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Schlagwort: Schadensersatz

Trennung der Wunschmieter: fehlender Mietvertragsentwurf kann Einfluss auf Schadensersatzforderungen haben

Die Urlaubszeit ist für viele Paare bekanntlich das Zünglein an der Beziehungswaage. Das musste auch ein Vermieter schmerzlich erfahren, dessen Wunschmieter es erst gemeinsam in die Ferne statt in die betreffende Wohnung zog. Ob die sodann erfolgte Trennung des Paars und folgliche Absage des geplanten Mietverhältnisses vermieterseitige Ersatzsansprüche nach sich zogen, musste im Folgenden das Amtsgericht München (AG) bewerten.

Der Vermieter beauftragte einen Immobilienmakler mit der Vermietung seiner Wohnung. Nach 60 Besichtigungen verblieben zwei Paare als Bewerber übrig, die die Zustimmung des Vermieters erhielten. Der Vermieter entschied sich schließlich dazu, einem Paar ein Vertragsangebot zu machen, und teilte dem Makler mit, dass dieses die Wohnung bekommen würde. Als das Paar dann zwei Wochen später aus dem Urlaub zurückkehrte, sollte der Mietvertrag unterschrieben werden; den anderen Bewerbern wurde abgesagt. Tatsächlich jedoch kam es nicht mehr zum Abschluss des Mietvertrags, da sich das Paar zwischenzeitlich getrennt hatte. Eine anderweitige Vermietung der Wohnung erfolgte nicht zum nächsten Monat, der eigentlich vorgesehen gewesen war, sondern später. Deshalb verlangte der Vermieter nun Schadensersatz.

Das AG war hier aber auf Seiten der ursprünglich geplanten Mieter. Es gibt keinen Schadensersatz, wenn Mietbewerber wegen eines zwischenzeitlichem Beziehungsendes doch keinen Mietvertrag abschließen. Ändert ein Bewerberpaar nach Zusage der Mietwohnung seine Meinung und schließt den Mietvertrag nicht ab, kommt ein Schadensersatzanspruch zumindest dann nicht in Betracht, wenn noch kein Mietvertragsentwurf vorgelegen habe. Ohne eine Prüfbarkeit der konkreten Vertragsbedingungen kann der Vermieter nicht davon ausgehen, dass der Vertragsschluss zwischen den Parteien mit Sicherheit vorgenommen wird.

Hinweis: Trotz dieses Urteils sollten Mieter vorsichtig sein. Es gibt nämlich durchaus einen grundsätzlichen Schadensersatz für ein Verschulden vor dem eigentlichen Vertragsschluss. So sollten also auch als Mieter nichts zusagen, von dem sich nicht ganz sicher sind, dass sie es auch einhalten werden.

Quelle: AG München, Urt. v. 14.07.2020 – 473 C 21303/19

Thema: Mietrecht

Gericht ignoriert, Polizei eingeschaltet: Die Vereitelung des bestätigten Umgangsrechts kann nach Reiseverschiebung teuer werden

Wenn nach einer Trennung um die Kinder gestritten wird, ist es oftmals unklar, ob es rein um unterschiedliche Vorstellungen zum Wohl des gemeinsamen Nachwuchses oder doch eher um vergangene oder gar aktuelle Kränkungen der Erwachsenen geht. Im folgenden Fall war eine Mutter versucht, eine klare gerichtliche Entscheidung zu einer Urlaubsreise ihrer Kinder mit deren Vater per „Trick 17“ zu umgehen. Doch hier verstand das Berliner Kammergericht (KG) gar keinen Spaß.

Gemäß einer gerichtlich getroffenen Vereinbarung war der Vater im relevanten Fall dazu berechtigt, in den geraden Kalenderjahren die letzten drei Ferienwochen im Sommer mit seinen beiden Kindern zu verbringen. Er buchte eine Reise für die beiden Kinder, sich, seine neue Frau und deren Sohn für zwei Wochen zu einem Baderessort in Thailand. Nach Bombenanschlägen an vier thailändischen Orten war die Mutter mit der Reiseplanung jedoch nicht einverstanden. Der Vater hielt dagegen, die Anschläge hätten einige hundert Kilometer vom Urlaubsort entfernt stattgefunden. Schließlich versuchte die Mutter erfolglos, eine gerichtliche Eilentscheidung gegen die Reise zu erwirken – ebenso wie der Vater des Kindes der neuen Lebensgefährtin des Mannes. Die Mutter ergriff drastische Maßnahmen: Sie wandte sich am Abend vor dem Abflug per Mail an die Bundespolizei am Flughafen und erklärte, die Zustimmung zur Reise widerrufen zu haben. Daraufhin wurde ihren beiden Kindern die Ausreise verweigert. Alle fünf Personen flogen daraufhin erst einmal nicht, ließen sich vom Gericht per Eilentscheidung die Reisebefugnis bestätigen, buchten um und reisten verspätet. Der finanzielle Zusatzaufwand ließ die Reisekasse nach dieser Arie um rund 8.400 EUR schrumpfen. Geld, das die reisende Familie erstattet verlangte – und zwar zu Recht.

Das KG gab dem Begehren nämlich statt und verurteilte die Mutter dazu, dem Vater diesen Betrag vollständig zu erstatten. Wem der Umgang zusteht, der bestimmt auch, wo dieser stattfindet – auch in den Ferien, auch bei einer Fernreise. Ausnahmen gelten lediglich bei Reisen in ein politisches Krisengebiet, bei Reisewarnungen des Auswärtigen Amts und wenn durch die Reise die Kinder außergewöhnlichen Gesundheitsgefahren ausgesetzt werden. Da hier jedoch keine dieser Bedingungen vorlag, konnte die Mutter die Reise deshalb nicht verhindern. Dass sie zum Schadensersatz verpflichtet wurde, lag vor allem auch daran, dass sie die Reise trotz anderslautender Informationen gleich zweier Gerichte weiterhin zu verhindern versuchte.

Hinweis: Wenn sich zwei Gerichte gleichermaßen äußern – hier nach Einwänden sowohl der Mutter der beiden gemeinsamen Kinder als auch des Vaters des Stiefkinds -, sollte auf die Ausübung des Faustrechts besser verzichtet werden. Denn wie dem Fall zu entnehmen ist, kann diese Sturheit teuer zu stehen kommen.

Quelle: KG, Beschl. v. 18.05.2020 – 13 UF 88/18

Thema: Familienrecht

Schaden bei Hilfeleistung: Wer bei Hilfe für Dritte ein unverhältnismäßiges Risiko eingeht, kann Schadensersatzansprüche verlieren

In den Augen vieler gibt es heutzutage zu wenige Menschen, die eigeninitiativ anpacken, statt nach Verantwortlichkeiten anderer zu fragen. Dass man bei aller Tatkraft aber den eigenen Einsatz mit dem Risiko, das diesem entgegensteht, abwägen sollte, musste eine 70-Jährige vom Oberlandesgericht Köln (OLG) lernen.

Die Frau war bei ihrer Tochter zu Besuch, als hinter deren Grundstück ein Bach überzulaufen drohte, weil Reisig den Bachlauf an einer Stelle verstopft hatte. Als sie bei dem zuständigen Wasserverband niemanden erreichte, versuchte sie selbst, die Verstopfung zu beseitigen. Dabei fiel sie jedoch in den Bach, wobei sie sich Schnittwunden zuzog und ihre Brille verlor. Von dem Wasserverband verlangte die Frau nun Schmerzensgeld und Schadensersatz. Sie stützte ihre Klage dabei auf die sogenannte „Geschäftsführung ohne Auftrag“; sie habe schließlich eine Aufgabe des Wasserverbands übernommen und dabei einen Schaden erlitten.

Das sah das OLG jedoch anders. Nimmt jemand fremde Aufgaben wahr, kann er einen hieraus entstehenden Schaden zumindest in solchen Fällen nicht ersetzt verlangen, in denen das Verhältnis zwischen Anlass und Verhalten dem dabei eingegangenen Risiko unangemessen gegenübersteht.

Hinweis: Es ist also vor einer Hilfeleistung genau zu prüfen, ob diese angemessen zum Risiko steht. Nicht immer einfach, da die Zeit zu überlegen in Notfällen naturgemäß oft nicht vorhanden ist.

Quelle: OLG Köln, Urt. v. 11.02.2020 – 7 U 311/19Carola König

Thema: Sonstiges

Fitter als 1974: OLG bewertet Altersbegrenzung des BGH zu Haushaltsführungsschäden als überholt

Wie Schmerzensgeld und Schadensersatz kann auch der Haushaltsführungsschaden nach einem Verkehrsunfall geltend gemacht werden. Das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) soll Menschen den Rücken stärken, die aufgrund eines Unfalls einen solchen Schaden anmelden und diesen ohne Aussicht auf Linderung sogar dauerhaft ersetzt verlangen.

Nach einem unverschuldeten Unfall begehrte der hier Geschädigte neben Schmerzensgeld auch einen Haushaltsführungsschaden, da er nicht mehr in dem Umfang wie vor dem Unfall im Haushalt tätig sein konnte. Das bestätigte auch ein gerichtlich beauftragtes Gutachten, das dem Mann zudem keinerlei Besserung der durch den Unfall verursachten Beschwerden in Aussicht stellte. Das erstinstanzliche Landgericht (LG) verfügte daraufhin zwar die Zahlung des Haushaltsführungsschadens, lehnte aber einen entsprechenden (für die Zukunft) gestellten Feststellungsantrag ab.

Das sah das OLG als Folgeinstanz jedoch anders. Da das LG festgestellt hatte, dass der Geschädigte eine Dauerbeeinträchtigung hinsichtlich der Haushaltsführungstätigkeit erlitten habe, die sich auch nicht bessern wird, kann auch nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge davon ausgegangen werden, dass er in gleichem Umfang weiterhin eingeschränkt bleibt. Somit kann auch eine entsprechende Rente als Mindestaufwand durch ein Feststellungsurteil festgelegt werden. Das OLG hält auch eine Begrenzung des Haushaltsführungsschadens auf ein Höchstalter von 75 Jahren für nicht mehr zeitgemäß. Denn der als allgemein bekannt zu unterstellenden Tatsache, dass die Lebenserwartung der Bevölkerung und deren Selbständigkeit im Alter fortgehend ansteigt, muss auch hier Tribut gezollt werden. Demnach darf davon ausgegangen werden, dass der Geschädigte ohne das Schadensereignis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den Haushalt auch nach seinem 75. Lebensjahr noch selbständig hätte führen können – so wie die weit überwiegende Zahl der Bevölkerung auch. Etwas anderes könne nur gelten, wenn ganz konkret in der Person des Geschädigten Umstände dazu führen würden, diese überwiegende Verlaufswahrscheinlichkeit in Zweifel zu ziehen. Doch hierfür muss zum gegebenen Zeitpunkt der Schädiger oder seine Haftpflichtversicherung gegebenenfalls eine Abänderungsklage bezogen auf die neuen Gegebenheiten erheben.

Hinweis: In einer Entscheidung aus dem Jahr 1974 hat der Bundesgerichtshof (BGH) den Haushaltsführungsschaden auf die Vollendung des 75. Lebensjahres begrenzt. Die neue Rechtsprechung geht allerdings nicht mehr von dieser starren Grenze aus, sondern stellt auf die Prognose für den konkreten Einzelfall ab. Der Haushaltsführungsschaden ist als Rente im Voraus für drei Monate jeweils zu zahlen.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 24.03.2020 – 22 U 82/18

Thema: Verkehrsrecht

Verkehrssicherung in Kletterhallen: Betriebsführergesellschaft haftet für Gefahrenquellen im stark frequentierten Durchgang

Dass Menschen nicht nur weit, sondern auch hoch hinaus wollen, gehört wohl zu den Grundlagen unserer Entwicklung. Doch die in den letzten Jahren immer beliebter gewordenen Kletterhallen zeigen das Gefahrenpotential des Strebens nach selbst erklommener Höhe auf. Mit den nicht abreißen wollenden Unfallzahlen steigt auch die Fallzahl vor Gericht. Im Folgenden hatte das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) die Aufgabe, über einen besonders folgenreichen Vorfall zu entscheiden.

Ein 36 Jahre alter Mann betrat eine Kletterhalle und wurde von einem abstürzenden anderen Kletterer schwer verletzt. Durch mehrere Frakturen der Wirbelsäule ist er seitdem querschnittsgelähmt, und so klagte er deshalb auf Schadensersatz und Schmerzensgeld von mehr als 600.000 EUR.

Doch die Klage gegen den anderen Kletterer und dessen sichernde Helferin wurde mangels Nachweises eines Fehlers abgewiesen. Stattdessen ist laut OLG die Betriebsführergesellschaft der Kletteranlage zur Haftung verpflichtet. Diese hat ihre Verkehrssicherungspflicht fahrlässig verletzt, indem sie zahlreiche Kletterrouten in dem engen und häufig stark frequentierten Durchgang zwischen zwei Kletterhallen angelegt hatte. Allerdings hätte auch der Verletzte, selbst ein Kletterer, die Gefahrensituation erkennen und vermeiden können. Deswegen trifft ihn ein Mitverschulden an dem Unfall von 25 %. In einem zweiten Schritt wird nun auf der Basis dieser Quote über die Höhe der Ansprüche gegen die Betriebsführergesellschaft zu entscheiden sein.

Hinweis: Wer eine Kletterhalle besucht, begibt sich selbst in Gefahr. Doch manchmal muss eben auch der Betreiber der Kletterhalle haften. Da bleibt nur zu hoffen, dass dieser eine gute Haftpflichtversicherung hat.

Quelle: OLG Stuttgart, Urt. v. 17.03.2020 – 6 U 194/18

Thema: Sonstiges

Schadensersatzanspruch abgelehnt: Mit ausreichend erkennbaren Stolperfallen müssen Krankenhausbesucher rechnen

Wenn man schon verunfallt, scheint es zumindest Glück im Unglück zu sein, wenn das in einem Krankenhaus geschieht. Dass es jedoch auch hier nicht generell der Fall ist, am eigenen Missgeschick anderen die Schuld geben zu können, zeigt der folgende Fall des Landgerichts Köln (LG).

Eine Besucherin verletzte sich in einem Kölner Krankenhaus auf dem Weg zum Aufzug. Dabei stolperte die Frau über den Verbindungsholm einer dort aufgestellten Sitzgruppe. Nun war sie der Ansicht, das Krankenhaus hätte diese Sitzgruppe als Gefahrenquelle besser sichern müssen – sie klagte auf Schmerzensgeld, Schadensersatz, Ersatz des Haushaltsführungsschadens sowie auf Verdienstausfall.

Die Klage hatte beim zuständigen LG allerdings keinen Erfolg. Ein Besucher eines Krankenhauses muss sich auf die typischen Gegebenheiten eines Krankenhauses einstellen und auf abgestellte Betten, medizinische Geräte und auf Wartezonen mit Sitzgruppen achten. Verletzt sich ein Besucher beim Sturz über ausreichend erkennbare Teile einer Sitzgruppe, besteht daher auch kein Anspruch auf Schadensersatz.

Hinweis: Augen auf im Krankenhaus! Andere haften nicht für alle Ungeschicklichkeiten, die das Leben bietet. Selbstverantwortung gehört stets dazu.

Quelle: LG Köln, Urt. v. 23.01.2020 – 2 O 93/19

Thema: Sonstiges

Elektrokleinstfahrzeug-Verordnung: Bei einem Unfall mit einem E-Scooter muss dessen Verschulden nachgewiesen werden

Mit Zulassung der E-Scooter war klar: Da kommen neben allen hitzigen Diskussionen auch so einige Verfahren auf die deutschen Gerichte zu. Das folgende Urteil des Landgerichts Münster (LG) zeigt, dass es hier noch so einigen Klärungsbedarf zur Haftungsfrage geben wird. Doch lesen Sie selbst.

Innerorts kam es zu einem Verkehrsunfall zwischen einem Pkw und einem E-Scooter. Die Fahrerin des Pkw fuhr zuvor mit erlaubten 50 km/h auf eine ampelgeregelte Fußgängerquerung zu. Dort kam es zu einem Unfall mit einem E-Scooter Fahrer, der behauptete, die Autofahrerin habe das für sie maßgebliche Rotlichtzeichen missachtet. Diese behauptet ihrerseits, der E-Scooter-Fahrer habe bei für ihn bestehendem Rotlicht die Fahrbahn überquert.

Das LG hat der Pkw-Fahrerin keinen Schadensersatz zugesprochen und führte aus, dass eine Haftung des E-Scooter-Fahrers laut Straßenverkehrsgesetz ausgeschlossen ist. Dies sei dann der Fall, wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, dass auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 km/h fahren kann. Nach der Elektrokleinstfahrzeug-Verordnung sind Fahrzeuge im Sinne dieser Verordnung Kraftfahrzeuge mit elektrischem Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h. Genau darunter fallen eben auch E-Scooter. Ein Anspruch aus verschuldensabhängiger Haftung besteht deshalb nicht, weil die beweisbelastete Pkw-Fahrerin nicht beweisen konnte, dass der E-Scooter-Fahrer bei für ihn bestehendem Rotlicht die Fahrbahn überquert hatte. Insofern blieb auch nach Zeugenanhörungen Aussage gegen Aussage bestehen.

Hinweis: Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Hierbei handelt es sich – soweit ersichtlich – um eine erste veröffentlichte Entscheidung zu der Frage der Haftung von E-Scootern. Zutreffend weist das Gericht darauf hin, dass E-Scooter der Elektrokleinstfahrzeug-Verordnung unterfallen. Insofern ist also eine Haftung wie bei Fahrradfahrern auch nur dann gegeben, wenn dem E-Scooter-Fahrer ein Verschulden eindeutig nachgewiesen wird. Und diese Beweislast trägt die Person, die Schadensersatzansprüche geltend machen will.

Quelle: LG Münster, Urt. v. 09.03.2020 – 8 O 272/19

Thema: Verkehrsrecht

VW-Abgasskandal: Vergleich beendet Musterfeststellungsklage

Der Bundesverband der Verbraucherzentrale hatte beim Oberlandesgericht Braunschweig eine Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG wegen des Dieselabgasskandals erhoben. Laut letztem Stand des Bundesamts für Justiz haben sich ungefähr 446.000 Betroffene ins Klageregister eingetragen.

Auf Vermittlung des Vorsitzenden Richters haben sich die Verbraucherzentrale und VW am 28.02.2020 nun jedoch auf einen außergerichtlichen Vergleich verständigt. Danach verpflichtet sich die Volkswagen AG, Verbrauchern, die sich in das Klageregister der Musterfeststellungsklage eingetragen haben, eine Einmalzahlung zwischen 1.350 EUR und 6.257 EUR als Entschädigung für den entstandenen Schaden zu zahlen. Die Höhe der Entschädigungssumme beträgt etwa 15 % des Kaufpreises. Demnach wird von einer Gesamtentschädigungssumme in Höhe von 830.000.000 EUR ausgegangen.

Schadensersatz erhalten mit dem Vergleich jene Betroffenen, die bis zum 31.12.2015 ihr Fahrzeug gekauft haben, zum Zeitpunkt des Kaufs ihren Wohnsitz in Deutschland hatten und sich in das Klageregister zur Musterfeststellungsklage eingetragen haben. Um den Vergleich abschließen zu können, müssen die Betroffenen eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil II an VW schicken, nachdem VW den Betroffenen das Vergleichsangebot im Zeitraum vom 20.03. bis 20.04.2020 über eine Onlineplattform unterbreitet hat. Die Onlineplattform wird von einem Dienstleister von VW erstellt und betreut. Zudem soll die Möglichkeit bestehen, den Vergleich über ein Callcenter zu schließen. Es ist davon auszugehen, dass ab Mitte März 2020 die Betroffenen, die sich im Klageregister angemeldet haben, ein Schreiben von VW erhalten, in dem sie über das Angebot informiert werden. Zugleich erhalten sie eine persönliche Identifikationsnummer, mit der dann auf der Onlineplattform unter Eingabe der Fahrzeugidentifikationsnummer und Angabe des Kaufdatums die Ansprüche angemeldet werden können.

Nehmen die Betroffenen das Vergleichsangebot an, verzichten sie auf weitere Ansprüche, die im Zusammenhang mit der Manipulationssoftware gegenüber der VW AG oder einem zum Konzern gehörenden Unternehmen bestehen. Ausgenommen sind allerdings solche Ansprüche, die entstehen, wenn für die betroffenen Autotypen von einer Behörde – insbesondere dem Kraftfahrtbundesamt – die Genehmigung entzogen und somit die Nutzung der Fahrzeuge im Straßenverkehr untersagt wird.

Da es sich um einen außergerichtlichen Vergleich handelt, wird die Verbraucherzentrale die Musterfeststellungsklage zurücknehmen. Eine Abmeldung von der Musterfeststellungsklage ist für die Betroffenen daher nicht erforderlich.

Hinweis: Sollte der Betroffene das Vergleichsangebot von VW nicht annehmen, hat er die Möglichkeit, bis Oktober 2020 Klage gegen VW zu erheben. Dadurch, dass er sich zuvor in das Klageregister der Musterfeststellungsklage eingetragen hat, sind seine Ansprüche nicht verjährt, da insofern Hemmung eingetreten ist.

zum Thema: Verkehrsrecht

Bei drohendem Haftungsausschluss: Anwaltlicher Vertretung darf beim Abfindungsvergleich ein Ermessensspielraum eingeräumt werden

Wer sich zwischen einem Verfahren und einem Abfindungsvergleich entscheiden muss, sollte wissen, dass Letzterer den Ausschluss sämtlicher weiterer Forderungen beinhaltet. Dass es dabei wichtig ist, seinem rechtlichen Beistand und dessen Fachkenntnis zu vertrauen, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).

Eine Frau war bei einem Verkehrsunfall verletzt worden. Ein Arzt operierte sie deshalb, obwohl keine entsprechende medizinische Indikation vorlag. Deshalb ging die Frau zu ihrer Rechtsanwältin, um Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend zu machen. Die Rechtsanwältin führte mit der Haftpflichtversicherung des Arztes Gespräche, und letztendlich unterschrieb sie eine Abfindungserklärung im Namen der Geschädigten. Diese erhielt also Geld, musste dafür aber auf weitere Ansprüche verzichten. Damit wiederum war die verletzte Frau im Nachhinein nicht einverstanden. Bei einer ihrer Ansicht nach korrekten Aufklärung hätte sie dem Vergleich nicht zugestimmt – es wäre ein wesentlich höherer Anspruch möglich gewesen. Deshalb verklagte sie ihre Rechtsanwältin, allerdings ohne Erfolg.

Das OLG bestätigte zwar, dass Rechtsanwälte ihre Mandanten vor Abschluss eines Abfindungsvergleichs über dessen Bedeutung und Inhalt umfassend belehren müssen. Doch das war hier nach Ansicht der Richter geschehen: Es bestand hier nämlich durchaus die reale Gefahr, dass die Haftpflichtversicherung des in Anspruch genommenen Arztes wegen dessen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls vollständig die Regulierung hätte ablehnen können. Dieser Umstand sprach dafür, der Mandantin zum Abschluss des Vergleichs zu raten. Sonst hätte diese vielleicht gar nichts erhalten. Deshalb hatte die Rechtsanwältin keine Pflichtverletzung begangen und ihre Mandantin über die Tragweite des Abfindungsvergleichs hinreichend aufgeklärt.

Hinweis: Betroffene sollten grundsätzlich dem Rat des Anwalts ihres Vertrauens folgen. Daneben schadet es natürlich nicht, sich auch selbst Gedanken zu machen. Und zeitlich unter Druck sollten sich Mandanten niemals setzen lassen.

Quelle: OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 03.12.2019 – 8 U 129/18

Thema: Sonstiges

Fiktive Mängelbeseitigungskosten: Wer den Schaden tatsächlich beseitigt, den schließt die neuere Rechtsprechung des BGH aus

Bestimmte Konstellationen berücksichtigt manchmal selbst der Bundesgerichtshof (BGH) in seinen Entscheidungen nicht gänzlich. Gut, dass die umsetzenden Gerichte – wie hier das Landgericht Nürnberg-Fürth (LG) – ein wachsames Auge auf die lebensnahe Anwendung der Regelungen haben. Im folgenden Fall durfte sich ein Verbraucher darauf verlassen, der die zur Mängelbeseitigung notwendigen Kosten einklagte.

Der Mann kaufte Ende 2013 Parkettdielen und den dazugehörigen Kleber. Im Sommer 2016 löste sich das Parkett dann an mehreren Stellen, weil der Klebstoff nicht die notwendige Festigkeit hatte, um die Parkettdielen dauerhaft mit dem Unterboden zu verbinden. Der Mann forderte deshalb von der Verkäuferin die zur Mangelbeseitigung erforderlichen Kosten. Diese bestünden insbesondere aus dem Neuverlegen des Parkettbodens, dem Aus- und Einräumen der Möbel und Kosten für die Elektro- und Sanitärarbeiten sowie für Maurer- und Malerarbeiten.

Die Kosten klagte er erfolgreich ein. Denn auch nach Auffassung des LG hatte er einen Anspruch auf Schadensersatz. Insbesondere durch die Mangelhaftigkeit des Klebers und eine erfolglose Nachfristsetzung waren die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs gegeben. Der Käufer kann den Ersatz der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten verlangen, vor Durchführung der Maßnahme als Nettobetrag ohne Umsatzsteuer.

Die neuere Rechtsprechung des BGH, nach der eine solche fiktive Schadensberechnung für die Mangelbeseitigung im Werkvertragsrecht nicht mehr zulässig sei, steht der Schadensberechnung anhand der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten dabei nicht entgegen. Der BGH begründete die Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung damit, dass eine abstrakte Schadensberechnung das Leistungsdefizit im Werkvertragsrecht nicht zutreffend abbildet und häufig zu einer Überkompensation führt. Er ging jedoch dabei auch davon aus, dass der Kläger die Mängel gar nicht beseitigen lässt und insbesondere das Werk – also die mangelhafte Ware – selbst behält. Beides ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die vom BGH beschriebene Überkompensation tritt hier also nicht ein.

Hinweis: Der Käufer konnte hier also Schadensersatz in Höhe der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten verlangen, weil er nachweislich das Parkett neu verlegen wollte.

Quelle: LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 04.06.2019 – 6 O 7787/18

Thema: Mietrecht