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Schlagwort: Sozialhilfeträger

Sozialhilfeempfänger erbt „Denkmal“: Ein Hausgrundstück mit Immobilie stellt nicht unbedingt verwertbares Vermögen dar

Dass ein Hausgrundstück als Erbschaft nicht immer nur Gutes verheißt, ist sicherlich den meisten klar. Das Hessische Landessozialgericht (LSG) musste sich in einem solchen Fall mit der Frage beschäftigen, ob und wann ein Sozialhilfeträger vom leistungsbeziehenden Erben verlangen kann, sein geerbtes Grundstück zu verwerten.

Der Leistungsberechtigte hatte während des Bezugs von Leistungen von seiner Mutter ein Hausgrundstück geerbt, auf dem sich ein denkmalgeschütztes Gebäude befand. Zwischen dem Erben und dem Träger der Sozialhilfe entstand im Kern ein Streit darüber, ob eine Verpflichtung zur Verwertung der Immobilie bestehe. Nach erfolgter gerichtlicher Beweisaufnahme war davon auszugehen, dass eine Verwertung des Grundstücks jedoch nur nach einem Abbruch des Hauses möglich sei. Dabei blieb unklar, ob die denkmalschutzrechtliche Genehmigung zum Abbruch überhaupt erteilt werde.

Nach Ansicht des LSG handelt es sich bei dem Grundstück nach der maßgeblichen Rechtslage weder um ein einzusetzendes Einkommen noch um verwertbares Vermögen. Der Umstand, dass es sich nicht um einzusetzendes Einkommen handelt, beruhe dabei auf der bis 2016 geltenden Rechtslage, nach der die Erbschaft nur zu berücksichtigen gewesen wäre, wenn diese tatsächlich als liquide Mittel zur Deckung des täglichen Bedarfs zur Verfügung gestanden hätte. Darüber hinaus handelte es sich bei der Erbschaft nicht um ein verwertbares Vermögen. Aufgrund der aus Denkmalschutzgründen resultierenden Ungewissheiten über die Zulässigkeit eines Abrisses könne eine solche Immobilie nicht als „marktgängig“ eingestuft werden. Daher konnte auch nicht davon auszugehen sein, dass die Immobilie tatsächlich verwertbar sei.

Hinweis: Nach der ab 2016 geltende Rechtslage würde die Erbschaft einer Immobilie nicht von vorneherein als Einkommen zu qualifizieren sein. Wäre die Immobilie allerdings verwertbar, hätte eine sozialrechtlich bedarfsmindernde Anrechnung durchaus in Betracht kommen können.

Quelle: Hessisches LSG, Urt. v. 30.04.2021 – L 9 AS 361/17

Thema: Erbrecht

Rangfolge verpflichteter Angehöriger: Kommune darf nachrangig Verpflichtete zur Übernahme von Bestattungskosten in Anspruch nehmen

Häufig werden Hinterbliebene mit Beerdigungskosten konfrontiert, wenn die Kommune durch ihre gesetzliche Bestattungspflicht eine Beerdigung veranlasst hat. Die landesgesetzlichen Regelungen knüpfen dabei nicht an die Erbenstellung, sondern vielmehr an die Stellung als Angehörige (Ehegatten, Lebenspartner, volljährige Kinder, volljährige Geschwister, Großeltern, volljährige Enkelkinder) an. Ob und wann dies rechtens ist, hat das Verwaltungsgericht Hannover (VG) im folgenden Fall klargestellt.

Die Eltern der in Anspruch genommenen Tochter lebten beide in einem Pflegeheim. Der Ehemann war verstorben und die überlebende Ehefrau konnte aus eigenen finanziellen Mitteln für die Beerdigungskosten nicht aufkommen. Die Tochter weigerte sich jedoch, die Beerdigung zu veranlassen. Die Gemeinde hat daraufhin entsprechend ihrer gesetzlichen Verpflichtung die Bestattung kostenpflichtig durchgeführt. Eine Inanspruchnahme der Ehefrau erfolgte allerdings nicht, obwohl dies möglich gewesen wäre. Die Ehefrau hätte zu Lebzeiten beim Sozialhilfeträger einen Antrag auf Übernahme der Beerdigungskosten stellen können, was nicht erfolgt ist. Nachdem dann auch die Ehefrau verstorben ist, wurde die Tochter wegen Übernahme der Beerdigungskosten des Vaters durch die Kommune mit einem entsprechenden Bescheid in Anspruch genommen. Die hiergegen gerichtete Klage der Tochter blieb jedoch erfolglos.

Das VG verwies hierbei auf die geltenden Bestattungsgesetze, die eine Rangfolge der bestattungspflichtigen Angehörigen vorsehen. Grundsätzlich kann ein nachrangig bestattungspflichtiger Angehöriger nur dann in Anspruch genommen werden, wenn gegen den vorrangigen Bestattungspflichtigen die Kosten nicht erfolgreich geltend gemacht werden konnten. Verstirbt allerdings der vorrangig Bestattungspflichtige – in diesem Fall die Ehefrau -, ist die Gemeinde nicht daran gehindert, die Kosten auf der nächsten Ebene gegenüber einem grundsätzlich nachrangig Verpflichteten geltend zu machen.

Hinweis: Der Umstand, dass die Gemeinde versäumt hat, die Forderung gegenüber der Ehefrau rechtzeitig per Leistungsbescheid geltend zu machen, hätte nach Ansicht des VG nur dann Auswirkungen gehabt, wenn die zeitliche Grenze der Verjährung des Anspruchs von drei Jahren überschritten worden wäre.

Quelle: VG Hannover, Urt. v. 25.07.2019 – 1 A 2188/17

Thema: Erbrecht

Anrechenbarkeit auf Sozialhilfe: Der Zeitpunkt entscheidet, wann eine Erbschaft Einkommen oder Vermögen darstellt

16. Ab November 2010 erhielt die Erbin sogenannte Aufstockungsleistungen durch den Sozialhilfeträger. Ab Januar 2012 stellte sie einen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab Februar 2012 und gab an, dass sie aus dem Grundstücksverkauf durch die Erbengemeinschaft im Februar 2012 einen Betrag von 5.330 EUR erhalte. Der Sozialhilfeträger wertete die Auszahlung der Erbschaft als Einkommen, rechnete diese auf die Sozialhilfeleistungen an und verweigerte daraufhin seine Leistungen für sechs Monate.

Doch das BSG stand rechtlich auf Seiten der Erbin, dass es sich vorliegend nicht um ein Einkommen im Sinne des Sozialhilferechts handelt. Denn die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen bestimmt sich wie folgt: Einkommen ist grundsätzlich alles das, was jemand nach der Antragstellung des ersten Leistungsfalls (hier: November 2010) wertmäßig dazu erhält. Vermögen ist hingegen alles, was jemand vor der Antragstellung bereits hatte. Abzustellen ist daher grundsätzlich auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Geldzuflusses.

Hinweis: Im Fall einer Erbschaft liegt der Zufluss meist bereits zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers vor. Der Erbe kann ab diesem Zeitpunkt bereits über seinen Anteil am Nachlass verfügen und diesen beispielsweise veräußern. Ob der Erbe diesen Vorteil aus der Erbschaft bereits gezogen hat, spielt dabei keine Rolle. Entscheidend für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist daher, ob der Erbfall vor oder nach der ersten Antragstellung des laufenden Leistungsfalls eingetreten ist. Liegt der Erbfall vor der ersten Antragstellung, handelt es sich um Vermögen. Im konkreten Fall musste dieses Vermögen deshalb nicht eingesetzt werden, weil es mit 5.330 EUR unterhalb der gesetzlichen Freibeträge lag.

Quelle: BSG, Urt. v. 08.05.2019 – B 14 AS 15/18 R

 Thema: Erbrecht

Wirksamkeit von Behindertentestamenten: Keine Sittenwidrigkeit bei fehlenden Verwaltungsanweisungen an den Testamentsvollstrecker

Wie Eltern für ihre behinderten Kinder den Nachlass so regeln können, dass diese versorgt sind, gleichzeitig aber kein Vermögen besteht, auf das die Sozialhilfeträger zugreifen und es verwerten können, zeigt der folgende Fall, der vor dem Bundesgerichtshof (BGH) entschieden werden musste.

Ein Vater setzte in einem notariellen Testament seine zwei behinderten Kinder als Vorerben ein und ordnete die Dauertestamentsvollstreckung bis zu deren jeweiligen Tod an. Ein weiterer Sohn wurde zum Nacherben bestimmt. Die Landeskasse verlangte daraufhin von einem der unter Betreuung stehenden Kinder die Bezahlung eines Anteils aus der Erbschaft. Der BGH lehnte dies jedoch ab.

Das Gericht stellte klar, dass das betreffende Kind über kein verwertbares Vermögen verfüge und somit weder seinen Erbteil noch die daraus erzielten Erträge einsetzen muss. Die angeordnete Testamentsvollstreckung schränke die Verfügungsbefugnis des Betroffenen ein, so dass die Gläubiger des Erben nicht auf die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände zugreifen können. Wenn Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassverteilung durch eine Kombination von Vor- und Nacherbschaft sowie einer – mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen – Dauertestamentsvollstreckung so gestalten, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, der Sozialhilfeträger auf dieses jedoch nicht zugreifen kann, ist dies laut BGH-Rechtsprechung grundsätzlich nicht sittenwidrig. Vielmehr ist diese Anordnungsweise Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus. Ein Behindertentestament wird auch nicht deshalb sittenwidrig, weil darin konkrete Verwaltungsanweisungen an den Testamentsvollstrecker fehlen, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang und zu welchen Zwecken der Betroffene Vorteile aus dem Nachlass erhalten soll.

Hinweis: Der BGH stärkt in diesem Urteil die Rechte von Behinderten und stellt klar, dass Behindertentestamente nur in besonderen Ausnahmefällen als sittenwidrig angesehen werden können. Es empfiehlt sich trotzdem, in einem solchen Testament konkrete Verwendungsanordnungen für die Dauertestamentsvollstreckung aufzunehmen, um Schwierigkeiten zu vermeiden.

Quelle: BGH, Beschl. v. 24.07.2019 – XII ZB 560/18

Thema: Erbrecht

Unantastbares Schonvermögen: Umwandlung von Eigentum zu Nießbrauchsrecht entzieht dem Elternunterhalt keine Zugriffsmasse

Voranschreitende Lebenserwartungen ohne gleichsam anwachsende Einkünfte lassen dem sogenannten Elternunterhalt eine immer stärkere Bedeutung zukommen. Kinder, die für Eltern aufzukommen haben, sind nur eingeschränkt berechtigt, über ihr Vermögen zu verfügen. Wie weit solcherlei Einschränkungen gehen dürfen, musste kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH) klären.

Eine pflegebedürftige Frau war vollstationär in einem Altersheim untergebracht. Die Kosten übernahm für die Zeit von März 2017 bis zu ihrem Tod im Dezember 2017 der Sozialhilfeträger. Dieser machte seine Aufwendungen im Regresswege beim Sohn der Verstorbenen geltend. Der Sohn teilte unter anderem mit, dass er zwar gemeinsam mit seiner Frau Eigentümer der von ihnen bewohnten Wohnung (91 qm Wohnfläche) gewesen sei. Im Oktober 2014 hätten seine Frau und er das Eigentum aber auf die gemeinsame Tochter übertragen, wobei sie sich das lebenslange Nießbrauchsrecht vorbehalten hätten. Die Wohnung könne deshalb bei der Bemessung eines von ihm zu bezahlenden Elternunterhalts nicht als Vermögensposition berücksichtigt werden. Das Amt sah dies jedoch anders: Wegen der Schenkung sei der Mann teilweise außerstande, seine Pflicht gegenüber der Mutter zu erfüllen. Er habe deshalb einen Anspruch gegenüber seiner Tochter auf Rückübertragung, den er geltend machen müsse, um wieder Eigentümer der Wohnung zu sein und diese zu Unterhaltszwecken einsetzen zu können. Doch hier hatte das Amt die Rechnung ohne den BGH gemacht.

Der BGH erkannte nämlich im Sinne des Mannes. Zwar besteht generell ein Rückforderungsanspruch, wie vom Sozialhilfeträger angesprochen. Dieser Anspruch greift aber genau dann ausnahmsweise nicht, wenn das Eigentum an einer Wohnung oder einem Haus übertragen wird, das selbst bewohnt wird, und ein lebenslanges unentgeltliches Nießbrauchsrecht vorbehalten wird. Denn selbstbewohntes Eigentum ist unantastbares Schonvermögen beim Elternunterhalt. Wenn dieses deshalb auf einen Dritten übertragen wird und das Nutzungsrecht daran lebenslang unentgeltlich weiterhin besteht, wird dem Elternunterhalt keine Zugriffsmasse entzogen.

Hinweis: Elternunterhalt ist eine mehr und mehr eigene Materie. Sich rechtzeitig Rat einzuholen, ist sinnvoll, um im Fall der Fälle gut vorbereitet zu sein.
 

Quelle: BGH, Beschl. v. 20.02.2019 – XII ZB 364/18

Thema: Familienrecht