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Schlagwort: Mietnomade

Mietrecht: Keine Mietvertragsaufhebung durch vorzeitige Wohnungsabnahme und Schlüsselübergabe

Das Amtsgericht Wuppertal hat entschieden, dass in der vorzeitigen Wohnungsabnahme und der Schlüsselübergabe nicht der Abschluss eines Mietaufhebungsvertrages gesehen werden kann. Das Landgericht Wuppertal hat dies bestätigt und die Berufung des Mieters zurückgewiesen.

Im Fall hatte der Mieter die Wohnung schon vor Ablauf der Kündigungsfrit verlassen und die Wohnung übergeben. Er berief sich darauf, dass der Vermieter, weil er die Wohnung bereits vorzeitig zurückgenommen, ihn auch aus dem Vertrag entlassen habe. Daher sei für den letzten Monat keine Miete mehr zu zahlen gewesen. Der Vermieter sah dies jedoch anders, klagte auf Zahlung der letzten Miete und gewann den Prozess in beiden Instanzen.

Das Landgericht Wuppertal führte zur Begründung aus (LG Wuppertal, Urteil vom 05. November 2015 – 9 S 69/15 –):

Die Parteien könnten im Rahmen der Vertragsfreiheit unabhängig von einer vereinbarten Mietzeit das Mietverhältnis zu jeder Zeit durch einen Aufhebungsvertrag beenden, wobei ein Verhalten ausreichend sein kann, aus dem dieser rechtliche Wille geschlossen werden kann. Auf eine derartige Vereinbarung – eine um einen Monat vorzeitige Aufhebung des Mietverhältnisses – habe sich der Mieter aber im Fall nicht berufen können.

Die Bewertung einer Erklärung als Angebot zum Abschluss eines Mietaufhebungsvertrags ist nur gerechtfertigt, wenn dadurch mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, dass sich der Erklärende hierdurch binden will. An den Bindungswillen dürfen nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden. Ein Angebot zum Abschluss eines Mietaufhebungsvertrags ist nur dann anzunehmen, wenn aus bestimmten Umständen der Schluss gezogen werden kann, dass der Vermieter gleichzeitig seine Ansprüche gegen den Mieter abschließend regeln will. Dies ist dann gerechtfertigt, wenn z.B. der Vermieter dem Mieter die Rückgabe der Kaution anbietet oder hierüber abrechnet und damit zum Ausdruck bringt, dass das Mietverhältnis beendet sein soll.

Im entschiedenen Fall war ein solcher Wille nicht deutlich genug zum Ausdruck gekommen. In einem Schreiben hatte der Mieter zwar möglicherweise ein Angebot für eine Aufhebungsvereinbarung gemacht, dieses war jedoch durch den Vermieter nicht ausdrücklich angenommen worden. Auch mit der Rücknahme der Wohnung habe der Vermieter keine Annahmeerklärung zu einem Aufhebungsvertrag abgegeben.

In der Durchführung der Abnahme und der Übergabe sämtlicher Wohnungsschlüssel könne, so das Landgericht, nicht der konkludente (d.h. durch schlüssiges Verhalten erklärte) Abschluss eines Mietaufhebungsvertrages gesehen werden. Dagegen spreche, dass an einen entsprechenden Bindungswillen hohe Anforderungen zu stellen sind. Allein durch die Abnahme der Wohnung bringe der Vermieter nicht zum Ausdruck, dass das Mietverhältnis beendet sein soll. Hierfür spreche vorliegend auch nicht der Zeitpunkt der Abnahme, denn eine Abnahme der Wohnung könne durchaus, je nach den hierfür zur Verfügung stehenden Terminen, auch einige Zeit vor Beendigung des Mietverhältnisses stattfinden.

Das Landgericht nimmt zur Begründung auch Bezug auf eine Entscheidungs des Oberlandesgerichts Köln, das bereits für einen Fall aus dem Gewerberaummietrecht entschieden hat: „Durch die Übersendung der Schlüssel ist keine Beendigung des Mietverhältnis über Gewerberäume eingetreten. Mit Übersendung des Schlüssels und stillschweigender Annahme ist kein Aufhebungsvertrag zustande gekommen“ (OLG Köln, Urteil vom 09. Juli 1997 – 27 U 5/97 –).

Vermieter kennen das Problem, dass Mieter, die bereits einen neuen Mietvertrag abgeschlossen haben, für den sich überschneidenden Zeitraum keine „doppelte“ Miete zahlen wollen. Rechtlich ist jedoch die Miete grundsätzlich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiter zu bezahlen. Die Kündigungsfristen sind bereits vom Gesetzgeber mieterfreundlich kurz gehalten (§ 573c Abs. 1 Satz 1 BGB: bis zum dritten Werktag eines Kalendermonats mit Wirkung zum Ablauf des übernächsten Monats), so dass sich im Zweifel kein Vermieter auf eine noch weitere Verkürzung einlassen wird.

Das sog. „Verwendungsrisiko“ liegt ohnehin beim Mieter. Das heißt, der Mieter muss, auch wenn er kein Interesse an der Nutzung der Wohnung mehr hat oder diese sogar aus persönlichen Gründen gar nicht mehr nutzen kann, weiterhin die Miete bezahlen (§ 537 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Völlig chancenlos ist die Situation für Mieter bei vorzeitiger Rückgabe allerdings auch wieder nicht.

Unter Umständen kann bei vorzeitiger Rückgabe der Vermieter seine Mietansprüche ganz oder teilweise verlieren, nämlich insbesondere in den folgenden Fällen:

  • Die Wohnung wird innerhalb der Kündigungsfrist neu vermietet. Dann muss sich der Vermieter die vom Nachmieter erhaltene Miete anrechnen lassen (§ 537 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Altmieter muss dann nur die Differenz zahlen, wenn die neue Miete niedriger ist. Ergibt sich keine Differenz oder ist die neue Miete höher, muss der Altmieter nichts mehr zahlen.

  • Der Vermieter überlässt die Wohnung einem Dritten (§ 537 Abs. 2 BGB).

  • Der Vermieter beginnt mit umfangreichen Renovierungs- oder Sanierungsarbeiten vor Ablauf der Kündigungsfrist. In dem Fall ist die Wohnung nicht mehr zum Gebrauch geeignet, so dass die Miete auf Null gemindert ist (§ 536 Abs. 1 Satz 1 BGB) bzw. eine „anderweitige Verwendung“ seitens des Vermieters vorliegt (§ 537 Abs. 1 Satz 2 BGB), die wiederum von der Pflicht zur Mietzahlung befreit.

In unserer mietrechtlichen Beratungspraxis zeigt sich, dass vor allem der gekündigte Mietvertrag erhebliches Streitpotential bietet. Da der Teufel – sowohl für Mieter als auch Vermieter – im Detail steckt, sollte unbedingt anwaltlicher Rat rechtzeitig eingeholt werden, bevor kostspielige Fehler passieren.

Thema: Mietrecht

Autor: Rechtsanwalt Matthias Juhre, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in Wuppertal