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Schlagwort: LG Bielefeld

Abfindungsrechner im Internet: Verband klagt erfolgreich gegen online suggerierte Rechtssicherheit nach Kündigungen

Das Internet und die Industrie 4.0 machen auch nicht vor den rechtsberatenden Berufen halt. Was allerdings nicht geht, zeigt dieser Fall.


Ein sogenanntes Legal-Tech-Unternehmen plante mit seinem Geschäftsmodell, sich von gekündigten Arbeitnehmern die bestehenden Ansprüche auf Zahlung einer Abfindung im Fall der Unwirksamkeit der Kündigung abtreten zu lassen. Das Ziel des Unternehmens war es dabei, gegen den jeweiligen Arbeitgeber zu klagen – eine Leistung, für die es 25 % der erstrittenen Abfindung zuzüglich der Umsatzsteuer erhalten sollte.

Gegen die Bewerbung des Geschäftsmodells mithilfe eines Online-Abfindungsrechners zog ein Verband zur Förderung selbständiger beruflicher Interessen vor das Gericht. Und das mit Erfolg. Durch einen Online-Abfindungsrechner sollten sich Rechtssuchende berechnen lassen, mit welcher Abfindung sie unter Umständen rechnen können. Es würde dadurch eine gewisse Rechtssicherheit suggeriert, obwohl keine tatsächliche individuelle Prüfung erfolgt. Ferner würde suggeriert, dass das Online-Portal eine Kündigungsschutzklage erstellt, obwohl das tatsächliche Gerichtsverfahren durch Partnerrechtsanwälte durchgeführt werden würde.

Hinweis: Es handelt sich also um eine irreführende Werbung, wenn sich ein Internetportalbetreiber von einem gekündigten Arbeitnehmer den im Fall einer Unwirksamkeit der Kündigung bestehenden Abfindungsanspruch abtreten lässt. Denn hier hätte es behauptet, dass jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Abfindung habe. Letzteres stimmt aber nicht! Vielmehr muss in den meisten Fällen eine Abfindung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart werden.

Quelle: LG Bielefeld, Urt. v. 12.12.2017 – 15 O 67/17

 Thema: Sonstiges

Fahrlässige Beweisvereitelung: Vorzeitige Entsorgung eines Mängelteils führt zum Wegfall sämtlicher Regressansprüche

Behauptet ein Käufer, dass ein Bauteil des erworbenen Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Kaufs defekt gewesen sei, darf er im Lauf der gerichtlichen Streitigkeiten eben jenes Beweismittel entsorgen lassen. Denn sonst nimmt er dem Verkäufer die Möglichkeit, die Vermutung des Vorliegens eines Mangels zu widerlegen.

Bei einem im Dezember gekauften Gebrauchtwagen trat im April des folgenden Jahres ein Defekt an der Kraftstoffhochdruckpumpe auf. Dies führte dazu, dass der Motor bei hohen Geschwindigkeiten plötzlich ausging. Mit anwaltlichem Schreiben teilte der Käufer dem Autohaus mit, dass er einen Sachverständigen mit der Begutachtung und Beweissicherung beauftragen würde. Anschließend wurde die Kraftstoffhochdruckpumpe entsorgt. Da das Autohaus sich nicht auf eine Rückgängigmachung des Kaufvertrags einließ, erhob der Käufer Klage.

Das Landgericht Bielefeld hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Käufer dem Verkäufer wegen der Entsorgung der Kraftstoffhochdruckpumpe nicht die Möglichkeit gegeben hat, den Beweis zu erbringen, dass diese zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs im Dezember einwandfrei funktionierte. Dem Käufer war daher eine fahrlässige Beweisvereitelung vorzuwerfen. Er hätte erkennen können und müssen, dass die ausgebaute Kraftstoffhochdruckpumpe als Beweisobjekt benötigt werden würde, und er hätte auch ohne weiteres veranlassen können, dass dieses Bauteil nicht entsorgt wird.

Hinweis: Der Fall zeigt eindrucksvoll, dass bis zum Abschluss einer außergerichtlichen oder gerichtlichen Auseinandersetzung Bauteile, deren Mangelhaftigkeit behauptet wird, nicht entsorgt werden sollten. Eine Beweisvereitelung liegt immer dann vor, wenn eine Partei ihrem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht. Hierbei muss sich das Verschulden sowohl auf die Zerstörung oder Entziehung des Beweisobjekts als auch auf die Beseitigung seiner Beweisfunktion beziehen – also darauf, die Beweislage des Gegners in einem gegenwärtigen oder künftigen Prozess nachteilig zu beeinflussen.

Quelle: LG Bielefeld, Urt. v. 13.04.2016 – 22 S 239/15
Thema: Verkehrsrecht

Alkoholfahrt: Kenntnis über die Fahruntüchtigkeit des Fahrers führt zur Mitschuld des Beifahrers

Die Mitfahrt in einem Fahrzeug eines erkennbar alkoholisierten Fahrers begründet ein Mitverschulden in Höhe von 25 %.

Nach einem ausgiebigen Grillabend, bei dem erheblich Alkohol konsumiert wurde, befuhren zwei Teilnehmer in einem Pkw gegen 4:42 Uhr innerorts eine leichte Linkskurve, in deren Verlauf das Fahrzeug von der Fahrbahn abkam und mit hoher Geschwindigkeit mit einem Baum kollidierte. Sowohl Fahrer als auch Beifahrer, der auf der Rücksitzbank saß, waren sofort tot. Die Erben des Beifahrers machten daraufhin der Pkw-Haftpflichtversicherung gegenüber Schadensersatzansprüche geltend.

Das Landgericht Bielefeld geht von einer Haftung in Höhe von 75 % aus. Nach Überzeugung des Gerichts steht fest, dass es nach allgemeiner Lebenserfahrung ausgeschlossen ist, nach einem Grillabend mit erheblichem Alkoholkonsum bereits um 4:42 Uhr von einer vollkommenen Nüchternheit des am Abend noch als „betrunken“ wahrgenommenen Fahrers auszugehen. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn der maßgebliche Alkoholkonsum unter Trinkbeteiligung – jedenfalls jedoch im Beisein – des späteren Mitfahrers erfolgt ist. Für eine sichere Annahme der Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt spricht auch, dass seitens der den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten am Unfallort ein deutlicher Alkoholgeruch beim Fahrzeugführer festgestellt wurde. Der Beweis des ersten Anscheins spricht somit für dessen zum Unfallzeitpunkt noch fortbestehende und bemerkbare Alkoholisierung. Ein die Quote von 25 % übersteigendes Mitverschulden des verstorbenen Mitfahrers ist demgegenüber vom Gericht nicht festgestellt worden.

Hinweis: Für die Frage, ob ein geschädigter Beifahrer die Einschränkung der Fahrtüchtigkeit eines alkoholisierten Fahrers kannte oder erkennen musste, kommt es darauf an, ob und in welchem Umfang der Fahrer in Gegenwart des später Geschädigten alkoholische Getränke zu sich genommen hat oder welche Ausfälle er gezeigt hat, die auf alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit schließen ließen.

Quelle: LG Bielefeld, Urt. v. 01.09.2014 – 6 O 71/13 

Thema: Verkehrsrecht