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Schlagwort: Reparaturkosten

Reparaturnachweis genügt: Bei fiktiver Abrechnung auf Basis eines Gutachtens muss keine Rechnungsvorlage erfolgen

Die fiktive Abrechnung ist im Verkehrsrecht ein stets beliebter Streitpunkt zwischen den Unfallparteien bzw. ihren Versicherungen. Im Fall des Oberlandesgerichts München (OLG) war der Aufwand einer gemäß Gutachten erfolgten Reparatur nicht nur strittig – der Geschädigte weigerte sich zudem, die diesbezügliche Rechnung vorzulegen. Ob dies ein cleverer Schachzug war, lesen Sie hier.

Der Geschädigte ließ nach dem Unfall die Reparaturkosten durch einen Sachverständigen zunächst einmal schätzen. Dieser ermittelte daraufhin die Reparaturkosten von 10.000 EUR. Die gegnerische Haftpflichtversicherung meinte hingegen, dass lediglich 5.000 EUR für die zwischenzeitlich durchgeführte Reparatur angefallen seien.

Das OLG sprach dem Geschädigten jedoch die vollen Reparaturkosten zu. Anders als in einem vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall hat der Geschädigte hier die Reparaturkostenrechnung nicht vorgelegt. Hätte er dies getan, hätte er nach der BGH-Rechtsprechung nur die tatsächlich angefallenen Bruttoreparaturkosten erstattet bekommen. Doch generell hat ein Geschädigter stets die Wahl, ob er die tatsächlich angefallenen oder die gemäß einem Sachverständigengutachten erforderlichen (fiktiven) Reparaturkosten als Schadensersatz geltend macht.

Hinweis: In dem vom OLG entschiedenen Fall hatte der Geschädigte nachgewiesen, dass er entsprechend dem Gutachten sein beschädigtes Fahrzeug vollständig und fachgerecht hat reparieren lassen. Wenn ein solcher Nachweis erbracht wird, sollte die Vorlage einer Reparaturkostenrechnung unterbleiben.

Quelle: OLG München, Urt. v. 17.12.2020 – 24 U 4397/20

Thema: Verkehrsrecht

130-%-Rechtsprechung: Für Fahrräder gilt dasselbe Prinzip zur Schadensregulierung wie bei Kraftfahrzeugen

Der sogenannte 130-%-Grundsatz regelt bei Kraftfahrzeugen im Schadensfall, dass Reparaturkosten 30 % des (100%igen) Wiederbeschaffungswerts nicht überschreiten sollen. Wie sich die Schadensregulierung bei Fahrrädern verhält, musste das Oberlandesgericht München (OLG) im Folgenden bewerten.

Bei einem unverschuldeten Unfall wurde das Fahrrad des Geschädigten beschädigt, das er zwölf Jahre vor dem Unfall gekauft hatte. Das Fahrrad mit Karbonrahmen sei nach seinen Angaben ein Liebhaberstück, so dass er Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten habe, die er mit ca. 3.800 EUR angab. Doch das OLG München hat die Klage auf Erstattung der Reparaturkosten abgewiesen.

Der vom Gericht bestellte Sachverständige errechnete den Wiederbeschaffungswert des Markenrads mit 1.400 EUR und den Restwert mit 28 EUR. Da die Reparaturkosten somit deutlich über 30 % des Wiederbeschaffungswerts lagen, hat das OLG dem Geschädigten nur die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert zugesprochen. Auch bei Fahrrädern sei die 130-%-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anzuwenden, die ursprünglich für Kraftfahrzeuge entwickelt wurde.

Hinweis: Es ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum die für Kraftfahrzeuge entwickelte 130-%- Rechtsprechung nicht auch auf Fahrräder anzuwenden ist. Danach kann ein Geschädigter im Totalschadenfall nur ausnahmsweise die voraussichtlichen Reparaturkosten zzgl. einer etwaigen Wertminderung erstattet verlangen, wenn diese Summe den Wiederbeschaffungswert nicht um mehr als 30 % übersteigt.

Quelle: OLG München, Urt. v. 16.11.2018 – 10 U 1885/18

Thema: Verkehrsrecht

Werksangehörigenrabatt: Versicherer dürfen nur bestimmten Personen zugebilligte Rabatte bei Regulierungen berücksichtigen

Der Versicherer darf einen dem Versicherungsnehmer gewährten Werksangehörigenrabatt bei der Berechnung der Neupreisentschädigung abziehen.

Ein Fahrzeug brannte vollständig aus. Der Versicherungsnehmer und Halter des Fahrzeugs verlangte von seiner Kaskoversicherung entsprechend den Versicherungsbedingungen eine Abrechnung auf Neupreisentschädigung. Bei der Regulierung berücksichtigte die Versicherung den dem Geschädigten gewährten Werksangehörigenrabatt, womit der Versicherungsnehmer nicht einverstanden war. Er argumentierte, dass es sich bei dem Werksangehörigenrabatt um einen nicht in Abzug zu bringenden Zuschuss des Arbeitgebers handele, der als Lohn zu versteuern sei.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken vertritt jedoch durchaus die Auffassung, dass entsprechend den Versicherungsbedingungen orts- und marktübliche Nachlässe in Abzug zu bringen sind. Da es darauf ankommt, was der Versicherungsnehmer nach seinen individuellen Verhältnissen tatsächlich aufzuwenden hat, fallen hierunter auch solche Nachlässe, die – wie der Werksangehörigenrabatt – nicht jedermann, sondern lediglich bestimmten Personen gewährt werden. Der Abzugsfähigkeit steht auch nicht entgegen, dass der Versicherungsnehmer den Werksangehörigenrabatt versteuern muss. Er muss sich den Rabatt allerdings nur insoweit anrechnen lassen, als er ihm ungeschmälert zufließt – also nur unter Abzug des Steueranteils.

Hinweis: Werksangehörigenrabatte oder eingeräumte Rabatte von Reparaturwerkstätten muss sich der Geschädigte nicht nur bei Inanspruchnahme der Kaskoversicherung entgegenhalten lassen. Auch bei der Erstattung von Reparaturkosten oder bei der Abrechnung auf Neuwagenbasis nach einem unverschuldeten Unfall sind eingeräumte Rabatte nach ständiger Rechtsprechung zu berücksichtigen.

Quelle: OLG Saarbrücken, Urt. v. 23.08.2017 – 5 U 61/16

Thema: Verkehrsrecht

Neu gekauft, schon kaputt: Die „Abrechnung auf Neuwagenbasis“ gilt aktuell nicht für beschädigte E-Bikes

Laut einem Urteil in diesem Jahr sind die Grundsätze zur Neuwagenabrechnung auf frisch gekaufte E-Bikes nicht übertragbar. Ob diese Entscheidung auch obergerichtlich gefestigt wird, muss sich aber noch herausstellen.

Bei einem Unfall wurde das gerade einen Monat zuvor erworbene E-Bike einer Frau beschädigt, das zu diesem Zeitpunkt eine Laufleistung von 180 km aufwies. Die Reparaturkosten beliefen sich laut Kostenvoranschlag auf 558 EUR, wobei die Geschädigte darauf hingewiesen wurde, dass der Elektromotor bei dem Unfall in Mitleidenschaft gezogen worden sein und deswegen womöglich in naher Zukunft Probleme bereiten könnte. Daraufhin klagte die Frau auf Erstattung der Kosten für ein neuwertiges E-Bike.

Bei Beschädigung neuwertiger Kraftfahrzeuge gewährt die Rechtsprechung dem Geschädigten eine Entschädigung nach den Beschaffungskosten eines Neuwagens, wenn und weil die allgemeine Wertschätzung eines Neuwagens die eines selbst fachgerecht instandgesetzten Wagens übersteigt – und das schlägt sich im Wert nieder. Laut Amtsgericht Nordhorn (AG) sei dies bei E-Bikes jedoch nicht der Fall. Zwar existiert allgemein eine höhere Wertschätzung gebrauchter Gegenstände, die nicht repariert werden mussten, gegenüber solchen, die einer Reparatur unterzogen wurden – jedoch lässt sich diese besondere Wertschätzung in der Verkehrsanschauung bei Kraftfahrzeugen nicht auf alle Gegenstände übertragen. Das Gericht wies die Klage auf Erstattung der Kosten für ein neuwertiges E-Bike ab, da die Grundsätze zur Neuwagenabrechnung auf E-Bikes nicht übertragbar seien. Es sei davon auszugehen, dass keine allgemeine über das normale Maß hinausgehende Wertschätzung eines unfallfreien E-Bikes gegenüber einem gebrauchten und fachgerecht reparierten E-Bike bestehe.

Hinweis: Ob die Entscheidung des AG obergerichtlicher Rechtsprechung standhält, erscheint zweifelhaft, da bei Wohnwagen und Fahrrädern eine Abrechnung nach den Beschaffungskosten eines Neuwohnwagens bzw. Neufahrrads möglich ist. Die Klage war hier aber auch deshalb abzuweisen, weil die Geschädigte nicht nachgewiesen hatte, dass sie sich ein neuwertiges E-Bike gekauft hat. Dies ist natürlich immer Voraussetzung für eine Abrechnung auf „Neuwagenbasis“.

Quelle: AG Nordhorn, Urt. v. 02.05.2017 – 3 C 1108/16

  Verkehrsrecht

Beilackierungskosten: Nicht jedes Gericht stimmt bei fiktiver Schadensabrechnung dem Erstattungsanspruch zu

Bei fiktiver Abrechnung der Reparaturkosten sind sogenannte Beilackierungskosten nicht zu erstatten. Derartige Kosten fallen nur an, wenn sie bei der konkreten Lackierung tatsächlich notwendig sind.

Das Fahrzeug eines Unfallbeteiligten wurde bei einem Verkehrsunfall erheblich beschädigt. Er ließ die Schadenshöhe durch ein Sachverständigengutachten ermitteln. Da der Geschädigte nach Gutachten abrechnen wollte, zog die Versicherung aus den ermittelten Reparaturkosten die Kosten für eine sogenannte Beilackierung ab.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm sind solche Kosten bei einer fiktiven Schadensabrechnung nicht zu berücksichtigen. Denn Beilackierungskosten sind nur erstattungsfähig, wenn sich diese besondere Maßnahme bei der Lackierung als tatsächlich notwendig erweist. Dies war im konkreten Fall jedoch nicht feststellbar, da diese Reparatur hier gar nicht durchgeführt wurde.

Hinweis: Eine Beilackierung dient der Farbangleichung von nicht durch den Unfall selbst betroffenen angrenzenden Fahrzeugteilen. Ob diese Beilackierungskosten bei einer fiktiven Abrechnung zu erstatten sind, wird von den Gerichten unterschiedlich beurteilt. Andere Gerichte sprechen diese Kosten auch bei fiktiver Abrechnung mit der Begründung zu, dass dem Geschädigten alle erforderlichen Kosten zur Behebung seines Unfallschadens zu ersetzen sind. Stellt ein Sachverständiger fest, dass eine Beilackierung grundsätzlich erforderlich ist, sollen diese Kosten dann auch erstattet werden.

Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 28.03.2017 – 26 U 72/16

  Verkehrsrecht

Unwirtschaftliche Kfz-Reparatur: Ein pauschaler Nachlass beeinflusst die Wirtschaftlichkeit einer Reparatur nicht

Gewährt eine Reparaturwerkstatt einem Geschädigten einen Preisnachlass, ist hierin kein objektives Kriterium zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit zu sehen.

Bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall wurde das Fahrzeug des Geschädigten erheblich beschädigt. Der von ihm beauftragte Sachverständige ermittelte die Reparaturkosten mit 4.900 EUR und bezifferte den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs mit 2.100 EUR. Dem Geschädigten lag daran, sein Fahrzeug reparieren zu lassen. Er vereinbarte daher mit der Werkstatt einen Preisnachlass auf den Arbeitslohn. Zudem wurde sein Fahrzeug mit Gebrauchtteilen repariert. Obwohl der Mann die Reparaturkosten dadurch erheblich mindern konnte, zahlte die Haftpflichtversicherung dennoch nicht den tatsächlich entstandenen Aufwand von 2.700 EUR, sondern nur den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts – insgesamt etwa 1.850 EUR.

Das Landgericht Trier hat entschieden, dass der Geschädigte trotz seiner Mühen um Kostenreduktion keinen Anspruch auf die Erstattung der Reparaturkosten hat. Denn es ist grundsätzlich so, dass Reparaturkosten, die den Wiederbeschaffungswert um 130 % übersteigen, nicht erstattet werden können. Nach Auffassung des Gerichts waren dem Kläger die Reparaturkosten auch nicht dadurch zu erstatten, dass ihm die Werkstatt einen Nachlass auf den Arbeitslohn eingeräumt hatte. Ein solcher pauschaler Nachlass beeinflusst die nach objektiven Kriterien zu beurteilende Wirtschaftlichkeit einer Reparatur nicht, da eine nach diesen Gesichtspunkten unwirtschaftliche Reparatur durch die Gewährung eines pauschalen Nachlasses nicht wirtschaftlich wird. Reparaturkosten können nicht in einen wirtschaftlich vernünftigen und einen wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgesplittet werden.

Hinweis: Wird eine Reparatur innerhalb der 130-%-Grenze nur dadurch möglich, dass sie mit gebrauchten Ersatzteilen durchgeführt wird, ist dies nicht zu beanstanden – solange diese entsprechend den Vorgaben des Sachverständigen erfolgt. Preisnachlässe oder Sonderkonditionen sind jedoch nicht zu berücksichtigen.

Quelle: LG Trier, Urt. v. 26.05.2015 – 1 S 91/14
Thema: Verkehrsrecht

Zwei Gutachten, ein Ergebnis: Das Beauftragen eines Zweitgutachtens widerspricht nicht der Schadensminderungspflicht

Nach einen Unfall mit Sachschaden beauftragte die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners einen Sachverständigen mit der Ermittlung der Schadenshöhe. Einen Tag später beauftragte der Geschädigte ebenfalls einen Sachverständigen. Beide Gutachten wichen bei der Berechnung der zu erwartenden Reparaturkosten nur minimal voneinander ab. Die gegnerische Haftpflichtversicherung weigerte sich deshalb, die Kosten des vom Geschädigten in Auftrag gegebenen Gutachtens zu übernehmen.

Gleichwohl verurteilte das Amtsgericht Leverkusen (AG) die Haftpflichtversicherung zur Zahlung der Kosten für das zweite Gutachten. Der Geschädigte darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Hierzu gehört auch die Einschaltung eines qualifizierten Gutachters seiner Wahl. Der Geschädigte habe auch nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, indem er einen weiteren Sachverständigen beauftragt hat. Dass beide Gutachten hinsichtlich der errechneten Reparaturkosten nur minimal voneinander abwichen, war vor der Auftragserteilung für den Geschädigten nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass dem Geschädigten in der Regel die Sachkenntnis fehlt oder das von der Versicherung in Auftrag gegebene Gutachten ihm sogar unbekannt ist. Alles andere würde dazu führen, dass die Rechte des Geschädigten zu stark eingeschränkt werden.

Hinweis: Das Urteil des AG entspricht ständiger Rechtsprechung. Der Geschädigte darf einen eigenen Sachverständigen auch dann beauftragen, wenn die Gegenseite bereits einen Sachverständigen mit der Ermittlung der Schadenshöhe beauftragt hat.

Quelle: AG Leverkusen, Urt. v. 21.05.2016 – 21 C 313/15

Thema: Verkehrsrecht

Prognoserisiko: Versicherer muss entstandene Kosten bei Reparaturabbruch nach Fehlprognose begleichen

Erteilt der Geschädigte aufgrund eines Sachverständigengutachtens einen Reparaturauftrag und stellt sich dieses Gutachten im Nachhinein insoweit als fehlerhaft heraus, als dass die Reparaturkosten tatsächlich über 130 % des Wiederbeschaffungswerts liegen, sind die Reparaturkosten für bereits durchgeführte Arbeiten zu erstatten.

Bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall wurde der Pkw des Geschädigten erheblich beschädigt. Ein Gutachter ermittelte die Reparaturkosten mit etwa 4.100 EUR, den Wiederbeschaffungswert mit 6.900 EUR und den Restwert mit 3.300 EUR. Der Geschädigte ließ daraufhin sein Fahrzeug reparieren. Nachdem mit der Reparatur begonnen worden war, stellten Mitarbeiter der Werkstatt fest, dass der gesamte Querträger des Fahrzeugs ausgewechselt werden müsse und sich die Reparaturkosten auf ca. 9.700 EUR beliefen. Da diese somit inzwischen mehr als 130 % über dem Wiederbeschaffungswert lagen, sah der Geschädigte von einer weiteren Reparatur ab und ließ sich von der gegnerischen Haftpflichtversicherung die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert auszahlen. Diese verweigerte allerdings die Übernahme der Kosten für die bereits durchgeführten Reparaturarbeiten in Höhe von 391 EUR.

Das Amtsgericht Schwarzenbek verurteilte die Versicherung zur Zahlung der 391 EUR. Das Gericht führt aus, dass es nicht zu Lasten des Geschädigten gehen könne, dass sich erst im Laufe der Reparatur herausstellt, dass weitere – vom Sachverständigen zunächst übersehene – Reparaturarbeiten notwendig sind.

Hinweis: Mit dieser Verfahrensweise hatte die Versicherung sogar noch Glück: Der Geschädigte hätte hier sogar einen Anspruch darauf gehabt, dass die Reparatur vollständig durchgeführt wird. Die Versicherung hätte somit dann die vollen Reparaturkosten in Höhe von 9.700 EUR zahlen müssen, da sich das insofern verwirklichte Prognoserisiko nicht zu Lasten des Geschädigten auswirken darf.

Quelle: AG Schwarzenbek, Urt. v. 20.05.2016 – 2 C 675/15

Thema: Verkehrsrecht

Versicherte Fahrzeugschäden: Nicht jeder von der Natur verursachte Wasserschaden ist eine Überschwemmung

Eine Geschädigte macht gegenüber ihrer Kaskoversicherung Reparaturkosten aufgrund von Fahrzeugschäden geltend. Sie hatte ihren Pkw an einer Hauswand abgestellt, als bei einem Unwetter mit Sturm der Stärke 8 erhebliche Regenmengen auf den Wagen niedergingen. Diese fielen nicht nur direkt auf das Auto, sondern spritzten von der danebenliegenden Hauswand zusätzlich mit Druck dagegen, so dass das Wasser aus den Wasserkästen unterhalb der Scheibenwischer in den Motorraum und das Fahrzeuginnere überlief. Die Folge: ein elektrischer Defekt.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm (OLG) ist die Kaskoversicherung jedoch nicht verpflichtet, Schadensersatz zu leisten, da es nicht zu einer versicherten Überschwemmung des Fahrzeugs gekommen ist. Unter einer Überschwemmung ist nicht jede starke Durchnässung oder Überflutung eines versicherten Fahrzeugs zu verstehen. Vielmehr kann von einer Überschwemmung nur die Rede sein, wenn das Wasser sein gewöhnliches natürliches Gebiet verlassen hat – wie etwa ein Flussbett oder einen Bachlauf – oder wenn es nicht auf den Wegen abfließt, auf denen es natürlicherweise abfließt bzw. die technisch für den Abfluss vorgesehen sind (Abflussrinnen, Gullys oder Ähnliches). Zum Überschwemmungsbegriff gehört damit ein irregulärer Wasserstand, der schadensursächlich wird. Nach dem Sachverhalt war das Gelände, auf dem das Fahrzeug stand, nicht irregulär von Wasser überflutet worden. Das Überlaufen der Wasserkästen unterhalb der Scheibenwischer reicht daher nicht für die Annahme einer Überschwemmung aus.

Sollte die Geschädigte meinen, dass ein Sturmschaden eingetreten sei, ist diese Annahme ebenfalls unzutreffend. Um einen Sturmschaden zu bejahen, muss ein Gegenstand das Fahrzeug getroffen haben. Hier ist allerdings allein das durch die Naturgewalten geformte Wasser gegen das Fahrzeug gedrückt worden. Der Schaden ist erst durch die unzureichende Abflussmöglichkeit auf der Fahrzeugoberfläche bzw. im Wasserkasten unterhalb der Scheibenwischer gekommen, das zu einem Überlaufen des Wassers in den Motorraum führte.

Hinweis: Die Entscheidung des OLG entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung. Danach sind durch starken Regen verursachte Schäden am Fahrzeug nicht versichert.

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 21.01.2015 – 20 U 233/14 
Thema: Verkehrsrecht

Schadensersatz: Reparatursatz für Scheinwerfer ersetzt nicht den notwendigen Komplettaustausch

Um einen vollständigen Schadensersatz zu leisten, ist eine Reparatur der Scheinwerferaufhängung durch einen vom Hersteller angebotenen Reparatursatz unzureichend. Um den Zustand vor dem Unfall wiederherzustellen, ist ein Austausch der Scheinwerfer erforderlich.

Bei einem unverschuldeten Unfall wurde die Front eines Fahrzeugs beschädigt. Die Geschädigte beauftragte einen Sachverständigen mit der Feststellung von Schadensumfang und -höhe. Dieser stellte fest, dass die Halterungen für die Frontscheinwerfer beschädigt waren, so dass beide Scheinwerfer ausgetauscht werden mussten. Der Versicherer des Schädigers verwies dagegen darauf, dass eine Wiederherstellung der Frontpartie mittels eines Reparatursatzes des Herstellers möglich sei – und kürzte die vom Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten. Die Geschädigte verlangte aber die vollen, vom Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten ersetzt.

Das Amtsgericht Limburg hat die Versicherung zum vollen Schadensersatz verurteilt. Nach Auffassung des Gerichts war der Austausch der Scheinwerfer erforderlich. Zwar ist der Einsatz des Reparatursatzes als Reparaturmaßnahme technisch möglich. Auch würde hierdurch die Gebrauchstüchtigkeit wiederhergestellt. Dennoch stellen die mittels Reparatursatz geklebten Aufhängungen nach Auffassung des Sachverständigen die Gebrauchstauglichkeit nicht in der Weise wieder her, wie sie durch eine vollwertige Reparatur mit einer vollständigen Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands zu erwarten sei.

Hinweis: Immer wieder versuchen Haftpflichtversicherer, den Geschädigten auf günstigere Reparaturmöglichkeiten hinzuweisen. Der Geschädigte hat allerdings einen Anspruch darauf, dass sein bei einem Unfall beschädigtes Fahrzeug in den ursprünglichen, vor dem Unfall bestehenden Zustand versetzt wird. Dabei darf sich der Geschädigte auf den von seinem beauftragten Sachverständigen ermittelten Reparaturweg verlassen.

Quelle: AG Limburg, Urt. v. 05.08.2015 – 4 C 85/14 
Thema: Verkehrsrecht

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