Das Wechselmodell etabliert sich in Sorgerechtsfragen immer mehr. Doch was sich in der Theorie so einfach anhört, ist in der Praxis schwerer als erwartet. Und wie in vielen Rechtssachen, ist auch hier eine Abänderung getroffener Vereinbarungen alles andere als einfach – so wie im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Dresden (OLG), bei dem es einmal mehr um die feine Unterscheidung zweier Themenfelder ging.
In einem gerichtlichen Verfahren hatten die Eltern geklärt, dass es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleiben solle. Zudem vereinbarten sie das Wechselmodell und klärten in diesem Zuge, wann die Kinder bei welchem Elternteil bei der „hälftigen Verteilung“ leben sollen. Nach einer gewissen Zeit kam die Mutter jedoch zu der Überzeugung, dass die Kinder doch eher bei ihr leben sollten, während dem Vater das übliche Umgangsrecht zustehen solle. Sie beantragte, ihr die elterliche Sorge zu übertragen, um über den Umfang des Umgangs bestimmen zu können.
Doch das OLG hat den Antrag zurückgewiesen. In Kindschaftssachen ist nämlich zwischen der elterlichen Sorge oder Umgangsfragen zu unterscheiden. Dabei gehört die Frage nach dem Wechselmodell in den Bereich Umgang. Darin wird eben nicht geklärt, welcher Elternteil in welchem Umfang die wesentlichen Entscheidungen zu den Fragen der Kinder zu treffen hat, sondern „nur“, wer wann mit ihnen zusammen ist. Die elterliche Sorge bleibt dabei unberührt – beispielsweise wäre die Frage, auf welche Schule die Kinder gehen sollen, weiterhin von beiden Eltern zu treffen. Da die Mutter somit den falschen Weg gegangen war, um zur alleinigen Inhaberin der elterlichen Sorge zu werden, konnte ihr Antrag keinen Erfolg haben – zu beantragen gewesen wäre eine Regelung zum Umgang.
Hinweis: Das Wechselmodell zu leben, verlangt einiges von allen Beteiligten ab. Die Idee, dass die Kinder „einfach“ zur einen Hälfte beim einen und zur anderen Hälfte beim anderen Elternteil leben, um Fragen nach dem Kindesunterhalt aus dem Weg zu gehen, ist problematisch. Und wenn sich aus Sicht eines Elternteils der eingeschlagene Weg nicht bewährt, ist es gar nicht so einfach, etwas zu korrigieren.
Thema: | Familienrecht |
Mit der Scheidung werden die in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften zwischen den Ehegatten hälftig aufgeteilt. Bei einer Scheidung nach Ablauf des Trennungsjahres ist dies unproblematisch. Was dabei aber bei einer besonders langen Trennungszeit gilt, hat hier das Oberlandesgericht Dresden (OLG) klargestellt.
Nach der im Juli 1987 erfolgten Eheschließung kam ein Jahr später das einzige Kind der Eheleute zur Welt. Zehn Jahre später trennten sich die Ehegatten, doch es dauerte weitere 21 Jahre, bis der Scheidungsantrag gestellt wurde. Dem Versorgungsausgleich anlässlich der Scheidung unterliegen nach dem Gesetz alle Versorgungsanwartschaften aus der Ehezeit. Als Ehezeit gilt die Zeitspanne zwischen Eheschließung und Beginn des Scheidungsverfahrens. Nun hatten die Ehegatten aber besonders lang getrennt gelebt – also auch besonders lang keine Versorgungsgemeinschaft mehr gebildet. Lag somit ein Fall vor, in dem es grob unbillig wäre, an der Grundregel für den Versorgungsausgleich festzuhalten?
In den Augen des OLG ja. Wenn bei einer Ehedauer von rund 30 Jahren die Ehegatten zwei Drittel dieser Zeit gar nicht zusammen gewirtschaftet haben, sei dies beim Versorgungsausgleich zu berücksichtigen. Es reduziere sich die insofern maßgebliche Zeit zwar nicht allein auf die Zeit bis zur Trennung, aber auf die Zeit bis zur Volljährigkeit des Kindes (bei mehreren Kindern Volljährigkeit des jüngsten Kindes). Entsprechend erfolgte der Versorgungsausgleich aus der um diese Frist gekürzten Ehezeit.
Hinweis: Die Entscheidung betrifft einen besonderen Ausnahmefall und kann nicht ohne weiteres auf andere Situationen übertragen werden. Lassen sich die Ehegatten also nach sechs Jahren kinderloser Ehe scheiden und leben dabei vier Jahre getrennt, ergäbe diese Zeit zwar auch zwei Drittel der Ehezeit, und dennoch wird anders zu verfahren sein als in diesem Fall. Anzuraten ist dem Ehegatten mit den höheren Anwartschaften daher stets, den sichereren Weg einer zeitnahen Scheidung zu beschreiten.
Thema: | Familienrecht |
Wohl jeder Verkehrsteilnehmer ist schon einmal dem irreführenden Blinkvorgang eines anderen aufgesessen. Wohl denen, die dennoch abgewartet haben, bis der angezeigte Abbiegevorgang auch tatsächlich durchgeführt wurde. Der kurze Ärger über den anderen mag dabei nämlich weniger schmerzhaft zu Buche schlagen als eine Kollision. Dass man sich dann nämlich nicht so einfach auf einen sogenannten Vertrauenstatbestand berufen kann, zeigt im Folgenden der Fall des Oberlandesgerichts Dresden (OLG).
Hier beabsichtigte eine Motorradfahrerin, an einer Kreuzung nach links abzubiegen, wobei sie aufgrund eines Stoppschilds wartepflichtig war. Obwohl ein Pkw herankam, bog die Motorradfahrerin ab. Im Kreuzungsbereich kam es zum Unfall, wobei sie sich verletzte. Sie behauptete, der Pkw-Fahrer habe nach rechts geblinkt, so dass sie sich entschloss, abzubiegen.
Das OLG hat vorliegend eine Haftungsverteilung von einem Drittel zu zwei Dritteln zu Lasten der Motorradfahrerin vorgenommen. Der Beweis des ersten Anscheins spreche grundsätzlich für ihr alleiniges Verschulden, da sie wartepflichtig war. Dass der Pkw-Fahrer nach rechts abbiegen wollte, konnte sie nicht beweisen. Dieser hatte zudem behauptet, dass er sich auf der Heimfahrt befunden und damit auch keinerlei Veranlassung gehabt hätte, nach rechts abzubiegen. Für die Motorradfahrerin lag auch keine sogenannte Vertrauensgrundlage dahingehend vor, dass der Pkw-Fahrer bei der Annäherung an den Kreuzungsbereich mit einer herabgesetzten Geschwindigkeit gefahren sei, um mutmaßlich abzubiegen. Das allein vermag den Vertrauenstatbestand nicht begründen, denn ein Herannahen mit langsamer Geschwindigkeit kann nicht als Vorbereitungshandlung zur tatsächlichen Durchführung des Abbiegevorgangs gleichgesetzt werden. Selbst wenn der Pkw-Fahrer sich der späteren Kollisionsstelle mit einer unter dem Tempolimit liegenden Geschwindigkeit von 40 km/h angenähert hätte, dürfe allein hieraus noch nicht darauf vertraut werden, er würde rechts abbiegen.
Hinweis: Ein Wartepflichtiger kann nur dann auf ein Abbiegen des Vorfahrtberechtigten vertrauen, wenn über ein bloßes Betätigen des Blinkers hinaus eine Vertrauensgrundlage geschaffen worden ist, die es im Einzelfall rechtfertigt, davon auszugehen, das Vorrecht werde nicht (mehr) ausgeübt.
Thema: | Verkehrsrecht |
Dass laut einem Sinnspruch nicht nur der bestraft wird, der zu spät kommt, sondern scheinbar auch jener, der zu spät kauft, ist Kernpunkt des folgenden Falls. In diesem hatte das Oberlandesgericht Dresden (OLG) nämlich darüber zu entscheiden, ob der Kauf eines Dieselfahrzeugs des Volkswagenkonzerns auch nach Bekanntwerden des Abgasskandals zu Regressansprüchen führen kann.
Der betreffende Käufer begehrte von VW für ein vom „VW-Abgasskandal“ betroffenes Fahrzeug Schadensersatz. Er hatte das Fahrzeug, das am 29.04.2015 erstmals zugelassen worden war, am 03.06.2016 gekauft.
Zu diesem Zeitpunkt waren aber nach Ansicht des OLG sowohl der Dieselskandal als auch der Umstand, dass VW die Zulassungsvorschriften über ein Softwareupdate der Fahrzeuge einhalten kann, seit mindestens einem halben Jahr bekannt gewesen. Der Senat konnte sich nach den Gesamtumständen daher nicht davon überzeugen lassen, dass der Käufer das Fahrzeug nicht erworben hätte, hätte er gewusst, dass das Fahrzeug vom Dieselskandal betroffen sei. Das Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit einer Abschaltvorrichtung außerhalb des Prüfmodus sei daher für den Schadenseintritt nicht ursächlich geworden.
Hinweis: Das Gericht hebt in seiner Entscheidung ausdrücklich hervor: Eine deliktsrechtliche Haftung des Herstellers eines vom „VW-Dieselskandal“ betroffenen Fahrzeugs gegenüber dem Käufer, der das Fahrzeug nach Bekanntwerden des Skandals erworben hat, kann schon wegen fehlender Kausalität zwischen schadensbegründender Handlung und dem Abschluss des Kaufvertrags ausscheiden.
Thema: | Verkehrsrecht |
Bei einem Verkehrsunfall im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit entfällt ein Anspruch auf die Versicherungsleistung aus der Kaskoversicherung.
Ein Pkw-Fahrer hat einen Verkehrsunfall verursacht. Hierbei wurde festgestellt, dass er zum Unfallzeitpunkt mindestens 2,03 ‰ hatte. Den an seinem Fahrzeug entstandenen Schaden verlangt er von seiner Kaskoversicherung dennoch erstattet.
Das Oberlandesgericht Dresden hat entschieden, dass ihm ein derartiger Anspruch aufgrund der festgestellten Blutalkoholkonzentration nicht zusteht. Dadurch, dass er sein Fahrzeug im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit gefahren hatte, war von einem grob fahrlässigen Verhalten des Fahrers anzugehen. Die Kaskoversicherung war daher berechtigt, die Leistungen aus der Kaskoversicherung zu verweigern, zumal sich erwiesen hat, dass die Alkoholisierung ursächlich für den Unfall war.
Hinweis: Die Entscheidung des Gerichts entspricht ständiger Rechtsprechung. Diese nimmt bei Vorliegen von absoluter Fahrtüchtigkeit, die ab einem Wert von 1,10 ‰ gegeben ist, eine Kürzung der Versicherungsleistung um 100 % vor, was bedeutet, dass der Versicherungsnehmer keine Ansprüche aus der Kaskoversicherung hat. Liegt eine Alkoholisierung zwischen 0,67 und 0,93 ‰ vor, kann eine Kürzung des Entschädigungsbetrags von 70-75 % erfolgen.
Thema: | Verkehrsrecht |
Ein Fußgänger hat beim Überqueren der Fahrbahn den vorrangigen Fahrzeugverkehr zu beachten.
Bei Dunkelheit wollte ein Fußgänger eine innerstädtische Straße überqueren. Dabei wurde er von einem Pkw angefahren und schwer verletzt. Von der Haftpflichtversicherung des Autofahrers verlangte er deshalb Schadensersatz und Schmerzensgeld auf der Grundlage einer Haftungsquote von 2/3.
Das Oberlandesgericht Dresden ging im vorliegenden Fall jedoch von einer alleinigen Haftung des Fußgängers aus, der grob verkehrswidrig die Fahrbahn überquert hatte. Er ist nämlich seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen, den vorrangigen Fahrzeugverkehr zu achten. Vor dem Betreten und Überschreiten der Fahrbahn muss ein Fußgänger besondere Vorsicht walten lassen. Verstößt ein Fußgänger hiergegen und achtet nicht auf ein sich annäherndes Fahrzeug, handelt er in der Regel grob fahrlässig. Dies ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass der Fußgänger von seinem Standpunkt aus die Fahrbahn gut einsehen konnte und den mit Abblendlicht herankommenden Pkw bei Beachtung der gebotenen Vorsicht gar nicht hätte übersehen können. Dabei hätte ihm außerdem bewusst sein müssen, dass er mit seiner dunklen Jacke ohne Reflektoren für einen Pkw-Fahrer bei der bestehenden Dunkelheit nur schwer erkennbar ist. Das Betreten der Fahrbahn war daher grob verkehrswidrig, so dass auch eine Mithaftung des Pkw-Fahrers aus der Betriebsgefahr nicht in Betracht kommt.
Hinweis: Kommt es zu einem Verkehrsunfall zwischen Pkw und Fußgänger, hängt die Haftungsverteilung davon ab, inwieweit einem der Beteiligten ein Verschulden nachgewiesen werden kann. Ist auf Seiten des Fußgängers von einem groben Verschulden auszugehen, weil er beispielsweise alkoholisiert oder aus Unachtsamkeit auf die Fahrbahn tritt, trifft ihn in der Regel das alleinige Verschulden.
Verkehrsrecht |