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Schlagwort: OLG Köln

Heimgesetze der Länder: Seit 2014 darf in Nordrhein-Westfalen selbst ambulantes Pflegepersonal nicht erben

Erstellt ein Erblasser mehrerer Testamente, ergibt sich immer wieder die Frage, inwieweit er durch spätere Verfügungen vorherige ändert. Der folgende Fall des Oberlandesgerichts Köln (OLG) zeigt, wie brisant dieser Umstand wird, wenn eines der Testamente unwirksam ist, weil der Erblasser nicht mehr testierfähig war oder unzulässige Personen als Erben eingesetzt hat.


Eine kinderlose Frau hatte in ihrem notariellen Testament im Jahr 2012 ein Ehepaar als Erben eingesetzt. Der Ehemann verstarb zwischenzeitlich, so dass nur noch die Ehefrau Erbin war. Im Jahr 2013 verfasste die Erblasserin dann ein privatschriftliches Testament, in dem sie ihre damalige Pflegerin als Alleinerbin einsetzte. Kurze Zeit darauf wurde für sie eine Betreuerin bestellt, die die Erblasserin dann wiederum im Jahr 2014 in einem notariellen Testament zur Alleinerbin einsetzte. Nach dem Tod der Frau stritten nun die 2012 eingesetzte Erbin und die Betreuerin darum, wer nun Erbin sei.

Das OLG kam aufgrund von Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis, dass das Testament aus dem Jahr 2014 wegen Testierunfähigkeit der Erblasserin zu diesem Zeitpunkt unwirksam war. Im Jahr 2013 war die Erblasserin jedoch nach Ansicht des Gerichts durchaus noch testierfähig, so dass das Testament aus diesem Jahr entsprechend wirksam war. Die Erbeinsetzung der betreffenden Pflegerin war auch nicht nichtig, denn erst durch eine Gesetzesänderung wurde 2014 in Nordrhein-Westfalen verboten, dass auch ambulante Pfleger als Erben eingesetzt werden können. Zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments galt das Verbot nur für Betreuungseinrichtungen. Unabhängig davon wurde jedenfalls durch das Testament aus dem Jahre 2013 die Erbeinsetzung der Frau aus dem Testament von 2012 widerrufen, so dass diese keine Erbin mehr war.

Hinweis: Nach den Heimgesetzen der Länder ist es Personal aus Alten- und Seniorenheimen nicht erlaubt, als Erben eingesetzt zu werden, außer sie wussten von der Erbeinsetzung nichts. Dadurch soll Missbrauch verhindert werden. In einigen Gesetzen – wie  auch hier für Nordrhein-Westfalen – ist selbst die Begünstigung von ambulantem Pflegepersonal ausgeschlossen.

Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 22.05.2019 – 2 Wx 124/19

Thema: Erbrecht

Augenblicksentscheidung: Wer ein rollendes Auto aufzuhalten versucht, haftet im Schadensfall mit

Versuch macht – manchmal nur schmerzhaft – klug. Wer sich beispielsweise in Sandalen einem bergab rollenden Fahrzeug entgegenstellt und dabei gravierende Verletzungen erleidet, muss sich womöglich auch noch von der Rechtsprechung einen Rüffel einholen, so wie der Geschädigte im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Köln (OLG).


Die Lebensgefährtin des Geschädigten parkte ihren Pkw vor dem gemeinsamen Haus. Der Mann kam hinzu und bemerkte, dass sich das Fahrzeug in Bewegung setzte und rückwärts die abschüssige Einfahrt hinunterzurollen begann. Er lief hinter das Fahrzeug und versuchte sich mit beiden Händen dagegen zu stemmen. Hierbei wurde er von dem Fahrzeug jedoch niedergedrückt, kam rücklings zu Fall, wurde überrollt und über eine Strecke von etwa 20 Meter mitgeschleift. Er erlitt schwere Verletzungen und musste sogar reanimiert werden. Er verlangte deshalb vom Haftpflichtversicherer unter anderem Schmerzensgeld.

Das OLG hat jedoch die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt, wonach den Geschädigten eine Mitverantwortung von 70 % an der Schadensentstehung trifft. Aufgrund der Masse des Pkw, der Tatsache, dass sich dieser selbständig in Bewegung gesetzt hatte, und der Kenntnis des größer werdenden Gefälles habe sich für den Geschädigten aufdrängen müssen, dass ein Aufhalten des Autos durch ein Dagegenstemmen von hinten ausgeschlossen war. Bei der Abwägung hat der Senat aber auch berücksichtigt, dass der Geschädigte sich spontan und ohne weiteres Nachdenken zum Eingreifen entschied und eine objektiv falsche Reaktion auf ein Unfallgeschehen aus verständlicher Bestürzung das Mitverschulden reduzieren oder ausschließen kann.

Hinweis: Grundsätzlich war eine Haftung der Kfz-Haftpflichtversicherung gegeben, da das Fahrzeug nicht ordnungsgemäß gesichert war. Das Mitverschulden des Geschädigten überwog aber aus den dargelegten Gründen. Nur wegen der von ihm zu treffenden Augenblicksentscheidung war der Anspruch nicht vollständig ausgeschlossen.

Quelle: OLG Köln, Urt. v. 05.07.2019 – 6 U 234/18

Thema: Verkehrsrecht

Bereits geleisteter Elternunterhalt: Ein Kostenausgleich für Pflegekosten ist unter Geschwistern nicht im Nachhinein einforderbar

Im Alter können die Pflegekosten für Eltern oft von diesen selbst nicht mehr bestritten werden. Der Staat springt zwar ein, wendet sich dann aber an die Kinder und nimmt sie auf Elternunterhalt in Anspruch. Sind mehrere Kinder vorhanden, müssen sich Gerichte immer wieder mit der Frage beschäftigen, wie die Kostenaufteilung aussieht – so auch im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Köln (OLG).


Ein Sohn hatte wegen der Pflegekosten der Mutter eine Bürgschaft übernommen und wurde aus dieser auch in Anspruch genommen. Er zahlte und verlangte nach dem Tod der Mutter, dass sich sein Bruder an dem bei ihm entstandenen Aufwand beteilige. Das aber lehnte dieser ab. Aus dem überschuldeten Nachlass konnte sich der Sohn auch nicht bedienen, da beide Söhne die Erbschaft ausgeschlagen hatten. Und nun?

Zuerst führte das OLG aus: Auf Elternunterhalt wird jedes Kind streng isoliert nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen herangezogen. Es gibt also keine Regelung, wonach ungedeckte Kosten von zwei vorhandenen Kindern im hälftigen Verhältnis zu zahlen sind. Daher wäre hier als Erstes zu klären gewesen, ob und in welchem Maße der Bruder für die Pflegekosten hätte herangezogen werden können. Der Sohn, der die Bürgschaft übernommen hatte, hätte hier die entsprechende Auskunft nicht nur verlangen können, sondern müssen. Denn für die Vergangenheit kann nicht ohne weiteres Unterhalt verlangt werden – es muss stets von vornherein klargestellt werden, dass die Zahlung verlangt wird. Das hatte der bürgende Sohn unterlassen. Daher musste ihm das OLG auch eine Absage darin erteilen, dass sich sein Bruder an den Kosten zu beteiligen habe.

Hinweis: Elternunterhalt ist ein nicht zu unterschätzendes Problemfeld. Den Betrag zu bestimmen, mit dem ein Kind einzustehen hat, ist bereits nicht leicht. Das Verhältnis zwischen den Kindern zu klären, ist besonders kompliziert. Wegen der emotionalen Besonderheiten sollte fachliche Beratung eingeholt werden.

Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 17.12.2018 – 10 UF 99/18

Thema: Familienrecht

Unfall mit Elektroameise: Die Fahrzeughaftpflichtversicherung haftet auch bei Be- und Entladevorgängen von Lkws

Steht ein Lkw, um be- oder entladen zu werden, stellt sich regelmäßig die Frage, ob bei streitwürdigen Vorfällen vom Betrieb des Fahrzeugs auszugehen ist – ein entscheidender Faktor, wenn es wie im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Köln (OLG) um die Haftung nach einem Unfall geht.

Ein Lastkraftwagenfahrer war damit beschäftigt, sein Fahrzeug mittels einer sogenannten Elektroameise zu beladen. Ein Kollege belud seinerseits mit einer weiteren Elektroameise seinen Lkw, der genau daneben abgestellt war. Während der Beladevorgänge der beiden geriet der eine mit seiner Elektroameise gegen den Fuß des anderen, der sich hierdurch verletzte und daraufhin Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangte.

Das OLG sprach dem Verletzten unter Anrechnung einer Mitschuld von 1/3 eine Entschädigung zu, da die Beladungstätigkeit des anderen dem Betrieb des von ihm geführten Lkws zuzuordnen war. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Begriff „bei dem Betrieb“ weit auszulegen und greift bereits dann, wenn sich darin die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben und das Schadensgeschehen somit durch das Kraftfahrzeug (mit-)geprägt war. Schadensersatzansprüche sind demnach begründet, wenn der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht.

Hinweis: Die Entscheidung des OLG entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung. Be- und Entladevorgänge werden allgemein zum Betrieb eines Kraftfahrzeugs gerechnet, wenn und solange der Vorgang im inneren Zusammenhang mit dessen Funktion als Verkehrs- und Transportmittel erfolgt. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Laden mithilfe einer speziellen Entladevorrichtung des Kraftfahrzeugs selbst erfolgt. Entscheidender Gesichtspunkt ist bei Be- und Entladevorgängen, dass der Halter für die Gefahren haften soll, die das Kraftfahrzeug beim Ladevorgang in dem dafür in Anspruch genommenen Verkehrsraum für andere Verkehrsteilnehmer darstellt. Entschädigungen musste hier also die Lkw-Haftpflichtversicherung leisten.

Quelle: OLG Köln, Urt. v. 06.12.2018 – 3 U 49/18

Thema: Verkehrsrecht

Erbrecht unehelicher Kinder: Nur ohne gerechten Ausgleich zwischen den Betroffenen ist die Stichtagsregelung unverhältnismäßig

Die erbrechtliche Gleichstellung unehelicher Kinder mit ehelichen hat ihren langen Weg immer noch nicht abgeschlossen. Nachdem die deutsche Rechtsprechung durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Aktualisierung aufgerufen wurde, geht es vermehrt um ihre Umsetzung, so auch im folgenden Fall, mit dem das Oberlandesgericht Köln (OLG) befasst wurde.


Ein Mann hatte für seine 1943 unehelich geborene Tochter die Vaterschaft anerkannt. Nach seinem Tod im Jahr 1990 verlangte die Tochter von den ehelichen Kindern ihren Pflichtteil – was vor Gericht jedoch abgelehnt wurde. Nach deutschem Recht waren uneheliche Kinder seinerzeit von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen und bekamen daher auch keinen Pflichtteil, sofern sie vor dem 01.07.1949 geboren waren. Aufgrund eines Vergleichs wurde der Tochter damals jedoch ein Anteil gezahlt. Durch die 2009 erfolgte Rechtsprechung des EGMR erließ der deutsche Gesetzgeber schließlich ein neues Gesetz, das nichteheliche Kinder für Erbfälle nach 2009 gleichstellt. Daraufhin machte die Frau 2017 erneut ihren Pflichtteil geltend. Das Gericht wies sie jedoch ab.

Als der deutsche Gesetzgeber sein neues Gesetz erließ, machte er mit der unverhältnismäßigen Stichtagsregelung zwar durchaus einen Fehler, der auch 2017 bereits durch den EGMR als unter Umständen rechtsverletzend bewertet wurde. Das OLG führte jedoch aus, dass diese Stichtagsregelung die Rechte nichtehelicher Kinder nur dann verletzt, wenn unter den besonderen Umständen des Falls kein gerechter Ausgleich zwischen den Betroffenen hergestellt wird. In diesem Fall waren aber bereits über acht Jahre seit dem EGMR-Urteil vergangen. Die Erben durften durch einen gerichtlichen Vergleich zudem ihr besonderes Vertrauen auf den Fortbestand ihres Erbrechts setzen. Somit war die Anwendung der Stichtagsregelung in diesem Fall nicht als unverhältnismäßig anzusehen.

Hinweis: Der EGMR hatte einige Kriterien aufgestellt, woran zu bemessen ist, ob die Stichtagsregelung unverhältnismäßig ist. Dies sind unter anderem die Kenntnis der Betroffenen, der Status der erbrechtlichen Ansprüche (Verjährung) und die bis zur Geltendmachung des Anspruchs verstrichene Zeit, aber auch der Umstand, ob durch das nationale Recht eine finanzielle Entschädigung für den Verlust des Erbrechts gewährt wird. Die weitere Umsetzung dieser Rechtsprechung bleibt abzuwarten.

Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 10.12.2018 – 2 Wx 405/18

Thema: Erbrecht

Informationswert von Promis: Die Berichterstattung über in der Öffentlichkeit stehende Personen stößt im Privaten auf Grenzen

Nicht nur das Showbusiness ist dem sogenanten Leben in einem Haifischbecken gleichzusetzen. Auch Prominente auf anderen Gebieten müssen stets damit rechnen, auch dann im Fokus zu stehen, wenn sie lieber ganz für sich wären. Auch wenn schwer zu beurteilen ist, was Inszenierung ist und was nicht – zu bewerten ist jedenfalls, was prominente Mitmenschen in der Presse über sich ergehen lassen müssen und was nicht – wie im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Köln (OLG).

In der Onlineausgabe einer Boulevardzeitung wurde über den Kurzurlaub eines Fußballnationalspielers auf einer Yacht mit einer „unbekannten Schönen“ berichtet. Dort wurde der Fußballspieler unter anderem als „Käpt’n Knutsch“ bezeichnet und Fotos wurden veröffentlicht, auf denen die Frau und er sich küssten. Der Spieler und seine langjährige Freundin verklagten die Zeitung daraufhin auf Unterlassung. Die Berichterstattung war mit Ausnahme der Bilder korrekt. Das Gericht wog ab. Hatte die Zeitung im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert, um damit den Informationsanspruch des Publikums zu erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beizutragen? Oder hatte sie lediglich die Neugier der Leser nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigt?

Für eine Zulässigkeit der Veröffentlichung hatte unter anderem gesprochen, dass die Urlaubsgestaltung von in der Öffentlichkeit stehenden Personen durchaus einen Informationswert hat. Es war von öffentlichem Interesse, wie sich Fußballnationalspieler auf anstehende Länderspiele vorbereiten – ob dabei eher die sportliche Vorbereitung oder aber der Freizeitcharakter die Oberhand gewinnt. Die Veröffentlichung der Bilder jedoch war unzulässig – diese waren der Privatsphäre zuzuordnen. Im Endeffekt war die Berichterstattung ohne die Bilder zulässig. Die als Meinungsäußerung anzusehende Bezeichnung „Käpt’n Knutsch“ bewertete das OLG weder als beleidigend noch als schmähend, sondern als „pointiert zugespitztes“ Wortspiel.

Hinweis: Die Berichterstattung über einen Yachturlaub eines DFB-Nationalspielers und die Bezeichnung als „Käpt’n Knutsch“ sind zumindest ohne die Veröffentlichung eines Bilds erlaubt. Das sollten Prominente bei ihren nächsten Urlaubsaktivitäten bedenken.

Quelle: OLG Köln, Urt. v. 22.11.2018 – 15 U 96/18

Thema: Sonstiges

Zeugnisverweigerungsrecht des Arztes: Bei Fragen zur Testierfähigkeit ist davon auszugehen, dass die Schweigepflicht entfallen darf

Gerade bei älteren Erblassern wird häufig bestritten, dass sie noch testierfähig waren. Hinterlassene Testamente wären dann unwirksam. Um hierbei Klarheit nach dem Tod des Erblassers zu erhalten, müssen häufig die behandelnden Ärzte befragt werden. Da diese jedoch der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen, musste hier das Oberlandesgericht Köln (OLG) Stellung beziehen, wie mit dieser Pflicht umzugehen ist, die durchaus auch noch nach dem Tod des Patienten weiterbesteht.

Eine Frau hinterließ ein notarielles Testament. Die Erben stritten jedoch darüber, ob die Erblasserin testierfähig gewesen war. Daher wurden im Rahmen des Verfahrens die Behandlungsunterlagen aus der Universitätsklinik angefordert, in der sie kurz nach Testamentserrichtung in Behandlung war, und der zuständige Arzt als Zeuge geladen. Dieser verweigerte jedoch die Aussage und die Vorlage der Unterlagen aufgrund seiner ärztlichen Schweigepflicht.

Das OLG stellte klar, dass die ärztliche Schweigepflicht auch über den Tod des Patienten hinausreicht, in diesem Fall jedoch davon auszugehen ist, dass der Arzt von seiner Schweigepflicht entbunden ist. Da sich hier eine positive Willensäußerung der Verstorbenen nicht feststellen ließ, musste ihr mutmaßlicher Wille ermittelt werden. Das Gericht ging dabei davon aus, dass ein mutmaßliches Interesse der Erblasserin an der Klärung der Frage ihrer Testierfähigkeit besteht, da nur so das Testament Wirksamkeit entfalten und ihre vor dem Tod in dem Testament getroffenen Anordnungen durchgesetzt werden können.

Hinweis: Zu Lebzeiten des Patienten kann grundsätzlich nur dieser den Arzt von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden. Auch nach dem Tod sind die Erben oder die nahen Angehörigen wegen der höchstpersönlichen Natur des Schutzinteresses generell nicht berechtigt, den Arzt von seiner Schweigepflicht zu entbinden. In diesem Urteil wurde jedoch klargestellt, dass in der Regel davon auszugehen ist, dass der Verstorbene den Arzt von der Schweigepflicht entbunden hat, soweit es um Fragen seiner Testierfähigkeit geht.

Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 15.05.2018 – I-2 Wx 202/18

Thema: Erbrecht

Prinzipielle Klarheit zählt: Nicht jedes fehlende Detail macht einen Bußgeldbescheid gleich unwirksam

Ein Bußgeldbescheid sollte alle wichtigen Fakten aufführen, die den vorgeworfenen Sachverhalt konkret schildern. Die Frage, ob das Fehlen eines Details den Bescheid bereits prinzipiell unwirksam macht, musste das Oberlandesgericht Köln (OLG) im Fall einer Busfahrerin klären, der ein Verstoß gegen das Überholverbot vorgeworfen wurde.

Der betroffenen Omnibusfahrerin war ein fahrlässiger Verstoß gegen das Überholverbot zur Last gelegt worden. Gegen sie wurde eine Geldbuße von 70 EUR verhängt. Sie argumentierte in dem Beschwerdeverfahren vor dem OLG, dass in dem Bußgeldbescheid nicht darauf hingewiesen wurde, dass das Überholverbot mit einem Zusatzschild für Kraftomnibusse versehen war.

Das OLG hält die Verteidigung der Betroffenen für nicht beachtlich. Zur Unwirksamkeit eines Bußgeldbescheids führen nur Unzulänglichkeiten, die geeignet sind, den zugrundeliegenden Sachverhalt in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen. In dieser Hinsicht ist erforderlich, dass nach dem Inhalt des Bußgeldbescheids keine Zweifel über die Identität der Tat entstehen, dass also zweifelsfrei feststeht, welcher Lebensvorgang erfasst und geahndet werden soll. Dies war hier in der Fall, da die Betroffene gegen ein Überholverbot verstoßen hatte.

Hinweis: Ein Sachverhalt ist in einem Bußgeldbescheid als geschichtlicher Vorgang so konkret zu schildern, dass nicht unklar bleiben darf, welcher Sachverhalt dem Bußgeldbescheid zugrunde liegt und welcher Vorwurf dem Betroffenen gemacht wird. Mängel in der Bezeichnung der Tat, die deren Abgrenzung von anderen historischen Vorgängen nicht in Frage stellen, sondern nur die Vorbereitung der Verteidigung des Betroffenen erschweren, beeinträchtigen die Rechtswirksamkeit eines Bußgeldbescheids nicht. Sie können etwa durch Akteneinsicht eines Verteidigers oder durch Erläuterungen in einer Hauptverhandlung behoben werden.

Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 16.03.2018 – III-1 RBs 84/18

Thema: Verkehrsrecht

Klärung des Formularzwangs: Die Beantragung eines Europäischen Nachlasszeugnisses weist noch Hürden auf

Erbangelegenheiten mit internationalem Bezug – in denen sich also Vermögen oder Erben außerhalb Deutschlands befinden – sind häufig besonders kompliziert. Auf EU-Ebene bemüht man sich daher, formale Hürden abzubauen. Aus diesem Grund wurde das sogenannte Europäische Nachlasszeugnis eingeführt; eine Art Erbschein, der auch im Ausland gilt. Es belegt den Erbenstatus auch im EU-Ausland und vereinfacht die Durchsetzung der Rechte der Erben. Wie genau die Beantragung zu erfolgen hat, ist jedoch bislang noch nicht endgültig geklärt.


Eine Frau hatte in ihrem notariellen Testament eine kirchliche Einrichtung in Italien als Erbin eingesetzt. Da Teile des Vermögens im Ausland lagen, beantragte der von der Erblasserin bestimmte Testamentsvollstrecker ein Europäisches Nachlasszeugnis in einem Schriftsatz. Das Nachlassgericht lehnte den Antrag jedoch ab, da er nicht das für den Antrag vorgesehene Formblatt verwendet hatte. Dagegen erhob der Testamentsvollstrecker Klage.

 

Das Gericht wies darauf hin, dass die EU-Erbrechtsverordnung regelt, dass das Formblatt verwendet werden „kann“, während die dazugehörige Durchführungsverordnung die Verwendung des Formblatts vorschreibt. Da es hier um EU-Vorschriften ging, setzte das deutsche Gericht das Verfahren aus und legte die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur weiteren Klärung vor. Der EuGH muss nun entscheiden, ob für die Beantragung des Europäischen Nachlasszeugnisses zwingend das Formblatt benutzt werden muss.

Hinweis: Vor Einführung des Europäischen Nachlasszeugnisses im Jahr 2015 hatten Erben häufig das Problem, dass ihr deutscher Erbschein im EU-Ausland nicht als Erbnachweis anerkannt wurde und sie dort weitere Erbscheine nach dem dort geltenden Recht beantragen mussten. Ein Europäisches Nachlasszeugnis gilt hingegen automatisch in allen EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme von Dänemark, Irland und Großbritannien). Es kann beim Nachlassgericht beantragt werden, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder auch bei einem Notar. Die Kosten sind die gleichen wie beim deutschen Erbschein. Bis zur Klärung durch den EuGH empfiehlt es sich, das vorgesehene Formular zu benutzen, da Anträge sonst nicht bearbeitet werden könnten.

Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 06.02.2018 – 2 Wx 276/17

Thema: Erbrecht

Folgenlose Untätigkeit: Unterhaltsansprüche sind nicht automatisch verwirkt, weil sieben Jahre lang nicht vollstreckt wurde

Rückständiger Unterhalt wächst schnell zu einem Berg an. Der Gesetzgeber hat deshalb demjenigen, der Unterhalt zu beanspruchen hat, Pflichten auferlegt, diesen auch geltend zu machen. Immer wieder stellt sich die Frage nach den Grenzen dieser Pflichten, die in diesem Fall das Oberlandesgericht Köln (OLG) zu beantworten hatte.

Durch ein Urteil war bereits gerichtlich festgesetzt worden, dass ein Mann monatlich 223 EUR Trennungsunterhalt für die Zeit April 2007 bis April 2008 zu zahlen hatte. Die Frau unternahm dahingehend Ende 2008 einen Vollstreckungsversuch – erfolglos, denn er endete damit, dass die Frau kein Geld bekam und der Mann eine eidesstattliche Versicherung abgab. 2015 unternahm die Frau schließlich einen neuen Vollstreckungsversuch. Nun machte der Mann geltend, dass die Frau nach so langer Zeit kein Recht mehr auf den Unterhalt habe – es sei die Verwirkung eingetreten.

Doch das OLG Köln folgte der Argumentation des Mannes nicht. Wenn Unterhalt gerichtlich festgesetzt ist, verjährt ein solcher Anspruch von Gesetzes wegen erst nach 30 Jahren. Und diese Zeit war hier noch lange nicht verstrichen. Jedoch räumte das Gericht beim Thema Unterhalt ein, dass in besonderem Maße zu prüfen ist, ob statt der Verjährung womöglich die behauptete Verwirkung eingetreten ist. Über Verwirkung ist im Gesetz nämlich nichts geregelt, da sie nach der sogenannten Billigkeit angenommen wird. Es bedarf dabei eines Zeit- und eines Umstandsmoments. Wann genau das Zeitmoment erfüllt ist, ist schon einmal nicht klar in der Rechtsprechung definiert. Und auch beim Umstandsmoment sind die Dinge nicht abschließend gefestigt. Klar ist dazu aber, dass es beim Umstandsmoment nicht auf das Verhalten des Unterhaltspflichtigen ankommt, sondern auf das Verhalten des Unterhaltsberechtigten. Dieser muss dabei Umstände geschaffen haben, die den Unterhaltspflichtigen berechtigterweise annehmen lassen, der – immerhin titulierte – Unterhalt sei nicht mehr zu zahlen. Diese Umstände liegen aber nicht schon deshalb vor, wenn der Unterhaltsberechtigte nach der Titulierung untätig ist.

Hinweis: Wer nun der Meinung ist, dass die Verwirkung im Vergleich zur Verjährung ein Erfolgsgarant ist, ist dies zu Unrecht, wie dieser Fall zeigt. Eine Verwirkung wird in der Rechtsprechung immer nur ausnahmsweise angenommen.

Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 08.11.2016 – 26 UF 107/16

Thema: Familienrecht