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Ehegattenunterhalt: Der Grundsatz, sich gegenseitig nichts zu schulden, ist eher Ausnahme als Regel

Grundsätzlich gilt im Unterhaltsrecht: Nach der Scheidung schuldet kein Ehegatte dem anderen mehr Unterhalt. Anwendung findet dieser Satz wegen wesentlicher Ausnahmen selten.

Es gibt verschiedenste Konstellationen, in denen nach der Scheidung doch noch Unterhalt verlangt werden kann. Einer der beiden häufigsten Gründe ist der, dass ein Ehegatte wegen der Betreuung der gemeinsamen minderjährigen Kinder nicht in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der zweite Unterhaltsgrund ist zumeist der, dass ein Ehegatte zwar arbeiten, dabei aber nicht genügend Geld verdienen kann. Die Höhe des Unterhalts richtet sich danach, wie viel Geld während der ehelichen Lebensverhältnisse zur Verfügung stand.

Jede Unterhaltspflicht hat unter Billigkeitsgesichtspunkten ein Ende zu finden. Unbefristet ist dann Unterhalt zu zahlen, wenn ein ehebedingter Nachteil vorliegt. Dazu ist zu prüfen, was beruflich aus dem bedürftigen Ehegatten geworden wäre, hätte er nicht geheiratet. Stünde er dann nicht nur besser da, als dies tatsächlich der Fall ist, sondern bestünde für ihn durch die Ehe auch keine Möglichkeit mehr, ebensolche Einkünfte zu erzielen, bekommt er dauerhaft Unterhalt.

Besonderheiten bestehen dabei unter anderem auch darin, dass nicht alle Einkünfte gleich zu bewerten sind. Bei der Bestimmung der ehebedingten Nachteile sind alle Erwerbseinkünfte zu berücksichtigen. Hat der Unterhaltsberechtigte andere Einkünfte, zum Beispiel aus einer EU-Rente, können sie nicht gleich bewertet werden, da er sonst mit diesen für sein Alter keine Altersvorsorge aufbauen kann.

Hinweis: Das Unterhaltsrecht ist sehr komplex. Es hat weitreichende Folgen und eine hohe wirtschaftliche Bedeutung – dies schon deshalb, weil der Unterhalt Monat für Monat zu zahlen ist. Sinnvoll ist es daher, den Unterhalt durch eine Fachkraft regeln zu lassen.

Quelle: OLG Bamberg, Beschl. v. 12.04.2016 – 10 UF 313/15
Thema: Familienrecht

Benzin statt Diesel: Bei falscher Betankung eines Mietwagens schützt Unwissenheit nicht vor Strafe

Wer ein Fahrzeug mietet, hat gewisse Sorgfaltspflichten zu beachten.

Eine Frau hatte einen Mercedes als Leihwagen gemietet. Sie erhielt zunächst einen Mercedes A-Klasse mit Benzinmotor, der dann gegen einen Mercedes der B-Klasse mit Dieselmotor ausgetauscht wurde. Diesen Wagen betankte sie mit Benzin statt mit Diesel. Dadurch entstand ein Schaden von 1.150 EUR. Die Frau weigerte sich jedoch, diesen Betrag zu zahlen, da das ursprüngliche Mietfahrzeug zurückgefordert worden war und man ihr ein vergleichbares Fahrzeug angeboten hatte. Eine tatsächliche Vergleichbarkeit lag allerdings wegen der unterschiedlichen Motoren offensichtlich nicht vor. Auf die verschiedenen Kraftstoffarten sei sie nicht hingewiesen worden und wegen der Dunkelheit habe sie auch einen entsprechenden Aufkleber im Tankdeckel nicht erkennen können.

Das überzeugte das mit der Sache befasste Gericht allerdings nicht. Bei der Übernahme eines Mietfahrzeugs ist der Mieter verpflichtet, sich auch mit der Kraftstoffart des Fahrzeugs vertraut zu machen. Es gilt als selbstverständlich, sich vor dem Tankvorgang eines fremden Fahrzeugs über den zulässigen Kraftstoff zu informieren. Deshalb musste die Frau den Schaden ersetzen.

Hinweis: Unwissenheit schützt wie in diesem Fall vor Strafe nicht. Stets sollte sich vor dem Tankvorgang über die richtige Kraftstoffart informiert werden. Fehler können extrem teuer werden.

Quelle: AG München, Urt. v. 10.06.2015 – 113 C 27219/14
Thema: Mietrecht

Zerrüttete Familienverhältnisse: Kinder müssen Bestattungskosten trotz Entfremdung zahlen

Stirbt ein Angehöriger, stellt sich nicht nur die Frage nach der Aufteilung des Nachlasses, sondern auch die, wie und wo der Verstorbene bestattet wird und wer für die Kosten aufzukommen hat. Regelungen dazu finden sich in den Bestattungsgesetzen der einzelnen Bundesländer.

In diesem Fall wurde ein Sohn verpflichtet, die Kosten für die Bestattung seiner Mutter zu zahlen, was er jedoch verweigerte. Er gab an, dass seine Mutter alkoholabhängig gewesen war, er infolgedessen in einem Kinderheim und im Ausland bei seinem Vater gelebt hatte und er schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter hatte.

Das Gericht verurteilte ihn trotzdem zur Erstattung der Beerdigungskosten. Das Bestattungsgesetz in Schleswig-Holstein bestimmt, dass die nahen Angehörigen die Kosten zu tragen haben – unabhängig davon, ob die Familienverhältnisse intakt gewesen sind. Eine Ausnahme hiervon wird nur im Fall einer unbilligen Härte gemacht. Eine solche liegt nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht schon vor, wenn die Familienmitglieder sich räumlich und emotional voneinander entfernt haben, sondern nur dann, wenn der Verstorbene ein schweres vorwerfbares Fehlverhalten gegenüber den Angehörigen begangen hat – wie etwa einen Tötungsversuch oder sexuellen Missbrauch. In solchen Konstellationen wäre die Übernahme der Kosten in der Tat unzumutbar.

Hinweis: Die Bestattungsgesetze der verschiedenen Bundesländer unterscheiden sich zwar, grundsätzlich gilt jedoch, dass sich Angehörige nicht der Kostenerstattungspflicht mit dem Argument der Entfremdung entziehen können. Auch eine Ausschlagung des Erbes ändert daran nichts.

Quelle: OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 27.04.2015 – 2 LB 27/14
Thema: Erbrecht

Verkehrssicherungspflicht: Unvermittelt auftauchende Stufen auf dunklen Wegen führen im Schadensfall zur Haftung

Ein zur Verkehrssicherung Verpflichteter verletzt diese Pflicht, wenn er einen Weg zugänglich macht, ohne diesen ausreichend zu beleuchten oder auf eine dort unerwarteterweise befindliche Stufe hinzuweisen.

Die zum Zeitpunkt des Vorfalls 70 Jahre alte Geschädigte verließ im Jahr 2011 gegen 18:30 Uhr eine Heiligabendmesse. Dabei verließ sie die Kirche gemeinsam mit anderen Gottesdienstbesuchern durch einen Seitenausgang, der nur zu besonderen Anlässen geöffnet wurde. Dieser Seitenausgang führte auf einen Hof und von dort durch eine Eisenpforte, hinter der sich eine aufsteigende Stufe mit einer Höhe von rund 15-18 cm befand. Die Geschädigte stolperte über diese Stufe und verletzte sich schwer an der linken Schulter.

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht sah eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für gegeben, da der Fußgängerverkehr ausnahmsweise durch den Kirchhof eröffnet wurde, ohne den Weg ausreichend zu beleuchten oder auf die Stufe hinzuweisen. Besonders gefährlich an der vorliegenden Konstellation war in diesem Fall, dass die betreffende Stufe völlig unvermittelt auf dem Weg auftauchte – also nicht am Beginn einer Treppe lag, die man hätte erkennen können. Ein Mitverschulden der Geschädigten war daher nicht anzunehmen. Von den Besuchern der Messe, die den Ausgang bestimmungsgemäß benutzten, war nicht zu verlangen, sich tastend in „Trippelschritten“ vorwärts zu bewegen. Weil der Weg für eine größere Gruppe von Menschen geöffnet wurde, durften sie darauf vertrauen, dass keine unvermittelten Hindernisse auftreten. Sie mussten mit Kopfsteinpflaster und ähnlichen Hindernissen auf dem Weg in der historischen Umgebung rechnen, nicht dagegen mit unvermittelt auftretenden Stufen.

Hinweis: Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginnt dort, wo für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintritt und nicht rechtzeitig erkennbar ist. Ein Mitverschulden kommt nur in Betracht, wenn ein sorgfältiger Mensch Anhaltspunkte für die Verkehrssicherungspflichtverletzung rechtzeitig hätte erkennen können und die Möglichkeit besessen hätte, sich auf die Gefahr einzustellen.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 30.06.2016 – 11 U 111/15
Thema: Verkehrsrecht

Mitbestimmungspflichtiges Ordnungsverhalten: Ein Essensverbot am Arbeitsplatz muss mit dem Betriebsrat abgesprochen werden

Bei aller Sinnhaftigkeit von Ordnung am Arbeitsplatz darf der Arbeitgeber dazu nicht alles allein bestimmen.

Eine Arbeitgeberin betrieb mehrere Callcenter und informierte ihre Arbeitnehmer in einer Anordnung darüber, dass „das Essen am Arbeitsplatz untersagt“ sei. Ihren Betriebsrat beteiligte sie bei dieser Maßnahme allerdings nicht. Dieser klagte sodann auf Unterlassung der Anweisung – mit Erfolg. Dem Betriebsrat stand hier durchaus ein Mitbestimmungsrecht zu, denn das Essensverbot betraf das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb und nicht deren Arbeitsverhalten selbst.

Hinweis: Oftmals ist die Einschaltung des Betriebsrats in solchen Fragen auch für den Arbeitgeber sinnvoll. Denn wenn der Betriebsrat ebenfalls hinter einer Maßnahme steht, wird vieles für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer transparenter und nachvollziehbarer.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 12.07.2016 – 7 TaBVGa 520/16
Thema: Arbeitsrecht

Ehegattensplitting: Keine gemeinsame Steuerveranlagung für nichteheliche Lebensgemeinschaften möglich

Ehegatten können wählen, ob sie steuerlich einzeln oder gemeinsam veranlagt werden wollen. Den Besonderheiten des gemeinsamen Wirtschaftens und Lebens im gemeinsamen Haushalt soll dabei Rechnung getragen werden. Ist dies auf nichteheliche Lebensgemeinschaften übertragbar?

Die gemeinsame steuerliche Veranlagung kann Vorteile mit sich bringen. Verdient ein Ehegatte deutlich mehr als der andere, bringt der bei gemeinsamer steuerlicher Veranlagung anzuwendende Splittingtarif eine steuerliche Entlastung. Denn es werden zwar alle Einkünfte der Ehegatten herangezogen, der Steuersatz wird aber nicht doppelt – d.h. einmal aus dem hohen Einkommen und einmal aus dem niedrigeren – angewendet. Stattdessen wird der prozentuale Steuersatz aus der Hälfte des addierten Einkommens in Ansatz gebracht, was wegen der im Steuerrecht maßgeblichen Progression eine erhebliche Steuerersparnis zur Folge haben kann.

Dieses sogenannte Ehegattensplitting können besagte Ehegatten, aber auch Partner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft in Anspruch nehmen. Sind sie aber auch auf die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft übertragbar?

Nein, so die eindeutige Antwort des Finanzgerichts Münster (FG). Nicht miteinander verheiratete Partner einer Lebensgemeinschaft, die einen gemeinsamen Haushalt mit drei gemeinsamen Kindern führten, hatten darauf geklagt, steuerlich wie Ehegatten privilegiert zu werden. Das FG unterschied jedoch sowohl sprachlich als auch steuerrechtlich relevant diese Form der Lebensgemeinschaft von der der Ehe als rechtlich institutionalisierte Lebensgemeinschaft. Faktisch stünden die Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft sicherlich füreinander ein. Anders als die Partner einer Ehe oder einer eingetragenen Partnerschaft seien sie dazu aber nicht verpflichtet – und dies sei der entscheidende Unterschied.

Hinweis: Wer in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenlebt, kann sich also den Versuch sparen, in den Genuss des Splittingtarifs zu kommen.

Quelle: FG Münster, Urt. v. 18.05.2016 – 10 K 2790/14 E
Thema: Familienrecht

„Mobilfunkvertrag mit Handy“: Formulierung alter Verträge bedingt bei Verlängerungen keinen regelmäßigen Anspruch

Häufig wird in einem Mobilfunkvertrag die Überlassung eines Handys versprochen. Doch bedeutet das, dass es ständig ein neues Handy geben muss?

In diesem Fall handelt sich um einen Handyvertrag aus dem Jahr 2004. Damals wurde ein „Mobilfunkvertrag mit Handy“ abgeschlossen. Und tatsächlich wurde dem Kunden im Jahr 2004 ein neues Mobiltelefon überlassen. Da der Vertrag nicht gekündigt wurde, verlängerte er sich jeweils um zwölf Monate. Auch bei der Vertragsverlängerung im Jahr 2009 erhielt der Kunde ein neues Mobiltelefon. Anfang 2013 fragte er erneut bei dem Unternehmen an, ob er ein neues Handy erhalten könne. Das wurde abgelehnt. Sodann verlangte er die Rückzahlung der Gebühren, da seine alten Geräte nicht mehr funktionstüchtig seien. Das Gericht wies die Klage allerdings ab. Aus der Bezeichnung „Mobilfunkvertrag mit Handy“ folgt in der Regel nur, dass bei Vertragsschluss subventionierte Handys gegen einen Aufschlag überlassen werden. Hieraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass dem Kunden fortlaufend die Überlassung neuer Handys geschuldet ist.

Hinweis: Kunden sollten stets prüfen, ob der Kauf eines Mobiltelefons nicht am Ende billiger ist als eine Miete des Geräts.

Quelle: AG München, Urt. v. 18.02.2016 – 213 C 23672/15
Thema: Sonstiges

Wohneigentum und Hartz IV: Jobcenter muss nach fehlender Kostensenkungsaufforderung Heizungsreparatur zahlen

Auch Hauseigentümer haben gegenüber dem Jobcenter Rechte.

Hier ging es um eine Klägerin, die als Hauseigentümerin gleichzeitig Arbeitslosengeld II bezog. Ihre Heizung war defekt und musste für 5.200 EUR repariert werden. Die Hauseigentümerin wendete sich damit an das Jobcenter. Dieses gewährte ihr jedoch nur einen äußerst geringen Zuschuss, da sonst die angemessenen Wohnkosten für einen Zweipersonenhaushalt überschritten würden. Deshalb gewährte es der Frau für den Gesamtbetrag lediglich ein Darlehen. Dagegen klagte sie.

Das Gericht urteilte, dass das Jobcenter die Kosten für die Erneuerung der defekten Gasheizung ungeachtet der Frage der Angemessenheit der Wohnkosten tragen muss, da es der langzeitarbeitslosen Hauseigentümerin zuvor keine Kostensenkungsaufforderung zugestellt hatte. Das Erfordernis dieser Aufforderung gilt sowohl für Mietwohnungen als auch für selbstbewohntes Wohneigentum.

Hinweis: Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen: Viele Bescheide der Jobcenter sind fehlerhaft. Eine Überprüfung ist daher häufig angebracht und sinnvoll.

Quelle: SG Dortmund, Urt. v. 19.09.2016 – S 19 AS 1803/15
Thema: Mietrecht

Zum Erben gezwungen: Hartz-IV-Empfänger muss seinen Pflichtteil geltend machen

Ist ein Erbe von Sozialleistungen abhängig, stellt sich immer wieder die Frage, wie sich eine Erbschaft auf diese Leistungen auswirkt.

Ein Mann bezog Hartz IV. Nachdem sein Vater gestorben war, bewilligte ihm das Jobcenter die Leistungen nur noch in Form eines Darlehens, da es der Ansicht war, dass der Mann aufgrund seines Pflichtteilsanspruchs über ausreichend Vermögen verfüge. Der Vater des Mannes hatte mit seiner Ehefrau in einem gemeinschaftlichen Testament vereinbart, dass zuerst der überlebende Ehegatte Alleinerbe werden soll und nach dessen Tod die zwei gemeinsamen Kinder. Somit stand dem Mann ein Pflichtteil zu. Er weigerte sich jedoch, diesen geltend zu machen, da er aufgrund der üblichen Pflichtteilsstrafklausel beim Tod seiner Mutter vom Erbe vollständig ausgeschlossen sein würde und er zudem seiner alten und pflegebedürftigen Mutter die Lebensgrundlage nicht nehmen wollte.

Das Sozialgericht war der Auffassung, dass zwar im Fall eines gemeinsamen Testaments von einem Leistungsempfänger grundsätzlich nicht verlangt werden kann, seinen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen, da damit der ausdrückliche Wille der Eltern unterlaufen wird. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn ausreichend Barvermögen vorhanden ist, um den ausgeschlossenen Erben auszuzahlen, ohne dass zum Beispiel ein Grundstück verkauft oder beliehen werden muss.

Hinweis: Eine Erbschaft wird bei Sozialleistungsbeziehern grundsätzlich als einmalige Einnahme bedarfsmindernd angerechnet, so dass der Bedürftige entsprechend weniger Leistungen erhält. Auch eine Ausschlagung der Erbschaft ist daher nicht ohne weiteres möglich, sofern der Nachlass nicht mit Schulden belastet ist. Zur Erhaltung der Erbmasse kann bei bedürftigen Erben die Vereinbarung einer Vorerbschaft sinnvoll sein. Daher sollte man in solchen Fällen rechtzeitig rechtlichen Rat einholen.

Quelle: SG Mainz, Urt. v. 23.08.2016 – S 4 AS 921/15
Thema: Erbrecht

Vorfahrtsverletzung oder Auffahrunfall: Die bereits auf der Hauptstraße zurückgelegte Strecke und die Geschwindigkeit entscheiden

Die Antwort auf die Frage, ob ein Auffahrunfall oder eine Vorfahrtsverletzung vorliegt, hängt davon ab, ob der einbiegende Fahrer zum Zeitpunkt der Kollision bereits das auf der Vorfahrtstraße übliche Geschwindigkeitsniveau erreicht hat.

Ein Autofahrer bog außerorts von einer wartepflichtigen Straße nach rechts in die Hauptstraße ein. Zuvor hielt er vorschriftsmäßig an der Haltelinie, bog dann ab und beschleunigte sein Fahrzeug auf etwa 55 km/h. Nach rund 50 Metern fuhr ihm ein Fahrzeug auf – an einer Stelle, die 100 km/h als Höchstgeschwindigkeit zuließ. Von der Haftpflichtversicherung des auffahrenden Fahrzeugs verlangte er die Erstattung des ihm entstandenen Schadens zu 100 %.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts München hat der Geschädigte Anspruch auf eine 100%ige Erstattung seines Schadens, denn entgegen der Ansicht des Auffahrenden lag keine Vorfahrtsverletzung vor. Nach den Feststellungen des Gerichts hatte der Geschädigte zum Kollisionszeitpunkt bereits das auf der Vorfahrtstraße herrschende übliche Geschwindigkeitsniveau von 50 km/h erreicht. Die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h prägte nicht das an der Unfallstelle übliche Geschwindigkeitsniveau. Laut Gericht zählen die konkreten örtlichen Verhältnisse. Direkt rechts an der Straße befand sich zum einen nämlich ein Gewerbegebiet mit mehreren Geschäften, Lebensmittelmärkten, einem Lokal und einem Sportverein. Die wie der Geschädigte von rechts einbiegenden Fahrzeuge beschleunigen zum anderen deshalb nicht auf die erlaubten 100 km/h, da nur wenige 100 Meter hinter der Einfahrt eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 70 km/h folgt. Und zu guter Letzt zählte für die Entscheidung des Gerichts, dass der Auffahrende den Unfall laut Sachverständigen durch moderates Abbremsen hätte verhindern können.

Hinweis: Ob ein Auffahrunfall oder eine Vorfahrtsverletzung vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Wie der Fall zeigt, kommt es nicht nur auf die zurückgelegte Fahrstrecke des abbiegenden Fahrzeugs an, sondern auch darauf, ob der Vorfahrtspflichtige im Bereich der Vorfahrtstraße in der dort üblichen Geschwindigkeit fährt. Ist dies nicht der Fall, liegt eine Vorfahrtsverletzung vor, anderenfalls ein Auffahrunfall.

Quelle: OLG München, Urt. v. 24.06.2016 – 10 U 3161/15
Thema: Verkehrsrecht