerin und verletzte sich hierbei. Sie verlangte von dem Fahrgast Schadensersatz.

Das Kammergericht Berlin hat der Radfahrerin lediglich Schadensersatz von 20 % zugesprochen. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass der Zusammenstoß überwiegend von ihr selbst verursacht wurde, und bemisst deren Mitverschuldensanteil mit 80 %. Die Radfahrerin hätte erkennen können, dass aus dem haltenden Linienbus Fahrgäste aussteigen, und war daher zu einer erhöhten Aufmerksamkeit und Sorgfalt verpflichtet. Zu berücksichtigen war, dass der relativ schmale Bereich für Fußgänger von bis zu 3 m nicht geeignet war, eine größere Zahl von aussteigenden Fahrgästen aufzunehmen, und diese durch nachrückende Fahrgäste auf den sich anschließenden Radweg gedrängt werden. Die Radfahrerin hätte die Haltestelle nur passieren dürfen, wenn eine Gefährdung von Fahrgästen ausgeschlossen ist – was ersichtlich nicht der Fall war.

Hinweis: In der Straßenverkehrsordnung ist geregelt, dass an ein- oder aussteigenden Fahrgästen mit Schrittgeschwindigkeit nur in einem solchen Abstand vorbeigefahren werden darf, dass eine Gefährdung der Fahrgäste ausgeschlossen ist. Diese Vorschrift verlangt also eine außerordentliche Aufmerksamkeit und Sorgfaltspflicht. Eine Schadensverteilung von 80 : 20 zu Lasten der Radfahrerin erscheint daher angemessen.

Quelle: KG, Beschl. v. 15.01.2015 – 29 U 18/14 

Thema: Verkehrsrecht