Ein kontaktloser Unfall ist in seiner Haftungsverteilung von Natur aus nicht so einfach zu bewerten. Im Folgenden war es am Oberlandesgericht Saarbrücken (OLG), den Abbruch eines Überholvorgangs in Beziehung zum Sturz eines Fahrradfahrers zu setzen, der zuvor noch wütend mit dem Arm gefuchtelt hatte. Wer trägt hier die Hauptlast – der Radler, der bei einer relativ hohen Geschwindigkeit nicht beide Hände am Lenkrad hatte, oder der Kfz-Führer, der erst gar nicht zum Überholvorgang hätte ansetzen sollen? Sie ahnen es sicherlich, aber lesen Sie selbst.
Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) brachte viele Unsicherheiten, aber vor allem auch das Versprechen größerer Datensicherheit mit sich. Noch Jahre später scheinen viele sensibilisiert, wenn es um die Verwendung persönlicher Daten angeht. Zu Recht, denn wenn persönliche Daten missbraucht werden, haben Geschädigte einen Anspruch auf Schadensersatz. Ob bei aller Vorsicht und berechtigter Skepsis jedoch bereits Ängste vor Datenmissbrauch ausreichen, um einen solchen Anspruch geltend machen zu können, musste hier das Landgericht Gießen (LG) beantworten.
Mit der Beweispflicht ist es so eine Sache. Denn naturgemäß fällt es in vielen lebensnahen Bereichen oftmals schwer, im Nachhinein klare Fakten auf den Richtertisch zu legen, die das eigene Verhalten als korrekt und das der Gegenseite als fehlerhaft darlegen. Da Gerichte sich aber nicht auf subjektive Aussagen verlassen dürfen, müssen Tatsachen für sich sprechen. Im Fall eines Sturzes in einem Kaufhaus hatte der Bundesgerichtshof (BGH) seine Zweifel über die Bewertung durch die Vorinstanzen und stellte die Beweislast für solche Fälle in seinem Urteil klar.
Bei Stürzen und darauf gerichteten Klagen ist immer die Frage, ob entweder die sogenannte Verkehrssicherungspflicht oder aber die gebotene Vorsicht verletzt wurde. So war auch im folgenden Fall der zu klärende Punkt, ob eine Fluggesellschaft allein haftet, wenn eine Flugreisende beim Ausstieg auf einer mobilen Ausstiegstreppe ohne ersichtlichen Grund stürzt. Die Feinheiten musste – nach Vorlage eines österreichischen Gerichts – vorab der Europäische Gerichtshof (EuGH) unter die Lupe nehmen.
Jeder macht Fehler – und in nicht wenigen Berufen hat menschliches Versagen fatale Folgen. Die Verantwortlichkeiten eines tragischen Fehlers am Arbeitsplatz wurden kürzlich vor dem Landgericht Limburg (LG) verhandelt. Und dieser Fall macht klar, dass Geld viele Dinge zwar vereinfachen, aber schwerwiegende Folgeschäden leider nicht reparieren kann.
Verkehrszeichen dienen der Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer und müssen demnach schnell und vor allem einfach zu erkennen sein. So versucht man mithilfe von einfacher Bildsprache, auf alle redundanten Zusatzinformationen zu verzichten. Dass sogar erklärbare Missverständnisse nicht unbedingt vor Strafe schützen – schließlich steht vor Erteilung einer Fahrerlaubnis auch das Erlernen von Verkehrszeichen -, musste das Oberlandesgericht München (OLG) im Folgenden anhand des Verkehrszeichens 266 darlegen.
Das runde Verkehrszeichen 266 symbolisiert durch seine rote Umrandung ein Verbot. Darin ist ein schwarzer Lkw auf weißem Grund abgebildet. An seiner Unterseite symbolisieren zwei begrenzende, nach außen gerichtete Pfeile und eine Zahl die Gesamtlänge, ab der das Befahren der Straße verboten ist. Die Halterin eines Omnibusses wollte dieses Zeichen daher auch so verstanden wissen, dass es nur den Verkehr für Lkw ab der angegebenen Fahrzeuglänge beschränke – nicht aber ihr Fahrzeug. Eben jener Bus war nämlich an einer Spitzkehre einer bayerischen Bergstraße in einen Streifzusammenstoß mit einem bergab fahrenden Pkw verwickelt. Sie klagte zunächst wegen des Zusammenstoßes gegen den Halter des Pkw und dessen Haftpflichtversicherung auf Zahlung von Schadensersatz.
Das Landgericht Kempten (LG) nahm daraufhin eine Haftungsverteilung von 60 % zu 40 % zu Lasten der Klägerin vor. Da der Beklagte nachweislich nicht in ausreichendem Maße seinen rechten Fahrstreifen benutzte, war ihm zwar eine Mitschuld (§ 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 StVO) anzurechnen. Jedoch habe der Fahrer des Busses den Unfall überwiegend verschuldet. Denn er habe die Straße entgegen dem Zeichen 266 befahren. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein. Dass das Verkehrszeichen 266 die Straßennutzung auf Fahrzeuge mit maximal zwölf Metern Gesamtlänge beschränkt habe, wollte die Dame, deren Bus ganze 13 Meter Länge aufwies, so nicht stehen lassen. Sie bestand darauf, dass es nur für Lkws gelte.
Doch das OLG bestätigte die Entscheidung des LG. Das Zeichen 266 gelte für alle Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen, die die auf dem Zeichen angegebene tatsächliche Länge überschreiten. Aus der Verwendung des Symbols eines Lkw ergebe sich nach Ansicht des Senats nichts anderes.
Hinweis: Das Verkehrszeichen 266 limitiert alle Fahrzeugkombinationen durch deren Gesamtlänge. Es soll vermeiden, dass überlange Kraftfahrzeuge beim Befahren kritischer Bereiche ein Risiko für den entgegenkommenden Straßenverkehr darstellen. Letztlich besteht das Kollisionsrisiko hierbei allein durch die Fahrzeuglänge für Omnibusse, Lkws und sogar für Pkws, die mit einem Anhänger die maximal zulässige Fahrzeuglänge übersteigen.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 26.04.2021 – 24 U 111/21
In den letzten Jahren sind die Fluggastrechte erfolgreich ausgebaut worden. Dass es deshalb nicht für jeden individuellen Schadensfall auch gleich Schadensersatz und Schmerzensgeld von einer Airline gibt, sorgte für die Klägerin im folgenden Fall für eine gleich doppelt harte Landung – zuerst auf der Landebahn, dann vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Eine Flugpassagierin machte geltend, dass sie wegen einer harten Landung einen Bandscheibenvorfall erlitten habe, und verlangte die Zahlung von 69.000 EUR von der Airline. Die Frau führte dabei an, dass die harte Landung einen Unfall im Sinne des Übereinkommens von Montreal darstelle. Dieses Abkommen regelt Haftungsfragen im internationalen zivilen Luftverkehr und gilt auch in der EU. Die Airline dagegen war der Auffassung, dass es sich nicht um einen Unfall handeln würde, sondern vielmehr um ein typisches Ereignis während eines Flugs.
Dieser Meinung hat sich der EuGH angeschlossen, der einen Pilotenfehler nicht erkennen konnte. Die harte Landung war auf dem Flughafen aus flugtechnischer Sicht sogar sicherer als eine zu weiche Landung. Es war einzig und allein entscheidend, ob die Landung korrekt nach den Vorschriften vorgenommen wurde – und genau das war der Fall gewesen.
Hinweis: Eine sogenannte harte Landung nach einem Flug ist also nicht immer als Unfall anzusehen, der zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verpflichtet. Der Fall zeigt aber auch, dass gerade und insbesondere im Reiserecht der Rechtsanwalt des Vertrauens konsultiert werden sollte.
Wer kennt es nicht – man sitzt in seinem Fahrzeug in einer Waschstraße und fragt sich, ob das Fahrzeug vor einem womöglich einfach so bremsen könne oder aber zu spät ausfährt? Dass dieser Gedankengang nicht ganz abwegig ist, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgerichts Zweibrücken (OLG).
Ein Autofahrer saß in einer Autowaschstraße, bei der die Fahrzeuge durch ein Förderband durch die Anlage gezogen werden. Am Ende der Waschstraße blieb das vor ihm gezogene Fahrzeug stehen, dessen Fahrer nach dem Ende des Waschvorgangs nicht umgehend wegfuhr. Da die Anlage nicht sofort stoppte, befürchtete der spätere Kläger eine Kollision mit dem vor ihm stehenden Auto: Er bremste. Dadurch rutschte sein Pkw aus dem Mitnehmer des Förderbands der Anlage heraus, verkantete sich in der Waschstraße wurde nicht unerheblich beschädigt. Er verlangte Schadensersatz – auch vom Halter des vor ihm befindlichen Fahrzeugs.
Die Klage hatte vor dem OLG insoweit Erfolg, als dass der Halter des nur verzögert aus der Waschstraße ausfahrenden Pkw den Schaden des Klägers zum Teil ersetzen muss – und zwar in Höhe von 30 %. Zwar trifft den Kläger ein überwiegendes Mitverschulden an der Beschädigung seines Fahrzeugs. Denn es ist allgemein bekannt, dass ein Abbremsen des vom Förderband der Anlage gezogenen Fahrzeugs tunlichst zu unterlassen ist – gerade weil dadurch das geschleppte Fahrzeug aus den Transportvorrichtungen herausspringen kann! Aber auch der Fahrer des ausfahrenden Pkw hatte sich hier fehlerhaft verhalten, indem er nicht sofort nach dem Ende des Waschvorgangs an- und weggefahren ist. Er schuf damit für den Kläger eine riskante, indes vermeidbare Situation.
Hinweis: Zwar entspricht es obergerichtlicher Rechtsprechung, dass sich ein Pkw, der mit ausgeschaltetem Motor auf dem Förderband einer automatischen Waschstraße transportiert wird, nicht in „Betrieb“ befindet. Denn in dieser Situation betreibt der Fahrer nicht das Fahrzeug und es wirken auch keine Betriebseinrichtungen des Fahrzeugs. Eine Haftung wäre daher ausgeschlossen. Der Streitfall ist mit dieser Situation aber nicht vergleichbar. Denn der Waschvorgang des vorausbefindlichen Fahrzeugs war bereits vollständig beendet. Es befand sich am Ende des Schleppbands und wurde gestartet, um mit Motorkraft in den Verkehrsraum einzufahren. Gefahren gingen von nun an nicht mehr von der Waschanlage oder vom automatisierten Transportvorgang aus, sondern nur noch vom Fahrer und dem Fahrzeug.
Quelle: OLG Zweibrücken, Urt. v. 27.01.2021 – 1 U 63/19
In einigen Bundesländern sind die Mietenbegrenzungsverordnungen nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden. Für den Gesetzgeber hat dieser Lapsus keine finanziellen Auswirkungen, denn die Leidtragenden sind die Mieter. Warum, das zeigt das folgende Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) auf.
Die Mietenbegrenzungsverordnungen sollen in mehreren Bundesländern helfen, Mieten auf einem bezahlbaren Level zu halten. Mehrere Bundesländer hatten solche Verordnungen erlassen, so auch das Land Hessen. Das Ärgerliche an der Sache war allerdings, dass die ursprünglichen Regelungen unwirksam waren. Den Verordnungsgebern sind nämlich handwerkliche Fehler unterlaufen. Im Beispiel Hessen war die Verordnung nicht ordnungsgemäß begründet worden. Deshalb verlangten nun Mieter, die wegen der fehlenden Begrenzung der Mieten aus ihrer Sicht zu viel Miete gezahlt hatten, vom Land Hessen die gezahlten Mietbeträge als Schadensersatz zurück. Darüber musste der BGH entscheiden.
Die Entscheidung enttäuschte die Kläger. Denn den Mietern stehen keinerlei Amtshaftungsansprüche zu, sobald eine Landesregierung eine Mietenbegrenzungsverordnung mit weitem räumlichen und persönlichen Geltungsbereich erlässt, die jedoch wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Begründung der Verordnung unwirksam ist. Es besteht schlicht und ergreifend keine Anspruchsgrundlage dafür.
Hinweis: Mieter haben selbstverständlich das Recht, die Höhe der von ihnen gezahlten Miete prüfen zu lassen. Vermieter sollten sich stets an das geltende Recht halten, da auch schnell Straftatbestände verwirklicht sind.
Egal, auf welche Pisten sich ein Skiurlauber zu schwingen gedenkt – er sollte dabei stets die geltenden Regelungen des internationalen Skiverbands (FIS-Regeln) beachten. Denn dass eine Missachtung des anerkannten Verhaltenskodex teuer werden kann, zeigt der folgende Fall des Landgerichts Frankenthal (LG).
Zwei deutsche Skifahrer hatten an einer Skireise nach Kanada teilgenommen. Bei einer gemeinsamen Abfahrt der Reisegruppe wurde der eine Wintersportler von dem anderen überholt. Hierbei kam es zu einem Zusammenstoß. Bei dem Verletzten wurde nach seiner Rückkehr nach Deutschland ein Kreuzband- und Seitenbandriss sowie eine Verletzung des Innen- und Außenmeniskus festgestellt. Der Skifahrer hatte die FIS-Regeln bei dem Überholmanöver verletzt und wurde zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 27.000 EUR verklagt – und vom LG auch entsprechend verurteilt.
Der Unfallverursacher hatte unmittelbar vor dem Unfall zum Linksschwung angesetzt und ist dann beim Ausfahren aus der Kurve leicht hangaufwärts gefahren. Hierbei gilt nach Nr. 5 der FIS-Regeln jedoch eine besondere Sorgfaltspflicht, die der Skifahrer nicht beachtet hatte. Jeder Skifahrer, der hangaufwärts schwingen oder fahren will, muss sich nach unten und nach oben vergewissern, dass er dies ohne Gefahr für sich und andere tun kann. Und der Unfall bewies, dass dies hier nicht erfolgt war.
Hinweis: Es zeigt sich, wie wichtig eine private Haftpflichtversicherung sein kann. Diese wird wohl mit großer Wahrscheinlichkeit den Skifahrer davor schützen, selbst zahlen zu müssen.
Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 17.11.2020 – 7 O 141/19