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Nivea-Blau: Meinungsforschungsgutachten klärt Eintragungsfähigkeit der Farbe als Marke

Manchmal wundert man sich tatsächlich, über was alles gestritten wird.

In diesem Fall geht es um die Löschung einer Farbmarke. Gestritten hatten sich zwei Unternehmen, die im Bereich der Haut- und Körperpflegeprodukte miteinander seit Jahren konkurrierten. Im Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamts war das Nivea-Blau als Farbmarke eingetragen. Das andere Unternehmen war allerdings der Auffassung, dass dieses nicht richtig war. Denn eine abstrakte Farbmarke sei nicht unterscheidungskräftig und freihaltebedürftig. Blau werde gerade für Haut- und Körperpflegeprodukte häufig verwendet. Während das Bundespatentgericht (BPatG) noch die Löschung der Marke angeordnet hatte, hob der Bundesgerichtshof (BGH) den Beschluss auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Grundsätzlich sind abstrakte Farbmarken nicht unterscheidungskräftig und deshalb nicht eintragungsfähig. In diesem Fall könnte es allerdings sein, dass sich die Farbmarke für die in Rede stehenden Waren als Marke durchgesetzt hat und deshalb nicht gelöscht werden darf. Voraussetzung dafür ist, dass mehr als 50 % des Publikums in der Farbe ein Produktkennzeichen sehen. Das muss das BPatG nun noch feststellen. Und der BGH sagte auch gleich, wie dieses zu geschehen hat: Es muss ein Meinungsforschungsgutachten zum Vorliegen der Voraussetzungen eingeholt werden. Insbesondere darf den zu Befragenden nicht, wie bisher, eine Farbkarte mit einer weißen Umrandung gezeigt werden. Denn die Nivea-Creme weist auch in ihrer Verpackung eine Kombination der Farben Blau und Weiß auf.

Hinweis: Das BPatG wird also ein Meinungsforschungsgutachten einzuholen haben, in dem Personen blaue Karten vorgehalten werden müssen. Sagen dann 50 %, dass sie bei der blauen Farbe direkt an Nivea denken, ist die Farbe eintragungsfähig.

Quelle: BGH, Beschl. v. 09.07.2015 – I ZB 65/13

Thema: Sonstiges

Reparaturbestätigung: Gutachterkosten nach selbst durchgeführter Reparatur sind erstattungsfähig

Lässt sich ein Geschädigter nach einem Unfall die von ihm selbst durchgeführte Reparatur des Fahrzeugs durch einen Sachverständigen bestätigen, sind die hierdurch entstehenden Kosten erstattungsfähig.

Nach einem unverschuldeten Unfall ließ der Geschädigte durch einen Kfz-Sachverständigen die Reparaturkosten an seinem Fahrzeug schätzen. Die Reparatur führte er in Eigenregie durch. Anschließend ließ er sich durch denselben Sachverständigen die vollständige Reparatur des Fahrzeugs bestätigen. Die hierdurch entstandenen Kosten wurden von der gegnerischen Haftpflichtversicherung nicht gezahlt.

Nach Auffassung des Amtsgerichts Braunschweig sind die Kosten für eine Reparaturbestätigung allerdings zu ersetzen. Dem Geschädigten kann nicht vorgeworfen werden, dass er sich erneut an den Sachverständigen wandte, um sich die ordnungsgemäße Durchführung einer Reparatur bestätigen zu lassen. Hierin liegt auch kein Verstoß gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht. Grundsätzlich steht es einer geschädigten Person frei, wie sie die Durchführung einer Reparatur nach einem Verkehrsunfall nachweist. Selbst wenn es möglicherweise eine kostengünstigere Alternative gibt, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass diese die einzige ist, die von einem Unfallgeschädigten einzuschlagen und somit betreffend des Schadens erstattungsfähig wäre. Es steht dem Geschädigten frei, welche Art der Schadensregulierung er begehrt und welche Modalitäten er für einen notwendigen Nachweis gegenüber der Versicherung für angemessen hält.

Hinweis: Die Bestätigung einer vollständig und fachgerecht durchgeführten Reparatur durch einen Sachverständigen hat für den Geschädigten nur Vorteile. Sollte es in dem unfallgeschädigten Bereich zu einer weiteren Beschädigung kommen, kann der Geschädigte durch die Bestätigung des Kfz-Sachverständigen die Reparatur nachweisen, so dass ein Verweis auf unreparierte Vorschäden ins Leere geht.

Quelle: AG Braunschweig, Urt. v. 24.07.2014 – 114 C 469/13

Fristlos gekündigt: Umfangreiches Brennen von privaten DVDs bei der Arbeit

Während der Arbeitszeit hat der Arbeitnehmer zu arbeiten. Eigentlich ein klarer Grundsatz, der aber vielfach gebrochen wird.

In dem Fall ging es um einen Angestellten, der bei einem Oberlandesgericht IT-Verantwortlicher war. Es wurde festgestellt, dass er innerhalb von zweieinhalb Jahren über 1.100 DVDs während der Arbeitszeit gebrannt hatte. Dafür erhielt er die fristlose Kündigung. Er verteidigte sich mit dem Argument, dass nicht nur er, sondern auch andere Arbeitnehmer mitgewirkt hätten. Das machte das Bundesarbeitsgericht allerdings nicht mit. Es sieht eine Kündigung auch dann als rechtswirksam an, wenn nicht sämtliche Kopien von dem Angestellten selbst gefertigt wurden. Auch die Tatsache, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich seinen PC für private Zwecke nutzen durfte, stand einer Kündigung nicht grundsätzlich entgegen. Denn ein solch ausuferndes Vorgehen war vom Arbeitgeber sicherlich nicht erlaubt. Zudem urteilten die Richter, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz bei verhaltensbedingten Kündigungen keine Anwendung findet. Zudem waren die Taten der anderen Arbeitnehmer mit denen des IT-Verantwortlichen nicht vergleichbar.

Hinweis: Das unbefugte Kopieren von eigenen Dateien auf DVD- oder CD-Rohlinge des Arbeitgebers während der Arbeitszeit kann eine außerordentliche fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.

Quelle: BAG, Urt. v. 16.07.2015 – 2 AZR 85/15

Thema: Arbeitsrecht

Versorgungsausgleich: Abänderung einer Entscheidung erst ab Einleitung des gerichtlichen Verfahrens

Im Normalfall wird mit der Scheidung auch geregelt, was mit den in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften geschieht. Es wird ermittelt, in welcher Höhe jeder Ehegatte in der Ehezeit Rentenanwartschaften begründet hat, um jeweils die Hälfte auf den anderen Ehegatten zu übertragen.

Die so bei Scheidung erfolgte Verteilung kann sich durch die weitere Entwicklung später als nicht mehr richtig herausstellen. Der weitere berufliche Werdegang hat aber oft nicht nur Einfluss auf die später erworbenen Versorgungsanwartschaften. Er kann auch rückwirkend die früher erworbenen verändern und damit auch die, die in der unterdessen bereits beendeten Ehezeit erwirtschaftet wurden.

Das Gesetz sieht für diese Fälle vor, dass eine Abänderung der bei der Scheidung erfolgten Regelung zum Versorgungsausgleich möglich ist.

Die Entscheidung zum Versorgungsausgleich, die bei der Scheidung getroffen wird, steht zunächst einmal gewissermaßen nur auf dem Papier. Von der Übertragung bei Scheidung vom Rentenversicherungskonto des (im bisherigen Regelfall) Mannes auf das der Frau hat diese erst einmal nichts, da sie die Leistungen erst nach Eintritt in das Rentenalter beziehen kann. Für den Mann ist die Reduktion des späteren Renteneinkommens im Moment des Erlasses der Entscheidung ebenso wenig mit sofort feststellbaren Vermögenseinbußen verbunden. Auswirkungen ergeben sich erst ab dem Zeitpunkt, ab dem Versorgungsleistungen bezogen werden.

Schlecht ist es dennoch, wenn erst einmal bis zum Eintritt in das Rentenalter abgewartet wird, wie sich die bei Scheidung ausgesprochene Umverteilung der Rentenanwartschaften auswirkt, bis ein Abänderungsverfahren in Betracht gezogen wird. Denn die Abänderung kann nicht rückwirkend verlangt werden. Sie wird erst ab dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ein gerichtliches Verfahren auf Abänderung eingeleitet wurde. Wenn also erst einmal ein Jahr lang weniger Rente über den Versorgungsausgleich bezogen wird, als eigentlich hätte bezogen werden können, kann der Differenzbetrag rückwirkend nicht mehr verlangt werden.

Hinweis: Der Versorgungsausgleich ist diffizil. Er sollte nicht ohne fachkundige Hilfe geregelt werden.

Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.04.2015 – 13 UF 30/15

Thema: Familienrecht

Mietrecht: Aktuelle Rechtsprechung zur Flächenabweichung

Stellt sich nachträglich heraus, dass die Fläche eines Mietobjekts –Wohnung oder Geschäftsräume – geringer ist als im Mietvertrag vereinbart, kann der Mieter grundsätzlich geleistete Mietzahlungen anteilig zurückverlangen. Einige aktuelle Urteile hatten sich mit den Mieterrechten in dem Zusammenhang näher zu befassen.

Wird die Wohnungsgröße im Mietvertrag aufgeführt, liegt damit eine Beschaffenheitsvereinbarung über die Wohnfläche vor. Daran ändert auch der häufige Zusatz „ca.“ nichts. Anders sieht es nur dann aus, wenn eine Gewähr für die Größe ausdrücklich ausgeschlossen wurde.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt eine Abweichung allerdings erst dann einen Mangel dar, wenn die wirkliche Fläche mehr als 10 % geringer ist als die im Mietvertrag vereinbarte Fläche. Ab dieser Grenze ist die Miete dann im Verhältnis gemindert.

Wie errechnet sich die „richtige“ Fläche?

Es existieren verschiedene Methoden zur Berechnung der Fläche, beispielsweise in der II. Berechnungsverordnung, der Wohnflächenverordnung (WoFlV), der DIN 283 oder auch nach bestimmten örtlichen Gebräuchen.

Sofern im Mietvertrag nicht ausdrücklich geregelt ist, wie die Fläche zu bestimmen ist, muss durch Auslegung ermittelt werden, was gelten sollte.

In einem Fall, den das Landgericht Saarbrücken zu entscheiden hatte, ergab sich aus den Umständen, dass die Vertragsparteien sich auf die einfache Methode „Länge mal Breite“ verständigt hatten (LG Saarbrücken, Urteil vom 06.03.2015 – 10 S 160/14). Auch eine solche Berechnung ist zulässig.

Bei der Auslegung berücksichtigte das Landgericht insbesondere den Umstand, dass die im Jahr 1997 angemietete Wohnung in einem Zweifamilienhaus gelegen und der Eigentümer und Vermieter als Privatperson aufgetreten war. Beide Mietvertragsparteien waren ohne Fachkenntnisse, so dass nicht zu erwarten war, dass die in der Zeitungsannonce inserierte Flächenangabe nach der damals geltenden II. Berechnungsverordnung berechnet war. Der Maßstab der Flächenberechnung wurde anlässlich der Anmietung der Wohnung in keiner Weise diskutiert, vielmehr habe man sich vorgestellt, dass mit der Wohnfläche die Grundfläche gemeint sei. Es sprach daher, so das Gericht, alles dafür, dass die Parteien unter „Grundfläche“ denjenigen Wert verstanden, der sich aus der einfachen Multiplikation von Länge und Breite der Zimmerflächen ergab.

Dies galt natürlich nur für den entschiedenen Einzelfall, zeigt aber, dass der Begriff der „Wohnfläche“ stark auslegungsbedürftig ist und keinesfalls feststeht.

Sofern keine anderen Anhaltspunkte bestehen, soll für Mietverträge ab dem 01.01.2004 nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Wohnflächenverordnung herangezogen werden, bei älteren Verträgen die II. Berechnungsverordnung (BGH, Urteil vom 24. März 2004 – VIII ZR 44/03 –).

Anspruch des Mieters auf Rückzahlung

Eine Abweichung von mehr als 10 % zu Ungunsten des Mieters berechtigt diesen, wie gesagt, dazu, die Miete anteilig zurückzufordern. Beträgt die Mietfläche also beispielsweise nur 71,66 % der Angabe, kann der Mieter 28,44 % der Miete zurückverlangen (Landgericht Berlin, Beschluss vom 13.03.2015 – 65 S 477/14).

Weiteres Beispiel (Amtsgericht Koblenz, Urteil vom 26. März 2015 – 152 C 3763/14 –): Im Mietvertrag ist die Wohnfläche mit 65,74 qm angegeben, tatsächlich beträgt sie jedoch nur 55,65 qm. Es ergibt sich demnach, dass die Fläche nur 55,65 qm x 100 / 65,74 qm = 84,65 % der vereinbarten Fläche beträgt, also 15,35 % zu gering ist. Dementsprechend ist die Miete um 15,35 % gemindert.

Das Landgericht Berlin entschied im Übrigen, dass auch ein Mieter, der die Miete vom zuständigen Jobcenter als Sozialleistung erhalten hat, die Rückforderung in eigener Person beanspruchen darf.

Zwar müsse der Mieter die zurückerhaltene Miete später an das Jobcenter erstatten, dürfe aber zunächst aus seinem Rechtsverhältnis mit dem Vermieter den Rückzahlungsanspruch selbst geltend machen. Ein Sozialleistungsträger ist nach der Rechtsprechung im Verhältnis zu den Vertragsparteien stets „Dritter“ und nicht Partei. Zahlungen durch den Sozialleistungsträger – selbst wenn sie direkt an den Vermieter erfolgen – sind demnach immer Leistungen eines Dritten zur Erfüllung einer fremden Verbindlichkeit (ein Mieter kann dementsprechend auch nicht das Jobcenter auf Mietzahlung verklagen).

Wann verjähren die Ansprüche des Mieters?

Es stellt sich, wenn feststeht, dass der Mieter Rückzahlungen beanspruchen kann, die Frage, wie lange in die Vergangenheit diese Ansprüche reichen.

Grundsätzlich verjähren Ansprüche nach drei Jahren (§ 195 BGB). Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Umständen Kenntnis erlangt oder grob fahrlässig nicht erlangt hat (§ 199 Abs. 1 BGB). Ansonsten verjähren Ansprüche in zehn Jahren von ihrer Entstehung an (§ 199 Abs. 4 BGB).

Kenntnis von dem Mangel und damit auch von der Möglichkeit einer Rückforderung hat ein Mieter erst dann, wenn er die Räume ausmisst oder ausmessen lässt und ein konkretes Messergebnis vorliegt. Mit diesem Zeitpunkt beginnt die Verjährungsfrist. Auch eine grobe Fahrlässigkeit, die zu einem früheren Verjährungsbeginn führen könnte, ist vorher nicht gegeben, weil ein Mieter nicht verpflichtet ist, seine Wohnung ohne Anlass zu vermessen (AG Koblenz, Urteil vom 26. März 2015 – 152 C 3763/14 –).

Das bedeutet: Ab dem Zeitpunkt der Vermessung können Rückforderungsansprüche bis zu zehn Jahre zurück in die Vergangenheit geltend gemacht werden.

Thema: Mietrecht

Autor: Rechtsanwalt Matthias Juhre, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in Wuppertal

Persönliche Erinnerungen: Altkanzler Kohl darf Tonbänder zurückverlangen

Einmal mehr hat Helmut Kohl vor Gericht gewonnen.

Der ehemalige Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl hatte mit einem Journalisten einen Vertrag über die Memoiren des Altkanzlers abgeschlossen. Die Parteien trafen sich an über 100 Tagen und führten Gespräche, die auf ein Tonbandgerät aufgenommen wurden. Der Journalist nahm die Tonbänder mit nach Hause und plante die Buchveröffentlichung. Alsbald gab es Streit zwischen den Parteien und der ehemalige Bundeskanzler verlangte die Herausgabe sämtlicher Tonaufnahmen. Und das zu Recht, wie der Bundesgerichtshof urteilte. Die Anspruchsgrundlage ergab sich aus dem geschlossenen Vertrag, denn der Altkanzler alleine konnte über den Inhalt der Memoiren entscheiden. Der Journalist als Auftragnehmer musste auf die Interessen seines Auftraggebers achten. Insbesondere darf er keine Vorteile ziehen, die auf Kosten des Auftraggebers gehen. Deshalb musste er nun das Eigentum an den Tonbändern an Herrn Dr. Kohl übertragen.

Hinweis: Ein wohl richtiges Urteil, denn auf den Tonbändern finden sich persönliche Erinnerungen und Gedanken des ehemaligen Bundeskanzlers. Er allein hat darüber zu entscheiden, was damit geschehen darf.

Quelle: BGH, Urt. v. 10.07.2015 – V ZR 206/14

Thema: Sonstiges

Schattendasein: Nachbarschaftsgesetz schützt verdunkelnde Bäume vor Fällung

Ob Eigentümer die Entfernung von Bäumen, die zu einer Verschattung des Grundstücks führen, verlangen dürfen, musste der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.

Seit 1994 gehörte einem Ehepaar in Nordrhein-Westfalen ein Reihenhausbungalow. Der kleine Garten grenzte an eine öffentliche Grünanlage. Dort standen nun ca. 10 m von der Grenze entfernt zwei 25 m hohe und gesunde Eichen. Nun verlangten die Hauseigentümer von der Stadt die Beseitigung der Bäume, da ihr Garten durch die Bäume vollständig im Schatten lag. Die Bäume seien mit der konzeptionell nach Süden ausgerichteten Bungalowsiedlung nicht vereinbar. Das allerdings sah der BGH wie auch sämtliche Vorinstanzen anders. Denn sämtliche Gerichte erkannten keine Eigentumsverletzung durch die Stadt. Insbesondere hielten die Bäume den vorgeschriebenen Abstand von 4 m ein, den das Nachbarschaftsgesetz NRW vorschreibt. Auch allgemeine Abwägungen wurden herangezogen: Öffentliche Grünanlagen sind zum Zweck der Luftverbesserung, zur Schaffung von Naherholungsräumen und als Zuzugsort für Tiere wichtig. Die damit verbundene Verschattung ist hinzunehmen.

Hinweis: Die Stadt hatte alles richtig gemacht. Das Urteil wäre sicherlich anders ausgefallen, wenn die Bäume direkt an der Grenze gepflanzt worden wären. Da das nicht der Fall war, müssen die Hauseigentümer die Bäume und die damit verbundenen Schatten dulden.

Quelle: BGH, Urt. v. 10.07.2015 – V ZR 229/14

Thema: Mietrecht

Mietrecht: Richtiger Umgang mit der Kaution

Der falsche Umgang mit einer in Geld erhaltenen Kaution kann für den Vermieter strafrechtliche Konsequenzen haben. Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Beschluss nochmals klargestellt, welche Anforderungen unbedingt zu erfüllen sind.

Die Sicherheit, die der Mieter zu Beginn des Mietverhältnisses in der Regel durch Zahlung zu leisten hat, ist vom Vermieter treuhänderisch zu verwalten. Eine Geldsumme muss der Vermieter bei einem Kreditinstitut verzinslich anlegen (§ 551 Abs. 3 Satz 1 BGB). Der Vermieter muss das Kautionsguthaben getrennt von seinem Vermögen halten (§ 551 Abs. 3 Satz 3 BGB).

Ein Verstoß gegen diese Pflicht stellt den Straftatbestand der Untreue dar (§ 266 Strafgesetzbuch – StGB -). Dies hat der Bundesgerichtshof in einer Strafsache bereits entschieden (BGH, Beschluss vom 23. August 1995 – 5 StR 371/95 –).

In einem aktuellen Beschluss hat der für das Wohnraummietrecht zuständige 8. Senat (BGH, Beschluss vom 09. Juni 2015 – VIII ZR 324/14 –) die folgenden Hinweise erteilt, die sich so zusammenfassen lassen:

Die gesetzliche Regelung soll sicherstellen, dass die Kaution vor dem Zugriff der Gläubiger des Vermieters gesichert ist. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass aus dem Erfordernis der Trennung von dem Vermögen des Vermieters folge, es sei ein treuhänderisches Sonderkonto anzulegen. Diesem Anliegen wird nur eine Anlage gerecht, die den Treuhandcharakter eindeutig für jeden Gläubiger des Vermieters erkennen lässt. Dementsprechend wird einhellig verlangt, dass die Kaution auf einem offen ausgewiesenen Sonderkonto („Mietkautionskonto“) angelegt wird.

Die Anlage der Kaution auf einem nicht als Sonderkonto gekennzeichneten Sparbuch erfüllt diese Anforderungen nicht.

Ein Mieter kann auch nach dem Ende des Mietverhältnisses bis zur endgültigen Abrechnung über die Kaution noch verlangen, dass die gesetzlichen Anforderungen an die Anlage der Mietsicherheit erfüllt werden.

Die Mietkaution dient ausschließlich der Sicherung von Forderungen des Vermieters aus dem konkreten Mietverhältnis. Die darin liegende Zweckbindung endet nicht schon dann, wenn die Kaution am Ende des Mietverhältnisses nicht mehr für Forderungen des Vermieters aus dem Mietverhältnis benötigt wird, sondern erst mit der Rückgewähr der Kaution an den Mieter. Dementsprechend enden sowohl das Sicherungsbedürfnis des Mieters als auch die treuhänderische Bindung nicht bereits mit dem Ende des Mietverhältnisses, sondern erst mit der Rückgewähr der Kaution.

Im laufenden Mietverhältnis gilt: Ist der Vermieter dem Anspruch auf eine getrennte und entsprechend gekennzeichnete Anlage der Kaution nicht nachgekommen, steht dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht an den Mieten in Höhe der Kaution gemäß §§ 273, 274 BGB zu. Der fortdauernden treuhänderischen Bindung entsprechend gilt dies auch über das Ende des Mietverhältnisses hinaus. Einem etwaigen Mietrückstand kann also die Nichtanlage der Kaution auch später noch entgegen gehalten werden.

In der Praxis werden diese Grundsätze häufig nicht beachtet. Wer als Mieter den Verdacht hat, dass seine Kaution nicht ordnungsgemäß behandelt wird, kann Auskunft verlangen und, sofern diese nicht zufriedenstellend ausfällt, auch weitere Schritte ergreifen.

Thema: Mietrecht

Autor: Rechtsanwalt Matthias Juhre, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in Wuppertal

Kaskoversicherung: Keine Erstattung von Anwaltskosten bei gängiger Schadensregulierung

Die Kosten für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für die Geltendmachung vertraglicher Ansprüche gegenüber dem eigenen Kaskoversicherer sind üblicherweise nicht vom haftpflichtigen Schädiger zu ersetzen.

Nach einem unverschuldeten Unfall nahm der Geschädigte nach Einschaltung eines Rechtsanwalts seine Kaskoversicherung in Anspruch. Er ließ sich die Reparaturkosten abzüglich der Selbstbeteiligung erstatten. Durch seinen Rechtsanwalt machte er die Selbstbeteiligung sowie weitere Nebenkosten gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend – u.a. auch die Kosten für dessen Tätigkeit.

Nach Ansicht des Amtsgerichts Meschede sind die Rechtsanwaltskosten für die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung nicht von der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers zu erstatten. Hier war weder ersichtlich noch vom Geschädigten dargelegt, warum er wegen der Beschädigung seines Pkw die Reparaturkosten nicht auch ohne anwaltliche Hilfe bei seinem eigenen Kaskoversicherer hätte anmelden und ihn zur Zahlung auffordern können. Die Einschaltung eines Anwalts war daher nicht erforderlich, zumal keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Kaskoversicherer nicht zur Schadensregulierung gewillt ist.

Hinweis: Das Urteil entspricht obergerichtlicher Rechtsprechung. Auch der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass die Einschaltung eines Anwalts nicht erforderlich ist, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kaskoversicherer seiner Leistungspflicht aus dem Versicherungsvertrag nicht nachkommen wird und es sich insgesamt um einen einfach gelagerten Fall handelt.

Quelle: AG Meschede, Urt. v. 05.05.2015 – 6 C 403/14

Mietrecht: Rechtsprechungsänderung zur Mieterhöhung bei Flächenabweichung?

Bislang urteilte der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen, dass bei der Mieterhöhung die wirkliche Fläche der Wohnung nur dann zugrunde zu legen ist, wenn diese mehr als 10 % von der im Mietvertrag vereinbarten Fläche abweicht. In einem aktuellen Hinweisbeschluss hat der BGH nun angedeutet, an dieser Sichtweise nicht mehr festhalten zu wollen.

In einem Urteil aus dem Jahr 2004 hatte der BGH festgelegt, wann im Fall einer Abweichung der im Mietvertrag genannten Wohnfläche von der wirklichen Wohnfläche ein Mangel vorliegt (BGH, Urteil vom 24. März 2004 – VIII ZR 295/03 –). Der BGH entschied damals, dass ein Mangel erst dann anzunehmen ist, wenn die Fläche mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt. Erst bei Überschreitung dieser Grenze ist also auch die Miete entsprechend prozentual gemindert. Dies begründete der BGH damit, dass Voraussetzung der Mietminderung eine erhebliche Minderung der Tauglichkeit ist (§ 536 Abs. 1 Satz 3 BGB). Die Schwelle zur Erheblichkeit in diesem Sinne sei erst bei einer mehr als 10 %-igen Abweichung erreicht.

Diese 10 %-Grenze wandte der BGH dann später auch zur Beantwortung der Frage an, ob bei der Mieterhöhung die im Mietvertrag angegebene oder die wirkliche Fläche zugrunde zu legen ist.

In einer Entscheidung aus dem Jahr 2004 (BGH, Urteil vom 07. Juli 2004 – VIII ZR 192/03 –), war eine Mieterhöhung auf Grundlage einer Mietfläche von 100 Quadratmetern beansprucht worden. Im Mietvertrag war keine Flächenangabe enthalten. Später stellte sich heraus, dass die Fläche nur 87,63 Quadratmeter betrug. Der Mieter verlangte die für 12,37 Quadratmeter gezahlte Mieterhöhung zurück. Der BGH gab dem Mieter Recht: Übersteige die in einem Mieterhöhungsverlangen angegebene und der Berechnung zugrunde gelegte Wohnfläche die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 %, muss die wahre Fläche zugrunde gelegt werden. Der Mieter konnte also die Mieterhöhung anteilig zurückverlangen.

Diese Rechtsprechung bestätigte der BGH (Urteil vom 23. Mai 2007 – VIII ZR 138/06 –) dann auch für den umgekehrten Fall, dass die wirkliche Wohnfläche tatsächlich größer ist als die im Mietvertrag angegebene Fläche: Übersteige die tatsächliche Wohnfläche die im Mietvertrag vereinbarte Wohnfläche, so sei einem Mieterhöhungsverlangen die vertraglich vereinbarte Wohnfläche zugrunde zu legen, solange die Flächenüberschreitung nicht mehr als 10 % betrage. Erst bei größerer Abweichung dürfe die wahre Fläche zur Berechnung herangezogen werden.

Im Bereich 90 % bis 110 % der Fläche laut Mietvertrag war somit allein die vertraglich festgelegte Fläche maßgeblich.

Obwohl die willkürliche Festlegung einer starren Grenze von 10 % teils kritisiert wurde, schien die Frage für die Rechtspraxis damit beantwortet.

Das könnte sich allerdings bald wieder ändern, denn aktuell hat der BGH in einem Hinweisbeschluss Zweifel an seiner früheren Rechtsprechung geäußert (Pressemitteilung Nr. 150/2015 zu BGH, VIII ZR 266/14):

„Der Senat erwägt, nicht mehr an seiner Rechtsprechung festzuhalten, wonach einer Mieterhöhung nach § 558 BGB bei einer Abweichung von nicht mehr als zehn Prozent die als Beschaffenheit vereinbarte Wohnfläche (statt der davon abweichenden tatsächlichen) Wohnfläche) zugrunde zu legen ist und wonach bei einer Überschreitung der vertraglich vereinbarten Wohnfläche von mehr als zehn Prozent der (gutgläubige) Vermieter sich von seinem Irrtum nach den von den Voraussetzungen des § 558 BGB abweichenden Grundsätzen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage lösen kann.

Hierfür könnte sprechen, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung auf die Sachmängelgewährleistung abzielt und deshalb regelmäßig keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Mietvertragsparteien auf diese Weise gleichzeitig der einen oder anderen Seite für spätere Mieterhöhungsverfahren einen Vorteil oder Nachteil gegenüber der gesetzlichen Regelung verschaffen wollen. Zudem stellt das System der ortsüblichen Vergleichsmiete auf die Entgelte ab, die in der jeweiligen Gemeinde für vergleichbare Wohnungen gezahlt werden; ein solcher Vergleich kann aber sinnvoll nur anhand objektiver Kriterien vorgenommen werden, so dass es hinsichtlich der Wohnfläche auf die tatsächliche Wohnfläche ankommen müsste.

Sofern einer im Mietvertrag vereinbarten Wohnfläche keine Maßgeblichkeit für eine Mieterhöhung nach § 558 BGB mehr zukäme, wäre von vornherein kein Raum mehr für die Annahme, dass bei einer Abweichung um mehr als zehn Prozent die Geschäftsgrundlage fehlen könnte (…). Eine Anpassung der Miete wäre dann in diesen Fällen ausschließlich unter den Voraussetzungen des § 558 BGB möglich.“

Rechtssicherheit ist daher leider momentan nicht gegeben. Es wird die Entscheidung im Anschluss an den Verhandlungstermin am 18. November 2015 abzuwarten sein.

Sollte der BGH seine Rechtsprechung tatsächlich ändern, würde das unter anderem folgende Konsequenz haben: Auch bei geringfügigen Abweichungen könnten Mieter überzahlte Mietanteile zurückverlangen. Hinsichtlich der Verjährung dieser Rückforderungsansprüche würde eine zehnjährige Verjährungsfrist gelten (§ 199 Abs. 4 BGB), denn Kenntnis von den Umständen hat der Mieter erst dann, wenn er auch das Messergebnis kennt. Für Mieter, deren Miete in den vergangenen Jahren deutlich erhöht wurde und die den Verdacht haben, dass die zugrunde liegende Flächenangabe im Mietvertrag zu hoch ist, könnte es sich dann lohnen, ein Gutachten zur Wohnfläche einzuholen!

Thema: Mietrecht

Autor: Rechtsanwalt Matthias Juhre, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in Wuppertal