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Schlagwort: Unterhaltsrecht

Ehegattenunterhalt: Keine Verpflichtung zur Vollzeitstelle bei dauerhaft förderbedürftigem Kind

Für die Zeit nach der Scheidung besteht nur unter besonderen Umständen ein Anspruch auf Ehegattenunterhalt, zum Beispiel wenn ein gemeinsames Kind zu betreuen ist. In den ersten drei Lebensjahren des Kindes wird vom Vorliegen dieser besonderen Umstände immer ausgegangen. Danach werden jedoch besondere kind- oder ehebezogene Gründe verlangt.

Diese besonderen Gründe verlieren im Normalfall an Bedeutung, je älter ein Kind wird. Was aber gilt, wenn besonderer Förderbedarf besteht? Mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht Hamm befassen. Im zugrundeliegenden Fall litt der 16 Jahre alte Sohn an Autismus, Neurodermitis, einer Lebensmittelunverträglicheit und Migräne. Er wurde über 36 Stunden pro Woche durch Fremde betreut, konnte allein zur Schule gehen und stundenweise auch allein zu Hause sein. Der Kindesvater war der Ansicht, vor diesem Hintergrund könne die Mutter in Vollzeit arbeiten und er müsse deshalb keinen Unterhalt mehr an sie zahlen. Die Mutter vertrat dagegen die Ansicht, ihr könne nicht mehr als eine 2/3-Stelle zugemutet werden. Sie müsse mit dem Kind alle zwei Wochen zu einer Therapie im Autismuszentrum und sich wegen krankheitsbedingt mangelnder Sozialkontakte täglich stark um ihn kümmern.

Das Gericht berechnete den damit verbundenen besonderen Aufwand mit wöchentlich 13,5 Stunden. Dies berücksichtigend sei es gerechtfertigt, dass die Mutter nicht in Vollzeit arbeitet. Deshalb muss der Kindesvater weiterhin Betreuungsunterhalt für die Mutter zahlen.

Hinweis: 2008 wurde das Unterhaltsrecht umfassend reformiert. Mitunter wird angenommen, dass seitdem für die Zeit nach der Scheidung kein Unterhalt mehr an den Ehegatten zu zahlen ist. Diese Ansicht ist falsch. Dem Grunde nach ist Unterhalt für die Zeit nach der Scheidung in den meisten Fällen wie in der Zeit vor der Reform zu entrichten. Wesentlich verschoben hat sich allerdings der Zeitraum der Unterhaltspflicht. Wegen der damit verbundenen Einzelheiten ist es angeraten, sich fachkundigen Rat einzuholen.

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 02.06.2016 – 6 WF 19/16
Thema: Familienrecht

Wohneigentum: Einfluss des mietfreien Wohnens auf den Elternunterhalt

Hierzulande müssen Kinder Unterhalt für ihre Eltern bezahlen, wenn diese bedürftig werden. Gegenüber dem sonstigen Unterhaltsrecht gelten dabei besondere Regelungen, soweit es um die Höhe des zu zahlenden Betrags geht. Die Wohnkosten sind auch eine solche besondere Kategorie.

Wer in einer Wohnung oder einem Haus lebt, die oder das ihm selbst gehört, wohnt mietfrei. Das gilt unabhängig davon, ob er noch Schulden für den Erwerb des Grundbesitzes zu bezahlen hat. Die gesparte Miete ist ein Betrag, der aufgrund seiner Ersparnis wie ein Einkommen behandelt wird. Eingesparte Miete ist deshalb für die Bestimmung des Elternunterhalts heranzuziehen.

Dabei wird aber nicht auf die objektiv erzielbare Miete abgestellt. Es ist also nicht der Betrag maßgeblich, der an Miete einnehmbar wäre, wenn die Wohnung oder das Haus an Dritte vermietet würde. Stattdessen wird auf den Betrag abgestellt, den die Bewohner ansonsten aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse zahlen würden, wenn sie Wohnraum anmieten müssten. Wenn also ein einem Elternteil gegenüber zum Unterhalt verpflichtetes Kind in einem Haus lebt, das objektiv zu einer Miete von 2.000 EUR netto vermietet werden könnte, andererseits die eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse lediglich eine Miete von 1.500 EUR zulassen würden, ist der niedrigere Betrag von 1.500 EUR maßgeblich.

Hinweis: Elternunterhalt ist ein besonderer Unterhalt. Die Berechnungen laufen anders als sonst im Unterhaltsrecht. Unübersichtlich wird es vor allem, wenn das unterhaltspflichtige Kind nicht allein lebt, sondern verheiratet ist. Es ist in jedem Fall ratsam, so früh wie möglich einen fachkundigen Berater einzuschalten – am besten gleich nach dem Eingang des ersten Schreibens (in der Regel durch ein Amt), mit dem Elternunterhalt geltend gemacht wird.

Quelle: BGH, Beschl. v. 29.04.2015 – XII ZB 236/14
Thema: Familienrecht