Skip to main content

Mietrecht: Lärm von Bolzplatz

Ein Mietmangel kann nicht nur dann vorliegen, wenn das Mietobjekt selbst fehlerhaft ist (Baumängel, Defekte, Wasserschäden etc.), sondern auch dann, wenn sich aus der Umgebung Störungen ergeben, die den Mietgebrauch einschränken. In solchen Fällen muss sehr genau geprüft werden, welche Verantwortlichkeit den Vermieter trifft und welche Rechte der Mieter hat.

Der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 29.04.2015 – VIII ZR 197/14) hatte den folgenden Fall zu entscheiden:

Die Mieter mieteten eine Wohnung seit 1993. Unmittelbar an das Wohngrundstück grenzte schon damals ein Schulgelände an. Auf diesem Schulgelände wurde dann 2010 in 20 m Entfernung zur Terrasse der Mieter ein mit einem Metallzaun versehener Bolzplatz errichtet. Der Bolzplatz war für Kindes bis 12 Jahre an Wochentagen jeweils bis 18 Uhr geöffnet. Genutzt wurde der Platz dann allerdings auch außerhalb dieser Zeiten von Jugendlichen, die dort Ball spielten. Die Mieter beschwerten sich beim Vermieter und minderten die Miete um 20 %.

Für die Beantwortung der Frage, ob die Miete wegen des Lärms gemindert war, kam es darauf an, ob ein Mangel der Mietsache vorlag.

Nach dem Gesetz (§ 536 Abs. 1 BGB) ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein derartiger Mangel dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) getroffen werden können. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (sog. Umweltfehler), wie etwa Immissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist. Soweit allerdings Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt.

Keine stillschweigende Vereinbarung

Der BGH stellte im Fall zunächst fest, dass zwischen den Mietvertragsparteien keine stillschweigende Vereinbarung hinsichtlich etwaiger späterer Lärmeinwirkungen getroffen worden war. Es gab nämlich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vermieter bei Vertragsschluss zusichern wollte, dass während der Dauer des Mietverhältnisses von dem benachbarten Schulgelände keine höheren Lärmeinwirkungen ausgehen dürfen als bei Vertragsbeginn.

Auch eine stillschweigende (konkludente) Vereinbarung setzt – wie auch sonst jeder Vertragsschluss – zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Hierfür reicht es noch nicht aus, dass der Mieter bei Vertragsschluss einen Umstand – hier die von einem „normalen“ Schulbetrieb ausgehenden Geräuschimmissionen – als für ihn hinnehmbar wahrnimmt und er sich ungeachtet dieser von ihm als (noch) erträglich empfundenen Vorbelastung dafür entscheidet, die Wohnung dennoch anzumieten. Hinzukommen muss, dass der Vermieter erkennen musste, dass der Mieter die Fortdauer dieses Umstands über die unbestimmte Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht, und der Vermieter dem zustimmt. Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genügt nicht, auch dann nicht, wenn der Vermieter davon weiß. Erforderlich ist vielmehr, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert. Daran fehlte es.

Der BGH stellt allgemein fest, dass eine Vereinbarung, die bestimmte Lärmeinwirkungen dauerhaft ausschließen soll, die Ausnahme darstellen dürfte. Denn soweit es um Lärmimmissionen geht, die von öffentlichen Straßen oder – wie hier – von einem Nachbargrundstück auf die Mietsache einwirken, ist zu berücksichtigen, dass der Vermieter regelmäßig keinen Einfluss darauf hat, dass die zu Mietbeginn bestehenden Verhältnisse während der gesamten Dauer des Mietvertrages unverändert fortbestehen. Der Mieter kann daher im Allgemeinen nicht erwarten, dass der Vermieter die vertragliche Haftung für den Fortbestand derartiger „Umweltbedingungen“ übernehmen will. Die Annahme einer dahingehenden konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung wird deshalb allenfalls in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen und jedenfalls konkrete Anhaltspunkte für die Übernahme einer so weit gehenden und vom Vermieter nicht beherrschbaren Haftung voraussetzen.

Auslegung des Mietvertrags

Da also eine Vereinbarung zwischen den Parteien nicht vorlag, war der Mietvertrag auszulegen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Grundsatzes vonm Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dabei gelangte der BGH zu dem Ergebnis, dass der Vermieter nicht einseitig dafür zu haften hatte, dass von dem Nachbargrundstück dauerhaft keine vermehrten Lärmbelästigungen ausgehen würden.

Zu prüfen war nämlich, was Mieter und Vermieter vereinbart hätten, wenn sie das Problem vorausgesehen hätten. Der BGH wendet hierfür die im Zivilrecht übliche Methode der sogenannten „ergänzenden Vertragsauslegung“ an. Danach ist zu prüfen, welche Regelung die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte als redliche Vertragspartner getroffen hätten, wenn ihnen bei Vertragsschluss die von ihnen nicht bedachte Entwicklung, also die künftige Errichtung eines Bolzplatzes auf dem benachbarten Schulgelände und dessen unbeschränkte Zugänglichkeit und Benutzung durch die Öffentlichkeit über den „normalen“ Schulbetrieb hinaus sowie die dadurch verursachte erhöhte Lärmbelastung, bewusst gewesen wäre.

Kinderlärm als Mangel?

Zunächst stellt der BGH fest, dass es auf eine besondere Vorschrift aus dem Bundesimmissionsschutzgesetz nicht fallentscheidend ankam. Nach dieser Vorschrift, welche noch die Vorinstanz für maßgeblich gehalten hatte, sind Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung (§ 22 Abs. 1a BImSchG). Vorliegend ging der Lärm allerdings nicht von Kindern, sondern von Jugendlichen und (jungen) Erwachsenen aus.

Der BGH stellte allerdings – auch wenn dies im entschiedenen Fall nicht streitentscheidend war – fest, dass reiner Kinderlärm wohl keinen Mangel einer Mietsache darstellt. Wegen Lärms von einem nachträglich errichteten Kinderspielplatz oder ähnlichem wird ein Mieter also die Miete grundsätzlich eher nicht mindern dürfen. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle die immissionsrechtliche Sondervorschrift auch in das Mietvertragsrecht hineinwirken. Zu den Details wird die weitere Rechtsprechung des BGH abzuwarten sein.

Was gilt, wenn nichts vereinbart ist?

Der BGH nimmt für die Lösung des Falls dann Bezug auf das zwischen Grundstückseigentümern geltende allgemeine Nachbarrecht.

Im Fall von Immissionen gilt nämlich folgendes (§ 906 BGB): Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind.

Der BGH stellt insoweit folgende Erwägungen an: Hätten die Parteien bei Vertragsschluss die eingetretene Entwicklung mit den daraus resultierenden erhöhten Geräuschimmissionen bedacht, hätte sich ihnen die Frage aufdrängen müssen, ob und mit welchem Ergebnis der Vermieter überhaupt in der Lage sein würde, dem erhöhten Immissionsanfall zu begegnen. Zwar trifft einen Vermieter grundsätzlich auch die Pflicht, von Dritten ausgehende Störungen vom Mieter fernzuhalten und zu diesem Zweck gegen den Störer jedenfalls im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen vorzugehen. Hierbei wären aber zugleich die Gegebenheiten des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses und die in § 906 BGB konkretisierten Duldungspflichten sowie die daraus abgeleiteten Abwehr- und Ausgleichsmöglichkeiten zu bedenken gewesen.

Dass die Parteien vor diesem Hintergrund davon ausgegangen wären, der Vermieter hätte den ursprünglich bestehenden Immissionsstandard ungeachtet etwa nach § 906 BGB bestehender Duldungspflichten unverändert gewährleisten sollen, könne nach dem BGH redlicherweise nicht angenommen werden. Denn damit wäre eine Erhaltungspflicht abverlangt, deren Erfüllung möglicherweise tatsächlich oder jedenfalls wirtschaftlich unmöglich gewesen wäre. Hierauf hätte kein Vermieter sich eingelassen. Die Parteien hätten sich stattdessen also darauf verständigen müssen, die Störung durch Geräuschimmissionen Dritter nur dann als Mangel der Mietwohnung anzusehen, wenn der Vermieter selbst diese Immissionen gemäß § 906 BGB nicht oder jedenfalls nicht entschädigungslos dulden müsste.

Für das Mietverhältnis bedeutet das, dass ein Mieter keine Mängelrechte hat, soweit auch der Vermieter als Eigentümer des Grundstücks von dem Störer keine Unterlassung oder Entschädigung beanspruchen kann. Das gilt insbesondere dann, wenn die Störung unwesentlich ist oder ortsüblich. Sofern eine Immission allerdings abgewehrt werden kann oder der Eigentümer diese nur unter der Voraussetzung dulden muss, dass er eine Entschädigung erhält (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB), kann der Mieter die Miete kürzen.

Die Beurteilung der Rechtslage ist dadurch recht komplex geworden, da nicht nur die Besonderheiten des Mietrechts, sondern auch die grundstücksrechtlichen Besonderheiten zu beachten sind. Für Immissionen sind hierbei wiederum die speziellen Vorschriften im Bundesimmissionsschutzgesetz nebst der dazu ergangenen technischen Anleitungen zu beachten. Im Streitfall sollte frühzeitig Rechtsrat eingeholt werden, damit bei der Rechtsdurchsetzung Fehler vermieden werden!

Thema: Mietrecht

Autor: Rechtsanwalt Matthias Juhre, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Wuppertal

BGH bestätigt EuGH: Musik in einer Praxis ist keine öffentliche Wiedergabe und daher GEMA-frei

Eigentlich möchte ein Arzt ja auch nur seiner Arbeit nachgehen. Ein Zahnarzt wurde dabei aber kürzlich gestört – allerdings nicht etwa von der selbst ausgewählten Musik in der Praxis, sondern vielmehr von der GEMA, der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte.

Der Zahnarzt spielte im Wartebereich seiner Praxis Musik aus dem Radio ab. Im Jahr 2003 hatten der Zahnarzt und die GEMA einen Lizenzvertrag abgeschlossen, in dem sie vereinbart hatten, dass der Arzt das Radio einschalten darf, wenn er dafür eine Vergütung zahlt. Die GEMA nimmt die Gebühren für Komponisten, Textdichter und Musikverleger ein. Im Dezember 2012 kündigte der Zahnarzt diesen Vertrag und bezog sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Danach stellt die Hintergrundmusik im Wartebereich keine öffentliche, vergütungspflichtige Wiedergabe dar. Die GEMA verklagte daraufhin den Zahnarzt auf Zahlung. Dies allerdings zu Unrecht, wie der Bundesgerichtshof urteilte. Der Zahnarzt durfte den Lizenzvertrag fristlos kündigen, weil die Geschäftsgrundlage durch die Entscheidung des EuGH entfallen war. Deshalb musste der Zahnarzt auch nichts zahlen.

Hinweis: Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen, da sie das Urteil des EuGH konsequent umsetzt.

Quelle: BGH, Urt. v. 18.06.2015 – I ZR 14/14

Grundstückskauf: Rücktritt vom Vertrag

Von einem Kaufvertrag kann der Käufer grundsätzlich dann zurücktreten, wenn das Kaufobjekt mangelhaft ist. Einige Fallstricke bei der Rechtsdurchsetzung haben die Rechtsprechung in jüngster Zeit beschäftigt.

Nachfristsetzung erforderlich

Die Mängelrechte des Käufers setzen zunächst immer voraus, dass der Käufer den Verkäufer zunächst zur Nacherfüllung auffordert und hierzu eine Frist setzt. Erst nachdem dem Verkäufer die Gelegenheit gegeben wurde, entweder eine neue Sache nachzuliefern oder den Kaufgegenstand nachzubessern, hat der Käufer dann die weiteren Rechte wie den Rücktritt vom Vertrag, die Minderung des Kaufpreises oder auf Aufwendungs- bzw. Schadensersatz.

An die Aufforderung zur Nacherfüllung sind aber, wie der Bundesgerichtshof kürzlich für den Fall eines Pferdekaufs klargestellt hat, keine allzu strengen Anforderungen zu stellen.

Für eine Fristsetzung genügt es, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht. Der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 18. März 2015 – VIII ZR 176/14 –). In dem entschiedenen Fall reichte dem BGH die Forderung: „Entweder wird das Pferd ausgetauscht oder wir gehen rechtlich gegen Euch vor.“ Daraus sei deutlich genug geworden, dass der Verkäufer umgehend Abhilfe durch Übergabe eines gesunden Pferdes schaffen sollte. Ein Zeitraum (z. B. „zwei Wochen“) oder ein Enddatum („bis zum …“) war nicht nötig.

Nachdem die Frist zur Nacherfüllung erfolglos verstrichen ist, kann der Käufer dann weitere Rechte geltend machen wie beispielsweise das Rücktrittsrecht.

Zu einem Fall des Grundstückskaufs hat das OLG Düsseldorf (Urteil vom 10. März 2015 – I-21 U 93/14, 21 U 93/14 –) einige interessante Grundsätze aufgestellt. In dem entschiedenen Fall hatte ein zum Preis von 312.500 € gekauftes Hausgrundstück unter anderem Feuchtigkeitsschäden. Ein Sachverständiger stellte fest, dass die Sanierung der Schäden bis zum 27.300 € kosten würde. Der Kaufvertrag enthielt den bei Grundstückskäufen üblichen Haftungsausschluss.

Erheblichkeit des Mangels

Die Ausübung des Rücktrittsrechts setzt zunächst voraus, dass ein Mangel vorliegt. Dieser Mangel muss mehr als nur unerheblich sein (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB). Die Beurteilung, wann ein Mangel „erheblich“ ist, richtet sich nach dem Aufwand für die Mangelbeseitigung.

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshof zum Gebrauchtwagenkauf ist die Erheblichkeit in der Regel jedenfalls dann gegeben, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von 5 % des Kaufpreises übersteigt (BGH, Urteil vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 94/13 –). Dem hat sich das OLG Düsseldorf für den Grundstückskauf nunmehr angeschlossen. Da in dem entschiedenen Fall der Mängelbeseitigungsaufwand mehr als 5 % des Kaufpreises betrug, sah das OlG ein Rücktrittsrecht der Käufer grundsätzlich für gegeben.

Eine andere Sichtweise sei nach dem OLG auch nicht unter dem Aspekt berechtigt, dass es sich bei dem Hausgrundstück nicht um ein neu erstelltes Objekt, sondern einen „gebrauchten“ Gegenstand handelte. Die Tatsache, dass Erwartungen des Verkehrs an die Mangelfreiheit hierbei regelmäßig geringer seien, rechtfertige für sich genommen nicht bereits die Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle auf 10 % des Kaufpreises.

Haftungsausschluss und Arglist des Verkäufers

Der Fall, den das OlG Düsseldorf zu beurteilen hatte, scheiterte für die Käufer allerdings an dem vereinbarten Haftungsausschluss.

Der Kaufvertrag enthielt nämliche die folgende Klausel: „Der Kaufgegenstand wird übertragen in dem tatsächlichen Zustand, in welchem er sich heute befindet und der dem Käufer aufgrund Besichtigung bekannt ist. Ansprüche und Rechte des Käufers wegen sichtbarer oder unsichtbarer Sachmängel und wegen bestimmte Größe des Grundbesitzes sind ausgeschlossen; dies gilt auch für Ansprüche auf Schadensersatz, es sei denn der Verkäufer handelt vorsätzlich. Der Verkäufer versichert, dass ihm versteckte Mängel nicht bekannt sind.“

Ein solcher Haftungsausschluss ist zulässig und in ähnlicher Formulierung auch in fast jedem Kaufvertrag enthalten. Der Käufer kann sich dann auf Mängelrechte nur berufen, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hatte (§ 444 BGB).

Ein Verkäufer handelt arglistig, wenn er den Käufer nicht über einen Mangel aufklärt, obwohl er dazu verpflichtet war. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht bei dem Verkauf eines Gebäudegrundstücks eine Pflicht nur zur Offenbarung verborgener Mängel oder von Umständen, die nach der Erfahrung auf die Entstehung und Entwicklung bestimmter Mängel schließen lassen, wenn es sich um Umstände handelt, die für den Entschluss des Käufers von Bedeutung sind, insbesondere die beabsichtigte Nutzung erheblich zu mindern geeignet sind.

Ein arglistiges Verschweigen setzt weiter voraus, dass der Verkäufer den Fehler kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Fehler nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Eine Betrugsabsicht muss nicht vorliegen, allerdings Vorsatz in Form eines „Fürmöglichhaltens“ oder „Inkaufnehmens“. Dementsprechend ist ein arglistiges Verschweigen nur gegeben, wenn der Verkäufer den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.

Für den Vorsatz des Verkäufers trägt der Käufer im Prozess die Beweislast. Erfahrungsgemäß liegt die Hauptschwierigkeit in solchen Kaufvertragsfällen darin, Beweismittel zu benennen, mit denen ein Vorsatz des Verkäufers nachgewiesen werden kann. Hieran scheiterte auch die Forderung der Käufer in dem vom OLG entschiedenen Fall.

Es zeigt sich, dass die Fallstricke des Kaufvertragsrechts die obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung ständig beschäftigen. Es ist daher bei einem beabsichtigten Kauf oder Verkauf rechtlicher Rat dringend zu empfehlen, bevor „das Kind in den Brunnen gefallen“ ist. Spätestens bei der Geltendmachung der Mängelrechte oder der Abwehr einer solchen Forderung sollte ein Rechtsanwalt beauftragt werden.

Thema: Immobilienrecht

Autor: Rechtsanwalt Matthias Juhre, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Wuppertal

Unterlassungsanspruch: Privatpersonen müssen nicht als unfreiwillige Staffage auf Promifotos herhalten

Schnell noch ein Foto von mir und dem Star. Das haben viele gern, aber eben nicht alle.

Es geht um einen Artikel in einer Zeitung. Ein berühmter Profifußballer wurde auf Mallorca fotografiert und das Foto veröffentlicht. Es zeigte den Fußballer, im Hintergrund waren jedoch auch mehrere Personen auf Strandliegen zu sehen. Am rechten Bildrand, auf der Liege unmittelbar hinter dem Fußballer, war eine Frau in einem Bikini zu erkennen. Ein weiterer Artikel mit demselben Berichtsgegenstand und einem größeren Ausschnitt desselben Fotos wurde zudem im Internetportal veröffentlicht. Die Frau wollte nicht, dass sie auf dem Bild zu erkennen ist und wehrte sich dagegen. Sie klagte gegen den Herausgeber der Zeitung auf Unterlassung.

Und das Oberlandesgericht gab ihr Recht! Bilder einer Person dürfen grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden. Eine Verbreitung ohne Einwilligung ist dann möglich, wenn das Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist. Dabei darf dieser Begriff nicht zu eng verwendet werden. Es werden eher Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse umfasst, unterhaltende Beiträge sind davon nicht ausgenommen. Das hier veröffentlichte Foto zeigte die Frau jedoch in einer erkennbar privaten Situation. Es bestand keinerlei Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis. Deshalb durfte es nicht veröffentlicht werden und die Frau hat einen Unterlassungsanspruch für die Zukunft.

Hinweis: Da ist eine Zeitung wieder einmal über das Ziel hinaus geschossen. Trotzdem sollte niemals vergessen werden, dass Berichterstattungen, die im allgemeinen gesellschaftlichen Interesse liegen, in Ordnung sind.

Quelle: BGH, Urt. v. 21.04.2015 – VI ZR 245/14

Thema: Sonstiges

Bagatellschadensgrenze: Gutachter bei Bagatellschäden nicht erforderlich

Die Einschaltung eines Kfz-Sachverständigen ist bei Unfallschäden unter 750 EUR nicht erforderlich. Die Vorlage eines Kostenvoranschlags reicht in diesen Fällen aus.

Der Halter eines bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs beauftragte einen Kfz-Sachverständigen mit der Ermittlung der Schadenshöhe. Dieser berechnete die erforderlichen Reparaturkosten mit etwa 1.000 EUR. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers lehnte die Übernahme der Sachverständigenkosten mit der Begründung ab, die Vorlage eines Kostenvoranschlags sei vorliegend ausreichend, da es sich um einen Bagatellschaden handele.

Nach Auffassung des Amtsgerichts Essen (AG) sind die Kosten eines Sachverständigen zu ersetzen, wenn sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Erforderlich sind solche Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten tätigen würde. Für die Frage, ob der Schädiger die Kosten eines Gutachtens zu ersetzen hat, ist nicht allein entscheidend, ob die ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten steht, sofern dem Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung diese Höhe nicht bekannt ist. Allerdings kann der später ermittelte Schadensumfang ein Gesichtspunkt für die Beurteilung sein, ob eine Begutachtung tatsächlich erforderlich war oder ob nicht möglicherweise andere, kostengünstigere Schätzungen ausreichen, wie beispielsweise ein Kostenvoranschlag eines Reparaturbetriebs. Bloße Bagatellschäden – in der Regel unter 750 EUR – erfordern lediglich die Einholung eines Kostenvoranschlags.

Hinweis: Der Bundesgerichtshof hat in mehreren Entscheidungen die Bagatellgrenze bei 750 EUR festgelegt. Das Urteil des AG nimmt hierauf Bezug. Es weist aber auch darauf hin, dass – sobald die Gefahr einer möglichen Schadenserweiterung oder eines etwaig verdeckten Schadens besteht – dieser erst im Rahmen einer Begutachtung festgestellt werden kann und die Einschaltung eines Sachverständigen erforderlich ist.

Quelle: AG Essen, Urt. v. 13.01.2015 – 11 C 361/14

Thema: Verkehrsrecht

Wohnungseigentum: Übernahme von Instandhaltungskosten

Im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zählen auch die Kosten für Unterkunft und Heizung zum Bedarf, der vom zuständigen Leistungsträger übernommen werden muss. Anzuerkennen sind nicht nur die Kosten für eine Mietwohnung, sondern auch die Kosten für selbstbewohntes Eigentum, etwa ein Hausgrundstück oder eine Eigentumswohnung. Auch ein Eigentümer, der vorübergehend arbeitslos wird, muss also nicht etwa sofort sein selbstbewohntes Eigentum veräußern. Der Gesetzgeber erkennt an, dass auch Immobilieneigentum eine Form von Altersvorsorge sein kann und schützt dieses entsprechend.

Das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 18. September 2014 – B 14 AS 48/13 R –) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob dem Eigentümer einer Eigentumswohnung auch die Kosten für eine beschlossene Sanierungsmaßnahme zu bezahlen sind.

Folgender Fall lag zugrunde: Der Wohnungseigentümer bezog Leistungen der Grundsicherung. Er bewohnte eine in seinem Eigentum stehende Wohnung mit einer Wohnfläche von etwa 55 m². Die Mehrheit der Wohnungseigentümer der Anlage beschloss einen Neuanstrich eines Teils der Fassade, zu finanzieren aus der Instandhaltungsrücklage, sowie die Sanierung von vier, nicht zur Wohnung des Klägers gehörenden, Balkonen. Die Balkonsanierung sollte laut Beschluss durch eine Sonderumlage finanziert werden. Die Übernahme dieser Kosten lehnte das Jobcenter ab. Der Wohnungseigentümer erhob daher Klage beim zuständigen Sozialgericht.

Der Kläger war in dem entschiedenen Fall zunächst hilfebedürftig im Sinne des Gesetzes, weil er seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus seinem Einkommen oder Vermögen sichern konnte. Die Hilfebedürftigkeit scheiterte auch nicht daran, dass er Eigentümer einer selbst genutzten Eigentumswohnung war. Diese war nicht als Vermögen zu berücksichtigen, da sie mit einer Wohnfläche von etwa 55 m² die angemessene Größe von 80 m² nicht überschritt.

Zu den zu übernehmenden Unterkunftskosten gehören bei Leistungsberechtigten, die in einem Haus oder einer Eigentumswohnung wohnen, das oder die in ihrem Eigentum steht, auch die mit der Nutzung der Immobilie unmittelbar verbundenen Lasten. Diese umfassen auch Zahlungen für eine Instandsetzung oder Instandhaltung, soweit sie nicht zu einer Verbesserung des Standards der selbst genutzten Immobilie führen.

Instandhaltung bedeutet die Erhaltung des vertrags- und ordnungsgemäßen Zustandes des Wohnobjekts, also die Beseitigung der durch Abnutzung, Alter und Witterungseinwirkungen entstehenden baulichen und sonstigen Mängel. Bei den Instandsetzungskosten handelt es sich in der Regel um Kosten aus Reparatur und Wiederbeschaffung. Instandsetzung und Instandhaltung betreffen deshalb Mängel an der baulichen Substanz der Immobilie oder ihrer Teile. Eine mit diesen Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen verbundene Wertsteigerung der Immobilie ist nur eine Folge der notwendigen Erhaltung und schließt deren Berücksichtigungsfähigkeit nach dem SGB II nicht aus.

Diese Voraussetzungen waren in dem entschiedenen Fall erfüllt. Zwei der Balkone der Wohnungseigentumsanlage wiesen erhebliche Schäden auf, während zwei weitere Balkone als bedenklich einzustufen waren. Die Balkonsanierung war zur Wiederherstellung der Substanz der Balkone und damit ihrer Gebrauchsmöglichkeit erforderlich.

Gegen eine Kostenübernahme sprach auch nicht der Umstand, dass keiner der Balkone zur Wohnung des Klägers gehörte. Die Balkone standen im Gemeinschaftseigentum, so dass insoweit die Besonderheiten einer Wohnungseigentümergemeinschaft zu berücksichtigen waren.

Tragende Gebäudeteile und Teile, die ohne Veränderung der äußeren Gestalt des Gebäudes nicht verändert werden können, sind Gemeinschaftseigentum und standen damit auch im Miteigentum des Klägers. Aufgrund des von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gefassten Beschlusses war der Kläger gegenüber der Gemeinschaft auch zur Kostentragung verpflichtet. Jeder Wohnungseigentümer ist grundsätzlich gemäß § 16 Abs. 2 WEG verpflichtet, sich an den Kosten der Sanierung von Gemeinschaftseigentum anteilig nach seinem Miteigentumsanteil zu beteiligen.

Allerdings sind die Aufwendungen bei Haus- oder Wohnungseigentümern nicht in beliebiger Höhe zu übernehmen, sondern nur soweit sie angemessen sind. Als angemessen sind für eine selbst genutzte Immobilie lediglich die Aufwendungen anzusehen, die im maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum für entsprechende Mietwohnungen als angemessen anzusehen sind. Es sind hierfür die im Kalenderjahr anfallenden, berücksichtigungsfähigen Gesamtaufwendungen mit der abstrakt angemessenen Jahresnettokaltmiete zu vergleichen.

Eine demnach mögliche Kostendeckelung setzt allerdings voraus, dass das Jobcenter den Anspruchsberechtigten zuvor zur Kostensenkung auffordert. Eine solche Kostensenkungsaufforderung ist auch bei einmalig fällig werdenden Bedarfen erforderlich, etwa wie hier bei einmaligen Forderungen infolge von Beschlüssen der Eigentümerversammlung nach dem WEG. Auch der Wohnungseigentümer muss vom Grundsicherungsträger in die Lage versetzt werden, seine Rechte gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft wahrzunehmen.

In dem vom BSG entschiedenen Fall hatte mangels einer vorherigen Kostensenkungsaufforderung der Grundsicherungsträger die Sonderumlage in der tatsächlich angefallenen Höhe zu übernehmen. Die Revision des Klägers hatte also Erfolg.

Da in entsprechenden Fällen das Jobcenter nicht die Gelegenheit zu einer solchen vorherigen Kostensenkungsaufforderung haben wird, werden Ansprüche von betroffenen Wohnungseigentümern in der Regel vom Jobcenter nicht abgelehnt werden können. Nach einer Beschlussfassung der Eigentümerversammlung ist eine Kostensenkung für den Leistungsempfänger nicht mehr möglich. Er könnte höchstens den Beschluss anfechten, wobei eine Anfechtungsklage allerdings keinen Erfolg haben kann, wenn die Sanierungsmaßnahme tatsächlich erforderlich ist und damit auch ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.

Offen gelassen hat das BSG die Frage, ob in Fällen, in denen die Instandsetzung besonders kostspielig ist, etwas anderes gelten kann. Das BSG weist in dem Zusammenhang auf die aktuell geltende Gesetzesfassung hin. Nach § 22 Abs. 2 SGB II gilt nämlich: Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft, kann ein Darlehen erbracht werden.

Die Rechtslage bei Wohnungseigentum und Leistungsbezug nach dem SGB II ist komplex. Sofern die Kosten der Eigentumswohnung wie in obigem Fall ansteigen und keine oder nicht ausreichende Einkünfte bezogen werden, sollte über einen Leistungsantrag nachgedacht werden. Nach einer Ablehnung sollten sich Betroffene dringend anwaltlich beraten lassen. Angesichts der oftmals mit schwierigeren Rechtsfragen überforderten Sachbearbeitung bei den Jobcentern kann ein Rechtsbehelf durchaus erfolgversprechend sein.

Thema: Sozialrecht

Autor: Rechtsanwalt Matthias Juhre, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Wuppertal

Scheinbewerbungen: Europäischer Gerichtshof steht vor wegweisendem Urteil

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet die unzulässige Benachteiligung von (echten) Bewerbern. Wird jemand bei der Einstellung oder im Einstellungsverfahren diskriminiert, hat er Anspruch auf eine Entschädigung.

Ein bereits seit vielen Jahren tätiger Rechtsanwalt bewarb sich auf ein Traineeprogramm eines großen Versicherungskonzerns. Er erfüllte nicht annähernd die Voraussetzungen – insbesondere, da sein Examen schon lange Jahre zurück lag. Als er abgelehnt wurde, forderte er eine Entschädigung in Höhe von 14.000 EUR. Schließlich musste sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Angelegenheit befassen.

Dieses erkannte, dass es sich offensichtlich nicht um eine ernst gemeinte Bewerbung handelte. Trotzdem hatten die Richter ein Problem: Zwar war der Anwalt nach deutschem Recht weder ein echter Bewerber noch ein Beschäftigter im Sinne des AGG. Das Unionsrecht nennt jedoch in den einschlägigen Richtlinien nicht den Begriff „Bewerber“, sondern schützt den „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit“. Nicht geklärt ist daher, ob das Unionsrecht ebenfalls voraussetzt, dass wirklich der Zugang zur Beschäftigung gesucht und eine Einstellung bei dem Arbeitgeber tatsächlich gewollt sind. Deshalb hat das BAG dem Europäischen Gerichtshof die Angelegenheit vorgelegt. Dieser hat nun die Chance, Scheinbewerbern das Handwerk zu legen. Schutz vor Diskriminierungen ist richtig und wichtig. Soll das aber auch für Scheinbewerbungen gelten?

Hinweis: Fühlt sich ein Bewerber diskriminiert, muss er seine Forderungen innerhalb von zwei Monaten schriftlich geltend machen!

Quelle: BAG, Beschl. v. 18.06.2015 – 8 AZR 848/13 (A)

Thema: Arbeitsrecht

Sittenwidrige Vergütungsvereinbarung: Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers darf nicht auf dem Arbeitnehmer lasten

Leistungsabhängige Vergütungsbestandteile gehören für viele Arbeitnehmer zum Alltag. Das wirtschaftliche Risiko darf aber nicht auf sie verlagert werden.

Ein Steuerfachgehilfe erhielt zu seinem Grundgehalt eine 30%ige Beteiligung an gegenüber Mandanten seiner Arbeitgeberin abgerechneten Leistungen. Dieser Provisionsanteil machte dabei rund zwei Drittel seiner Gesamtvergütung aus. Die Arbeitgeberin war nun der Meinung, dass der Steuerfachgehilfe nur an erledigten, abgerechneten und bezahlten Umsätzen zu beteiligen sei. Der Steuerfachgehilfe war dagegen der Auffassung, dass auch die nicht weiterberechneten bzw. nicht bezahlten Leistungen für die Mandanten seiner Chefin anteilig zu begleichen seien – und klagte mehr Geld ein.

Er bekam Recht, denn Vergütungsvereinbarungen sind dann sittenwidrig, sobald der Arbeitnehmer mit dem Betriebs- oder Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers belastet wird. Hier war er scheinbar davon abhängig, dass die Arbeitgeberin ihre Honoraransprüche ordentlich durchsetzt, ohne dass er darauf in irgendeiner Weise Einfluss ausüben konnte.

Hinweis: Grundsätzlich darf ein Lohnanspruch nicht von Umständen abhängig gemacht werden, die der Arbeitnehmer nicht beeinflussen kann.

Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 21.04.2015 – 14 Sa 1249/14
Thema: Arbeitsrecht

Verkehrssicherheit: Voraussetzungen für die fiktive Schadensabrechnung

Bei der fiktiven Schadensabrechnung ist nicht nur das Behalten des Fahrzeugs für mindestens weitere sechs Monaten erforderlich, sondern auch die Gewährleistung für dessen Verkehrssicherheit.

Bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall wurde ein Pkw so erheblich beschädigt, dass nach Auffassung eins Kfz-Sachverständigen unter anderem ein Austausch des Lenkgetriebes notwendig war. Der Geschädigte führte die Reparatur des Fahrzeugs jedoch nicht durch und rechnete gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners den Schaden fiktiv ab. Er behauptete, das Fahrzeug auch ohne einen Austausch des Lenkgetriebes fahren zu können. Das tat er dann auch über den Zeitraum der vorgeschriebenen Mindestzeit von sechs Monaten. Doch die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers trat dem entgegen und rechnete den Schaden auf Totalschadenbasis ab.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg konnte im vorliegenden Fall eine Abrechnung nur auf Totalschadenbasis erfolgen. Denn Voraussetzungen für eine fiktive Abrechnung sind zum einen, dass der Geschädigte das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiterhin nutzt, zum anderen, dass die Verkehrssicherheit dafür gewährleistet ist. Weil der Geschädigte aber das von dem Gutachter für erforderlich gehaltene Austauschen des Lenkgetriebes nicht durchführte, fehlte es hier genau daran.

Hinweis: Liegen die vom Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten unterhalb des Wiederbeschaffungswerts, kann der Geschädigte grundsätzlich die Nettoreparaturkosten ersetzt verlangen (fiktive Abrechnung). Dass diese Verfahrensweise auch an Bedingungen geknüpft ist, zeigt diese Entscheidung, die der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht.

Quelle: OLG Hamburg, Urt. v. 08.04.2015 – 14 U 112/14

Thema: Verkehrsrecht

Gewerberäume: Mietvertrag mit einer Aktiengesellschaft

Soll ein Mietvertrag, insbesondere im gewerblichen Bereich, für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden, sollte die Schriftform gewahrt werden. Andernfalls gilt der Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann unter Beachtung der gesetzlichen Fristen gekündigt werden.

Ein Mietvertrag mit einer Aktiengesellschaft (AG) als Mieterin wurde von deren Vorstand und dem Prokuristen unterzeichnet. Mit Nachtrag aus 2004 wurde das Mietverhältnis nach Ablauf der Festmietzeit um fünf Jahre verlängert. Die Option sollte stillschweigend in Kraft treten, wenn der Mieter spätestens 12 Monate vor Ablauf der Mietzeit keine gegenteilige schriftliche Erklärung abgibt. Nun meinte der Vermieter, die Schriftform sei nicht eingehalten worden. Denn den Vertrag habe nur ein Vorstandsmitglied der AG unterschrieben, gesetzlich wird eine AG aber durch den gesamten Vorstand vertreten. Deshalb bestünde kein befristeter Vertrag, sondern ein unbefristeter, den er kündigen könne.

Der Bundesgerichtshof entschied: Handelt es sich bei einer Mietvertragspartei nicht um eine Personenmehrheit, sondern um eine Kapitalgesellschaft, die von mehreren Personen vertreten wird, kann der Eindruck, die Urkunde sei in Bezug auf die Unterschriften noch unvollständig, vermieden werden, wenn wie hier ein Mitglied des Vorstands und ein Prokurist unterzeichnet haben. In zugrundeliegenden Fall ist daher also die Schriftform gewahrt worden.

Hinweis: Das Urteil zeigt aber auch, dass gerade bei befristeten Mietverträgen, in denen die Schriftform zwingend eingehalten werden muss, genau geprüft werden sollte, wer den Vertrag unterschreiben muss.

Quelle: BGH, Urt. v. 22.04.2015 – XII ZR 55/14
Thema: Mietrecht