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Schlagwort: Trennungsjahres

Trennung nach 30 Jahren: Aussichtslose Chancen einer 61-Jährigen auf Arbeit führt zum Anspruch auf Trennungsunterhalt

Trennen sich Ehegatten, muss derjenige, der bisher keiner Erwerbstätigkeit nachging, dies während des Trennungsjahres auch nicht tun. Im Trennungsjahr sollen sich die Ehegatten darüber Klarheit verschaffen, ob sie wieder zueinander finden, weshalb sich jeder darauf berufen kann, dass es erst einmal weitergeht wie bisher. Was jedoch nach dieser Überlegungsfrist passiert, war Dreh- und Angelpunkt im Fall des Oberlandesgerichts Brandenburg (OLG).

Nach 30-jähriger Ehe kam es hier zur Trennung. Nach Ablauf des Trennungsjahres verlangte der Mann von der Frau, sie solle arbeiten gehen, er zahle ihr jedenfalls keinen Unterhalt. Die Frau, die zum Trennungszeitpunkt 61,5 Jahre alt war, machte jedoch ihrerseits gerichtlich Trennungsunterhalt geltend.

Das OLG sprach der Frau in der Tat den Unterhalt zu. Die Frau hatte über lange Zeit in der Ehe – gerade in den letzten Jahren – nicht gearbeitet und Arbeitslosengeld bezogen. Sie stand selbst aufgrund ihres Alters nicht mehr weit vor dem Altersruhestand, und unter diesen Umständen sei die Frau nicht mehr vermittelbar. Sie habe in ihrer Lage keine realistische Beschäftigungschance. Dieser Umstand brachte unter Berücksichtigung der Ehedauer das Gericht zu der Ansicht, der Argumentation des Mannes eine Absage zu erteilen und ihn zur Unterhaltszahlung zu verpflichten.

Hinweis: In der Entscheidung wurde ein weiterer Aspekt angesprochen, der in der Praxis immer wieder unterschätzt bzw. teilweise nicht einmal beachtet wird: Hat der Ehegatte, der Unterhalt begehrt, Vermögen, stellt sich die Frage, ob und inwieweit dieses für den eigenen Bedarf einzusetzen ist – also dem Unterhaltspflichtigen dient. Bei besonders kurzer oder besonders langer Ehe (wie hier) spielt der Vermögensstamm keine Rolle. Ansonsten kann er aber durchaus Auswirkungen haben.

Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 03.08.2020 – 9 UF 39/20

Thema: Familienrecht

Vorzeitiger Zugewinnausgleich: Beharrliche Weigerung zur Auskunft über grobe Vermögenslage im Trennungsjahr zahlt sich nicht aus

Bei der Weigerung eines Gatten in bestehender Ehe, den anderen in groben Zügen über sein Vermögen zu informieren, kann der andere den Zugewinnausgleichsanspruch vorzeitig geltend machen – ohne die Trennung herbeiführen oder irgendeine Frist abwarten zu müssen. Aber ob dies auch gilt, wenn die Ehegatten sich bereits getrennt haben, beurteilt die Rechtsprechung nicht ganz einheitlich. Daher war im folgenden Fall das Oberlandesgericht Köln (OLG) gefragt.

Hier forderte die Frau nach Trennung im Mai 2018 ihren Mann zwischen Dezember 2018 und März 2019 mehrfach zur Unterrichtung über das Vermögen auf. Der Mann weigerte sich. Daraufhin sah sich die Frau als berechtigt an, vor Ablauf des Trennungsjahres und unabhängig von einem Scheidungsverfahren vorzeitig und isoliert den Anspruch auf Zugewinnausgleich geltend zu machen.

Das OLG gab der Frau Recht. Die Trennung habe zwar die häusliche Gemeinschaft aufgehoben. Der entsprechende Auskunftsanspruch – prinzipiell eher auf den Fall des Zusammenlebens zugeschnitten – bestehe aber dennoch weiter. Da der Mann ihn nicht erfüllte, konnte die Frau die Konsequenz ziehen und den vorzeitigen Zugewinnausgleich verlangen.

Hinweis: Zu bedenken ist: Es reicht nicht, den Ehegatten einmalig aufzufordern, über sein Vermögen zu berichten. Erst bei dessen beharrlicher Weigerung ist der Anspruch, wie hier geltend gemacht, begründet. Wann und unter welchen Umständen ein Fall der beharrlichen Weigerung vorliegt, ist in der Praxis sorgfältig zu analysieren.

Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 31.03.2020 – 10 UF 205/19

Thema: Familienrecht

Engagement mehrfach angemahnt: Erwerbsloser und untätiger Familienvater verwirkt Anspruch auf Trennungsunterhalt

Waren die ehelichen Lebensverhältnisse davon geprägt, dass nur einer der Ehegatten arbeitete, ist dem zuhause Gebliebenen bei Trennung zumindest vorübergehend Unterhalt zu zahlen. Der unterhaltsberechtigte Ehegatte muss dann nicht sofort arbeiten gehen. Aber dieser Grundsatz gilt nicht uneingeschränkt, wie das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) zeigt.


Nach der Trennung verlangte der Mann von der erwerbstätigen Frau Trennungsunterhalt. Er selbst hatte in der Ehezeit nur unregelmäßig gearbeitet, zuletzt gar nicht mehr. Allein unter diesen Umständen hätte die Frau dem Mann zweifellos Unterhalt zahlen müssen. Während des Trennungsjahres wäre der Mann auch nicht darauf verwiesen worden, sogleich eine Arbeitsstelle zu suchen und anzutreten. Die Besonderheit des Falls sah das OLG jedoch in folgender Tatsache: Die Frau hatte sich neben der Erwerbstätigkeit nämlich zusätzlich um die Erziehung der Kinder gekümmert und den Haushalt geführt. In dieser Hinsicht hatte der aus Algerien stammende Mann jede Mitwirkung verweigert.

So wurde dem Mann entsprechend auch der Unterhalt verweigert, weil die Ehefrau allein dafür sorgte, dass die Familie nicht in Schwierigkeiten geriet, während er seinerseits untätig zusah. Somit hat er in den Augen der Richter seine Pflicht, zum Familienunterhalt in welcher Form auch immer beizutragen, in der gemeinsamen Zeit gröblich vernachlässigt. Er hatte seinen Unterhaltsanspruch verwirkt.

Hinweis: Das OLG wies darauf hin, dass die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs ein Verschulden voraussetzt. Dieses wurde vorliegend nicht einfach nur darin gesehen, dass der Mann in der Ehezeit letztlich zu keinem Zeitpunkt im Rahmen einer Erwerbstätigkeit oder jedenfalls dem Bemühen darum, eine solche zu finden, zum Familienunterhalt beigetragen hatte. Es stellte vielmehr fest, dass das Verschulden deshalb gegeben sei, weil der Mann untätig war, obwohl die Frau ihn immer aufgefordert hatte, endlich arbeiten zu gehen und nicht nur zu Hause rumzusitzen. Stoisch einen unzumutbaren Zustand hinzunehmen, reicht demnach also nicht aus, um später ein mangelndes Engagement einzuklagen!

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.02.2019 – II-1 UF 12/19

Thema: Familienrecht

Ausnahmefall Härtescheidung: Nachweislich traumatische Belastungen können zur Beschleunigung des Scheidungsverfahrens führen

Üblicherweise kann eine Ehe erst geschieden werden, wenn die Ehegatten mindestens ein Jahr getrennt leben.

Erst dann kann die sichere Prognose gestellt werden, dass eine Trennung endgültig im Sinne eines Scheiterns der Ehe ist. Diese Zeitspanne hat der Gesetzgeber so vorgegeben. Schon früher kann die Scheidung verlangt werden, sobald ein Ehegatte Gründe liefert, die es für den anderen unzumutbar machen, an der Ehe auch nur bis zum Ablauf des Trennungsjahres festzuhalten. Dann kann der andere Ehegatte die sofortige Scheidung verlangen. Eine solche Härtescheidung ist in der Praxis jedoch die absolute Ausnahme.

Das Kammergericht Berlin (KG) hatte mit einer solchen Konstellation zu tun. Die Frau litt unter Wahnvorstellungen und Zwangsstörungen, drohte mit Suizid, stellte dem Mann nach und sprach Morddrohungen gegen ihn aus. Das alleine, so das KG, reiche jedoch nicht, um eine Härtescheidung vor Ablauf des Trennungsjahres verlangen zu können. Schließlich bestünde zum einen die Möglichkeit, das Verhalten der Frau zu ignorieren, zum anderen die Möglichkeit, gegen sie Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz zu ergreifen.

Allerdings konnte der Mann glaubhaft machen, dass er unterdessen selber psychisch unter dem Verhalten der Frau leide. Zu Hause könne er nicht mehr sein, er wohne bei verschiedenen Freunden. Die Angst vor der Frau beherrsche sein Leben. Selber habe er unterdessen auch Panikattacken und suizidale Gedanken. Erst die Scheidung werde ihm die Möglichkeit der Taumabewältigung eröffnen. Das KG befand, dass wegen dieser Umstände durchaus eine Härtescheidung begehrt werden könne, und verwies die Sache somit zur weiteren Verhandlung an das vorinstanzliche Amtsgericht zurück.

Hinweis: Härtescheidungen vor Ablauf des Trennungsjahres setzen voraus, dass das bloße eheliche Aneinandergebundensein bis zum Ablauf des Trennungsjahres unzumutbar sein muss. Diese Hürde zu nehmen, ist schwer. Zudem ist auch bei einer Härtescheidung der Versorgungsausgleich durchzuführen. Wenn ein Ehegatte bei der Einholung der Auskünfte nicht mitwirkt, geht es deshalb auch mit einer Härtescheidung oft nicht schnell voran.

Quelle: KG, Beschl. v. 29.09.2017 – 13 WF 183/17

Thema: Familienrecht

Schläge und Reue: Scheitert der Versuch, dem anderen zu verzeihen, kann die Scheidung auch vorzeitig erfolgen

In den allermeisten Fällen setzt eine Scheidung voraus, dass die Ehegatten mindestens ein Jahr getrennt leben. Erst nach dieser Wartezeit kann die notwendige Prognose erfolgen, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten ist. Zu einem früheren Zeitpunkt kann die Scheidung nur verlangt werden, wenn die Fortsetzung der Ehe eine unzumutbare Härte bedeuten würde.

Ab wann eine solche – in der Praxis nur selten bestätigte – unzumutbare Härte vorliegt, musste das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) in diesem Fall entscheiden: Ein Mann hatte seine Gattin mehrfach geschlagen und war auch gegenüber den gemeinsamen Kindern gewalttätig geworden. Die Frau wollte deshalb vor Ablauf des Trennungsjahres geschieden werden. Der Mann trat dem entgegen und lehnte die Scheidung ab. Da die Frau kein Geld hatte, das Scheidungsverfahren zu bezahlen, beantragte sie deshalb vorab Verfahrenskostenhilfe. Das Amtsgericht lehnte diesen Antrag ab, da die Voraussetzungen für eine vorzeitige Scheidung seines Erachtens nach nicht vorlägen. Die Gewalttätigkeiten würden zwar die vorzeitige Scheidung zulassen. Im parallel geführten Verfahren zur Regelung des Umgangs des Vaters mit den Kindern habe die Frau aber erklärt, sie habe ihrem Mann verziehen und wolle wieder mit ihm zusammenleben. Wegen dieser Verzeihung könne eine vorzeitige Scheidung deshalb nicht erfolgen.

Doch auf die daraufhin erfolgte Beschwerde sprach das OLG als nächste Instanz der Frau die Verfahrenskostenhilfe durchaus zu. Das Verzeihen ist nämlich wie ein Versöhnungsversuch anzusehen. Soweit bei einer „normalen“ Scheidung während des Trennungsjahres ein solcher Versöhnungsversuch unternommen wird und dann jedoch scheitert, wird dadurch der Lauf des Trennungsjahres nicht unterbrochen. Dasselbe gilt daher auch für den Fall, dass eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres begehrt wird: Scheitert der Versuch zu verzeihen, ist die vorzeitige Scheidung dennoch auszusprechen.

Hinweis: Scheidungsanträge wegen unzumutbarer Härte bleiben die absolute Ausnahme.

Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 09.12.2016 – 5 WF 133/16
 Familienrecht