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Schlagwort: SG Dortmund

Beim Rückweg verunfallt: Der Unfallversicherungsschutz greift nicht auf dem Weg vom Arzt zum Betrieb

Manchmal ist der Arztbesuch nur während der Arbeitszeit möglich. Passiert dann etwas Unvorhergesehenes, stellt sich die Frage, ob ein Arbeitsunfall vorliegt.


Ein Arbeitnehmer verletzte sich nach einem knapp einstündigen Besuch bei seinem Orthopäden bei einem Verkehrsunfall auf dem Rückweg zu seiner Arbeitsstätte. Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, dass der Weg zum Arzt und zurück eine unversicherte private Tätigkeit gewesen sei. Gegen den entsprechenden Bescheid klagte der Arbeitnehmer – vergeblich.

Das Sozialgericht Dortmund vertrat die Meinung, dass ein Arztbesuch als Maßnahme zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnen ist. Somit ist sie nicht versichert. Ohne Berücksichtigung blieb dabei die Tatsache, dass der Arztbesuch auch der Erhaltung und Wiederherstellung der Arbeitskraft gedient hat.

Hinweis: Hat ein Arbeitnehmer also nach einem Arztbesuch während der Arbeitszeit auf dem Rückweg zum Betrieb einen Verkehrsunfall, liegt kein Arbeitsunfall vor. Abgesehen davon müssen Arbeitnehmer grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit – nämlich in ihrer Freizeit – zum Arzt gehen. Ausnahmen: Es liegt ein dringender Fall vor oder der Arzt vergibt keinen anderen Termin.

Quelle: SG Dortmund, Urt. v. 28.02.2018 – S 36 U 131/17

Thema: Sonstiges

Sozialversicherungspflichtig beschäftigt: Mietwagengeschäftsmodell bringt Taxizentrale empfindliche Nachzahlungen nebst Säumniszuschlägen ein

Um aus Angestellten Selbständige zu machen, ist einiges mehr erforderlich, als ihnen Betriebsmittel kostenpflichtig zur Verfügung zu stellen. Diese Erkenntnis musste im folgenden Fall des Sozialgerichts Dortmund ein Arbeitgeber im Fahrgastgewerbe mit einem erheblichen Lehrgeld bezahlen.

 

Eine Taxizentrale kam nämlich auf die glorreiche Idee, dass ihre Fahrer die Fahrzeuge mieten und kilometerabhängig bezahlen sollten. Im Gegenzug erhielten die Fahrer vermittelte Aufträge über die Taxizentrale. Die Folge dieses merkwürdigen Geschäftsmodells war allerdings, dass die Deutsche Rentenversicherung knapp 400.000 EUR Sozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen verlangte. Gegen einen entsprechenden Bescheid klagte die Taxizentrale – und verlor.

Die Taxifahrer waren trotz des Mietwagenmodells nach wie vor abhängig beschäftigt und unterlagen damit der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht. Sie verfügten weder über eigene Konzessionen noch über ein eigene Fahrzeuge. Sie stellten lediglich ihre Arbeitskraft zur Verfügung und waren in den Betriebsablauf der Taxizentrale eingebunden. Vor allem aber unterlagen sie dem sogenannten Direktionsrecht der Taxizentrale – exakt genauso wie fest angestellte Mitarbeiter.

Hinweis: Es reicht also für eine Selbständigkeit nicht aus, wenn Arbeitnehmer ihr Fahrzeug oder ihr Werkzeug mieten und ansonsten wie abhängig beschäftigte Arbeitnehmer behandelt werden. Bei solchen arbeitsrechtlichen Winkelzügen muss ein Arbeitgeber mit empfindlichen Nachzahlungen und auch Strafen rechnen.

Quelle: SG Dortmund, Urt. v. 05.02.2018 – S 34 BA 1/18 ER

Kinderschrei kein Arbeitsunfall: Das Minilärmtrauma einer Kindererzieherin zieht keine bleibenden Hörschäden nach sich

Die Möglichkeiten, sich bei der Arbeit zu verletzen, sind vielfältig. Die Frage ist nur immer, ob die Verletzung auch tatsächlich von der zuständigen Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anerkannt wird.

Eine Erzieherin in einem Kinderheim meinte, einen Arbeitsunfall erlitten zu haben: Ein Kind hatte ihr ins Ohr geschrien und seitdem behauptete sie, Ohrgeräusche zu haben. Deshalb verlangte sie von der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen die Kosten der Versorgung mit einem „Tinnitus-Masker“, ein Gerät, das von den Ohrgeräuschen ablenken soll.

Die Richter des Sozialgerichts meinten aber, ein Arbeitsunfall würde nicht vorliegen. In der Wissenschaft sei anerkannt, dass es selbst bei durch menschliche Schreie erreichbaren Spitzenschallpegeln von mehr als 130 dB allein zu Minilärmtraumata kommen kann, die mit vorübergehenden und ganz geringen Hörminderungen einhergehen. Bleibende Hörschäden sind jedoch nicht zu erwarten.

Hinweis: Die Richter glaubten der Erzieherin also nicht, dass ihre Tinnituserkrankung an dem Kindergeschrei gelegen hat. Deswegen nahmen sie auch keinen Arbeitsunfall an. 
  
 Quelle: SG Dortmund, Urt. v. 22.01.2018 – S 17 U 1041/16

Thema: Sonstiges

Notrettung beim Arbeitsweg: Ausweichmanöver eines Motorradfahrers zählt als Arbeitsunfall

Stürzt ein Motorradfahrer bei dem Versuch, einem Radfahrer auszuweichen, und verletzt sich dabei, kann durch eine Nothilfe ein Arbeitsunfall vorliegen.

Ein Motorradfahrer musste einem Radfahrer ausweichen, um eine Kollision zu verhindern. Hierbei stürzte und verletzte er sich. Da er sich auf dem Weg zur Arbeit befand, wollte er den Unfall als Arbeitsunfall festgestellt wissen.

Das Sozialgericht Dortmund ging auch tatsächlich von einem Arbeitsunfall aus. Dadurch, dass der Motorradfahrer dem Radfahrer ausgewichen war, wurde der Radfahrer vor erheblichen Verletzungen geschützt bzw. ihm möglicherweise sogar das Leben gerettet. Auch eine ohne intensive Überlegung verrichtete Rettungstat unterfällt dem Versicherungsschutz eines Arbeitsunfalls. Eine Gefahrensituation kennzeichnet sich dadurch, dass sie überraschend auftritt und einer Rettungsentscheidung keine langen Überlegungen ermöglicht. Selbst ein reflexartiges Ausweichmanöver im Straßenverkehr unterliegt dem Versicherungsschutz eines Arbeitsunfalls, wenn die konkrete Gefahrenlage bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv geeignet ist, eine Rettungshandlung auszulösen.

Ohne Bedeutung ist es, dass der Motorradfahrer nicht nur die Gesundheit bzw. das Leben des Radfahrers schützen wollte, sondern auch seine eigene. Es reicht für die Annahme eines Arbeitsunfalls aus, dass die Gefährdungslage auf beiden Seiten gleich gelagert war.

Hinweis: Bei Verkehrsunfällen mit Radfahrern oder Fußgängern kann es für den Geschädigten, der sich beim Versuch der Kollisionsvermeidung verletzt, wesentlich sein, dass er die soziale Absicherung eines Arbeitsunfalls hat. Für den Geschädigten hat dies den Vorteil, dass bei Anerkennung eines Arbeitsunfalls Abzüge wegen einer Mitverursachung nicht vorgenommen werden können. Die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung können im Einzelfall zudem auch über das hinausgehen, was ansonsten im Rahmen eines Haftpflichtfalls geschuldet wird.

Quelle: SG Dortmund, Urt. v. 02.11.2016 – S 17 U 955/14
Thema: Verkehrsrecht

Arbeitslosengeld trotz Arbeitsverhältnis: Die faktische Beschäftigungslosigkeit kann auch ohne förmliche Kündigung ausreichen

Obwohl die Arbeitnehmerin dieses Falls einen Arbeitsvertrag hatte, erhielt sie Arbeitslosengeld.

Eine in der Justiz beschäftigte Frau wurde so sehr gemobbt, dass sie sich nach einer längeren Krankheitsphase weigerte, ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Der Dienstherr stellte sie deshalb von der Arbeitsleistung ohne Fortzahlung des Gehalts frei. Die Frau ging daraufhin zur Bundesagentur für Arbeit und beantragte Arbeitslosengeld, das ihr mit der Begründung verweigert wurde, dass sie noch in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis stehe. Da sie aber faktisch arbeitslos war, klagte sie gegen die Entscheidung der Bundesagentur. Und tatsächlich stand ihr das Arbeitslosengeld zu. Denn eine faktische Beschäftigungslosigkeit reichte aus. Sie war auf ihrem Arbeitsplatz nicht mehr erschienen und stand für die Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Eine förmliche Kündigung war hier daher nicht erforderlich.

Hinweis: Auch Arbeitnehmer in ungekündigten Arbeitsverhältnissen können also einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben, wenn sie faktisch beschäftigungslos sind. Um die Verhängung einer Sperrfrist in solchen Fällen kommen Arbeitnehmer aber sicherlich nur herum, wenn sie einen wichtigen Grund für ihre Beschäftigungslosigkeit aufweisen können.

Quelle: SG Dortmund, Urt. v. 10.10.2016 – S 31 AL 84/16

Thema: Sonstiges

Wohneigentum und Hartz IV: Jobcenter muss nach fehlender Kostensenkungsaufforderung Heizungsreparatur zahlen

Auch Hauseigentümer haben gegenüber dem Jobcenter Rechte.

Hier ging es um eine Klägerin, die als Hauseigentümerin gleichzeitig Arbeitslosengeld II bezog. Ihre Heizung war defekt und musste für 5.200 EUR repariert werden. Die Hauseigentümerin wendete sich damit an das Jobcenter. Dieses gewährte ihr jedoch nur einen äußerst geringen Zuschuss, da sonst die angemessenen Wohnkosten für einen Zweipersonenhaushalt überschritten würden. Deshalb gewährte es der Frau für den Gesamtbetrag lediglich ein Darlehen. Dagegen klagte sie.

Das Gericht urteilte, dass das Jobcenter die Kosten für die Erneuerung der defekten Gasheizung ungeachtet der Frage der Angemessenheit der Wohnkosten tragen muss, da es der langzeitarbeitslosen Hauseigentümerin zuvor keine Kostensenkungsaufforderung zugestellt hatte. Das Erfordernis dieser Aufforderung gilt sowohl für Mietwohnungen als auch für selbstbewohntes Wohneigentum.

Hinweis: Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen: Viele Bescheide der Jobcenter sind fehlerhaft. Eine Überprüfung ist daher häufig angebracht und sinnvoll.

Quelle: SG Dortmund, Urt. v. 19.09.2016 – S 19 AS 1803/15
Thema: Mietrecht