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Schlagwort: Betriebsgefahr

Mithaftung bei Unfällen: Erhöhte Betriebsgefahr bei Geschwindigkeiten oberhalb der Richtgeschwindigkeit

Wer sein Fahrzeug auf Autobahnen deutlich über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h steuert, muss im Schadensfall mit einer Teilschuld rechnen, da eine solche Ausgangsgeschwindigkeit als betriebsgefahrerhöhend berücksichtigt wird. Dies wird auch im Fall des Oberlandesgerichts Schleswig (OLG) deutlich.

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Haftungsprivilegierung: Auto überfährt Hund, verletzter Hund beißt zu: Wer haftet?

Die zeitlich exakte Abfolge ist vor Gericht oft entscheidend, wenn es darum geht, aufgrund kausaler Zusammenhänge das Geschehene zu bewerten. Genau das war die Aufgabe des Oberlandesgerichts Celle (OLG). Dabei ging es darum, wessen Haftung greift: Die des unfallverursachenden Fahrzeugführers oder die des daraufhin vom eigenen Hund verletzten Tierhalters?

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Höhere Betriebsgefahr: Rotlichtverstoß mit SUV kann höheres Bußgeld rechtfertigen

Sie schränken nicht nur die Sicht anderer ein und nehmen mehr Platz ein – sie ziehen als „Stadtpanzer“ immer mehr den Zorn anderer Verkehrsteilnehmer auf sich. Dem höheren Gefahrenpotential der Sport Utility Vehicles (kurz SUV) zollt nun erstmals das Amtsgericht Frankfurt am Main (AG) Tribut – und das, obwohl bei dem hier verhandelten Rotlichtverstoß glücklicherweise nichts passiert ist. Ob dieses Urteil jedoch Bestand haben wird, bleibt allerdings abzuwarten.

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Einfädeln von der Beschleunigungsspur: Wer den fließenden Verkehr gefährdet oder behindert, trägt im Schadensfall die Hauptlast

Die Angst des Autofahrers vor dem Einfädeln in eine Autobahnspur kommt jener des Torwarts vor dem Elfmeter oftmals gleich. Nicht ganz zu unrecht, wie der folgende Fall des Oberlandesgerichts Celle (OLG) zeigt, bei dem es bei einem solchen Vorgang zu einer Kollision mit einem bereits rechts fahrenden Lkw kam.

Der Kläger wollte sich mit seinem Fahrzeug via Beschleunigungsspur auf eine zweispurige Bundesautobahn einfädeln. Doch dem Plan „stand“ ein auf der rechten Fahrspur fahrender Lkw entgegen, mit dem der Mann mit seinem Pkw in der Folge kollidierte. Daraufhin begehrte der Mann Schadensersatz und landete mit seinem Wunsch vor dem OLG.

Doch nach Auffassung des Gerichts hat der Kläger lediglich Anspruch auf Erstattung seines Schadens von 25 %. Die überwiegende Haftung trifft den Kläger nämlich selbst, weil der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn Vorfahrt hat – und genau dazu gehören Beschleunigungsstreifen eben nicht. Auf die Beachtung dieser Regelung darf der Benutzer der durchgehenden Fahrbahn auch vertrauen. Der einfahrende Verkehr ist daher wartepflichtig und darf nur so einfahren, dass er den durchgehenden Verkehr nicht gefährdet oder behindert. Der Kläger hatte den Unfall dadurch verursacht, dass er trotz des erkennbaren Risikos, von dem Beklagten übersehen zu werden, auf dessen rechte Fahrspur eingefahren ist, ohne Blickkontakt zum Lkw-Fahrer aufzunehmen bzw. sich ansonsten sicher gewesen zu sein, wahrgenommen worden zu sein. Der Lkw hat seinerseits allerdings wegen Bauart und Größe eine erhöhte Betriebsgefahr inne, die sich aufgrund der dadurch resultierenden Sichtbeschränkung auch konkret ausgewirkt hat und hier mit 25 % bewertet wurde.

Hinweis: Alle Einfahrenden müssen sich mit größter Sorgfalt eingliedern. Wenn es in dieser Situation zu einem Zusammenstoß zwischen einem die durchgehende Fahrbahn benutzenden Kraftfahrzeug und einem einfädelnden Verkehrsteilnehmer kommt, spricht für das Verschulden des Einfädelnden grundsätzlich der Beweis des ersten Anscheins.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 23.06.2021 – 14 U 186/20

Kollision mit landwirtschaftlichem Gespann: Autofahrer trifft erhöhte Haftung bei unangepasster Geschwindigkeit bei Gegenverkehr und Dunkelheit

Wer meint, dass er bei Dunkelheit in einer ihm gut bekannten Gegend auch mal aufs Gas drücken kann, irrt. Denn nicht nur die Geschwindigkeitsüberschreitung an sich kann dem vermeintlich Ortskundigen zum Verhängnis werden – im Ernstfall ist das Wissen um örtliche Gegebenheiten ein weiterer Aspekt, den Gerichte wie das Oberlandesgericht Celle (OLG) bei der Bemessung des Schuldanteils in die Waagschale werfen.

Bei bestehender Dunkelheit kam es auf einer Gemeindestraße, die 4,95 m breit war und keine Fahrbahnmarkierungen aufwies, zu einem Unfall zwischen einem Pkw und einem landwirtschaftlichen Gespann. Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger ermittelte eine Geschwindigkeit des Pkw-Fahrers von 75 bis 85 km/h bei erlaubten 80 km/h. Zudem stellte der Sachverständige fest, dass der Pkw-Fahrer weiter rechts hätte fahren können.

Das OLG hat deshalb einen Haftungsanteil des Pkw-Fahrers von 70 % angenommen. Hierbei berücksichtigte das Gericht, dass der Fahrer auf einer nur 4,95 m breiten Straße ohne Fahrbahnmarkierungen und nicht befestigtem Seitenstreifen sowie erkennbarem Gegenverkehr in einer leichten Rechtskurve selbst bei – unterstellten – 75 km/h zu schnell unterwegs war. Zudem musste der ortskundige Fahrer grundsätzlich mit landwirtschaftlichem Verkehr rechnen und hätte das entgegenkommende landwirtschaftliche Gespann rechtzeitig erkennen und seine Geschwindigkeit reduzieren können. Wäre er, wie es verlangt wird, auf Sicht gefahren, hätte er den Unfall vermeiden können. Ein Verschulden auf Seiten des Fahrers des landwirtschaftlichen Gespanns konnte hingegen nicht festgestellt werden, da es entsprechend den gesetzlichen Vorschriften beleuchtet und abgesichert war. Gleichwohl nahm das Gericht eine Mithaftung aus der Betriebsgefahr – also einer verschuldensunabhängigen Haftung – von 30 % an. Die Überbreite des Gespanns auf der schmalen Straße und seine Masse haben andere Verkehrsteilnehmer nennenswert gefährdet und hier konkret zu der Schwere des Unfalls beigetragen.

Hinweis: Bei Verkehrsunfällen, an dem Fahrzeuge beteiligt sind, ist regelmäßig zu prüfen, ob auf Seiten eines Verkehrsteilnehmers eine erhöhte Betriebsgefahr vorliegt. Diese kann durch besondere Umstände gegeben sein, wie die vorliegende Entscheidung zeigt. So wird in der Regel aufgrund der größeren Masse von Lkws oder landwirtschaftlichen Gespannen eine Betriebsgefahr von 30 % angenommen, während man bei Pkws in der Regel von 25 % ausgeht.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 04.03.2020 – 14 U 182/19

Thema: Verkehrsrecht

Begegnung auf enger Straße: Wer in unsicherer Lage wieder anfährt, trägt im Ernstfall den Großteil der Haftung

Wenn sich zwei Autos auf einer schmalen Straße nähern, liegt es meist im Interesse beider Fahrer, eine Parklücke oder Einfahrt dazu zu nutzen, den anderen je nach Möglichkeit entweder dort einfahren oder eben passieren zu lassen. Dass der gute Wille jedoch allein nicht ausreicht, wenn es an der Ausführung hapert, zeigt der folgende Fall des Landgerichts Potsdam (LG), bei dem es bei einem solchen Manöver zur Kollision kam und folglich über die Haftungsfrage zu entscheiden war.

Der Geschädigte befuhr innerorts eine Straße, als ihm dort der spätere Unfallgegner entgegenkam. Am Unfallort standen auf beiden Straßenseiten geparkte Fahrzeuge, so dass an dieser Stelle keine zwei Fahrzeuge aneinander vorbeifahren konnten. Der Geschädigte wartete vor einer linksseitigen Parklücke, um dem Entgegenkommenden die Möglichkeit zu geben, in diese auszuweichen. Das tat er dieser auch, stand schließlich aber nur zu einem großen Teil und zudem noch schräg in der Parklücke – mit der Folge, dass dessen linksseitiges Heck noch in den Fahrbereich ragte. Der Geschädigte fuhr dennoch wieder an und die Fahrzeuge kollidierten.

Nach Ansicht des LG war der Unfall für keinen der Beteiligten unabwendbar, für den Geschädigten schon deshalb nicht, weil es maßgeblich auf seinem Entschluss beruhte, das Fahrzeug des Entgegenkommenden trotz der engen Verkehrssituation zu passieren. Ein Idealfahrer hätte dabei abgewartet, bis der andere vollständig eingeparkt hat, oder einen anderen Weg zu seinem Ziel gewählt. Doch auch für den Entgegenkommenden war der Unfall nicht unabwendbar. Es stand zwar nach Einholung des Sachverständigengutachtens nicht fest, ob er nicht tatsächlich kurz vor der Kollision der Fahrzeuge kurz zurückgerollt sei und so seinerseits zum Unfall beigetragen habe. Doch kommt es laut LG in einer schmalen Straße nach unvollständigem Ausweichen eines entgegenkommenden Fahrzeugs beim Wiederanfahren des Wartenden zur einer Kollision (wobei ein Rückwärtsfahren des Ausweichenden zwar nicht ausgeschlossen, jedoch auch nicht positiv festgestellt werden kann), haftet der Wiederanfahrende zu 75 %, der Ausweichende zu 25 %.

Hinweis: Bei der Bestimmung, wer nach einem Unfall in welcher Höhe haftet, ist eine Abwägung der beiderseitigen Unfallverursachungsbeiträge geboten. In diese ist einerseits auf die jeweilige Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge abzustellen, andererseits ist der Verstoß des Geschädigten gegen die Pflicht zu berücksichtigen, sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt oder gefährdet wird. Das hat der Kläger wie dargestellt nicht getan. Nach Auffassung des Gerichts konnte ein Verschulden des Entgegenkommenden nicht nachgewiesen werden, so dass dessen Haftung aus der Betriebsgefahr nur in Höhe von 25 % zu berücksichtigen war.

Quelle: LG Potsdam, Urt. v. 29.05.2019 – 6 O 352/17

Thema: Verkehrsrecht

Berührungsloser Unfall: Stürzt ein Radler nach erfolgreichem Ausweichmanöver, trägt der beteiligte Autofahrer eine Mitschuld

Ein Verkehrsunfall muss nicht zwingend durch den großen „Wumms!“ definiert werden. Auch berührungslose Begegnungen können schwere Folgen haben. Hier ist die Beweislage naturgemäß etwas schwieriger – aber dazu hat man ja Gerichte wie das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG), das die auslösenden Zusammenhänge eines solchen berührungslosen Unfalls und dessen Haftungsfrage zu bewerten hatte.

Im betreffenden Fall radelte ein Fahrradfahrer auf einem rund zwei Meter breiten, befestigten Feldweg, als ihm ein Auto entgegenkam. Der Radfahrer wich dem Pkw auf den unbefestigten und zum Unfallzeitpunkt matschigen Seitenstreifen nach rechts aus. Die beiden Verkehrsteilnehmer fuhren somit zwar berührungslos aneinander vorbei, doch beim Versuch, unmittelbar danach wieder auf den befestigten Weg aufzufahren, stürzte der Radler und verletzte sich dabei erheblich.

Das OLG nahm eine Mithaftung des Autofahrers von 50 % an. Obwohl es sich um einen berührungslosen Unfall handelte, ist der Sturz dem Betrieb des Fahrzeugs zuzurechnen. Hier war der Unfall zwar nicht beim Ausweichen auf den unbefestigten Seitenstreifen geschehen, sondern erst beim Wiederauffahren auf den befestigten Radweg nach dem erfolgreichen Passieren des Fahrzeugs. Zu diesem Zeitpunkt sei die eigentliche Gefahr – eine Kollision mit dem Kfz – vorüber gewesen. Dennoch ist der Sturz immer noch der Betriebsgefahr des Fahrzeugs zuzurechnen. Der Ausweichvorgang war durch die Fahrweise der Pkw-Fahrers veranlasst worden. Der Sturz erfolgte im nahen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Entgegenkommen der Beklagten.

Hinweis: Nach allgemeiner Ansicht in der Rechtsprechung können alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe zu einer (Mit-)Haftung führen. Es genügt, dass sich eine von einem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensereignis in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt wurde.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 19.03.2019 – 16 U 57/18

Thema: Verkehrsrecht

Sorgfaltspflicht im Parkhaus: Bei Fahrspuren mit Straßencharakter gilt die „Rechts-vor-links“-Regel

Dass man es oft eilig hat, ein Parkhaus zu verlassen, liegt in der Natur der Sache. Schließlich dienen sie nur dem Zweck, sein Fahrzueg für eine geraume Zeit abzustellen, und ferner können sich wohl die wenigsten Gebäude dieser Art rühmen, eine besonders angenehme Atmosphäre zu bieten. Welche Verkehrsregeln in einem Parkhaus zu beachten sind, musste das Kammergericht Berlin (KG) kürzlich klären. Denn man ahnt es – selten sind Kollisionen auch hier nicht.

Ein Autofahrer befuhr in diesem Fall eine Fahrspur, die allein der Ausfahrt aus einem Parkhaus diente. Aus seiner Sicht kam ein anderes Auto von links auf einer gleichgearteten Spur herangefahren und fuhr in sein Fahrzeug. Der Geschädigte verlangte von seinem Unfallgegner daraufhin Schadensersatz – und lag damit immerhin zu 80 % richtig.

Denn in dieser Höhe hat das KG hat dem Geschädigten seine Ansprüche zugesprochen. Eine 20%ige Mithaftung musste er allerdings aus der Betriebsgefahr annehmen. Das Gericht sah, auch wenn sich der Unfall in einem Parkhaus ereignete, die überwiegende Haftung jedoch bei dem Wartepflichtigen – in diesem Fall bei dem von links Kommenden -, da auch im Parkhaus die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ entsprechend anwendbar ist. Inwieweit diese Vorfahrtsregel in einem Parkhaus bzw. auf einem Parkplatz Anwendung findet, hängt nach Auffassung des Gerichts davon ab, ob die Fahrspuren lediglich dem ruhenden Verkehr dienen – das heißt der Suche nach einem Parkplatz -, oder ob sie darüber hinaus Straßencharakter besitzen. Hier ging das Gericht von einem Straßencharakter der beiden benutzten Fahrspuren aus: An ihnen war ein Parken nicht möglich, sie erschlossen auch keinen Bereich zum Parken, sondern führten jeweils unmittelbar zur Ausfahrt aus dem Parkhaus.

Hinweis: Das Urteil entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung. Das Gericht weist auch darauf hin, dass es sich bei der von dem Geschädigten genutzten Fahrbahn nicht deshalb um eine untergeordnete Straße handelt, weil an ihr zuvor eine Schranke angebracht war, die sich erst nach Einführen eines Parktickets öffnete. Dies mag geeignet sein, den noch vornehmlich dem Parken bestimmten Bereich von dem zum Ausfahren bestimmten abzugrenzen – es ändert allerdings nichts am eindeutigen Straßencharakter.

Quelle: KG, Beschl. v. 09.07.2018 – 25 U 159/17

Thema: Verkehrsrecht

Grob fahrlässiger Fußgänger: In Fragen der Mithaftung gilt der „besonders vorsichtige Fahrer“ als Maßstab

Fährt ein Auto einen Fußgänger an, trifft den motorisierten Verkehrsteilnehmer regelmäßig ein hoher Schuldanteil, wenn nicht sogar der komplette. Wenn ein Fußgänger jedoch nachts bei Regen grob fahrlässig eine Fahrbahn betritt und dabei zu Schaden kommt, mag man meinen, dass ein unterhalb der zulässigen Höchstgeschwindigkeit fahrender Autofahrer daran als völlig schuldlos zu betrachten sei. Doch wie so oft trügt auch hier das erste Bauchgefühl. Das beweist der folgende Fall des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG).


Ein durch einen Unfall verletzter Fußgänger verlangte von einem Pkw-Fahrer Schadensersatz, nachdem es bei Dämmerung und starkem Regen außerorts zu einem Unfall gekommen war. Der Autofahrer war mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h bei erlaubten 100 km/h mit dem von rechts kommenden Mann kollidiert.

Nach Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens hat das OLG entschieden, dass den Pkw-Fahrer durchaus eine Haftung aus der sogenannten Betriebsgefahr trifft, und diese mit 20 % bewertet. Der Unfall ist zwar überwiegend durch das Fehlverhalten des Fußgängers verursacht worden, der auf die Fahrbahn trat, ohne den bevorrechtigten Fahrzeugverkehr passieren zu lassen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen war der Pkw für den Fußgänger schließlich bereits aus einer Entfernung von 60 m erkennbar. Der Fußgänger ist somit gewissermaßen blindlings auf die Fahrbahn getreten, was in der Rechtsprechung in der Regel als grob fahrlässig angesehen wird.

Doch der Senat ist auch zu einer Mithaftung des Pkw-Fahrers von 20 % gekommen, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stets zu prüfen ist, ob ein Idealfahrer bei weit vorausschauender und überobligatorisch vorsichtiger Fahrweise den Unfall hätte verhindern können. Und nach den Feststellungen des Sachverständigen war hier durchaus denkbar, dass ein besonders vorsichtiger Fahrer bei genauer Beobachtung der Fußgänger die Geschwindigkeit tatsächlich noch weiter reduziert und sich so in die Lage versetzt hätte, auf das Fehlverhalten des Fußgängers zu reagieren und somit die Kollision zu vermeiden.

Hinweis: Das Urteil macht einerseits klar, dass selbst vorsichtige Faher bei einer Kollision mit einem Fußgänger mit einer Mithaftung rechnen müssen. Andererseits verdeutlicht es, welche besonderen Sorgfaltsanforderungen Fußgänger beim Überqueren von Fahrbahnen treffen. So muss an nicht besonders vorgesehenen Überquerungsstellen auf den bevorrechtigten Verkehr Rücksicht genommen werden und bei Annäherung eines Fahrzeugs gewartet werden. Es darf insbesondere nicht versucht werden, noch kurz vor einem herannahenden Kraftfahrzeug die Fahrbahn zu überqueren.

Quelle: OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.04.2018 – I-1 U 196/14

Thema: Verkehrsrecht

Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen: Wer über 130 km/h fährt, muss auch in unverschuldeten Fällen mit einer Mithaftung rechnen

Die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen um 70 km/h führt trotz eines unzulässigen Spurwechsels des Unfallgegners zur Anrechnung der Betriebsgefahr im Umfang von 30 %.

Auf einer Autobahn wechselte eine Autofahrerin von der rechten auf die linke Spur. Dort kam es zu einem Auffahrunfall mit einem Fahrzeug, das zu diesem Zeitpunkt mit einer Geschwindigkeit von etwa 200 km/h fuhr.

Trotz des Spurwechsels der Frau haftet der Auffahrende in diesem Fall nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) mit einem Anteil von 30 %. Zwar konnte im vorliegenden Fall dem Auffahrenden kein Verschulden  nachgewiesen werden – da er nach den Feststellungen eines Sachverständigen allerdings mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h fuhr und damit die Autobahnrichtgeschwindigkeit um 70 km/h überschritten hatte, nahm das OLG eine Mithaftung aus der sogenannten Betriebsgefahr an. Zur Begründung führt es aus, dass derjenige, der oberhalb der Richtgeschwindigkeit fährt, keinen geforderten Unabwendbarkeitsbeweis führen kann und daher die gefahrene Geschwindigkeit bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge in Ansatz zu bringen ist.

Hinweis: Wer auf Autobahnen schneller als 130 km/h fährt, vergrößert in haftungsrelevanter Weise die Gefahr, dass sich ein anderer Verkehrsteilnehmer auf diese Fahrweise nicht einstellt und die Geschwindigkeit unterschätzt. Bei Überschreitung der Autobahnrichtgeschwindigkeit werden Mithaftungsquoten von 20 % bis 40 % angenommen.

Quelle: OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.11.2017 – I-1 U 44/17

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