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Schlagwort: Vorfahrtsrecht

Unfall auf Parkplatz: Wer das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme missachtet, trägt eine hälftige Mitschuld

Der Stress, den einige Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr empfinden, findet für die Motorisierten unter ihnen bei der Parkplatzsuche oft ihren Höhepunkt. Auf sein „gutes Recht“ zu beharren, ist dabei aber ebenso wenig zu empfehlen wie im fließenden Verkehr. Und sich bei Parkplatzflächen stur auf die meist aufgestellten Schilder zu stützen, die auf die Gültigkeit der Straßenverkehrsordnung (StVO) hinweisen, ist laut Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) ebenso wenig zu empfehlen.

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Vorfahrtsrecht: Freie Spurwahl für Rechtsabbieger bei Abbiegen in zweispurige Straße

„Rechts vor links“ ist ein im Verkehrsrecht stets zu erinnernder Sinnspruch – und zwar nicht nur bei Querverkehr auf einer unbeschilderten Kreuzung. Dass er auch bei sich zwei entgegenkommenden Fahrzeugen gelten kann, zeigt der folgende Fall des Amtsgerichts Brandenburg (AG), das seinerseits wieder einmal einer Versicherung beim Nachkommen ihrer Zahlungspflicht auf die Sprünge helfen musste.

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Lückenrechtsprechung: Wer sich vorsichtig einfädelt, darf auf die Rücksichtnahme Vorfahrtsberechtigter zählen

Das Vorfahrtsrecht entbindet den Verkehrsteilnehmer, der an einer zum Stillstand gekommenen Fahrzeugkolonne links vorbeifährt, nicht von der Pflicht, auf größere Lücken in der Kolonne zu achten.

Ein Pkw-Fahrer wollte aus einer untergeordneten Straße durch eine Lücke auf die Hauptstraße einfahren, um dann im weiteren Verlauf nach links abzubiegen. Hierbei kam es zu einer Kollision mit einem Pkw, welcher auf der Hauptstraße fuhr, der links an der Fahrzeugkolonne vorbeigefahren war.

Nach Auffassung des OLG Düsseldorf war vorliegend eine Haftungsverteilung von 75 % : 25 % zu Lasten des Wartepflichtigen vorzunehmen. Kommt eine Fahrzeugreihe vor einer Einmündung ins Stocken, dann muss derjenige Verkehrsteilnehmer, der diese Reihe überholen will, mit dem Vorhandensein für ihn unsichtbarer Hindernisse rechnen und seine Geschwindigkeit darauf einrichten. Somit muss ein vorfahrtberechtigter Verkehrsteilnehmer, der an einer zum Stillstand gekommen Fahrzeugkolonne links vorbeifährt, bei Annäherung an eine Kreuzung oder Einmündung auf größere Lücken in der Kolonne achten. Er hat sich darauf einzustellen, dass diese Lücken vom Querverkehr benutzt werden. Er muss zudem damit rechnen, dass der eine solche Lücke ausnutzende Verkehrsteilnehmer nur unter erheblichen Schwierigkeiten an der haltenden Fahrzeugschlange vorbei Einblick in den parallel verlaufenden Fahrstreifen nehmen und dass Verkehrsverhalten der dort befindlichen Fahrzeugführer beobachten kann. Er darf sich der Lücke daher nur mit voller Aufmerksamkeit und unter Beachtung einer Geschwindigkeit, die notfalls ein sofortiges Anhalten ermöglicht, nähern. Da der Vorfahrtberechtigte dies nicht beachtet hat, hat das Gericht eine Mithaftung von 25 % angenommen.

Hinweis: Grundsätzlich haftet der Wartepflichtige beim Verkehrsunfall mit dem Vorfahrtberechtigten zu 100 %. Etwas anderes gilt nach der sogenannten „Lückenrechtsprechung“, da hier regelmäßig eine Mithaftung des Vorfahrtberechtigten aus der Betriebsgefahr angenommen wird.

Quelle: OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.04.2017 –  I-1 U 147/16

Thema: Verkehrsrecht

Helmfrage (noch) unberücksichtigt: Radlerin trägt durch ihr verbotswidriges Befahren des Radwegs Mitschuld an Kollision

Befährt ein Radfahrer einen für seine Fahrtrichtung nicht freigegebenen Radweg entlang einer Vorfahrtstraße und kollidiert dann mit einem aus der untergeordneten Straße einbiegenden Pkw, muss sich der Radler ein Mitverschulden von 1/3 zurechnen lassen.

Eine Radfahrerin befuhr den für ihre Fahrtrichtung kurz vor der links einmündenden Straße nicht mehr freigegebenen gemeinsamen Geh- und Radweg, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite für ihre Fahrtrichtung fortgeführt wird. Sie wollte vom gemeinsamen Geh- und Radweg nach links in die Straße einbiegen. Ein Pkw-Fahrer stand mit seinem Fahrzeug vor dem quer vor ihm verlaufenden Geh- und Radweg und beabsichtigte, nach rechts in die Straße abzubiegen. Nahezu gleichzeitig mit seinem Abbiegevorgang überquerte die Radlerin die Straße, so dass es zur Kollision kam. Hierbei fiel die Radfahrerin, die keinen Fahrradhelm trug, auf die Straßenoberfläche, wodurch sie schwerste Verletzungen erlitt.

Das Oberlandesgericht Hamm (OLG) hat ein Mitverschulden der Radfahrerin in Höhe von 1/3 angenommen. Die Radfahrerin hat das ihr grundsätzlich zustehende Vorfahrtsrecht nicht dadurch verloren, dass sie den kombinierten Geh- und Radweg entgegen der Fahrtrichtung befahren hat. Sie muss sich allerdings deshalb ein Mitverschulden anrechnen lassen, weil sie verbotswidrig den nicht freigegebenen Radweg befahren hatte. Dass die Radfahrerin keinen Fahrradhelm getragen hatte, begründet kein darüber hinausgehendes Mitverschulden. Das Gericht verweist insofern auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Juni 2014, in der ausgeführt wurde, dass sich für das Jahr 2011 keine Feststellung treffen lässt, wonach es dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein entspricht, dass Fahrradfahrer einen Helm tragen. Das OLG nimmt dies auch für das Jahr 2013 an.

Hinweis: Ob ein Unfall im Jahr 2017 ebenso beurteilt werden würde, ist fraglich, da nach einer Statistik der Bundesanstalt für Straßenwesen ab 2015 eine gesteigerte Bereitschaft, einen Fahrradhelm zu tragen, festzustellen ist, insbesondere bei Kindern im Alter von sechs bis zehn Jahren, die zu 76 % einen Fahrradhelm tragen.

Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 04.08.2017 – I-9 U 173/16

zum Thema: Verkehrsrecht

Willkommen in Schilda! Erkennbar unsinnige Baustellenbeschilderung setzt ihre Geltung selbst außer Kraft

Ist für jeden Verkehrsteilnehmer das Verkehrszeichen erkennbar unsinnig, ist die damit getroffene Anordnung ungültig.

An der Kreuzung eines Gemeindeverbindungswegs und einer Landstraße kam es zur Kollision zweier Fahrzeuge. Die Geschädigte befuhr mit ihrem Auto die Landstraße. Ihr Unfallgegner kam aus ihrer Sicht von links aus dem Gemeindeverbindungsweg. Er befuhr trotz eines Stoppschilds die Kreuzung, obwohl die Geschädigten diese noch nicht verlassen hatte. Beide kollidierten. So weit, so klar. Aber: Zum Zeitpunkt des Unfalls gab es auf der betreffenden Landstraße eine Baustelle, in deren unmittelbarem Bereich diese auch voll gesperrt war. Dadurch gab es an der Unfallkreuzung für Fahrzeuge, die entgegengesetzt zur Fahrtrichtung der Geschädigten fuhren, ein Verkehrszeichen mit dem „Verbot für Fahrzeuge aller Art“ inkl. dem Zusatzschild „Anlieger bis Baustelle frei“. Und natürlich befand sich auch in Fahrtrichtung der Geschädigten an mehreren Stellen das Verkehrsschild „Verbot für Fahrzeuge aller Art“ – hier allerdings ohne den „Anlieger-frei“-Hinweis.

Die gegnerische Haftpflichtversicherung argumentierte nun, dass die Geschädigte aufgrund der Beschilderung ihrem Unfallgegner hätte Vorrang gewähren müssen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe sah das jedoch komplett anders und hat den Unfallverursacher zu vollem Schadensersatz verurteilt.

Denn nach Ansicht des Gerichts war der Mann verpflichtet, das Vorfahrtsrecht der Geschädigten zu beachten. Obwohl die Geschädigte das Verkehrszeichen „Verbot für Fahrzeuge aller Art“ zu beachten hatte, lässt sich hieraus kein schuldhafter Verkehrsverstoß herleiten – denn das in Fahrtrichtung der Geschädigten aufgestellte Verbotsschild ist als ungültig anzusehen. Durch die widersprüchliche Baustellenbeschilderung war die Landstraße logischerweise zur Sackgasse geworden. Zum Unfallzeitpunkt konnten die Fahrzeuge ab der Kreuzung nur noch bis zur Baustelle fahren. Wenn sie in die durch die Baustelle geschaffene Sackgasse hineingefahren wären, hieße das aufgrund der in der Gegenrichtung aufgestellten Schilder „Verbot für Fahrzeuge aller Art“, dass sie nicht mehr hätten herausfahren dürfen. Es ist offenkundig, dass die gleichzeitige Beschilderung „Zulässiges Einfahren für Anlieger“ und „Unzulässiges Ausfahren“ nicht gewollt war und nicht dem Willen der Verkehrsbehörde entsprechen konnte.

Hinweis: Die Ungültigkeit von Verkehrszeichen kann nur unter engen Voraussetzungen angenommen werden. Die subjektive Bewertung eines Verkehrszeichens als „unsinnig“ reicht hierfür nicht aus.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.06.2015 – 9 U 18/14
Thema: Verkehrsrecht