Im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zählen auch die Kosten für Unterkunft und Heizung zum Bedarf, der vom zuständigen Leistungsträger übernommen werden muss. Anzuerkennen sind nicht nur die Kosten für eine Mietwohnung, sondern auch die Kosten für selbstbewohntes Eigentum, etwa ein Hausgrundstück oder eine Eigentumswohnung. Auch ein Eigentümer, der vorübergehend arbeitslos wird, muss also nicht etwa sofort sein selbstbewohntes Eigentum veräußern. Der Gesetzgeber erkennt an, dass auch Immobilieneigentum eine Form von Altersvorsorge sein kann und schützt dieses entsprechend.
Das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 18. September 2014 – B 14 AS 48/13 R –) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob dem Eigentümer einer Eigentumswohnung auch die Kosten für eine beschlossene Sanierungsmaßnahme zu bezahlen sind.
Folgender Fall lag zugrunde: Der Wohnungseigentümer bezog Leistungen der Grundsicherung. Er bewohnte eine in seinem Eigentum stehende Wohnung mit einer Wohnfläche von etwa 55 m². Die Mehrheit der Wohnungseigentümer der Anlage beschloss einen Neuanstrich eines Teils der Fassade, zu finanzieren aus der Instandhaltungsrücklage, sowie die Sanierung von vier, nicht zur Wohnung des Klägers gehörenden, Balkonen. Die Balkonsanierung sollte laut Beschluss durch eine Sonderumlage finanziert werden. Die Übernahme dieser Kosten lehnte das Jobcenter ab. Der Wohnungseigentümer erhob daher Klage beim zuständigen Sozialgericht.
Der Kläger war in dem entschiedenen Fall zunächst hilfebedürftig im Sinne des Gesetzes, weil er seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus seinem Einkommen oder Vermögen sichern konnte. Die Hilfebedürftigkeit scheiterte auch nicht daran, dass er Eigentümer einer selbst genutzten Eigentumswohnung war. Diese war nicht als Vermögen zu berücksichtigen, da sie mit einer Wohnfläche von etwa 55 m² die angemessene Größe von 80 m² nicht überschritt.
Zu den zu übernehmenden Unterkunftskosten gehören bei Leistungsberechtigten, die in einem Haus oder einer Eigentumswohnung wohnen, das oder die in ihrem Eigentum steht, auch die mit der Nutzung der Immobilie unmittelbar verbundenen Lasten. Diese umfassen auch Zahlungen für eine Instandsetzung oder Instandhaltung, soweit sie nicht zu einer Verbesserung des Standards der selbst genutzten Immobilie führen.
Instandhaltung bedeutet die Erhaltung des vertrags- und ordnungsgemäßen Zustandes des Wohnobjekts, also die Beseitigung der durch Abnutzung, Alter und Witterungseinwirkungen entstehenden baulichen und sonstigen Mängel. Bei den Instandsetzungskosten handelt es sich in der Regel um Kosten aus Reparatur und Wiederbeschaffung. Instandsetzung und Instandhaltung betreffen deshalb Mängel an der baulichen Substanz der Immobilie oder ihrer Teile. Eine mit diesen Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen verbundene Wertsteigerung der Immobilie ist nur eine Folge der notwendigen Erhaltung und schließt deren Berücksichtigungsfähigkeit nach dem SGB II nicht aus.
Diese Voraussetzungen waren in dem entschiedenen Fall erfüllt. Zwei der Balkone der Wohnungseigentumsanlage wiesen erhebliche Schäden auf, während zwei weitere Balkone als bedenklich einzustufen waren. Die Balkonsanierung war zur Wiederherstellung der Substanz der Balkone und damit ihrer Gebrauchsmöglichkeit erforderlich.
Gegen eine Kostenübernahme sprach auch nicht der Umstand, dass keiner der Balkone zur Wohnung des Klägers gehörte. Die Balkone standen im Gemeinschaftseigentum, so dass insoweit die Besonderheiten einer Wohnungseigentümergemeinschaft zu berücksichtigen waren.
Tragende Gebäudeteile und Teile, die ohne Veränderung der äußeren Gestalt des Gebäudes nicht verändert werden können, sind Gemeinschaftseigentum und standen damit auch im Miteigentum des Klägers. Aufgrund des von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gefassten Beschlusses war der Kläger gegenüber der Gemeinschaft auch zur Kostentragung verpflichtet. Jeder Wohnungseigentümer ist grundsätzlich gemäß § 16 Abs. 2 WEG verpflichtet, sich an den Kosten der Sanierung von Gemeinschaftseigentum anteilig nach seinem Miteigentumsanteil zu beteiligen.
Allerdings sind die Aufwendungen bei Haus- oder Wohnungseigentümern nicht in beliebiger Höhe zu übernehmen, sondern nur soweit sie angemessen sind. Als angemessen sind für eine selbst genutzte Immobilie lediglich die Aufwendungen anzusehen, die im maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum für entsprechende Mietwohnungen als angemessen anzusehen sind. Es sind hierfür die im Kalenderjahr anfallenden, berücksichtigungsfähigen Gesamtaufwendungen mit der abstrakt angemessenen Jahresnettokaltmiete zu vergleichen.
Eine demnach mögliche Kostendeckelung setzt allerdings voraus, dass das Jobcenter den Anspruchsberechtigten zuvor zur Kostensenkung auffordert. Eine solche Kostensenkungsaufforderung ist auch bei einmalig fällig werdenden Bedarfen erforderlich, etwa wie hier bei einmaligen Forderungen infolge von Beschlüssen der Eigentümerversammlung nach dem WEG. Auch der Wohnungseigentümer muss vom Grundsicherungsträger in die Lage versetzt werden, seine Rechte gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft wahrzunehmen.
In dem vom BSG entschiedenen Fall hatte mangels einer vorherigen Kostensenkungsaufforderung der Grundsicherungsträger die Sonderumlage in der tatsächlich angefallenen Höhe zu übernehmen. Die Revision des Klägers hatte also Erfolg.
Da in entsprechenden Fällen das Jobcenter nicht die Gelegenheit zu einer solchen vorherigen Kostensenkungsaufforderung haben wird, werden Ansprüche von betroffenen Wohnungseigentümern in der Regel vom Jobcenter nicht abgelehnt werden können. Nach einer Beschlussfassung der Eigentümerversammlung ist eine Kostensenkung für den Leistungsempfänger nicht mehr möglich. Er könnte höchstens den Beschluss anfechten, wobei eine Anfechtungsklage allerdings keinen Erfolg haben kann, wenn die Sanierungsmaßnahme tatsächlich erforderlich ist und damit auch ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.
Offen gelassen hat das BSG die Frage, ob in Fällen, in denen die Instandsetzung besonders kostspielig ist, etwas anderes gelten kann. Das BSG weist in dem Zusammenhang auf die aktuell geltende Gesetzesfassung hin. Nach § 22 Abs. 2 SGB II gilt nämlich: Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft, kann ein Darlehen erbracht werden.
Die Rechtslage bei Wohnungseigentum und Leistungsbezug nach dem SGB II ist komplex. Sofern die Kosten der Eigentumswohnung wie in obigem Fall ansteigen und keine oder nicht ausreichende Einkünfte bezogen werden, sollte über einen Leistungsantrag nachgedacht werden. Nach einer Ablehnung sollten sich Betroffene dringend anwaltlich beraten lassen. Angesichts der oftmals mit schwierigeren Rechtsfragen überforderten Sachbearbeitung bei den Jobcentern kann ein Rechtsbehelf durchaus erfolgversprechend sein.
Thema: Sozialrecht
Autor: Rechtsanwalt Matthias Juhre, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Wuppertal