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Schlagwort: Zusammenleben

Arbeitszeitgesetz im Sozialbereich: Wohngruppenbetreiber müssen sich laut Bundesverwaltungsgericht erheblich umstellen

Die Frage, ob das Arbeitszeitgesetz auch von Erziehern eingehalten werden muss, die in alternierender Betreuung von Wohngruppen tätig sind, musste das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) kürzlich klären.

Eine Arbeitgeberin betrieb Wohngruppen, in denen Kinder und Jugendliche von insgesamt drei Erziehern betreut wurden, die jeweils zwei bis sieben Tage durchgehend in der Gruppe wohnten. Dann gab die Aufsichtsbehörde der Wohngruppenbetreiberin auf, das Arbeitszeitgesetz einzuhalten. Denn nach dem Arbeitszeitgesetz gilt in Deutschland als Regel der Achtstundentag, und nach einer Beendigung der Tätigkeit darf ein Arbeitnehmer elf Stunden nicht beschäftigt werden. Gegen den entsprechenden Bescheid klagte die Arbeitgeberin schließlich.

Doch die Gerichte – und schließlich auch das BVerwG – waren der Auffassung, dass die Anwendbarkeit des Arbeitszeitgesetzes nicht ausgeschlossen sei. Zwar gibt es eine Ausnahmeregelung im Arbeitszeitgesetz für Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen. Diese Regelung setzt aber voraus, dass die Erzieher in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben. Ein solches Zusammenleben gab es hier jedoch nicht. Das Zusammenleben war nicht auf persönliche Kontinuität und nahezu permanente Verfügbarkeit eines Arbeitnehmers angelegt.

Hinweis: Das Urteil ist ein Paukenschlag für Sozialträger. Denn nun ist klar, dass das Arbeitszeitgesetz auch auf solche Erzieher anzuwenden ist, die im Rahmen der Betreuung von Kindern und Jugendlichen in Wohngruppen tätig sind und dort übernachten.

Quelle: BVerwG, Urt. v. 08.05.2019 – 8 C 3.18

Thema: Sonstiges

Verfestigte Lebensgemeinschaft: Intensive Bindung kann vor Ablauf von zwei Jahren den Unterhaltsanspruch verwirken lassen

An einen getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten ist kein Unterhalt mehr zu zahlen, sobald dieser in einer neuen verfestigten Lebensgemeinschaft lebt. Doch wann ist eine neue Partnerschaft als „verfestigte Lebensgemeinschaft“ anzusehen? Diese Frage beschäftigt die Rechtsprechung immer wieder.

Geht ein Ehegatte, der Unterhalt bezieht, eine neue Partnerschaft ein, entfällt damit noch nicht automatisch und sofort der Unterhaltsanspruch. Als verfestigt gilt diese neue Partnerschaft nämlich erst dann, wenn eine gewisse Intensität objektiv feststellbar ist und die Beziehung über eine gewisse Dauer besteht. Es wird darauf geschaut, ob ein über einen längeren Zeitraum gemeinsam geführter Haushalt vorliegt, wie das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit ist, ob größere Investitionen getätigt werden – wie der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims – und wie lange die Verbindung besteht. Als eine Art Faustformel entwickelt hat sich dabei der Grundsatz, dass ein Zusammenleben über zwei Jahre verlangt wird.

Was aber gilt, wenn diese Zeitspanne noch nicht erreicht ist, dafür die Partnerschaft besonders intensiv gelebt wird? Dann kann der Unterhaltsanspruch schon früher verwirkt sein. Mit Blick auf die objektiven Umstände hat dies das Oberlandesgericht Oldenburg angenommen. Die unterhaltsberechtigte Ehefrau verlebte mit dem neuen Partner das Osterfest und die Sommerferien, der Mann trat als Ersatzvater bei den das Kind betreffenden Gesprächen beim Jugendamt auf, das eheliche Kind nannte ihn „Papa“, der Mann war außerdem als Partner bei Familienfeiern dabei und ließ in seinem Haus ein Zimmer für das Kind der Frau renovieren und umbauen – in Erwartung des beabsichtigten Zuzugs von Frau und Kind. Mit genau diesem Einzug der Frau und des Kindes sah das Gericht den Unterhaltsanspruch dann auch als verwirkt an – obwohl die neue Partnerschaft noch keine zwei Jahre bestand.

Hinweis: Liegt kein „klassischer“ Fall der Verwirkung vor, ist es wichtig, die umfangreiche und detaillierte Rechtsprechung zu kennen und sich mit ihr auseinanderzusetzen.

Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 16.11.2016 – 4 UF 78/16

zum Thema: Familienrecht