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Schlagwort: Quelle: OLG Brandenburg

Bestehende Hygienekonzepte: Gerichtstermine mit Beschleunigungsgebot können nicht mehr wegen COVID-19 verschoben werden

Seit März 2020 hat die Covid-19-Pandemie auch die Gerichte fest im Griff. Termine wurden abgesagt, was in Familiensachen besonders dramatisch ist, wenn es um das Sorge- oder Umgangsrecht geht und ein Elternteil in der Zwischenzeit vielleicht gar keinen Kontakt zum Kind hat. Dass die Pandemie daher nicht (mehr) pauschal als Absagegrund gelten darf, verdeutlicht das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) in seiner folgenden Entscheidung.

Zwar gibt es im Familienverfahrensrecht ein „Beschleunigungsgebot“, das vorsieht, dass die Gerichte Kindschaftsverfahren binnen eines Monats terminieren müssen. Allerdings meinte ein Amtsgericht (AG) im April 2020, dass die Maßnahmen zur Verhinderung der raschen Verbreitung des Coronavirus bei der Abwägung Vorrang vor dem Beschleunigungsgebot haben, und ließ die Termine trotzdem ausfallen. Ein Jahr später besteht aber allseits eine gewisse Gewöhnung an das Virus und die Umstände, die es macht – es gibt Hygienemaßnahmen, Tests und Masken. Gerade Schulkinder sind all dies gewöhnt.

Deshalb gab das OLG im April 2021 einem Antragsteller Recht: Die Durchführung einer Gerichtsverhandlung sei auch ohne Gesundheitsgefahren möglich. Gerade in eiligen Familiensachen dürfe das AG die Termine nicht mehr mit der Begründung „Corona“ ausfallen lassen oder weit verschieben.

Hinweis: An den meisten Gerichten haben Trennwände in den Verhandlungssälen Einzug gehalten und das Verhandeln mit Maske ist Normalität geworden. Vereinzelt heben Amtsrichter allerdings immer noch Termine auf bzw. vertagen sie um mehrere Monate. Hiergegen ist Beschwerde beim OLG möglich.

Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 08.04.2021 – 13 WF 38/21

Beendigung des Mietverhältnisses: Vermieter eines Erblassers hat Anspruch auf die Bestellung eines Nachlasspflegers

Wer Verstorbenen gegenüber Ansprüche geltend machen möchte, wendet sich im Allgemeinen an dessen Erben. Dazu müssen diese dem Gläubiger natürlich nicht nur bekannt sein, sie müssen auch willens sein, in die Pflichten des Erblassers einzutreten. Wann in solchen Zusammenhängen genau ein Anspruch auf die Bestellung eines Nachlasspflegers vorliegt, musste das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) klären.

Die kinderlose Erblasserin, deren Ehemann bereits vorverstorben war, war Mieterin einer Wohnung. Nach dem Tod der Frau beantragte die Vermieterin die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft zur Beendigung des Mietverhältnisses und zur Rückgabe der Wohnung. Die Vermieterin gab an, dass die ihr bekannten Erben die Erbschaft nach eigener Auskunft ausgeschlagen hätten und weitere Erben nicht bekannt seien. Das Nachlassgericht hat den Antrag zunächst zurückgewiesen und diese Entscheidung damit begründet, dass die Erben sehr wohl bekannt seien und eine Frist zur Ausschlagung der Erbschaft verstrichen sei. Allerdings sei die Erbenermittlung des Nachlassgerichts nach eigenen Angaben noch nicht abgeschlossen.

Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde hatte vor dem OLG Erfolg. Die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft lägen vor, da davon auszugehen sei, dass die Erben entweder unbekannt seien oder Ungewissheit darüber besteht, ob die Erbschaft angenommen werde. Dies ergebe sich schon aus der eigenen Mitteilung des Nachlassgerichts. Darüber hinaus steht es einer Vermieterin auch zu, zum Zweck der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, einen Antrag auf Einrichtung einer Nachlasspflegschaft zu stellen. Auch ohne Bezugnahme auf die gesetzliche Regelung geht es der Vermieterin ersichtlich darum, ihren Anspruch auf Rückgabe der Mietsache gegen den Nachlass durchzusetzen. Dies entspreche dem gesetzlichen Zweck zur Einrichtung einer Nachlasspflegschaft. Dabei sei auch nicht erforderlich, dass ein sicherungsbedürftiger Nachlass existiert. Eine Nachlasspflegschaft kann auch dann eingerichtet werden, wenn der Nachlass aller Voraussicht nach wirtschaftlich „dürftig“ ist.

Hinweis: Es ist für die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft nicht notwendig, dass der Gläubiger seine Ansprüche sogleich gerichtlich geltend machen möchte. Ausreichend ist, dass der gerichtliche Weg eingeschlagen wird, sobald eine außergerichtliche Regelung scheitert.

Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.04.2021 –  3 W 35/21

Thema: Erbrecht

Unterlagen verschwiegen: Schadensersatzpflicht bei verspäteter Vorlage eines Testaments

In einem Nachlass finden sich üblicherweise zahlreiche Dokumente des Verstorbenen, die unter Umständen auch für die Erbfolge von Bedeutung sein können. Häufig werden solche Unterlagen jedoch nicht genau genug durchgesehen.

Ein Mann hatte gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin ein Testament errichtet, das jedoch unwirksam war. Als die Frau verstarb, fand der Mann in ihren Unterlagen ein Ehegattentestament, das sie zuvor mit ihrem damaligen, inzwischen verstorbenen Mann errichtet hatte. Der Mann hielt es für unwichtig, da er davon ausging, dass das neue gemeinsame Testament wirksam war, und verwahrte die Unterlagen im Keller. Die Töchter seiner verstorbenen Lebensgefährtin glaubten jedoch, dass sie die rechtmäßigen Erbinnen seien, und zogen deshalb vor Gericht. In dem Verfahren stellte sich zwar heraus, dass sie nicht zu Erbinnen eingesetzt worden waren, so dass ihnen die Verfahrenskosten auferlegt wurden. Diese Kosten wollten sie jedoch von dem Mann ersetzt bekommen, da der Rechtsstreit nur nötig war, weil er nicht alle Unterlagen zur Verfügung gestellt hatte.

Das Gericht entschied, dass der Mann fahrlässig gehandelt hatte, da er die Unterlagen nicht richtig gesichtet hatte – selbst dann nicht, als es zum Rechtsstreit kam – und das in diesen Unterlagen befindliche Testament nicht vorgelegt hatte. Er hat damit seine Ablieferungspflicht verletzt und schuldet daher Schadensersatz für die Kosten des Rechtsstreits.

Hinweis: Jeder ist verpflichtet, ein Testament, das sich in seinem Besitz befindet, unverzüglich nach Kenntnis vom Tod des Erblassers beim zuständigen Nachlassgericht abzuliefern. Tut er das nicht, können strafrechtliche Konsequenzen und der Verlust von Erbansprüchen drohen. Darüber hinaus können hohe Schadensersatzforderungen der Erben auf ihn zukommen. Finden Sie also in einem Nachlass Unterlagen, die ein Testament sein könnten, sollten Sie diese unverzüglich abliefern – unabhängig davon, ob Sie es für wirksam halten oder nicht.

Quelle: OLG Brandenburg, Urt. v. 12.03.2008 – 13 U 123/07
Thema: Erbrecht

Selbstbestimmungsrecht: Berücksichtigung des Kindeswillens beim Umgangsrecht

Es gibt keine gesetzlichen Regelungen dazu, wie der Umgang von Eltern mit ihren Kindern genau auszusehen hat, wenn diese als Folge der Trennung der Eltern bei nur einem Elternteil leben. Es gibt die allgemeine Regel aus der Rechtsprechung, wonach das Umgangsrecht vierzehntägig am Wochenende stattfindet sowie jeweils zur Hälfte der Ferien. Was aber gilt, wenn ein Kind sich wehrt und nicht bereit ist, so viel Zeit bei dem anderen Elternteil zu verbringen?

In erster Linie ist es Aufgabe der Eltern zu entscheiden, wann sich ihre Kinder wo aufhalten. Sie müssen vereinbaren, wann das Umgangsrecht stattfindet, und sollten dies als übereinstimmende Entscheidung dem Kind mitteilen. Dabei ist es wichtig, dass das Kind unmittelbar vom einen Elternteil zum anderen wechselt, also zum Beispiel an der Haustür. Sämtliche Streitigkeiten zwischen den Eltern sollten unterbleiben.

Bedauerlicherweise klappt das oft nicht. Vor allem aber kann sich das Kind auch aus eigenem Antrieb wehren oder zum Beispiel Angst haben, in der nicht vertrauten Umgebung des anderen Elternteils zu übernachten. Das ist dann ernst zu nehmen. Das Kind hat in jedem Alter ein Selbstbestimmungsrecht, das nicht übergangen werden darf. Sind die Ängste stark und nachvollziehbar, können sie dazu führen, dass entgegen den allgemeinen Regeln eine Übernachtung bei der Ausübung des Umgangs unterbleibt.

Hinweis: Ab dem vollendeten 14. Lebensjahr ist ein Kind bei Umgangsfragen in jedem Fall persönlich anzuhören. Bei jüngeren Kindern kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Dabei ist es durchaus denkbar, auch ein deutlich jüngeres Kind gerichtlich zu befragen.

Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 07.08.2015 – 9 UF 8/15
Thema: Familienrecht

Unterhaltsrecht: Wer hat das Recht, den Kindesunterhalt geltend zu machen?

Minderjährige können ihnen zustehende Ansprüche noch nicht selbst geltend machen. Vertreten werden sie normalerweise von ihren Eltern. Was aber gilt, wenn es um Unterhaltsansprüche geht, die sich gegen einen Elternteil richten?

Das Gesetz hat für diesen Fall vorgesehen, dass dann dem Elternteil die Vertretungsmacht für das Kind allein zusteht, in dessen Obhut sich das Kind mehrheitlich befindet. In den klassischen Fällen ergeben sich daraus keine Probleme.

Schwierig wird es, wenn sich die Eltern ihre Kinder teilen, das heißt, wenn die Kinder nicht ohne weiteres als unter der Obhut eines Elternteils stehend angesehen werden können. Denn nur, wenn das deutliche Gewicht der Betreuung bei nur einem Elternteil liegt, besitzt dieser das Recht, den Kindesunterhalt vom anderen zu verlangen. Andernfalls muss er sich erst in einem separaten gerichtlichen Verfahren dazu legitimieren lassen.

Gleiches gilt, wenn Kinder zwar bei einem Elternteil leben, aber zwischendurch längere Zeit beim anderen gewohnt haben. Für diese Zwischenphase kann der Ehegatte, bei dem die Kinder zumeist leben, nur dann Unterhalt verlangen, wenn entweder ein Pfleger bestellt wurde oder das Gericht vorab das Recht auf Geltendmachung von Kindesunterhalt für diese Zeit ausdrücklich zugesprochen hat. Die Zeitspanne belief sich bislang auf zwei Monate. Ob auch eine kürzere Spanne ausreicht, ist gerichtlich noch nicht entschieden.

Hinweis: Wird zwischen den Eltern ein Wechselmodell praktiziert, in dem die Kinder hälftig ihre Zeit bei ihren Elternteilen verbringen, kann kein Ehegatte ohne weiteres Kindesunterhalt verlangen. Reine Wechselmodelle sind aber (noch) selten. Je umfangreicher der Umgang mit den Kindern stattfindet, desto eher stellt sich die Frage, wie es um das Vertretungsrecht bestellt ist.

Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 06.07.2015 – 3 UF 155/14
Thema: Familienrecht