Gerade beim Thema Arbeitskleidung gehen die Geschmäcker und Vorstellungen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber häufig auseinander. Doch so sehr Arbeitnehmer sich rechtlich nicht alles gefallen lassen müssen, sollten sie sich besser ganz genau überlegen, gegen die arbeitgeberseitig angeordnete Kleiderordnung zu verstoßen. Denn in vielen Fällen hat diese einen guten Grund, und exakt so war es auch im Fall des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (LAG).
Dieser Beschluss wird den Alltag in Gefängnissen für die Bediensteten nicht einfacher machen. Doch Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist es auch nicht, Arbeitsabläufe zu vereinfachen – selbst dann nicht, wenn es um die Unterbindung des Suchtmittelmissbrauchs in Justizvollzugsanstalten (JVA) geht. Denn auch hinter Gittern sind schwerwiegende Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur in absoluten Ausnahmefällen rechtens und kein hinnehmbarer Umstand innerhalb von Ablaufroutinen.
Wer auf Social-Media-Plattformen in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wird, hat ein Recht darauf, gegen den Verletzer vorzugehen. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) musste klären, wie man als Geschädigte an den Namen und die Adresse des Täters kommt.
Ein Fall, der durch die analogen und digitalen Medien ging und zu beachtlichen Folgen für die Betreiber sozialer Netzwerke führte: Eine Politikerin wagte den augenscheinlichen Kampf gegen Windmühlen – und es war am Landgericht Frankfurt am Main (LG), ihre Unterlassungs- und Schmerzensgeldansprüche nach der Ehrverletzung durch Falschzitate zu bewerten.
Der technische Fortschritt, mit dem Smartphone jederzeit und überall ein Aufnahmegerät mit sich zu führen, hat zu einem Wildwuchs an Foto- und Videoaufnahmen geführt. Entsprechend unsicher sind sich viele, was besonders im öffentlichen Bereich rechtmäßig oder eben verboten ist. Das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) zeigt sehr schön, was passieren kann, wenn Polizeivollzugsbeamte im Dienst gefilmt werden.
Eine Polizeibeamtin war in Ausübung ihres Dienstes anlässlich einer Demonstration in der ÖVB-Arena in Bremen eingesetzt. Ohne ihr Wissen und ihre Einwilligung wurde sie dabei gefilmt. Diese Filmaufnahmen wurden später in einem Musikvideo zu Werbezwecken verwendet, das auf YouTube veröffentlicht und über 150.000 Mal aufgerufen wurde. Die Polizistin war dort – in Zeitlupe – für einen Zeitraum von etwa zwei Sekunden zu sehen. Nach einer Abmahnung war sie in dem Musikvideo nur noch verpixelt zu sehen. Nun verlangte sie Erstattung ihrer für die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten sowie eine Geldentschädigung in Höhe von 5.000 EUR.
Das OLG sprach der Frau lediglich den Ersatz der Rechtsanwaltskosten und 2.000 EUR zu. Die zu reinen kommerziellen Zwecken kurze ungerechtfertigte Bildaufnahme einer Polizeibeamtin im Dienst verletzte ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht. Auch gab es für die Aufnahme keinen Anlass. Unter Berücksichtigung der Reichweite der Verbreitung des Musikvideos einerseits und der Kürze der Darstellung andererseits hielt das OLG eine Geldentschädigung von 2.000 EUR für angemessen.
Hinweis: Für das Aufnehmen von Polizeibeamten im Einsatz gelten also die gleichen Regelungen wie für alle anderen (Privat-)Personen. Es dürfen einzelne Personen nur dann aufgenommen werden, wenn ihr Verhalten dazu einen besonderen Anlass gibt.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 19.05.2021 – 13 U 318/19
Der Fall zum Netzumgang mit Renate Künast schlug zu Recht große Wellen. Nach einem Urteil zu Hasskommentaren im Netz und deren zweifelhafter Interpretation der zuständigen Berliner Richter kam es nun beim Landgericht Frankfurt am Main (LG) zu einem Urteil, das auf weitaus mehr Verständnis stößt – und zwar in Sachen korrekten und vollständigen Zitierens.
Im Jahr 1986 war Frau Künast Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Im Rahmen einer Debatte über Gewalt gegen Kinder in Familien machte sie einen Zwischenruf auf eine Zwischenfrage eines CDU-Abgeordneten. Dieser hatte eine andere Abgeordnete gefragt, wie diese zu einem Antrag der Grünen in Nordrhein-Westfalen stehe, die Strafandrohung wegen sexueller Handlungen an Kindern aufzuheben. Laut Protokoll der Debatte lautete Frau Künasts Zwischenruf: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist.“ Im März 2019 veröffentlichte der Betreiber eines einschlägig als rechts bekannten Blogs auf Facebook einen Post mit einem Bild der Politikerin. Daneben war als Text eingefügt: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist der Sex mit Kindern doch ganz ok. Ist mal gut jetzt.“ Unter diesem Beitrag wurden viele Kommentare mit herabsetzendem Inhalt abgegeben. Dagegen zog die Politikerin mit einem Eilantrag vor Gericht – und in diesem Fall endlich mit Erfolg.
Das LG betonte, dass es unzulässig sei, den Eindruck zu erwecken, die Klägerin habe die Äußerung in dieser Weise getätigt. Bei dem geposteten „Zitat“ handelte es sich daher durchaus um eine falsche Tatsachenbehauptung. Der Durchschnittsbetrachter versteht die neben dem Bildnis abgebildete Aussage im Gesamtkontext so, als habe Frau Künast das erklärt. Dieser hervorgerufene Eindruck ist jedoch nachweislich falsch. Das Unterschieben dieses falschen Zitats verletzte die Politikerin in ihrem Persönlichkeitsrecht. Außerdem wurde nicht darüber aufgeklärt, dass der Zwischenruf im Rahmen einer politischen Debatte stattfand und bereits über 30 Jahre zurücklag.
Hinweis: Es darf durch ein Zitat nicht der Eindruck entstehen, jemand habe etwas geäußert, was er gar nicht gesagt hat. Deshalb konnte die Politikerin die Untersagung eines Falschzitats verlangen.
Quelle: LG Frankfurt a.M., Urt. v. 05.12.2019 – 2-03 O 194/19
Es gibt zwar das „Recht auf Vergessen“ im Internet, doch sollte immer berücksichtigt werden, dass jedes Recht seine Grenzen hat. Das musste eine Geschäftsführerin schmerzvoll erfahren, die im folgenden Fall vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit ihrem Anliegen scheiterte, dass ein Suchmaschinenbetreiber den Nachweis und die Verlinkung bestimmter Inhalte im Netz zu unterlassen habe.
Im Januar 2010 strahlte der NDR einen Beitrag des Fernsehmagazins „Panorama“ mit dem Titel „Kündigung: Die fiesen Tricks der Arbeitgeber“ aus. Die Geschäftsführerin eines Unternehmens hatte für diesen Film ein Interview gegeben. Am Ende des Beitrags wurde der Fall eines gekündigten ehemaligen Mitarbeiters des von ihr als Geschäftsführerin geleiteten Unternehmens dargestellt. In Anknüpfung an die geplante Gründung eines Betriebsrats wurde ihr in dem Beitrag ein unfairer Umgang mit dem Mann vorgeworfen. Der Sender stellte eine Datei mit einem Transkript dieses Beitrags unter dem Titel „Die fiesen Tricks der Arbeitgeber“ auf seiner Internetseite ein. Bei Eingabe des Namens der Beschwerdeführerin in die Suchmaske des Suchmaschinenbetreibers Google wurde als eines der ersten Suchergebnisse die Verlinkung auf diese Datei angezeigt. Als die Geschäftsführerin vor Gericht zog und verlor, wandte sie sich an das BVerfG.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügte sie eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts und ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Bereits die Überschrift des Suchergebnisses sei verfälschend, da sie niemals die fiesen Tricks angewandt habe. Das Suchergebnis rufe eine negative Vorstellung über sie als Person hervor, die geeignet sei, sie als Privatperson herabzuwürdigen. Überdies liege der Bericht zeitlich so weit zurück, dass auch infolge des Zeitablaufs kein berechtigtes öffentliches Interesse mehr an ihm bestehe. Die Verfassungsbeschwerde hatte jedoch keinen Erfolg.
Soweit Betroffene von einem Suchmaschinenbetreiber verlangen, den Nachweis und die Verlinkung bestimmter Inhalte im Netz zu unterlassen, sind folgende Punkte abzuwägen:
die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen,
die unternehmerische Freiheit der Suchmaschinenbetreiber,
die Grundrechte der jeweiligen Inhalteanbieter sowie
die Informationsinteressen der Internetnutzer.
Hier war die angegriffene Gerichtsentscheidung laut BVerfG im Ergebnis nicht zu beanstanden. Es war eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen worden. Ergänzend war auch darauf abzustellen, dass die Geschäftsführerin zu dem Interview, das Gegenstand des streitigen Beitrags war, ihre Zustimmung gegeben hatte.
Hinweis: Die Meinungsfreiheit der Inhalteanbieter ist also bei der Prüfung eines Unterlassungsanspruchs gegen Suchmaschinenbetreiber zu berücksichtigen.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) hatte sich im Folgenden mit der Frage zu beschäftigen, ob der Mutter einer Verstorbenen ein Recht auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen zusteht, wenn dieser Umstand Teil einer entsprechenden Vorsorgevollmacht war.
Die Tochter hatte noch zu Lebzeiten eine notarielle Vorsorgevollmacht erstellt. Darin war auch geregelt, dass der Mutter das Recht zustünde, Krankenunterlagen einzusehen. Gleichzeitig hatte die Tochter die zukünftig behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbunden. Die Vollmacht sollte auch über den Tod der Tochter hinaus gelten. Mehrere Jahre nach der Erstellung der Vollmacht verstarb die Tochter. Der behandelnde Arzt verweigerte die Herausgabe von Behandlungsunterlagen jedoch mit der Begründung, seine Patientin habe ihm untersagt, Informationen weiterzugeben, die das Verhältnis der Patientin zu ihrer Familie – insbesondere zur Mutter – betrafen. Insoweit unterliege er einer Schweigepflicht, die vor der erteilten Vorsorgevollmacht Vorrang habe.
Dieser Ansicht ist im Ergebnis auch das OLG gefolgt. Bereits das vorinstanzliche Landgericht hatte in seiner Entscheidung begründet, dass es für ein Einsichtsrecht weder auf die Erbenstellung noch auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht ankomme. Vielmehr komme es allein auf den gesetzlichen Wertungsmaßstab des § 630g Abs. 3 Satz 3 BGB an. Danach kann ein Auskunftsanspruch nicht gegen den mutmaßlichen oder tatsächlichen Willen des Verstorbenen geltend gemacht werden.
Hinweis: Grundsätzlich haben Patienten ein Recht auf Einsicht in ihre vollständige Patientenakte. Im Fall des Todes des Patienten steht dieses Recht zur Wahrnehmung von vermögensrechtlichen Interessen den Erben zu.
Quelle: OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.08.2019 – 7 U 238/18
Relativ neu, dennoch bereits ein Evergreen und bei weitem noch nicht ausgereizt: Das weite Feld der Überwachung durch Kameras. Das Amtsgericht München (AG) musste sich damit befassen, ob eine Überwachung in einer Wohngemeinschaft (WG) zulässig ist.
Ein WG-Bewohner kündigte seinen Untermietvertrag fristlos wegen erheblicher Vertragsverletzungen: Es habe eine permanente Videoüberwachung des Flurs stattgefunden. Schließlich stritten sich die Parteien um offene Mietzahlungen, da nach der fristlosen Kündigung natürlich keine Miete mehr gezahlt worden war.
Die fristlose Kündigung hatte nach Ansicht des AG das Mietverhältnis beendet – für die Zeit nach der Kündigung bestand daher kein Anspruch auf Zahlung der Miete. Die fristlose Kündigung konnte insbesondere auf den Vorwurf der Anbringung, des Betriebs und der unterlassenen Entfernung der Überwachungskamera im Flur der WG gestützt werden. Es lag eine massive Verletzung des grundgesetzlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor. Selbst wenn durch die Kamera Pflichtverstöße – wie beim Schließen der Haustür oder der Mülltrennung – aufgeklärt werden sollten, stellte dies keine Rechtfertigung für die Überwachung dar.
Hinweis: Die permanente Überwachung durch eine Kamera im Hausflur einer WG ist also rechtswidrig und berechtigt einen Untermieter zur fristlosen Kündigung. Ein klarer Fall der Grenzüberschreitung. Wer so etwas macht, muss zusätzlich mit einem Bußgeld rechnen!
Quelle: AG München, Urt. v. 28.05.2019 – 432 C 2881/19
Wer regelmäßig unsere Beiträge liest, wird sich wundern, wie locker manche Mitbürger nach wie vor den Einsatz einer Überwachungskamera handhaben. Und dass es durchaus praktisch ist, über das Persönlichkeitsrecht Bescheid zu wissen, musste nun auch ein Wohnungseigentümer vor dem Amtsgericht München (AG) erkennen.
Der Mann, Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft, hatte am Balkon der ihm gehörenden Wohnung in zehn Metern Höhe eine Überwachungskamera installiert, die auf den Gemeinschaftsgarten gerichtet war. Er hatte die Kamera auf Verlangen der Miteigentümer zwar wieder entfernt, eine entsprechende Unterlassungserklärung aber nicht unterschrieben. Im darauf folgenden Gerichtstermin gab er an, dass es sich doch lediglich um eine Wildtierkamera handle, wie sie Jäger verwenden würden; nur wenn sich etwas bewege, mache die Kamera ein Bild. Doch ein anderer Eigentümer fühlte sich durch die Kamera beeinträchtigt und wolle nicht aufgenommen werden, wenn er sich auf dem Gemeinschaftseigentum aufhält.
Der filmende Eigentümer wurde daraufhin vom AG verurteilt, die technische Überwachung von Gemeinschaftsflächen zu unterlassen. Die Rechtsprechung sieht es regelmäßig als ausreichend an, dass bereits durch das simple Vorhandensein einer solchen Kamera in die Rechte der Betroffenen eingegriffen werde. Denn hierdurch werde ein unzulässiger Überwachungsdruck aufgebaut. Sobald die Betroffenen eine Überwachung durch derartige Kameras objektiv ernsthaft befürchten müssen, liegt auch schon ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor.
Hinweis: Finger weg von eigeninitiativen Überwachungsmaßnahmen! Wer sein Eigentum schützen will, darf hierfür nicht ohne weiteres die Rechte anderer beschneiden.
Quelle: AG München, Urt. v. 28.02.2019 – 484 C 18186/18 WEG