Arzthaftungsrecht: Umkehr der Beweislast bei grobem Behandlungsfehler
Wird ein grober Behandlungsfehler begangen, muss nicht mehr der Patient, sondern vielmehr der Arzt beweisen, dass die Schäden nicht ihm zuzurechnen sind.
Eine Studentin ging zu einem Orthopäden. Sie hatte unter anderem Schmerzen im rechten Bein. Der Orthopäde untersuchte sie und diagnostizierte einen Kiefergelenkschaden, einen Kopfschmerz, eine Fibulaköpfchenblockierung und ein HWS-Syndrom. Zwei Jahre später ergab eine Kernspintomographie Anhaltspunkte für eine Tumorerkrankung. Diese wurde operiert, es stellte sich jedoch eine dauerhafte Fuß- und Großzehenheberschwäche ein. Nun wollte die Studentin Schmerzensgeld von dem Orthopäden haben, da eine frühzeitigere Behandlung des Tumors mit weniger schwerwiegenden Folgen verbunden gewesen wäre. Sie verlangte ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 EUR. Das Oberlandesgericht sprach ihr 15.000 EUR zu. Es hielt die Behandlung des Orthopäden für grob fehlerhaft. Er hätte die Beschwerden weiter abklären müssen. Wäre die Kernspintomographie bereits im Jahr 2010 erfolgt, wäre der Tumor bereits zu erkennen gewesen. Dieser grobe Behandlungsfehler führte dazu, dass eine Beweislastumkehr zugunsten der Studentin stattfand. Daher war davon auszugehen, dass die verzögerte Behandlung die heutige Komplikation bewirkt hat.
Hinweis: Anhand dieses Falls ist sehr gut erkennbar, wie die Beweislast in solchen Verfahren geregelt ist. Wenn ein grober Behandlungsfehler bewiesen werden kann, trifft den Arzt die Beweislast dafür, dass die Schäden nicht dadurch hervorgerufen wurden.
Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 18.02.2015 – 3 U 166/13