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Schlagwort: Gefahrenpotential

Keine hinreichende Rechtsgrundlage: Fahrverbot gilt nicht für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge

Dass eine Trunkenheitsfahrt auf sogenannten fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen wie Fahrrad oder neuerdings auch E-Scootern zum Verlust der Fahrerlaubnis führen kann, haben Gerichte bereits entschieden. Ob eine Fahrerlaubnisbehörde hingegen auch eben jenes Fahren mit Fahrrädern oder E-Scootern nach einer Trunkenheitsfahrt verbieten darf, musste der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) klären.

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Hälftige Schadensteilung: Bei Kollision zwischen überholendem Pkw und ausschwenkendem Lkw-Abschlepper haften beide Seiten

Unklare Verkehrslagen sollten bei allen, die ein Fahrzeug führen, die inneren Warnlampen aktivieren. Bei einem der beiden am Unfall beteiligten Fahrzeuge waren sogar äußerlich welche erkennbar, was jedoch den Zusammenstoß nicht verhindern konnte. Dass diese Lichter allein jedoch nicht die Haftungsfrage klären, zeigt der folgende Fall des Berliner Kammergerichts (KG).

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Wechselseitiger Haftungsverzicht: Bei Trainingsfahrten von Radlern im Pulk kommt es bei Unfällen stets auf die Details an

Bei einer gemeinsamen Trainingsfahrt mit dem Fahrrad liegt dann ein wechselseitiger Haftungsverzicht vor, wenn sich bei dem Unfall „das typische Risiko der gemeinsamen Trainingsfahrt im Pulk“ realisiert hat. So weit, so gut. Wie sich so eine Verklausulierung aus Laiensicht auf den Realfall auswirkt, zeigt anschaulich der folgende Fall, den das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) zu bewerten hatte.

Eine insgesamt aus 17 Fahrradfahrern bestehende Gruppe unternahm eine Fahrradtour. Der spätere Beklagte überholte zwei nebeneinander vor ihm fahrende Radfahrer. Hierbei geriet er auf den unbefestigten Seitenstreifen des befahrenen Radwegs, wobei es dann zur folgenreichen Berührung der nebeneinander fahrenden Radfahrer kam. Bei dem folgenden Sturz zog sich einer dieser Radfahrer erhebliche Verletzungen zu. Dessen Arbeitgeber machte daraufhin dem unfallverursachenden Radfahrer gegenüber Schadens- und Schmerzensgeldansprüche geltend.

Das OLG ging in der Tat von einer vollen Haftung des überholenden Radfahrers aus, da er beim Überholen keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten hatte. Die Haftung ist auch nicht nach den vom Bundesgerichtshof (BGH) aufgestellten Grundsätzen beschränkt, die bei der gemeinsamen Ausübung gefährlicher Sportarten zur Anwendung kommt. Diese Grundsätze besagen nämlich, dass bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotential auch bei voller Regelbeachtung Verletzungen nicht ausgeschlossen werden können. In solchen Fällen sei die Inanspruchnahme des Schädigenden für Schäden eines Mitbewerbers daher auch ausgeschlossen, sofern er diese ohne gewichtige Regelverletzung verursacht habe.

Nach Auffassung des OLG hatte sich hier jedoch das typische Risiko der Trainingsfahrt – des Fahrens im Pulk und im Windschatten mit geringem Abstand der hintereinander und nebeneinander fahrenden Teilnehmer – nicht verwirklicht, so dass die beschriebene Haftungsbeschränkung nicht angenommen werden konnte. Vielmehr hatte sich die Teilnehmergruppe bereits auseinandergezogen – es war eine ruhige Phase der gemeinsamen Ausfahrt eingetreten. In dieser Situation fehlt es nach Auffassung des OLG an der für die Haftungsbeschränkung typischen Situation des engen Fahrens in einer Gruppe, bei der jeder Teilnehmer weiß, dass er bei einem Sturz des Vordermanns oder einer Ungeschicklichkeit des Nebenmanns nicht ausweichen oder anhalten könne.

Hinweis: Die vom BGH aufgestellten Grundsätze gelten auch beim Radfahren im Pulk bei einer Trainingsfahrt und bei organisierten Radtouristikfahrten. Grundsätzlich kommt auch bei Unfällen unter Radfahrern auf Trainingsfahrten ein Haftungsausschluss in Betracht. Nach der Entscheidung des OLG ist jedoch zu klären, ob sich das typische Risiko einer Trainingsfahrt verwirklicht habe.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 12.03.2020 – 1 U 31/19

Thema: Verkehrsrecht

Kombinierter Geh- und Radweg: Nahende Radler dürfen sich nicht ohne weiteres auf Umsicht der Fußgänger verlassen

Kombinierte Geh- und Radwege bieten von Natur aus ein erhöhtes Gefahrenpotential. Umso stärker müssen die Verkehrsteilnehmer auf gegenseitige Rücksichtnahme zählen dürfen. Wie diese Umsicht konkret auszusehen hat, klärte das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) wie folgt.

Eine Fahrradfahrerin befuhr einen gemeinsamen Geh- und Radweg, als sie sich von hinten einer Gruppe von Fußgängern näherte. Bei der Fußgängergruppe befand sich ein nicht angeleinter Hund. Dieser bewegte sich von der rechten auf die linke Seite des Wegs und stieß mit dem Vorderrad des Fahrrads zusammen, wobei sich die Radlerin verletzte. Von der Haftpflichtversicherung des Hundes verlangte sie daher Schmerzensgeld.

Das OLG hat der Radfahrerin ihre Ansprüche zu 2/3 zuerkannt. Gleichwohl traf die Frau ein Mitverschulden von 1/3, da sie auf einem gemeinsamen Geh- und Radweg mit geringem Abstand an einer Personengruppe mit Hund vorbeifuhr, ohne zuvor durch Klingelzeichen auf sich aufmerksam gemacht zu haben. Zu berücksichtigen war ebenso, dass für die Radlerin eine unklare Verkehrslage vorlag, so dass diese allenfalls mit Schrittgeschwindigkeit hätte fahren dürfen. Bei der Vorbeifahrt an der Personengruppe, in deren Mitte sich der Hund befand, musste die Radfahrerin besondere Sorgfalt beachten. Der Weg war nicht so breit, dass ein Fahrradfahrer zwei nebeneinandergehende Personen, die einen Hund zwischen sich führen, bequem hätte überholen können. Auch wenn der Platz für eine Vorbeifahrt unter der Voraussetzung ausreichend war, dass alle Beteiligten ihre Spur einhielten, bestand eine erhöhte Unfallgefahr, weil damit gerechnet werden musste, dass die Fußgänger sich nach links wenden und dann in die Bahn des überholenden Fahrrads geraten könnten.

Hinweis: Auf einem gemeinsamen Geh- und Radweg haben Fahrradfahrer zwar keinen Vorrang, Fußgänger müssen diese jedoch vorbeifahren lassen. Dabei müssen Radfahrer jede Gefährdung vermeiden. Fußgänger dürfen den gemeinsamen Geh- und Radweg auf der ganzen Breite benutzen und dort auch stehenbleiben. Sie brauchen nicht fortwährend nach Radfahrern Ausschau zu halten, die etwa von hinten herankommen könnten. Sie dürfen darauf vertrauen, dass Radfahrer rechtzeitig durch Glockenzeichen auf sich aufmerksam machen, damit sie die Passage dann freigeben.

Quelle: OLG Hamburg, Urt. v. 08.11.2019 – 1 U 155/18

Thema: Verkehrsrecht

50%ige Mithaftung: Die Bedienung eines Infotainmentsystems bei hoher Geschwindigkeit ist grob fahrlässig

Infotainmentsysteme sind äußerst dienlich. Dass man aber besonders bei hohen Geschwindigkeiten besser die Finger von den Bedienelementen lassen sollte, beweist der folgende Fall des Oberlandesgerichts Nürnberg (OLG).

Eine Autovermieterin hatte einen hochpreisigen und zudem getunten Flitzer vermietet. Zwischen ihr und dem Mieter war zwar eine Haftungsbeschränkung ohne Selbstbeteiligung für den Fall einer Beschädigung des Mietfahrzeugs vereinbart. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen war jedoch geregelt, dass der Vermieter berechtigt ist, den Mieter zumindest teilweise in Regress zu nehmen, sofern der Schaden am Mietfahrzeug grob fahrlässig herbeigeführt wurde – eine Klausel, die sich besonders für die Vermieterin als dienlich erweisen sollte.

Denn der Mieter befuhr schließlich in dem gemieteten PS-Boliden mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h die Autobahn auf der linken Spur, während er gleichzeitig das Infotainmentsystem des Fahrzeugs bediente, um dort Informationen abzurufen. Dabei geriet er mit dem Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und stieß gegen die Mittelleitplanke, wodurch das Fahrzeug stark beschädigt wurde. Die Vermieterin nahm den Mieter folglich mit 50 % des entstandenen Unfallschadens in Regress, und das völlig zu Recht.

Das OLG gab der Klage statt, weil der Mieter grob fahrlässig gehandelt hatte. Die vereinbarte Haftungsfreistellung schließt die Haftung nicht aus, da diese für den Fall grob fahrlässigen Verhaltens in dem geltend gemachten Umfang nicht greift. Der Mieter hat die verkehrserforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt, da er das Infotainmentsystem bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h bedient hatte. Dies beinhalte ein sehr hohes Gefahrenpotential, denn sowohl der Anhalteweg als auch die kinetische Energie sind bei einer Kollision gegenüber der allgemeinen Richtgeschwindigkeit von 130 km/h bereits mehr als verdoppelt. Schon minimale Fahrfehler können typischerweise zu schweren Unfällen führen. In Deutschland gilt die Autobahnrichtgeschwindigkeitsverordnung, die vorgibt, dass bei darüber liegenden Geschwindigkeiten die Unfallgefahren selbst unter Idealbedingungen so erheblich zunehmen, dass sie bei verantwortungsbewusster Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr nicht gefahren werden sollten. Ein Verkehrsteilnehmer, der sein Fahrzeug mit höherer Geschwindigkeit als 130 km/h führt, müsse daher in besonderer Weise seine volle Konzentration auf das Führen des Fahrzeugs richten. Je stärker die Richtgeschwindigkeit überschritten werde, desto höher seien die Anforderungen an die Konzentration des Fahrzeugführers.

Hinweis: Grob fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt. Gemessen an diesem Grundsatz ist das Urteil zutreffend. Das Verhalten des Mieters stellt eine objektiv schwere und unentschuldbare Pflichtverletzung dar. Ein Autofahrer, der sich also bei hoher Geschwindigkeit ablenken lässt – etwa durch die Bedienung eines Infotainmentsystems -, handelt demnach grob fahrlässig, was zu einer Mithaftung von 50 % führen kann.

Quelle: OLG Nürnberg, Urt. v. 02.05.2019 – 13 U 1296/17

Thema: Verkehrsrecht

Foul mit Folgen: Schadensersatz im Fußball nur nach vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Regelwidrigkeit

Wird ein Sportler in einem Wettkampf verletzt, stellt sich häufig die Frage, wer dafür haftet.

Bei einem Frauenfußballspiel in der Bezirksliga wurde eine Spielerin durch den Tritt einer Mitspielerin am rechten Unterschenkel verletzt. Sie erlitt einen komplizierten Unterschenkelbruch. Nach einer Operation gab es Komplikationen, und die Frau ist bis heute gehbehindert. Der Schiedsrichter hatte den Tritt nicht als Foul geahndet. Nun klagte die Spielerin von ihrer Mitspielerin Schadensersatz und Schmerzensgeld von 50.000 EUR ein. Die Mitspielerin war wiederum der Auffassung, dass sie nicht absichtlich ein Foul begangen habe.

Das Oberlandesgericht wies die verletzte und gehbehinderte Fußballspielerin darauf hin, dass es nicht von einer Erfolgsaussicht der Klage ausgehe. Die Spielerin hatte sich die schwere Verletzung in einem sportlichen Wettkampf mit hohem Gefahrenpotential zugezogen. Selbst wenn die Regeln eingehalten werden, kann es beim Fußball immer wieder passieren, dass die Spieler sich schwer verletzen. Daher gingen die Richter davon aus, dass jeder Teilnehmer auch schwere Folgen in Kauf nimmt. Diese sind selbst bei einer regelkonformen Ausübung dieser Sportart nicht zu vermeiden. Die Spielerin nahm ihre Klage daher zurück.

Hinweis: Bei Wettkämpfen mit größerem Gefahrenpotential ist also davon auszugehen, dass jeder Teilnehmer auch Verletzungen mit schweren Folgen in Kauf nimmt. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Regeln eingehalten werden. Eine Haftung kommt nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Regelwidrigkeit in Betracht.

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 22.12.2016 – 9 U 138/16

Thema: Sonstiges

Einvernehmlichkeit: Keine Haftung bei Unfällen nach Motorradfahrten in Kolonne

Fahren Motorradfahrer in Kolonne ohne Sicherheitsabstand und in wechselnder Reihenfolge, führt dies bei einem Unfall zu einem Haftungsausschluss.

Eine aus vier Personen bestehende Motorradgruppe befuhr eine Landstraße. Der an erster Stelle der Kolonne fahrende Motorradfahrer kollidierte in einer Kurve mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Der an zweiter Stelle Fahrende stürzte, der Motorradfahrer hinter ihm kam ebenfalls zu Fall und verletzte hierbei den Vorausfahrenden.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt besteht keine Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz oder Schmerzensgeld, da die Haftung wegen eines Haftungsverzichts ausgeschlossen ist. Die Motorradfahrer waren in einer Gruppe ohne feste Reihenfolge gefahren und hatten den erforderlichen Sicherheitsabstand einvernehmlich nicht eingehalten. Die Motorradfahrer sind deshalb gemeinsam ein besonderes Risiko eingegangen, um das entsprechende Gruppenfahrgefühl zu erreichen. Alle nahmen somit billigend in Kauf, dass entweder sie selbst oder die hinter ihnen Fahrenden bei einer Unfallsituation nicht ausreichend bremsen können und es zu Schädigungen anderer Teilnehmer kommen kann. Ein Anspruch auf Schadensersatz ist ausgeschlossen, wenn jeder Teilnehmer bei getauschten Positionen ebenso wie der geschädigte Anspruchsteller in die Lage hätte kommen können.

Hinweis: Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotential, bei denen typischerweise auch bei regelkonformem Verhalten die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügung besteht, die Inanspruchnahme des Schädigers für Schäden eines Mitbewerbers ausgeschlossen sind, die er ohne gewichtige Regelverletzung verursacht.

Quelle: OLG Frankfurt, Urt. v. 18.08.2015 – 22 U 39/14
Thema: Verkehrsrecht