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Schlagwort: Räum- und Streupflicht

Notrufsäulen oder Fußgängeraufkommen: Es braucht Gründe für eine Glättesicherung über einen mittig gestreuten Gehwegstreifen hinaus

Dieses Urteil gibt Haus- und Grundstückseigentümern sowie Mietern, die für den Winterdienst verantwortlich sind, Hoffnung.

Vor einem Nobelhotel in Berlin kam ein Geschäftsmann bei Glatteis zu Fall und verletzte sich schwer. Er forderte wegen Verletzung der Räum- und Streupflichten zunächst ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR, hielt aber insgesamt ein Schmerzensgeld von 75.000 EUR für angemessen. Außerdem meinte er, aufgrund des Unfalls nicht in der Lage gewesen zu sein, ein Darlehen über 200.000 EUR aufzunehmen, das kurzfristig zu einem Ertrag über 2 Mio. EUR und im weiteren Verlauf zu einer Ausschüttung von 35 Mio. EUR geführt hätte. Schließlich zog er vor Gericht.

Das Kammergericht Berlin urteilte allerdings, dass es Schadensersatz nach einem Glatteisunfall nur dann gibt, wenn der Geschädigte in einem Bereich gestürzt ist, für den eine Räum- und Streupflicht bestand. Den Anlieger einer Straße trifft nur die Pflicht, den Gehweg auf einem mittigen Streifen von ca. 1,5 m Breite zu räumen bzw. mit abstumpfenden Mitteln zu streuen. Einrichtungen (z.B. Notrufsäulen oder Parkscheinautomaten), die es erfordert hätten, darüber hinaus zu streuen, gab es nicht. Da es sich ferner nicht um den Haupteingang des Fünf-Sterne-Hotels handelte, sprach auch kein erhöhtes Fußgängeraufkommen für eine Erweiterung des gestreuten/geräumten Bereichs. Hier konnte das Gericht daher nicht feststellen, dass der Geschäftsmann in dem Bereich gestürzt war, für den eine Streupflicht bestand.

Hinweis: Grundstückseigentümer sowie zum Winterdienst verpflichtete Mieter sollten ihre genauen Pflichten vor Einbruch des nächsten Schneechaos in Ruhe prüfen. Es muss sicherlich nicht überall und alles geräumt und gestreut sein. Jeder Fall und jedes Grundstück sind dabei gesondert zu betrachten.

Quelle: KG Berlin, Urt. v. 07.11.2017 – 4 U 113/15

zum Thema: Mietrecht

Unfall durch Glatteis: Unvermittelt auftauchende Einzelflächen führen nicht immer zum Schadensersatzanspruch

Nicht bei jedem Glätteunfall vor der Haustür haftet der Hauseigentümer.

Eine Frau rutschte auf einer Glatteisfläche auf einem Gehweg aus. Die Arbeitgeberin der Verunfallten verklagte den Hauseigentümer auf Schadensersatz wegen der geleisteten Entgeltfortzahlungskosten im Krankheitsfall. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung geht nämlich in solchen Fällen auf den Arbeitgeber über. Hier hatte die Arbeitgeberin allerdings Pech, da ihre Arbeitnehmerin überhaupt keinen Anspruch hatte, der hätte übergehen können. Es lag nämlich keine Verletzung der Räum- und Streupflicht seitens des Hauseigentümers vor. Dafür muss entweder eine allgemeine Glätte vorliegen oder es müssen Anhaltspunkte für eine ernsthafte drohende Gefahr aufgrund einzelner Glättestellen vorhanden sein. Da hier keine allgemeine Glätte vorherrschte, gab es lediglich eine einzige Glatteisfläche von ca. 1 x 1 m Größe vor dem Haus des Eigentümers. Ansonsten war der Bürgersteig nämlich trocken und geräumt. Der Eigentümer des Hauses musste den Bürgersteig morgens demnach nicht eingehender auf glatte Einzelflächen überprüfen, als dies ein Passant gemeinhin zu tun hat.

Hinweis: Da hat der Grundstückseigentümer viel Glück gehabt. Es empfiehlt sich stets, eine entsprechende Versicherung abzuschließen, die auch solche Schäden umfasst.

Quelle: BGH, Urt. v. 14.02.2017 – VI ZR 254/16

Thema: Mietrecht

Winterstraßen außerorts: Selbst in Kurven unterliegen nur überraschend auftretende Gefahrenstellen der Streupflicht

Nicht jede Glättestelle einer Fahrbahnkurve stellt automatisch eine besonders gefährliche Stelle dar. Klingt merkwürdig? Dann verhilft der folgende Fall womöglich zu etwas mehr Klarheit.

Bei Glatteis kam eine Autofahrerin außerhalb einer geschlossenen Ortschaft innerhalb einer Kurve von der Fahrbahn ab und verunfallte. Gegenüber dem verkehrssicherungspflichtigen Straßenbauträger sah sie eine eindeutige Verletzung der Streupflicht und verlangte daher Schadensersatz.

Das Oberlandesgericht Hamm hat hier jedoch keine Verletzung der Streupflicht sehen können und daher die Schadensersatzansprüche für unbegründet erachtet. Die Voraussetzungen einer Räum- und Streupflicht sind laut Gesetz durch das Kriterium der wirtschaftlichen Zumutbarkeit begrenzt. Demzufolge haben die für die Verkehrssicherheit der Straßen Verantwortlichen außerhalb geschlossener Ortslagen nur für ganz besonders gefährliche Stellen eine entsprechende Streu- und Räumpflicht. Und im Überraschungsmoment liegt hier das Geheimnis einer „besonders gefährlichen“ Stelle: Kann man also trotz der gebotenen erhöhten Vorsicht beim Befahren winterlicher Straßen den gefährlichen Zustand einer bestimmten Stelle nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und die bestehende Gefahr genau deshalb nicht meistern, ist ein daraus resultierender Unfall dem Versagen des für die Verkehrssicherung Verantwortlichen anzulasten.

In einem Gebiet mit abschnittsweise neben der Straße befindlichen Waldbeständen und damit unterschiedlicher Sonneneinstrahlung auf die Straßenoberfläche hätte die Klägerin hier als umsichtige Kraftfahrerin mit dem Auftreten von Glätte zu rechnen. Deshalb war jene gefährliche Stelle, die sie aus der Kurve trug, schlicht und ergreifend nicht ungewöhnlich genug, um als „besonders“ durchzugehen und einen Schadensersatzanspruch zu begründen.

Hinweis: Hätte die Fahrbahn an der Unfallstelle ein überraschendes Gefälle oder auch eine seitliche Neigung aufgewiesen, sähe die Entscheidung des Gerichts anders aus. So aber ist dem Urteil zuzustimmen, da anderenfalls jede Straßenkurve stets der Streupflicht unterliegen würde.

Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 12.08.2016 – 11 U 121/15
Thema: Verkehrsrecht