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Schlagwort: Leistungspflicht

Vorsorgliches Ausweichmanöver: Auch ohne Wildberührung besteht Leistungspflicht des Versicherers wegen Wildunfalls

Um eine Kollision mit Wildtieren zu vermeiden, kam es zu einem Ausweichmanöver und infolge dessen zum Sturz. Da dieser aber nicht auf einer Wildberührung beruhte und somit folglich auch kein Wildunfall war, wollte sich im folgenden Fall der Teilkaskoversicherer schulterzuckend aus der Affäre ziehen. Doch das Oberlandesgericht Saarbrücken (OLG) nahm sich der Sache an und klärte die notwendige Frage, ob das erfolgte Ausweichmanöver Schlimmeres habe verhindern können.

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Zum Haareraufen: Landessozialgericht lehnt Kostenübernahme für Medikament mit haarwuchsfördernder Nebenwirkung ab

Immer schon leiden Menschen an ihrem Äußeren, wenn dieses ihrer Meinung nach von der allgemeingültigen Norm abweicht. Neben gesundheitlichen Folgen steht dabei auch der psychische Leidensdruck bei der Frage im Fokus, ob Krankenkassen für die Beseitigung des optischen Makels aufkommen müssen. Dass die Allgemeinheit aber nicht für alles zahlen kann, was dem Einzelnen an sich missfällt, zeigt der Fall des Hessischen Landessozialgerichts (LSG).

Hier litt ein 31-jähriger gesetzlich Krankenversicherter an seiner Haarlosigkeit. Nach verschiedenen erfolglosen Therapien kam er auf eine Möglichkeit, abseits der klassischen Behandlungsformen wieder Haupthaar zu erlangen. Er beantragte die Übernahme der Kosten für ein zur Behandlung von Arthritis zugelassenes Medikament, das als Nebenwirkung auch den Haarwuchs verstärke. Seine Krankenkasse meinte hingegen, dass solche Mittel von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen seien.

Das sah das leider LSG genauso. Ausgeschlossen sind Arzneimittel, die überwiegend zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Dies gelte erst recht, wenn das zur Behandlung von Haarausfall verordnete Arzneimittel für eben genau diesen Zweck gar nicht zugelassen sei.

Hinweis: Natürlich hat jeder Krankenversicherte Anspruch auf die Versorgung mit Arzneimitteln. Das gilt aber offenbar nicht für solche Mittel, die lediglich für neuen Haarwuchs sorgen sollen.

Quelle: Hessisches LSG, Urt. v. 27.04.2021 – L 1 KR 405/20

 Thema: Sonstiges

Folgen der Unfallflucht: Wer wesentliche Feststellungen zum Versicherungsfall unmöglich macht, verliert den Versicherungsschutz

Verlässt ein Unfallbeteiligter den Unfallort, ohne die Polizei und/oder seine Kaskoversicherung zu informieren, kann das die vertragliche Wartepflicht der Kfz-Versicherung verletzen. Ob dies auch für Fälle ohne andere Unfallbeteiligte gilt – etwa bei einer beschädigten Leitplanke -, musste hier das Oberlandesgericht Koblenz (OLG) bewerten.

Ein Autofahrer war mit 100 Stundenkilometern ohne Fremdeinwirkung mit der Leitplanke einer Autobahn kollidiert und zunächst bis zu einem Rastplatz weitergefahren. Nachdem er dort den entstandenen Schaden an seinem Fahrzeug in Augenschein genommen hatte, setzte er die Fahrt fort. Die Schadensanzeige an seine Kaskoversicherung stellte er erst vier Tage später fertig. Die Reparatur des Fahrzeugs verursachte Kosten von rund 22.000 EUR, die er von seiner Vollkaskoversicherung ersetzt haben wollte.

Das OLG vertrat in seinem Hinweisbeschluss die Auffassung, dass die Kaskoversicherung von ihrer Leistungspflicht freigestellt sei, da der Fahrer vorsätzlich die ihn treffende Wartepflicht verletzt und hierdurch dem Versicherer wesentliche Feststellungen zum Versicherungsfall unmöglich gemacht habe. Aufgrund des Schadensbilds am Fahrzeug sei davon auszugehen, dass bei der Kollision nicht nur ein erheblicher Schaden am Fahrzeug, sondern auch ein nicht völlig belangloser Fremdschaden (Beschädigung der Leitplanke), entstanden sei. Der Kläger hätte daher an der Unfallstelle warten müssen.

Hinweis: Ein Fahrer verletzt die in den Allgemeinen Kraftfahrtbedingungen (AKB) festgelegte Wartepflicht dann, wenn er durch das Verlassen der Unfallstelle den Straftatbestand der Unfallflucht (§ 142 Strafgesetzbuch) verwirklicht. Vorzuwerfen war dem Fahrer, dass er auch an der nächsten regulären Anhaltemöglichkeit – dem Rastplatz – weder die Polizei noch seine Kaskoversicherung über den Unfall informiert hatte.

Quelle: OLG Koblenz, Beschl. v. 11.12.2020 – 12 U 235/20

Thema: Verkehrsrecht

Anzeigenobliegenheit im Schadensfall: Wer als Versicherungsnehmer seine Pflichten kennt, sollte sie zwingend befolgen

Im Dezember 2015 wurde der Pkw des Versicherungsnehmers angefahren, der an seinem beschädigten Fahrzeug einen Zettel mit Namen und Telefonnummer vorfand. Der Schadensverursacher konnte in der Folgezeit dennoch nicht ermittelt werden. Im Januar 2016 ließ der Geschädigte sein Fahrzeug begutachten und anschließend reparieren.

Erst im Juni 2016 meldete er den Schaden seiner Kaskoversicherung und bat um Erstattung der Reparaturkosten. Doch diese lehnte die Versicherung mit der Begründung ab, dass der Mann seine Anzeigeobliegenheit verletzt habe. Nach den Allgemeinen Kraftfahrt-Bedingungen (AKB) muss eine Schadensmeldung nämlich innerhalb von einer Woche abgegeben werden. Außerdem bemängelte die Versicherung, dass das Schadensbild nicht plausibel sei und das vorgelegte Gutachten unbrauchbar.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm war der Kaskoversicherer in der Tat von seiner Leistungspflicht befreit, da sein Versicherungsnehmer seine Anzeigeobliegenheiten vorsätzlich verletzt hatte. Dieser Vorsatz setzt voraus, dass der Versicherte um seine Pflicht im Versicherungsfall kennt. Auch ein sogenannter bedingter Vorsatz ist dafür schädlich, zu seinem (vermeintlichen) Recht zu kommen. Von einem solchen bedingten Vorsatz ist dann auszugehen, wenn der Versicherte zwar seine Pflichten kennt und negative Konsequenzen bei Missachtung für möglich hält, diese aber billigend in Kauf nimmt, weil er nicht ernsthaft damit rechnet, mit seinem Anliegen auf Granit zu stoßen. Da der Versicherungsnehmer nicht bestritt, dass er seiner Obliegenheit zur Schadensmeldung nicht nachgekommen ist, geht das Gericht davon aus, dass ihm auch klar war, dass er den Schaden zeitnah hätte melden müssen. Außerdem hätte ihm klar sein müssen, dass der Versicherer durch die verspätete Schadensmeldung nur noch eingeschränkte Möglichkeiten haben würde, eigene Feststellungen zum Schaden und zur Leistungsfreiheit zu treffen. Dass der Versicherungsnehmer zuvor irrtümlich davon ausgegangen war, den Schaden vom letztendlich unauffindbaren Verursacher ersetzt zu bekommen, ist nach Ansicht des Gerichts im Ergebnis letztlich unerheblich.

Hinweis: Für den Versicherungsnehmer ergibt sich, dass er einen Schaden unmittelbar nach Feststellung seiner Kaskoversicherung melden muss. Diese muss nämlich die Möglichkeit haben, eine möglichst unmittelbare Überprüfung der Angaben ihres Versicherungsnehmers vorzunehmen.

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2017 – 20 U 42/17
Thema: Verkehrsrecht

Vollkasko haftet voll: Sommerbereifung im Winter stellt nicht zwingend eine grobe Fahrlässigkeit dar

Eine Kürzung der Leistungen aus der Vollkaskoversicherung ist nur möglich, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat.

Der Fahrer eines Pkw kam im Januar gegen fünf Uhr morgens mit seinem Pkw von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Da sein Fahrzeug nur mit Sommerreifen ausgestattet war, übernahm seine Vollkaskoversicherung auch nur 50 % der entstandenen Reparaturkosten mit der Behauptung, das Fahren mit Sommerbereifung zur Winterzeit sei als grob fahrlässig anzusehen.

Das Amtsgericht Papenburg hat die Versicherung zur Zahlung der restlichen Reparaturkosten verurteilt. Eine Kürzung ihrer Leistungspflicht aus dem Kaskovertrag wäre nur dann möglich gewesen, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall in der Tat grob fahrlässig herbeigeführt hätte.

Im vorliegenden Fall hat der Versicherungsnehmer jedoch nicht grob fahrlässig gehandelt, obwohl er noch mit Sommerreifen fuhr. Denn in Deutschland besteht keine generelle Winterreifenpflicht. Weiterhin berücksichtigte das Gericht, dass zum Unfallzeitpunkt am Unfallort die Temperatur bei 1,8 °C und die relative Luftfeuchtigkeit bei 87 % lagen, wobei weder Schnee noch Regen gefallen waren. Bei diesen Wetterverhältnissen war es zwar geboten, mit Winterreifen zu fahren – es fehlte trotzdem an einem erheblich gesteigerten Verschulden des Pkw-Fahrers. Ihm musste sich bei den Gegebenheiten nicht aufdrängen, dass das Fahren mit Sommerreifen besonders gefahrenträchtig war. So habe auch der Beifahrer erklärt, dass es auf der Fahrt bis zum Unfall keinerlei Probleme gegeben habe, insbesondere habe er kein Glatteis bemerkt, die Fahrbahn sei auch nicht rutschig gewesen.

Hinweis: Der Kaskoversicherer ist berechtigt, bei grober Fahrlässigkeit seine nach dem Versicherungsvertrag bestehende Leistungspflicht prozentual zu kürzen. Bei vorsätzlichem Handeln ist er sogar von der Zahlungspflicht gänzlich befreit. Grobe Fahrlässigkeit liegt immer dann vor, wenn schon einfachste – völlig naheliegende – Überlegungen nicht angestellt werden und nicht beachtet wird, was im konkreten Fall jedem Verkehrsteilnehmer hätte einleuchten müssen.

Quelle: AG Papenburg, Urt. v. 10.03.2016 – 20 C 322/15
Thema: Verkehrsrecht

Kaskoversicherung: Keine Erstattung von Anwaltskosten bei gängiger Schadensregulierung

Die Kosten für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für die Geltendmachung vertraglicher Ansprüche gegenüber dem eigenen Kaskoversicherer sind üblicherweise nicht vom haftpflichtigen Schädiger zu ersetzen.

Nach einem unverschuldeten Unfall nahm der Geschädigte nach Einschaltung eines Rechtsanwalts seine Kaskoversicherung in Anspruch. Er ließ sich die Reparaturkosten abzüglich der Selbstbeteiligung erstatten. Durch seinen Rechtsanwalt machte er die Selbstbeteiligung sowie weitere Nebenkosten gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend – u.a. auch die Kosten für dessen Tätigkeit.

Nach Ansicht des Amtsgerichts Meschede sind die Rechtsanwaltskosten für die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung nicht von der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers zu erstatten. Hier war weder ersichtlich noch vom Geschädigten dargelegt, warum er wegen der Beschädigung seines Pkw die Reparaturkosten nicht auch ohne anwaltliche Hilfe bei seinem eigenen Kaskoversicherer hätte anmelden und ihn zur Zahlung auffordern können. Die Einschaltung eines Anwalts war daher nicht erforderlich, zumal keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Kaskoversicherer nicht zur Schadensregulierung gewillt ist.

Hinweis: Das Urteil entspricht obergerichtlicher Rechtsprechung. Auch der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass die Einschaltung eines Anwalts nicht erforderlich ist, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kaskoversicherer seiner Leistungspflicht aus dem Versicherungsvertrag nicht nachkommen wird und es sich insgesamt um einen einfach gelagerten Fall handelt.

Quelle: AG Meschede, Urt. v. 05.05.2015 – 6 C 403/14