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Schlagwort: Vollkaskoversicherung

Ersatzbeschaffung nach Unfall: Verlängerung des Nutzungsausfalls durch mangelnde Vorfinanzierungsmöglichkeit rechtens

Der folgende Verkehrsrechtsfall drehte sich um die Frage, wann ein Nutzungsausfall zu zahlen ist, wenn ein Geschädigter nicht in der Lage ist, den notwendigen Neuwagenkauf eigenständig vorzufinanzieren, und zu diesem Zwecke auch nicht willens ist, zur Entlastung der Gegenseite die eigene Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen. Das Landgericht Köln (LG) war daher gefragt.

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Folgen der Unfallflucht: Wer wesentliche Feststellungen zum Versicherungsfall unmöglich macht, verliert den Versicherungsschutz

Verlässt ein Unfallbeteiligter den Unfallort, ohne die Polizei und/oder seine Kaskoversicherung zu informieren, kann das die vertragliche Wartepflicht der Kfz-Versicherung verletzen. Ob dies auch für Fälle ohne andere Unfallbeteiligte gilt – etwa bei einer beschädigten Leitplanke -, musste hier das Oberlandesgericht Koblenz (OLG) bewerten.

Ein Autofahrer war mit 100 Stundenkilometern ohne Fremdeinwirkung mit der Leitplanke einer Autobahn kollidiert und zunächst bis zu einem Rastplatz weitergefahren. Nachdem er dort den entstandenen Schaden an seinem Fahrzeug in Augenschein genommen hatte, setzte er die Fahrt fort. Die Schadensanzeige an seine Kaskoversicherung stellte er erst vier Tage später fertig. Die Reparatur des Fahrzeugs verursachte Kosten von rund 22.000 EUR, die er von seiner Vollkaskoversicherung ersetzt haben wollte.

Das OLG vertrat in seinem Hinweisbeschluss die Auffassung, dass die Kaskoversicherung von ihrer Leistungspflicht freigestellt sei, da der Fahrer vorsätzlich die ihn treffende Wartepflicht verletzt und hierdurch dem Versicherer wesentliche Feststellungen zum Versicherungsfall unmöglich gemacht habe. Aufgrund des Schadensbilds am Fahrzeug sei davon auszugehen, dass bei der Kollision nicht nur ein erheblicher Schaden am Fahrzeug, sondern auch ein nicht völlig belangloser Fremdschaden (Beschädigung der Leitplanke), entstanden sei. Der Kläger hätte daher an der Unfallstelle warten müssen.

Hinweis: Ein Fahrer verletzt die in den Allgemeinen Kraftfahrtbedingungen (AKB) festgelegte Wartepflicht dann, wenn er durch das Verlassen der Unfallstelle den Straftatbestand der Unfallflucht (§ 142 Strafgesetzbuch) verwirklicht. Vorzuwerfen war dem Fahrer, dass er auch an der nächsten regulären Anhaltemöglichkeit – dem Rastplatz – weder die Polizei noch seine Kaskoversicherung über den Unfall informiert hatte.

Quelle: OLG Koblenz, Beschl. v. 11.12.2020 – 12 U 235/20

Thema: Verkehrsrecht

Verstoß gegen Aufklärungsobliegenheit: Wer einen selbstverursachten Unfall verspätet meldet, riskiert den Vollkaskoschutz

Eigentlich sollte es klar sein, dass das Entfernen vom Unfallort im Straßenverkehr gegen die sogenannte Aufklärungsobliegenheit verstößt, wenn keine Feststellungen zur Person, des Fahrzeugs und der Art der Beteiligung ermöglicht wurden oder eine nach den Umständen angemessene Zeit nicht abgewartet wurde. Und dennoch landen derart gestaltete Fälle immer wieder vor Gericht – wie hier vor dem Amtsgericht Kiel (AG).

Eine Autofahrerin befuhr innerorts eine Straße. Als ihr durch das geöffnete Fenster etwas ins Auge flog, wurde sie kurzzeitig abgelenkt. Sie fuhr dadurch mit der linken vorderen Fahrzeugseite über eine Verkehrsinsel und das auf der Verkehrsinsel befindliche Verkehrszeichen um. Die Frau nahm zwar einen Knall und einen Ruck in ihrem Fahrzeug wahr, ging aber davon aus, dass es nicht zu einer Beschädigung gekommen sei. Erst am am nächsten Tag stellte sie Beschädigungen an ihrem Fahrzeug fest und fuhr sofort zur nächsten Polizeistation, wo sie den Unfall anzeigte. Von ihrer Vollkaskoversicherung verlangte sie den an ihrem Fahrzeug entstandenen Schaden ersetzt – was diese ablehnte.

Auch das AG entschied, dass der Fahrerin keine Entschädigungsleistungen aus der Vollkaskoversicherung zustünden, weil sie gegen Aufklärungsobliegenheiten verstoßen habe. Dadurch, dass sich die Fahrerin nach Wahrnehmung des Knalls nicht bei der Polizei gemeldet bzw. an der Unfallstelle gewartet hatte, habe sie nach Auffassung des Gerichts die sich aus den Allgemeinen Kraftfahr-Bedingungen (AKB) ergebende Aufklärungsobliegenheit verletzt. Auch wenn sie den Unfall am nächsten Tag gemeldet hat, liegt trotzdem eine Aufklärungsobliegenheitsverletzung vor, da nach den AKB auch Feststellungen dazu getroffen werden müssen, ob die Fahrerin bei dem Unfall unter Alkohol- oder Drogeneinfluss gestanden habe.

Hinweis: Das Urteil des AG ist noch nicht rechtskräftig. In der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass es für die Beurteilung des Handelns des Versicherungsnehmers allein auf den Zeitpunkt ankommt, in dem dieser die Obliegenheit (Wartepflicht) verletzt, ähnlich der Vorschrift des unerlaubten Entfernens vom Unfallort.

Quelle: AG Kiel, Urt. v. 12.11.2020 – 118 C 95/20

Thema: Verkehrsrecht

Kaputt, repariert und verkauft: Dem Versicherer muss eine Begutachtung zur Regulierung unbedingt ermöglicht werden

Der Halter eines Pkw behauptete, am 18.04. einen Unfall verschuldet zu haben. Am 20.04. beauftragte er eine Werkstatt mit der Reparatur. Am 30.04. teilte er mündlich seiner Vollkaskoversicherung den Schaden mit. Am 18.05. verkaufte er das reparierte Fahrzeug nach Kasachstan. Die von ihm ausgefüllte Schadensanzeige ging bei seiner Kaskoversicherung am 05.06.  ein. Die Versicherung lehnte die Schadensregulierung mit dem Hinweis ab, dass der geschädigte Versicherungsnehmer eine Obliegenheitsverletzung begangen habe.

Nach Auffassung des Kammergerichts (KG) erfolgte die Ablehnung zu Recht. Der Geschädigte habe seiner Versicherung nicht die Möglichkeit gegeben, den behaupteten Schaden durch einen eigenen Sachverständigen überprüfen zu lassen. Hierzu war er allerdings nach den Versicherungsbedingungen verpflichtet. Aus den Versicherungsbedingungen ergab sich, dass der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, vor Beginn der Verwertung oder der Reparatur des versicherten Fahrzeugs Weisungen des Versicherers einzuholen. Der Versicherungsnehmer behauptete zwar, keine Kenntnis vom Inhalt der Versicherungsbedingungen gehabt zu haben. Das Gericht ließ dieses Argument allerdings nicht gelten. Es vertritt die Auffassung, dass es zum Allgemeinwissen eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers gehört, dass Versicherungen eigene Feststellungen zum Eintritt des Versicherungsfalls und zum Umfang der Entschädigungsleistung treffen wollen, sobald sie auf eine Entschädigungszahlung in Anspruch genommen werden.

Hinweis: Die Entscheidung des Gerichts macht deutlich, dass die Kenntnis der eigenen Versicherungsbedingungen im Schadensfall vorausgesetzt wird. Ist ein Schaden entstanden und soll die eigene Versicherung diesen regulieren, ist ein Blick in die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zwingend erforderlich, um dem Vorwurf einer Obliegenheitsverletzung zu entgehen.

Quelle: KG, Beschl. v. 12.12.2016 – 6 U 122/14
Thema: Verkehrsrecht

Erstattung von Abschleppkosten: Kein Geld nach grober Fahrlässigkeit oder vorsätzlicher Herbeiführung eines Schadens

Wegen überhöhter Geschwindigkeit kam ein Autofahrer von der Straße ab und stieß gegen ein am Fahrbahnrand abgestelltes Fahrzeug. Die herbeigerufene Polizei entnahm dem Fahrer eine Blutprobe, die einen Blutalkoholgehalt von 1,41 ‰ ergab.

Sein Fahrzeug wurde anschließend auf Vermittlung seines Automobilclubs von einem Abschleppunternehmen abgeschleppt. Von seiner Vollkaskoversicherung verlangte der Fahrer die Erstattung der Abschleppkosten, die diese jedoch verweigerte. Er wandte sich daraufhin an den Automobilclub, der die Kostenübernahme ebenfalls ablehnte.

Das Amtsgericht München hat entschieden, dass der Fahrer die Abschleppkosten selbst zu tragen hat. Aus den Mitgliedschafts-bedingungen des Automobilclubs ergibt sich, dass Kosten dann nicht erstattet werden, wenn das Mitglied den Schaden grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt hat. Indem der Fahrer im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit (ab 1,10 ‰) ein Fahrzeug führte und den Unfall dazu in Kombination mit überhöhter Geschwindigkeit verursachte, lag eine grob fahrlässige Verletzung seiner Pflichten als Verkehrsteilnehmer vor. Diese Pflichtverletzung hat zum Unfall geführt und infolge dessen auch zu den angefallenen Abschleppkosten. Ein Automobilclub kann in seinen Vertragsbedingungen – ebenso wie auch ein Vollkaskoversicherer in seinen Allgemeinen Kraftfahrtbedingungen – einen Ausschluss bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Herbeiführung eines Schadensfalls vornehmen.

Hinweis: Die Entscheidung entspricht obergerichtlicher Rechtsprechung. Der Automobilclub war nicht verpflichtet, sein Mitglied vor Abschluss des Vertrags darauf hinzuweisen, dass bei absoluter Fahruntüchtigkeit ein Haftungsausschluss besteht. Auch bei grober Fahrlässigkeit kann eine Leistungspflicht nicht nur bei Vorsatz gänzlich entfallen, sobald Alkohol mit im Spiel ist.

Quelle: AG München, Urt. v. 15.02.2016 – 142 C 23868/15
Thema: Verkehrsrecht

Vollkasko oder Haftpflicht: Restwert oder Gründe der Verkehrssicherung entscheiden über Abschleppkostenübernahme

Der Versicherungsnehmer hat gegenüber seiner Vollkaskoversicherung keinen Anspruch auf die Erstattung von Abschleppkosten, wenn das versicherte Fahrzeug weitgehend zerstört ist und erkennbar über keinen relevanten Restwert mehr verfügt.

Der Lkw der Geschädigten geriet in Brand und wurde hierdurch fast vollständig zerstört. Auf Veranlassung der herbeigerufenen Polizei wurde das Fahrzeug abgeschleppt. Die hierfür entstanden Kosten von fast 5.300 EUR verlangte die Geschädigte von ihrer Kaskoversicherung ersetzt.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat jedoch entschieden, dass dieser Anspruch auf Erstattung der Kosten nicht besteht, da die Versicherung nur solche Aufwendungen übernimmt, die der Versicherungsnehmer für „geboten“ halten darf. Geboten sind dabei solche Maßnahmen, die erfolgversprechend sind und im verhältnismäßigen Aufwand zum angestrebten Erfolg stehen. Im vorliegenden Fall hatte der ausgebrannte Lkw nur noch einen Restwert von 52 EUR. Bei einem völlig zerstörten und ausgebrannten Fahrzeug hätte daher auch einem Laien einleuchten müssen, dass das Fahrzeugwrack keinerlei Wert mehr verkörpert.

Hinweis: Für Geschädigte ist das Urteil sicherlich nur schwer zu verstehen, da ihnen gemäß der Entscheidung des Gerichts abverlangt wird, vor Ort zu entscheiden, ob ihr ausgebranntes Fahrzeug noch einen Restwert hat oder eben nicht. Da es Versicherungsnehmern meist an Erfahrungssätzen fehlt, dürfte es oftmals nur vom Zufall abhängen, ob die Abschleppkosten von der Vollkaskoversicherung übernommen werden. Stellt sich heraus, dass das ausgebrannte Fahrzeug über keinerlei Restwert mehr verfügt, bleibt Geschädigten nur der Weg, Abschleppkosten mit ihrer Kfz-Haftpflichtversicherung abzurechnen, da diese zur Übernahme der Kosten verpflichtet ist – selbst wenn es nicht zu einem Drittschaden gekommen ist. Begründet wird dies damit, dass zur Sicherung des Verkehrs ein Abschleppen des Fahrzeugs regelmäßig veranlasst wird, da es oftmals zu Verschmutzungen der Straße infolge auslaufender Flüssigkeiten kommt.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.12.2015 – 12 U 101/15
Thema: Verkehrsrecht