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Schlagwort: OLG Schleswig

Mithaftung bei Unfällen: Erhöhte Betriebsgefahr bei Geschwindigkeiten oberhalb der Richtgeschwindigkeit

Wer sein Fahrzeug auf Autobahnen deutlich über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h steuert, muss im Schadensfall mit einer Teilschuld rechnen, da eine solche Ausgangsgeschwindigkeit als betriebsgefahrerhöhend berücksichtigt wird. Dies wird auch im Fall des Oberlandesgerichts Schleswig (OLG) deutlich.

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Kein straßenrechtlicher Gemeingebrauch: Nutzung eines öffentlich abgestellten Wohnmobils stellt eine unzulässige Sondernutzung dar

Wenn einer eine Reise tut, kann er was erleben – besonders, wenn es an den dafür notwendigen Vorbereitungen mangelt. Das musste nun auch eine Urlauberin vor dem Oberlandesgericht Schleswig (OLG) erfahren, die sich weder hinreichend um einen Stellplatz für ihr Wohnmobil gekümmert hatte noch sattelfest in Sachen gesetzlicher Regelungen zum temporären Abstellen war.

Die Frau wollte mit ihrem Wohnmobil mehrere Tage in Sankt Peter-Ording verbringen. Da die dort vorhandenen Stellplätze, die auch über Nacht zum Abstellen von Wohnmobilen freigegeben sind, belegt waren, stellte sie das von ihr geführte Wohnmobil auf einem Parkplatz ab, der nur für Pkw zugelassen ist, und übernachtete dort. Das Amtsgericht Husum verurteilte die Betroffene deshalb zu einer Geldbuße von 100 EUR. Hiergegen wendete sie sich mit ihrer Rechtsbeschwerde und meinte, das Abstellen von Wohnmobilen unterfalle dem Straßenverkehrsrecht und sei vom Bundesgesetzgeber abschließend geregelt worden.

Nach Auffassung des OLG beging die Betroffene jedoch durchaus eine Ordnungswidrigkeit, indem sie ihr Wohnmobil auf dem öffentlichen Parkplatz aufstellte und dort übernachtete. Schließlich diente die Übernachtung nicht der Wiederherstellung der Fahrtauglichkeit der Betroffenen, denn sie fand nicht im Rahmen einer Unterbrechung der Fahrt zum Zielort statt. Vielmehr hatte die Frau ihr Ziel, Sankt Peter-Ording, bereits erreicht. Die Übernachtung erfolgte als erste im Rahmen von mehreren geplanten Urlaubstagen. Dieses Verhalten ist nicht mehr vom straßenrechtlichen Gemeingebrauch gedeckt und stellt vielmehr eine unzulässige Sondernutzung dar.

Hinweis: Die bundesgesetzlichen Regelungen des § 6 Sttaßenverkehrsgesetz und § 12 Straßenverkehrsordnung betreffen das Parken von Fahrzeugen. Hierauf beschränkt sich der Regelungsgehalt des § 37 Abs. 1 Landesnaturschutzgesetz aber gerade nicht. Die Vorschrift verbietet nicht das Abstellen als solches im Rahmen des ruhenden Verkehrs, sondern vielmehr das Aufstellen und gleichzeitige Benutzen zu Wohnzwecken. Daher dient die Vorschrift nicht allein verkehrsbezogenen Zwecken – vielmehr soll sie Überschreitungen des straßenverkehrsrechtlich gestatteten Gemeingebrauchs verhindern und dient damit Zwecken des Natur- und Landschaftsschutzes und der Landschaftsplanung.

Quelle: OLG Schleswig, Beschl. v. 15.06.2020 – 1 Ss-OWi 183/19

Thema: Verkehrsrecht

Zwangsmittel aussichtlos: Willensstarke 14-Jährige bringt Oberlandesgericht in Sachen Schulpflicht zur Resignation

In Deutschland besteht Schulpflicht, und deshalb haben Eltern ihre Kinder auch anzuhalten, dieser entsprechend nachzukommen. Dass ein sich hartnäckig weigernder Teenager jedoch nicht immer zum Schulbesuch gezwungen werden kann, musste das Oberlandesgericht Schleswig (OLG) im folgenden Fall einsehen.

Die Eltern des betreffenden minderjährigen Mädchens, das bei seiner Mutter lebt, waren geschieden. Die Mutter, von Beruf Gymnasiallehrerin, hatte den Beruf nach kurzer Tätigkeit aufgegeben und arbeitet heute als freie Sängerin und „Coach zur Persönlichkeitsentwicklung über Stimme“. Der Kindesvater hat seine Habilitation abgeschlossen und arbeitet. Die gemeinsame Tochter besuchte nach der Grundschule das Gymnasium, aber nur bis zur sechsten Klasse. Seither weigert sie sich, zur Schule zu gehen. Es kam zur Schrägversetzung in die siebte Klasse einer Gemeinschaftsschule. Auch diese Schule besucht die junge Frau aber nicht. Ausführlich begründet hat sie gegenüber dem Ministerium und dem Gericht, dass sie die „selbstbestimmte Bildung“ bevorzuge. Das Gericht hatte sich nun mit der Frage zu beschäftigen, ob Maßnahmen gegen die Mutter zu ergreifen sind, die anders als der Vater das Verhalten der Tochter toleriert.

Für das OLG liegt ein Fall der Kindeswohlgefährdung vor, denn die dazu erforderliche geistige wie seelische Beeinträchtigung des Kindes sei gegeben. Freies Lernen stehe im Alter dieses Kindes hinter einer Bildung durch die Schule zurück. Auch fehle es zu sehr an der Möglichkeit, das Gemeinschaftsleben in der Gesellschaft zu erlernen, wenn der Schulbesuch unterbliebe. Dennoch sah sich das OLG zu keinem Einschreiten veranlasst und übertrug die elterliche Sorge für den Bereich schulische Belange auf die Mutter allein. Die 14,5 Jahre alte Tochter habe zu stark zum Ausdruck gebracht, sich durch nichts davon abbringen zu lassen, ihre selbstbestimmte Bildung fortzusetzen. Zwangsmittel gegen die Mutter festzusetzen, werde das Verhalten der Tochter daher nicht beeinflussen und habe deshalb zu unterbleiben. Das Gericht hat sich also dem eisernen Willen des Kindes gebeugt.

Hinweis: Es bleibt stark zu hoffen, dass dieser Ausnahmefall nicht Schule macht.

Quelle: OLG Schleswig, Beschl. v. 27.12.2018 – 10 UF 176/18

Thema: Familienrecht

Telefonnummern vergessen: Internethändler verletzt Verbraucherrechte durch unvollständige Widerrufsbelehrung

Das Recht hält bekanntlich viele Stolperfallen bereit, vor allem auf dem nach wie vor unübersichtlichen Gebiet des Handels im Internet. Wer dort gewerblich handelt, sollte daher auch die folgende Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Schleswig (OLG) unbedingt kennen.


Ein Unternehmen verkaufte Telekommunikationsdienstleistungen über das Internet. Dabei verwendete es das gesetzlich angebotene Muster für eine Widerrufsbelehrung, in der Verbraucher das Recht haben, innerhalb einer bestimmten Frist im Internet abgeschlossene Verträge zu widerrufen. Die geschäftlichen Telefonnummern, die das Unternehmen extra für den Kundenkontakt vorgesehen hatte, hatte es jedoch nicht in der Widerrufsbelehrung angegeben. Ein Wettbewerbsverein sah darin eine Beschränkung der Rechte von Verbrauchern und klagte – wie so oft auch erfolgreich.

Laut OLG hat das Unternehmen gegen die ihm obliegenden Belehrungspflichten gegenüber Verbrauchern verstoßen, weil es eine Telefonnummer, die es für den Kontakt mit bereits vorhandenen Kunden nutzte, in der Muster-Widerrufsbelehrung nicht angegeben hatte. Da der Widerruf eben auch telefonisch möglich sein muss, muss dem Kunden auch diese Möglichkeit der Kontaktaufnahme gegeben werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn bereits mehrere Telefonnummern existieren.

Hinweis: Wenn Sie also Waren im Internet verkaufen, haben Sie eine Widerrufsbelehrung anzugeben. Gibt es bei Ihnen eine Servicetelefonnummer, haben Sie auch diese mitzuteilen.

Quelle: OLG Schleswig, Urt. v. 10.01.2019 – 6 U 37/17

Thema: Sonstiges

Erkranktes Trennungskind: Nur ein aussagefähiges Attest kann die Umgangsregelung im Krankheitsfall einschränken

Leben die Kinder nach Trennung bzw. Scheidung bei einem Elternteil, hat der andere ein Recht auf regelmäßigen Umgang. Wurde eine entsprechende Regelung getroffen, geht der Streit meist weiter, sobald die Vereinbarung nicht eingehalten wird. Dabei stellt sich immer wieder die Frage, was im Krankheitsfall des Kindes gilt – so auch im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Schleswig (OLG).

Die Mutter hatte dem Vater das gemeinsame Kind zu dem gerichtlich geregelten Umgangstermin nicht herausgegeben mit dem Argument, es habe eine fiebrige Erkältung. Der Vater meinte jedoch, dass die Mutter ihm das Kind dennoch hätte überlassen müssen. Hält sich ein Elternteil nämlich nicht an eine Umgangsvereinbarung, kann der andere als Sanktion die Verhängung eines Ordnungsgeldes und ersatzweise Ordnungshaft beantragen. Das tat der Vater. Die Mutter machte geltend, sie habe es nicht zu vertreten, dass das Kind krank sei und deshalb nicht zum Vater könne. Das sah das Gericht anders.

Das OLG teilte die Ansicht des Vaters, dass sich die Mutter sich nicht an die gerichtliche Regelung hielt. Sie muss nachweisen, dass sie gehindert ist, den Umgang zu ermöglichen. Und das bedeutet, dass sie ein ärztliches Attest vorlegen muss, das hierzu Auskunft in drei Punkten erteilt: Zum einen muss das Attest die Erkrankung (Diagnose), zum anderen die voraussichtliche Dauer der Erkrankung und schließlich auch die Transportunfähigkeit des Kindes ausweisen. Denn ohne den letzten Punkt kann ein Attest nicht ausschließen, dass das Kind die Krankheit nicht auch während des Umgangs beim anderen Elternteil auskurieren kann. Im zur Entscheidung anstehenden Fall fehlte es an einem solchen qualifizierten Attest. Deshalb hatte die Mutter ein Ordnungsgeld zu zahlen.

Hinweis: In der Praxis wird bei einer Umgangsregelung oftmals vergessen, auch zu bestimmen, was im Fall eines ausgefallenen Umgangs eintritt – zum Beispiel, ob dieser dann ersatzlos entfällt oder ob es zu einem Ersatztermin kommt.

Quelle: OLG Schleswig, Beschl. v. 21.08.2018 – 10 WF 122/18

Thema: Familienrecht

Schwammiger Vergleich: Für die Vollstreckung muss der Inhalt der Leistungspflicht stets konkret bestimmt sein

Viele Streitigkeiten enden mit einem vor Gericht abgeschlossenen Vergleich, aus dem eine Zwangsvollstreckung erfolgen kann. Dabei ist aber auf die Formulierung zu achten, um Probleme zu vermeiden.

Solche Probleme bestanden in einem vom Oberlandesgericht Schleswig (OLG) entschiedenen Fall zur Regelung des Kindes- und Trennungsunterhalts. Beide Parteien schlossen dabei das Verfahren durch einen Vergleich ab, indem sie sich darauf einigten, welcher Unterhalt künftig zu zahlen ist. Weiterhin waren sie sich einig, welcher Betrag zum Kindesunterhalt und auch zum Trennungsunterhalt für die Vergangenheit insgesamt geschuldet war: Sie verständigten sich auf insgesamt 34.000 EUR. Nicht klar war für sie bei Vergleichsabschluss jedoch, in welcher Höhe dieser Anspruch bereits befriedigt – das heißt bezahlt – war. Da sie davon ausgingen, sich darüber noch nach Vergleichsabschluss zu verständigen, formulierten sie den Vergleich so, dass der Rückstand „abzüglich geleisteter Zahlungen“ zu zahlen sei bzw. dass in der Vergangenheit geleistete Zahlungen anzurechnen seien. Es kam, wie es kommen musste: Es ergaben sich dann doch Differenzen darüber, was bereits bezahlt bzw. wie zu verrechnen war. Daraufhin leitete die Frau die Zwangsvollstreckung ein, um für die Kinder und sich den Rückstand in voller Höhe zu erhalten.

 Doch hier musste das OLG die Erwartungen der Frau enttäuschen: Die Vollstreckung ist zu Unrecht eingeleitet worden – und zwar in vollem Umfang. Ein Vergleich muss als vollstreckbarer Titel zwingend den Inhalt der Leistungspflicht ausreichend bestimmt bezeichnen, sonst kann aus ihm auch nicht vollstreckt werden. Ein Vergleich, der lediglich die Zahlungspflicht enthält, ist nicht ausreichend bestimmt, sofern er nicht völlig klar und eindeutig festlegt, was noch zu zahlen ist. Und wenn nicht fixiert ist, welcher Betrag als bereits geleistet abzuziehen bzw. anzurechnen ist, fehlt es an der ausreichenden Bestimmtheit. Vergangenheitsunterhalt konnte die Frau also nicht vollstrecken.

Hinweis: Dieser Fall bestätigt einmal mehr: Für die korrekte Formulierung einer Vereinbarung ist dringend fachlicher Rat zu empfehlen.

Quelle: OLG Schleswig, Beschl. v. 19.12.2016 – 10 UF 199/16

zum Thema: Familienrecht

Vereinzeltes Fortbestehen: Ausnahmen bei der generellen Nichtigkeit erfolgreich angefochtener Testamente

Letztwillige Verfügungen können aus verschiedenen Gründen angefochten werden, zum Beispiel wenn der Erblasser getäuscht oder bedroht wurde oder – wie im folgenden Fall – wenn der Erblasser ein Kind übergangen hat, das erst nach der Testamentserrichtung geboren wurde.

Ein Mann hatte mit seiner Frau zwei Kinder. Ungefähr ein Jahr vor der Geburt des zweiten Kindes errichtete er ein notarielles Testament, in dem er seinen erstgeborenen Sohn zum Alleinerben erklärte und seine Frau aus steuerlichen Gründen enterbte. Nach dem Tod des Erblassers focht die Ehefrau das Testament mit der Begründung an, dass der Mann sein zweites Kind nicht übergehen wollte.

Das Gericht musste nun zunächst die Frage klären, ob der Mann sein zweites Kind bewusst enterbt hatte. Allein die Tatsache, dass er sein Testament nach der Geburt seines zweiten Kindes nicht geändert hatte, ließ nach Auffassung des Gerichts nicht darauf schließen, dass er dieses Kind habe übergehen wollen – er war schließlich kurz nach dessen Geburt im Alter von nur 47 Jahren gestorben. Die Anfechtung war somit zulässig.

Im zweiten Schritt musste das Gericht nun darüber entscheiden, welche Auswirkungen diese Anfechtung hat. Es stellte zwar fest, dass eine Anfechtung generell zur Nichtigkeit des gesamten Testaments führt. Es bleiben unter Umständen jedoch einzelne Verfügungen für den Fall wirksam, wenn positiv zu bewerten ist, dass sie der Erblasser auch getroffen hätte, wenn er zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments Kenntnis von dem weiteren Pflichtteilsberechtigten gehabt hätte. Da der Verstorbene nach Auffassung des Gerichts die Enterbung der Ehefrau aus steuerlichen Gründen auch angeordnet hätte, wäre das zweite Kind schon geboren gewesen, blieb diese einzelne Verfügung daher bestehen. Ansonsten war das Testament nichtig: Die Kinder wurden jeweils zur Hälfte zu Erben.

Hinweis: Bei der Anfechtung einer letztwilligen Verfügung sollte genau überlegt werden, welche Konsequenzen diese hat. Bei der Nichtigkeit eines Testaments können die gesetzliche Erbfolge, die Regelungen aus einem früheren Testament oder auch einzelne Regelungen aus dem angefochtenen Testament zum Tragen kommen. In kompliziert gelagerten Fällen sollte daher besser fachkundiger Rat eingeholt werden.

Quelle: OLG Schleswig, Beschl. v. 07.12.2015 – 3 Wx 108/15
Thema: Erbrecht

Pflichtteil: Schenkungen zu Lebzeiten werden im Zweifel nicht angerechnet

Um Pflichtteilsansprüche zu reduzieren, versuchen Erblasser immer wieder, den Pflichtteilsberechtigten bereits zu Lebzeiten mit Schenkungen zu befriedigen. Dabei gehen sie davon aus, dass diese Schenkungen im Erbfall automatisch auf den Pflichtteil angerechnet werden. Für die Anrechnung gelten jedoch strenge Voraussetzungen.

Ein Mann hatte seine Ehefrau zur Alleinerbin bestimmt. Seiner Tochter schenkte er noch zu Lebzeiten einen größeren Geldbetrag und teilte ihr in einem Schreiben mit, dass die Schenkung „unter Anrechnung auf Deinen späteren Erbanteil“ erfolgte. Nach dem Tod des Mannes zahlte die Ehefrau nur die Differenz zwischen diesem Betrag und dem errechneten Pflichtteil aus, da sie der Meinung war, dass ihr Mann eine entsprechende Anrechnung angeordnet hatte. Die Tochter verlangte jedoch den gesamten Pflichtteil.

Das Gericht ging davon aus, dass die in dem Schreiben verwendete Formulierung auslegungsbedürftig ist. Es wies darauf hin, dass solche Formulierungen in der Regel nicht so verstanden werden, dass sie sich auch auf den Pflichtteil beziehen. Nur wenn besondere Umstände vorliegen, kann dies ausnahmsweise angenommen werden. Eine nachträgliche, durch den Erblasser einseitig erklärte Anrechnungsanordnung ist zudem nicht möglich. Daher entschied das Gericht, dass der Tochter der komplette Pflichtteil zusteht.

Hinweis: Schenkungen als Vorauszahlung auf den Pflichtteil sind grundsätzlich eine gute Möglichkeit, die Angelegenheit bereits zu Lebzeiten des Erblassers zu regeln und die Erben zu entlasten. Damit der gewünschte Effekt jedoch eintrifft, ist darauf zu achten, dass der Erblasser spätestens bei Vornahme der Schenkung eine entsprechende Anrechnungsanordnung trifft. Diese muss dem Beschenkten auch mitgeteilt werden und so klar sein, dass er entscheiden kann, ob er die Schenkung annimmt. Die Formulierung ist dabei von entscheidender Bedeutung, denn im Zweifel bleibt der Pflichtteilsanspruch in voller Höhe bestehen. Eine nachträgliche Anrechnungsanordnung durch den Erblasser – etwa in einem Testament – kann dann grundsätzlich nicht mehr erfolgen. Nur wenn die strengen Voraussetzungen für eine Pflichtteilsentziehung vorliegen oder der Pflichtteilsberechtigte durch einen notariellen Vertrag zustimmt, ist die Anrechnung einer vorher getätigten Schenkung noch möglich.

Quelle: OLG Schleswig, Urt. v. 13.11.2007 – 3 U 54/07

Thema: Erbrecht

Unterhalt: Kindergeldverteilung bei Wechselmodell

In den meisten Fällen führen Trennung und Scheidung dazu, dass die gemeinsamen Kinder bei einem Elternteil leben und der andere Umgang mit den Kindern hat. Von einem Wechselmodell wird gesprochen, wenn die Kinder fast gleich viel Zeit bei jedem Elternteil verbringen. Das vollständige bzw. sogenannte paritätische Wechselmodell wird gelebt, wenn die Kinder genau hälftig ihre Zeit bei den Eltern leben. Streit gibt es dabei immer wieder bezüglich der finanziellen Folgen.

Unter anderem streiten sich die Eltern darum, wer beim Wechselmodell das Kindergeld erhält. Soweit die Eltern auf den Gedanken kommen sollten, dass es am sinnvollsten sei, das Kindergeld je hälftig an jeden Elternteil auszubezahlen, findet dieser Ansatz im Gesetz keine Unterstützung. Danach wird das Kindergeld immer nur an eine Person ausbezahlt.

Eine gerichtliche Auseinandersetzung darüber, an wen die Kindergeldkasse zahlen soll, führt meist nicht weiter. Denn egal, welcher Elternteil das Kindergeld bezieht: Geklärt ist damit noch nicht, dass der Empfänger das Kindergeld auch in vollem Umfang für sich behalten darf.

Klar ist in der Rechtsprechung nun aber, dass dann, wenn ein echtes und also voll paritätisches Wechselmodell vorliegt (im entschiedenen Fall lebten die drei gemeinsamen Kinder eine Woche bei einem Elternteil und dann die nächste beim anderen) und kein Elternteil dem andern Kindesunterhalt zahlt, der Elternteil, der das Kindergeld bezieht, die Hälfte an den anderen weitergeben muss.

Hinweis: Die gerichtliche Entscheidung ist gerecht und richtig. Das Gericht betont jedoch, dass die hälftige Verteilung des Kindergeldes die wirklich vollständige und konsequente hälftige Kinderbetreuung voraussetzt.

Quelle: OLG Schleswig, Beschl. v. 10.06.2015 – 2 UF 69/14

zum Thema: Familienrecht