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Notrettung beim Arbeitsweg: Ausweichmanöver eines Motorradfahrers zählt als Arbeitsunfall

Stürzt ein Motorradfahrer bei dem Versuch, einem Radfahrer auszuweichen, und verletzt sich dabei, kann durch eine Nothilfe ein Arbeitsunfall vorliegen.

Ein Motorradfahrer musste einem Radfahrer ausweichen, um eine Kollision zu verhindern. Hierbei stürzte und verletzte er sich. Da er sich auf dem Weg zur Arbeit befand, wollte er den Unfall als Arbeitsunfall festgestellt wissen.

Das Sozialgericht Dortmund ging auch tatsächlich von einem Arbeitsunfall aus. Dadurch, dass der Motorradfahrer dem Radfahrer ausgewichen war, wurde der Radfahrer vor erheblichen Verletzungen geschützt bzw. ihm möglicherweise sogar das Leben gerettet. Auch eine ohne intensive Überlegung verrichtete Rettungstat unterfällt dem Versicherungsschutz eines Arbeitsunfalls. Eine Gefahrensituation kennzeichnet sich dadurch, dass sie überraschend auftritt und einer Rettungsentscheidung keine langen Überlegungen ermöglicht. Selbst ein reflexartiges Ausweichmanöver im Straßenverkehr unterliegt dem Versicherungsschutz eines Arbeitsunfalls, wenn die konkrete Gefahrenlage bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv geeignet ist, eine Rettungshandlung auszulösen.

Ohne Bedeutung ist es, dass der Motorradfahrer nicht nur die Gesundheit bzw. das Leben des Radfahrers schützen wollte, sondern auch seine eigene. Es reicht für die Annahme eines Arbeitsunfalls aus, dass die Gefährdungslage auf beiden Seiten gleich gelagert war.

Hinweis: Bei Verkehrsunfällen mit Radfahrern oder Fußgängern kann es für den Geschädigten, der sich beim Versuch der Kollisionsvermeidung verletzt, wesentlich sein, dass er die soziale Absicherung eines Arbeitsunfalls hat. Für den Geschädigten hat dies den Vorteil, dass bei Anerkennung eines Arbeitsunfalls Abzüge wegen einer Mitverursachung nicht vorgenommen werden können. Die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung können im Einzelfall zudem auch über das hinausgehen, was ansonsten im Rahmen eines Haftpflichtfalls geschuldet wird.

Quelle: SG Dortmund, Urt. v. 02.11.2016 – S 17 U 955/14
Thema: Verkehrsrecht

Vorzeitiges Schichtende: Die durch das Arbeitszeitgesetz vorgeschriebene Ruhezeit gilt auch für Betriebsräte

Ein wirklich interessantes Urteil für Betriebsräte, denn es bescheinigt, dass Betriebsratsarbeit letztendlich Arbeitszeit darstellt. Und zwischen zwei Arbeitszeiten muss immer eine entsprechende Ruhezeit liegen.

Nach § 5 Absatz 1 des Arbeitszeitgesetzes ist einem Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden zu gewähren. Im aktuellen Fall arbeitete ein Betriebsratsmitglied im Dreischichtbetrieb und war für die Nachtschicht von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr bei einer Pause von 2:30 Uhr bis 3:00 Uhr eingeteilt. Am folgenden Tag nahm es von 13:00 Uhr bis 15:30 Uhr an einer Betriebsratssitzung teil. Mit Rücksicht auf diese Betriebsratssitzung stellte das Betriebsratsmitglied in der vorherigen Nachtschicht seine Arbeit um 2:30 Uhr ein. Dem Arbeitnehmer wurde für diese Nachtschicht von der Arbeitgeberin jedoch nur der Zeitraum bis 3:00 Uhr und von 5:00 Uhr bis 6:00 Uhr auf seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Dagegen klagte er und verlangte die Gutschrift der beiden weiteren Stunden von 3:00 Uhr bis 5:00 Uhr – mit Erfolg.

Ein Betriebsratsmitglied, das zwischen zwei Nachtschichten außerhalb seiner Arbeitszeit tagsüber an einer Betriebsratssitzung teilnehmen muss, ist berechtigt, die Arbeit in der vorherigen Nachtschicht bereits vor dem Ende der Schicht einzustellen. Das gilt aber nur, wenn nur so eine ununterbrochene Erholungszeit von elf Stunden am Tag gewährleistet ist, in der weder Arbeitsleistung noch Betriebsratstätigkeit zu erbringen ist.

Hinweis: Ein Betriebsratsmitglied darf also seine Arbeit einstellen, wenn es nur dann die elfstündige Ruhezeit vor der nächsten Betriebsratssitzung einhalten kann.

Quelle: BAG, Urt. v. 18.01.2017 – 7 AZR 224/15
Thema: Arbeitsrecht

Phasenverschobene Ehe: Wirksamkeit des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs im Rahmen eines Ehevertrags

Eheverträge sind nicht in jedem Fall wirksam. Zwar haben Ehegatten das Recht, vertraglich zu gestalten, was gelten soll, wenn die Ehe zerbricht. Das gilt aber – insbesondere bezüglich des Versorgungsausgleichs – nur eingeschränkt.

Ohne anderweitige vertragliche Vereinbarung wird bei einer Scheidung der Ehe der Versorgungsausgleich durchgeführt. Das bedeutet, dass die in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte hälftig zwischen den Ehegatten aufgeteilt werden. Ehegatten können zwar vertraglich vereinbaren, dass dies nicht für den Fall der Scheidung ihrer Ehe gelten soll. Dazu muss diese Regelung notariell beurkundet werden. Allerdings wird, wenn es zur Scheidung kommt, die Vereinbarung einer Inhaltskontrolle unterzogen. Das Gericht prüft, ob durch die Vereinbarung einer der Ehegatten unangemessen benachteiligt wird. Ist dies der Fall, ist die Vereinbarung unwirksam. Es kommt dann eben doch zur Durchführung des Versorgungsausgleichs.

Das Kammergericht hatte einen solchen Fall zu entscheiden, in dem eine sogenannte phasenverschobene Ehe vorlag. Die Frau war 25 Jahre älter als der Mann. Sie war Verwaltungsangestellte, während der Mann zunächst bei einem eher niedrigen Einkommen abhängig beschäftigt war und sich dann mit finanzieller Unterstützung der Frau versuchte, selbständig zu machen. Im Rahmen der selbständigen Tätigkeit zahlte er keine Beiträge in die Rentenkasse ein. Der Mann hätte deshalb bei der Scheidung profitiert, wenn der Versorgungsausgleich durchgeführt worden wäre. Die Ehegatten hatten aber einen Ehevertrag geschlossen, in dem sie Gütertrennung, den Verzicht auf etwaige Ansprüche auf Nachscheidungsunterhalt sowie den Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs für den Fall der Scheidung vereinbart hatten. Wegen der Phasenverschobenheit der Ehe und der bisherigen Unterstützung des Mannes durch die Frau war dieser Verzicht wirksam – die Frau behielt ihre Versorgungsanrechte ungekürzt.

Hinweis: Eheverträge wirksam abzufassen ist keine Alltagsaufgabe und verlangt eine ausgiebige Beratung.

Quelle: KG, Beschl. v. 19.02.2016 – 19 UF 79/15
Thema: Familienrecht

Querschnittslähmung: 400.000 EUR Schmerzensgeld nach Falschbehandlung

Eine Querschnittslähmung ist ein unglaublich harter Schicksalsschlag. Wie viel Schmerzensgeld ist dabei aus juristischer Sicht angemessen, um diesen auszugleichen?

Eine Krankenschwester litt jahrelang unter Rückenschmerzen. Sie ließ sich in einem Krankenhaus untersuchen, woraufhin und man ihr eine operative Behandlung im Bereich der Halswirbelsäule durch die Implantation einer Bandscheibenprothese und die Versteifung mehrerer Wirbel empfahl. Diese Operation misslang allerdings gehörig und endete damit, dass die Frau eine Querschnittslähmung unterhalb des dritten Halswirbels erlitt. Sie klagte auf Schadensersatz und verlangte insbesondere ein Schmerzensgeld von 400.000 EUR. Das Gericht holte ein Gutachten ein, das zu dem Ergebnis kam, dass im Krankenhaus unvollständige Befunde erhoben worden waren und eine erforderliche MRT-Untersuchung unterlassen wurde. Zudem war die Operation nicht erforderlich. Es lag ein grober Fehler vor und die Frau erhielt neben weiteren Entschädigungen auch die begehrten 400.000 EUR.

Hinweis: Genau für diese Art von Fällen lohnt sich der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung. Arzthaftungsverfahren sind durch die fast immer einzuholenden Gutachten extrem teuer.

Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 11.11.2016 – 26 U 111/15
Thema: Sonstiges

Betriebskosten bei Wohneigentum: Vereinbarte Jahresfristen müssen auch bei ausstehendem WEG-Beschluss eingehalten werden

Besonders ärgerlich ist es für den Vermieter, wenn der Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage die Betriebskosten so spät abrechnet, dass Nachforderungen gegenüber den Mietern nicht mehr möglich sind.

Der Fall war recht einfach gelagert: Im Mietvertrag hatten sich Vermieter und Mieter darauf geeinigt, dass die Betriebskosten jährlich nach Genehmigung der Abrechnung in der Eigentümerversammlung abgerechnet werden. Die Betriebskosten für die Jahre 2010 und 2011 rechnete ein Vermieter dann allerdings erst mit Schreiben vom 07.12.2013 ab, nachdem die Wohnungseigentümergemeinschaft kurz zuvor den Beschluss über die Jahresabrechnungen der Wohnungseigentümer gefasst hatte. Der Mieter empfand das als zu spät und zahlte die verlangte Nachforderung nicht, da nach dem Gesetz der Vermieter spätestens bis zum 31.12. des Folgejahres über die Betriebskosten abrechnen muss. Schließlich klagte der Vermieter seine Ansprüche ein, da er nach seiner Auffassung die Verspätung nicht zu vertreten hatte.

Der Bundesgerichtshof war allerdings anderer Auffassung. Grundsätzlich muss der Vermieter eine Eigentumswohnung auch dann innerhalb der Jahresfrist über die Betriebskosten abrechnen, wenn der Beschluss der Wohnungseigentümer über die Jahresabrechnung nicht vorliegt.

Hinweis: Vermieter sollten stets die Jahresfrist zur Abrechnung beachten. Eine möglichst frühe und zeitnahe Abrechnung sind sowohl für den Vermieter als auch für den Mieter wünschenswert.

Quelle: BGH, Urt. v. 25.01.2017 – VIII ZR 249/15
Thema: Mietrecht

Nachweis der Erbschaft: Nicht jeder Erbe braucht einen Erbschein

Der Erbschein ist ein amtliches Zeugnis, das anzeigt, wer Erbe ist. Darüber hinaus lässt sich dem Erbschein entnehmen, ob mehrere Personen Erben sind und zu welchen Teilen sie jeweils geerbt haben, also die sogenannte Erbquote. Auch das Bestehen von Verfügungsbeschränkungen, wie etwa eine Vor- und Nacherbschaft, sind im Erbschein enthalten.

Der Erbschein wird durch das zuständige Nachlassgericht ausgestellt. Dazu ist jedoch ein entsprechender Antrag nötig. Der Antrag kann schriftlich oder zu Protokoll beim Nachlassgericht gestellt werden und muss entsprechende Nachweise – zum Beispiel ein Testament oder Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden – als Beleg der gesetzlichen Erbfolge enthalten. Für die Ausstellung eines Erbscheins fallen Gerichtsgebühren nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz an, deren Höhe vom Nachlasswert abhängt. Der Erbscheinsantrag kann auch durch einen Notar beurkundet werden. Neben dem Erben selbst können auch Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter oder -gläubiger einen Erbschein auf den Namen des Erben beantragen. Befindet sich ein Teil der Erbschaft im EU-Ausland, kann auch ein europäischer Erbschein beantragt werden.

Nicht jeder Erbe benötigt einen Erbschein, da er seine Erbenstellung auch anderweitig belegen kann. Häufig verlangen Banken die Vorlage eines Erbscheins, um Auskünfte über bestehende Konten des Verstorbenen zu geben oder die Auszahlung von Guthaben zu veranlassen. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass auch ein notarielles Testament oder ein Erbvertrag in einem solchen Fall ausreichen und die Bank nicht auf die Vorlage eines Erbscheins bestehen kann, sofern nicht im Einzelfall berechtigte Zweifel an der Erbeneigenschaft bestehen. Für manche Handlungen ist jedoch ein Erbschein im Gesetz vorgeschrieben, etwa als Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt, wenn ein ererbtes Grundstück auf den neuen Eigentümer umgeschrieben werden soll. Auch hier können jedoch ein notarielles Testament und das gerichtliche Eröffnungsprotokoll ausreichen.

Hinweis: Erben sollten also prüfen, ob sie einen Erbschein wirklich benötigen, da die Antragstellung mit Aufwand und Kosten verbunden ist. Liegt ein notarielles Testament vor oder hat der Erblasser eine Konto- und Vorsorgevollmacht ausgestellt, ist ein Erbschein häufig überflüssig. Sofern jedoch nur ein eigenhändiges Testament vorliegt oder ein Testament eine inhaltlich unklare Erbeinsetzung enthält, ist ein Erbschein in der Regel die einzige Möglichkeit zum Nachweis der Erbenstellung.

zum Thema: Erbrecht

Radler überholt Radler: Volle Haftung nach Unfall durch lediglich 32 cm Seitenabstand

Ein Radfahrer muss grundsätzlich mit Schwankungen in der eines vorausfahrenden Radfahrers rechnen, so dass ein eingehaltener Seitenabstand von ca. 32 cm in der Regel zu gering ist.

Zwei Radfahrer fuhren auf einem etwa 2 m breiten Radweg zunächst hintereinander. Der hintere Radfahrer entschloss sich, den Vorausfahrenden zu überholen. Hierbei berührte er diesen mit der rechten Schulter. Der vorausfahrende Radfahrer stürzte hierdurch und verletzte sich schwer.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe vertritt die Auffassung, dass den Überholenden die volle Haftung am Zustandekommen des Unfalls trifft. Dieser habe beim Überholen entsprechend den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung einen so großen Seitenabstand einzuhalten, dass eine Gefährdung anderer ausgeschlossen ist. Radfahrer bräuchten allerdings nicht, wie es für Pkw-Fahrer vorgesehen ist, einen Abstand von eineinhalb bis zwei Metern einzuhalten. Ein überholender Radfahrer muss aber berücksichtigen, dass bei dem zu überholenden Radfahrer grundsätzlich mit mehr oder weniger unvermeidlichen Schwankungen zu rechnen ist. Weiterhin muss der Überholende berücksichtigen, dass der überholte Radfahrer nicht ausreichend durch Geräusche des sich rückwärts nähernden Radfahrers vorgewarnt ist. Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger hatte festgestellt, dass der überholende Radfahrer einen Seitenabstand von höchstens 32 cm eingehalten hatte. Das ist für ein gefahrloses Überholen allerdings nicht ausreichend. Ein Überholen ist nur dann sicher möglich, wenn der Überholende sicher davon ausgehen kann, dass er vom anderen Radfahrer wahrgenommen wird und dieser sein Fahrverhalten auf den Überholvorgang einrichtet.

Hinweis: Die Entscheidung des Gerichts macht deutlich, dass ein Radfahrer einen anderen Radfahrer nur dann überholen darf, wenn er sicher davon ausgehen kann, dass eine Gefährdung ausgeschlossen ist. Hierbei muss der Überholende insbesondere auch mit Schwankbewegungen des vorausfahrenden Radfahrers rechnen.

Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.05.2016 – 9 U 115/15
Thema: Verkehrsrecht

Übertriebenes Zeugnis: Arbeitgebern droht bei absichtlich überhöhtem Lob ein Zwangsgeld

Der Arbeitgeber kann beim Thema Zeugnis vieles falsch machen. In diesem Fall hat er es allerdings bewusst auf eine Konfrontation angelegt.

In einem Vergleich hatten sich ein Arbeitnehmer und dessen Arbeitgeberin geeinigt, dass der Arbeitnehmer einen Zeugnisentwurf an die Arbeitgeberin übersenden durfte und diese vom Zeugnisentwurf des Arbeitnehmers nur aus wichtigem Grund abweichen durfte. Als die Arbeitgeberin dann den Zeugnisentwurf mit einer sehr guten Bewertung erhielt, steigerte sie diese sehr guten Bewertungen durch Hinzufügung von Begriffen wie „äußerst“, „extrem“ und „hervorragend“. Aus „Wir bewerten ihn mit sehr gut“ machte sie „Wenn es bessere Noten als ,sehr gut‘ geben würde, würden wir ihn damit beurteilen“. Die Formulierung „Herr F. verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch, was wir sehr bedauern“ ersetzte sie allerdings durch „Herr F. verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch, was wir zur Kenntnis nehmen.“ Dem Arbeitnehmer gefiel dies natürlich gar nicht und er beantragte beim Arbeitsgericht die Festsetzung eines Zwangsgelds. Er war der Auffassung, dass die Arbeitgeberin noch kein vernünftiges Zeugnis erteilt hatte.

Das Landesarbeitsgericht sah dies genauso und erachtete die Verhängung eines Zwangsgeldes für rechtmäßig. Die Arbeitgeberin hatte die im Vergleich festgelegte Pflicht zur Zeugniserteilung noch nicht erfüllt.

Hinweis: Der Zeugnisanspruch eines Arbeitnehmers kann auch dann nicht erfüllt sein, wenn der Arbeitgeber vom Zeugnisentwurf des Arbeitnehmers „nach oben“ abweicht.

Quelle: LAG Hamm, Beschl. v. 14.11.2016 – 12 Ta 475/16
Thema: Arbeitsrecht

Ehegattenunterhalt: Keine Verpflichtung zur Vollzeitstelle bei dauerhaft förderbedürftigem Kind

Für die Zeit nach der Scheidung besteht nur unter besonderen Umständen ein Anspruch auf Ehegattenunterhalt, zum Beispiel wenn ein gemeinsames Kind zu betreuen ist. In den ersten drei Lebensjahren des Kindes wird vom Vorliegen dieser besonderen Umstände immer ausgegangen. Danach werden jedoch besondere kind- oder ehebezogene Gründe verlangt.

Diese besonderen Gründe verlieren im Normalfall an Bedeutung, je älter ein Kind wird. Was aber gilt, wenn besonderer Förderbedarf besteht? Mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht Hamm befassen. Im zugrundeliegenden Fall litt der 16 Jahre alte Sohn an Autismus, Neurodermitis, einer Lebensmittelunverträglicheit und Migräne. Er wurde über 36 Stunden pro Woche durch Fremde betreut, konnte allein zur Schule gehen und stundenweise auch allein zu Hause sein. Der Kindesvater war der Ansicht, vor diesem Hintergrund könne die Mutter in Vollzeit arbeiten und er müsse deshalb keinen Unterhalt mehr an sie zahlen. Die Mutter vertrat dagegen die Ansicht, ihr könne nicht mehr als eine 2/3-Stelle zugemutet werden. Sie müsse mit dem Kind alle zwei Wochen zu einer Therapie im Autismuszentrum und sich wegen krankheitsbedingt mangelnder Sozialkontakte täglich stark um ihn kümmern.

Das Gericht berechnete den damit verbundenen besonderen Aufwand mit wöchentlich 13,5 Stunden. Dies berücksichtigend sei es gerechtfertigt, dass die Mutter nicht in Vollzeit arbeitet. Deshalb muss der Kindesvater weiterhin Betreuungsunterhalt für die Mutter zahlen.

Hinweis: 2008 wurde das Unterhaltsrecht umfassend reformiert. Mitunter wird angenommen, dass seitdem für die Zeit nach der Scheidung kein Unterhalt mehr an den Ehegatten zu zahlen ist. Diese Ansicht ist falsch. Dem Grunde nach ist Unterhalt für die Zeit nach der Scheidung in den meisten Fällen wie in der Zeit vor der Reform zu entrichten. Wesentlich verschoben hat sich allerdings der Zeitraum der Unterhaltspflicht. Wegen der damit verbundenen Einzelheiten ist es angeraten, sich fachkundigen Rat einzuholen.

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 02.06.2016 – 6 WF 19/16
Thema: Familienrecht

Defektes Smartphone: Der Ausfall des kleinen Helfers führt (noch) nicht zu einer Entschädigung

Ist das Smartphone defekt, führt das für viele Menschen im heutigen Alltag zu erheblichen Einschränkungen. Doch hat ein Kunde das Recht, sich die Zeit des Nutzungsausfalls bezahlen zu lassen?

Das neue Smartphone einer Kundin war defekt. Der Verkäufer verweigerte eine Reparatur mit der Begründung, dass der Schaden auf eine grobe Behandlung zurückzuführen sei und kein Garantiefall vorliege. Schließlich zog die Kundin vor Gericht. Das Amtsgericht urteilte zwar, dass die Frau durchaus einen Anspruch auf ein neues Smartphone hatte, die von ihr eingeklagte Nutzungsausfallentschädigung versagte ihr das Gericht allerdings. Zwar stand ihr das Gerät mehrere Wochen nicht zur Verfügung, sie verfügte allerdings über ein Ersatzgerät. Demnach war sie telefonisch ständig erreichbar. Das Gericht konnte dadurch keine fühlbare Beeinträchtigung der Frau erkennen. Die Nutzung eines Smartphones gehört nicht typischerweise zur alltäglichen Lebenshaltung und der Ausfall führt nicht zu einer Einschränkung in der eigenwirtschaftlichen Lebensführung.

Hinweis: In diesen Fragen könnte noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Wir werden sie auf dem Laufenden halten, wenn andere Gerichte gegenteilige Auffassungen vertreten.

Quelle: LG Hagen, Urt. v. 09.02.2017 – 7 S 70/16

Thema: Sonstiges