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Schlagwort: Sozialversicherungsbeiträge

Eindeutiges Abhängigkeitsverhältnis: Kanzleiinhaber beschäftigt scheinselbständige Rechtsanwälte

Immer, wenn es um Scheinselbständigkeit geht, wird es für den entsprechenden Auftrag- oder Arbeitgeber im Nachhinein meistens richtig teuer. Im folgenden Fall, der bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging, handelte es sich um einen Rechtsanwalt – und der hätte besser wissen müssen, welche Anhaltspunkte für eine Scheinselbständigkeit sprechen.

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Gutscheine als Lohnersatz: Geldwerte Vorteile stellen grundsätzlich sozialversicherungsrechtliches Arbeitsentgelt dar

Arbeitgeber verteilen Gutscheine oftmals nicht aus reiner Wertschätzung, sondern auch gern deshalb, um Gehalt umzuwandeln und somit Sozialversicherungsbeiträge einzusparen. Doch selbstverständlich haben nicht nur aufmerksame Arbeitnehmer darauf ein Auge, sondern vor allem der Staat in seiner hoheitilichen Funktion im Steuer- und Abgabewesen. Und dieser trat im folgenden Fall zuerst als Finanzbehörde in Form einer Betriebsprüfung und letztendlich als Bundessozialgericht (BSG) in Erscheinung.

Der Arbeitgeber des Falls und seine Arbeitnehmer vereinbarten eine sogenannte Nettolohnoptimierung. Die Beschäftigten verzichteten auf einen Teil ihres Bruttoverdiensts zwischen 249 EUR und 640 EUR im Monat. Die Arbeitszeit blieb dabei gleich. Die bisherige Bruttovergütung wurde bei der Berechnung künftiger Gehaltsansprüche zugrunde gelegt. Daneben wurden aber neue Gehaltsanteile, wie beispielsweise Tankgutscheine (40 EUR im Monat) und Mietzahlungen für die Bereitstellung von Werbeflächen auf den Privat-Pkws der Mitarbeiter (21 EUR im Monat) vereinbart. Bei einer Betriebsprüfung wurden diese neuen Gehaltsanteile als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt gewertet, und der Arbeitgeber sollte die Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen. Gegen einen entsprechenden Bescheid klagte er und meinte, dass es sich bei den Tankgutscheinen um Sachzuwendungen im Rahmen der 44-EUR-Grenze handelt. Die Werbeeinnahmen wiederum würden auf eigenständigen Mietverträgen beruhen, seien also vom Arbeitsverhältnis unabhängig.

Mit dieser Argumentation kam der Arbeitgeber vor dem BSG jedoch nicht durch. Vereinbart ein Arbeitgeber einen teilweisen Lohnverzicht und gewährt stattdessen Gutscheine und Werbeeinnahmen, handelt es sich sozialversicherungsrechtlich um Arbeitsentgelt. Und dieses Arbeitsentgelt umfasst grundsätzlich alle im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden geldwerten Vorteile.

Hinweis: Bevor Arbeitgeber Gutscheine ausgeben, ist stets eine Rückfrage bei dem Rechtsanwalt oder Steuerberater des Vertrauens sinnvoll.

Quelle: BSG, Urt. v. 23.02.2021 – B 12 R 21/18 R

Thema: Arbeitsrecht

Sozialversicherungspflichtig beschäftigt: Mietwagengeschäftsmodell bringt Taxizentrale empfindliche Nachzahlungen nebst Säumniszuschlägen ein

Um aus Angestellten Selbständige zu machen, ist einiges mehr erforderlich, als ihnen Betriebsmittel kostenpflichtig zur Verfügung zu stellen. Diese Erkenntnis musste im folgenden Fall des Sozialgerichts Dortmund ein Arbeitgeber im Fahrgastgewerbe mit einem erheblichen Lehrgeld bezahlen.

 

Eine Taxizentrale kam nämlich auf die glorreiche Idee, dass ihre Fahrer die Fahrzeuge mieten und kilometerabhängig bezahlen sollten. Im Gegenzug erhielten die Fahrer vermittelte Aufträge über die Taxizentrale. Die Folge dieses merkwürdigen Geschäftsmodells war allerdings, dass die Deutsche Rentenversicherung knapp 400.000 EUR Sozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen verlangte. Gegen einen entsprechenden Bescheid klagte die Taxizentrale – und verlor.

Die Taxifahrer waren trotz des Mietwagenmodells nach wie vor abhängig beschäftigt und unterlagen damit der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht. Sie verfügten weder über eigene Konzessionen noch über ein eigene Fahrzeuge. Sie stellten lediglich ihre Arbeitskraft zur Verfügung und waren in den Betriebsablauf der Taxizentrale eingebunden. Vor allem aber unterlagen sie dem sogenannten Direktionsrecht der Taxizentrale – exakt genauso wie fest angestellte Mitarbeiter.

Hinweis: Es reicht also für eine Selbständigkeit nicht aus, wenn Arbeitnehmer ihr Fahrzeug oder ihr Werkzeug mieten und ansonsten wie abhängig beschäftigte Arbeitnehmer behandelt werden. Bei solchen arbeitsrechtlichen Winkelzügen muss ein Arbeitgeber mit empfindlichen Nachzahlungen und auch Strafen rechnen.

Quelle: SG Dortmund, Urt. v. 05.02.2018 – S 34 BA 1/18 ER

Rumänische Scheingesellschaft: Unterschlagene Arbeitnehmerbeiträge können noch Jahre später eingefordert werden

Ehrlich währt am längsten – das zeigt auch dieser Fall, in dem eine Scheingesellschaft gegründet wurde, um Sozialversicherungsbeiträge zu hinterziehen.

Ein Gartenbauunternehmen benötigte neue Arbeitskräfte. Die Gesellschafter kamen auf die Idee, drei rumänische Staatsangehörige zu beschäftigen. Dazu wurde folgendes Konstrukt entwickelt: Die Rumänen gründeten eine OHG unter der gleichen Anschrift wie das Gartenbauunternehmen und wohnten auf dem Grundstück. Eigene Geschäfts- oder Büroräume hatte die OHG nicht. Die Stunden wurden gegenüber dem Gartenbauunternehmen abgerechnet. Sozialversicherungsbeiträge wurden für die Rumänen nicht abgeführt. Als die Sache ans Tageslicht kam, verhängte zunächst das Amtsgericht einen Strafbefehl wegen des Vorenthaltens und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt über knapp 20.000 EUR. Dann kam die Deutsche Rentenversicherung und verlangte außerdem noch Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 46.000 EUR. Gegen den entsprechenden Bescheid klagte das Gartenbauunternehmen erfolglos.

Das Sozialgericht sagte deutlich, dass ein Arbeitgeber noch Jahre später auf Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Anspruch genommen werden kann, wenn – wie hier – eine Gesellschaft nur deshalb gegründet wird, um die Beschäftigungsverhältnisse zu verschleiern. Die Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen waren nichtige Scheinverträge. Die Arbeitnehmer wussten nicht einmal, was eine OHG ist.

Hinweis: Um Arbeitnehmerbeiträge zu sparen, lassen sich manche Arbeitgeber immer wieder mehr oder weniger kreative Umgehungsmöglichkeiten einfallen. Am Ende zahlen alle drauf, da die Tricks spätestens bei der nächsten Sozialversicherungsprüfung auffallen.

Quelle: SozG Heilbronn, Urt. v. 06.12.2016 – S 11 R 1878/16

Thema: Sonstiges