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Schlagwort: Unterlassungsanspruch

Gemeinschaftsordnung verbindlich: Eine zu Wohnzwecken bestimmte Mieteinheit darf nicht der Kindertagespflege dienen

Die Mieter einer Eigentumswohnung hatten drei eigene Kinder und betreuten tagsüber fünf fremde Kinder. Dass acht Kinder Lärm erzeugen, liegt nahe. Doch Ausschlag für das Urteil des Landgerichts Koblenz (LG) gaben zudem rangierende „Elterntaxis“ und letztendlich die geltende Gemeinschaftsordnung.

Die betreffende Wohnungseigentumsanlage bestand aus lediglich zwei in der Tiefe leicht versetzt aneinanderstehenden Doppelhaushälften. Das hintere Haus wurde von einer Mietpartei bewohnt, die drei eigene Kinder und zugleich auch fünf Kinder gegen Entgelt in Form einer Kindertagespflege angenommen hatte. Dagegen wehrten sich die Eigentümer des vorderen Hauses mit der Begründung, dass es zu Störungen ihrer Wohnung komme – unter anderem durch die unglückliche Kombination von Garagen- und Fußballtor der Nachbarn und hin- und herrangierenden Eltern bei Anbringung und Abholung ihres zu betreuenden Nachwuches.

Und tatsächlich hatten sie einen Unterlassungsanspruch auf Nutzung der hinteren Wohneinheit als Kindertagespflegestelle. Es handelte sich nicht mehr um eine reine Wohnnutzung – und genau diese gab die entsprechende Gemeinschaftsordnung verbindlich vor. Mit den durch diese Zweckentfremdung entstandenen Lärm- und Immissionsbelastungen durch die An- und Abfahrten der Eltern mit ihren Kraftfahrzeugen musste der Nachbar nicht leben.

Hinweis: Eine gemietete Eigentumswohnung darf also nicht ohne weiteres als Kindertagespflegestelle genutzt werden, wenn dadurch Belastungen für Mitbewohner oder Nachbarn entstehen.
 
 

Quelle: LG Koblenz, Urt. v. 23.12.2019 – 2 S 34/19 WEG

Thema: Mietrecht

Teilungserklärung im Wohnungseigentumsrecht: Gastronomische Nutzung anstelle eines Ladengeschäfts muss nicht toleriert werden

Wer Teileigentum – also eine Gewerbeeinheit – erwirbt, ist gut beraten, sich über dessen vertraglich festgelegte Nutzungsform in der sogenannten Teilungserklärung zu informieren. Selbiges gilt für den Mieter dieser Gewerbeeinheit. Denn erst dann sind Streitigkeiten mit der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) zu vermeiden. Und genau darum geht es in diesem Fall des Bundesgerichtshofs (BGH).

Im Erdgeschoss eines Gebäudes befand sich eine Teileigentumseinheit. In der diesbezüglichen notariellen Teilungserklärung wurde die Nutzung der Einheit als „Laden“ bestimmt. Nun wollte der Ladenmieter dort Eis, Kaffeespezialitäten und Erfrischungsgetränke verkaufen. In den Räumlichkeiten stellte er Stühle und Tische auf, ebenso wie auf den Außenflächen vor dem Geschäft. Das wollten sich die übrigen Mitglieder der WEG nicht gefallen lassen und zogen vor die Gerichte.

Der BGH entschied, dass die Wohnungseigentümer gegen den Mieter durchaus einen Unterlassungsanspruch hatten. Der Mieter nutzte die Räume anders, als es in der Teilungserklärung bestimmt war. Die Nutzung einer Teileigentumseinheit als Eisdiele mit Bestuhlung verstieß gegen die in der Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung, nach der die Einheit nur als Laden genutzt werden dürfe. Eine gastronomische Nutzung jedoch stört jedenfalls dann mehr als eine Nutzung als Ladengeschäft, sobald Außenflächen in Anspruch genommen werden – sei es durch eine Außenbestuhlung oder durch den Verkauf nach außen.

Hinweis: Wer also in einer Wohnungseigentumsanlage ein Teileigentum hat, muss genau in die Teilungserklärung schauen, sobald er die Nutzung ändern möchte. Andernfalls kann es später ein böses Erwachen geben, insbesondere, nachdem Investitionen getätigt wurden.

Quelle: BGH, Urt. v. 25.10.2019 – V ZR 271/18

Thema: Mietrecht

Ausgezwitschert: Der Betriebsrat hat bei der betrieblichen Twitternutzung ein Mitbestimmungsrecht

Nach der Facebookentscheidung steht nun fest, dass auch bei Twitter der Betriebsrat ein Wörtchen mitzureden hat.


Eine Arbeitgeberin betrieb Kinos. Der Gesamtbetriebsrat meinte nun, der Twitteraccount, der unternehmensübergreifend für den Kinobetrieb genutzt wurde, sei mitbestimmungspflichtig. Denn über Twitter können angemeldete Nutzer Kurznachrichten verbreiten. Die Tweets der Arbeitgeberin sind für jedermann sichtbar. Antworten von angemeldeten Nutzern auf Tweets der Arbeitgeberin sind für die Arbeitgeberin und, sofern es sich nicht um geschützte Antworten handelt, zumindest für alle Twitternutzer einsehbar. Die Arbeitgeberin kann die Antworten nicht eigenständig löschen. Ebenso kann die Antwortfunktion auch nicht deaktiviert werden.

Deshalb hatte der Betriebsrat auch einen Unterlassungsanspruch aus § 81 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz. Danach hat der Betriebsrat bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht ist darauf gerichtet, Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren, die nicht durch schutzwerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt und unverhältnismäßig sind. Eine tatsächliche Überwachungsabsicht des Arbeitgebers ist nicht erforderlich. Die Antwortfunktion bei Twitter ermöglicht es den Twitternutzern, auf die Tweets der Arbeitgeberin Antworten zum Verhalten und zur Leistung der Arbeitnehmer auf Twitter einzustellen. Je nach dem Inhalt der Antwort kann die Arbeitgeberin diese namentlich und situationsbedingt einem bestimmten Arbeitnehmer zuordnen und zur Verhaltens- und Leistungskontrolle verwenden.

Hinweis: Möchte der Arbeitgeber Social Media betreiben, und kann auf dem jeweiligen Portal die Leistung von Arbeitnehmern beurteilt und bewertet werden, wird dem Betriebsrat in aller Regel ein Mitbestimmungsrecht zustehen.

Quelle: LAG Hamburg, Beschl. v. 13.09.2018 – 2 TaBV 5/18

Thema: Arbeitsrecht

Die entnervte Nachbarschaft: Häusliches Musizieren ist als grundrechtlich geschützte freie Entfaltung in Grenzen hinzunehmen

Dass nicht nur Hobbymusiker, sondern auch Musikprofis die Geduldsfäden ihrer Nachbarn extrem anspannen können, scheint logisch – zumindest, wenn die Musizierenden in einer reinen Wohngegend üben. Gerade Doppelhaushälften und Reihenhäuser können dann Probleme verursachen, wenn Immissionen aus dem Nachbarhaus herüberdringen. Dass solche Fälle nicht einfach zu entscheiden sind, zeigt der Fakt, dass der folgende Fall bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging.

Der Eigentümer des Reihenhauses in einem reinen Wohngebiet war Berufstrompeter und übte sowohl im Erdgeschoss als auch in einem Probenraum im Dachgeschoss. Schließlich verlangten seine Nachbarn von ihm das Ergreifen von Maßnahmen, damit das Trompetenspiel bei ihnen im Haus nicht mehr zu hören ist.

Der BGH hat hierzu durchaus differenzierte Meinungen von sich gegeben. Bei einem richterlichen Ortstermin war festgestellt worden, dass das Trompetenspiel im Dachgeschoss im Wohnzimmer der Kläger im Erdgeschoss nicht und in deren Schlafzimmer im Dachgeschoss nur leise zu hören war. Übte der Trompeter allerdings in seinem Wohnzimmer im Erdgeschoss, war sein Spiel im angrenzenden Wohnzimmer der Kläger in „schwacher Zimmerlautstärke“ zu vernehmen. Ein Unterlassungsanspruch existiert aber nicht, wenn die Beeinträchtigungen nur unwesentlich sind. Was unwesentlich oder gar wesentlich ist, muss stets im Einzelfall festgelegt werden.

Das häusliche Musizieren gehört zu den sozialadäquaten und üblichen Formen der Freizeitbeschäftigung und ist in gewissen Grenzen hinzunehmen. Es bildet einen wesentlichen Teil des Lebensinhalts und kann von erheblicher Bedeutung für die Lebensfreude sowie das Gefühlsleben sein und gehört zu der grundrechtlich geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit. Dabei hat ein Berufsmusiker, der sein Instrument im häuslichen Bereich spielt, nicht mehr, aber auch nicht weniger Rechte als ein Hobbymusiker – und umgekehrt. Wie die zeitliche Regelung im Einzelnen auszusehen hat, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Eine Beschränkung auf zwei bis drei Stunden an Werktagen und ein bis zwei Stunden an Sonn- und Feiertagen (jeweils unter Einhaltung der üblichen Ruhezeiten in der Mittags- und Nachtzeit) kann als grober Richtwert dienen. Ein nahezu vollständiger Ausschluss für die Abendstunden und das Wochenende kommt jedoch nicht in Betracht. Dies ließe nämlich außer Acht, dass Berufstätige und Schüler häufig nur abends und am Wochenende Zeit für das Musizieren finden. Der BGH musste die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückverweisen, damit diese die Zeiten, zu denen musiziert werden darf, abschließend festlegen kann.

Hinweis: Selbstgemachte Musik und insbesondere Trompetenspiel im eigenen Reihenhaus darf also nicht völlig verboten werden und gehört zu der grundrechtlich geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit.

Quelle: BGH, Urt. v. 26.10.2018 – V ZR 143/17

Thema: Mietrecht

Unzulässige Bannerwerbung: Ein Unternehmen mit lokal begrenztem Angebot darf nicht bundesweit werben

Wirbt ein Unternehmen mit nur lokal verfügbaren Angeboten, die dank moderner Technik nur in geringem Maße überregional einsehbar sind, täuscht es somit dennoch die Verbraucher.

Dieses Urteil wird viele Gewerbetreibende betreffen: Zwei Unternehmen standen beim Angebot von Internetanschlüssen in direktem Wettbewerb zueinander. Allerdings bot das eine Unternehmen seine Dienstleistungen bundesweit an, das andere nur regional begrenzt auf Baden-Württemberg. Das bundesweit tätige Unternehmen klagte nun gegen die sogenannte Bannerwerbung des regional tätigen Unternehmens im Internet. Denn die Bannerwerbung konnte auch außerhalb von Baden-Württemberg und damit außerhalb des Gebiets aufgerufen werden, in dem Internetanschlüsse verfügbar waren.

Das regional tätige Unternehmen macht geltend, die beanstandete Internetwerbung sei durch die Geo-Targeting-Technik für Aufrufe außerhalb Baden-Württembergs gesperrt gewesen. Dabei sei allenfalls mit einem Streuverlust von 5 % zu rechnen – also einer äußerst geringen Aufrufbarkeit außerhalb des eigenen Netzgebiets. Dieses Argument reichte dem Bundesgerichtshof jedoch nicht aus.

Die Werbung war wettbewerbswidrig und dem bundesweit tätigen Unternehmen stand ein Unterlassungsanspruch zu. Solange die Bannerwerbung außerhalb des Vertriebsgebiets selbst nur in geringer Quote abrufbar sei, ist sie zur Täuschung der Verbraucher über die räumliche Verfügbarkeit der Dienstleistungen geeignet.

Hinweis: Nach diesem Urteil lohnt es sich für Betriebe, genau zu überprüfen, ob auch sie betroffen sein könnten.

Quelle: BGH, Urt. v. 28.04.2016 – I ZR 23/15
Thema: Sonstiges