Bei fehlendem Auswahlverschulden: Den Schädiger triftt das Werkstatt- und Prognoserisiko bei unnötigen Zusatzreparaturen
Unnötige Mehraufwendungen sind nicht ersatzfähig, wenn dem Geschädigten ein äußerst grobes Verschulden zur Last fällt, so dass sie dem Schädiger nicht mehr zuzurechnen sind.
Nach einem unverschuldeten Unfall ließ ein Geschädigter sein Fahrzeug in einer Kfz-Werkstatt reparieren. Die Rechnung legte er der gegnerischen Haftpflichtversicherung mit der Bitte um Erstattung vor. Diese nahm einen Abzug von etwa 370 EUR mit der Begründung vor, dass einige der durchgeführten Reparaturmaßnahmen aus technischer Sicht zur Behebung des Unfallschadens nicht notwendig gewesen seien.
Das Amtsgericht Neuss verurteilte die Versicherung zur Zahlung dieser 370 EUR. Zu den in den Verantwortungsbereich des Schädigers fallenden Mehrkosten gehören auch die Kosten für unnötige Zusatzarbeiten, die durch die Werkstatt ausgeführt werden. Unnötige Mehraufwendungen sind jedoch nicht ersatzfähig, wenn dem Geschädigten ein äußerst grobes Verschulden zur Last fällt, so dass sie dem Schädiger nicht mehr zuzurechnen sind. Laut Gericht traf den Geschädigten bei der Beauftragung der Werkstatt kein Auswahlverschulden. Nach der Übergabe des Fahrzeugs an die Reparaturwerkstatt war dieses aus seiner Einwirkungssphäre entlassen. Für ihn war nicht erkennbar, dass die Werkstatt gegebenenfalls technisch nicht notwendige Werkarbeiten an dem Auto vornehmen würde. Dies war für den Geschädigten als technischen Laien auch nicht überschaubar. Zudem standen die von der Haftpflichtversicherung behaupteten unnötigen Werkarbeiten noch in einem gewissen Zusammenhang mit den Unfallschäden.
Hinweis: Dem Geschädigten sind auch Mehrkosten zu ersetzen, die ohne dessen Schuld durch unsachgemäße Maßnahmen der Reparaturwerkstatt entstehen. Der Schädiger trägt das sogenannte Werkstatt- und Prognoserisiko, falls den Geschädigten hinsichtlich der gewählten Fachwerkstatt kein Auswahlverschulden trifft.
Quelle: AG Neuss, Urt. v. 09.08.2016 – 77 C 1425/16
Thema: Verkehrsrecht