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Schlagwort: Schadensersatz

Verwechslung der Samenspender: Mutter bekommt Schadensersatz wegen körperlich-psychologischer Belastung

Auch wenn Samenspenden zur Geburt gesunder Kinder führen, gibt es so einiges, das dabei schieflaufen kann. Wie schwer die seelischen Folgen wiegen könne, musste im folgenden Fall das Oberlandesgericht Hamm bewerten.

 

Eine in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft lebende Frau ließ sich künstlich mit dem Samen eines unbekannten Spenders befruchten. Das Kind nahmen sie und ihre Lebensgefährtin als gemeinschaftliches Kind an. Etwa ein Jahr später ging die Frau erneut zu ihrer Ärztin und wünschte eine erneute Samenspende zur Zeugung eines weiteren Kindes. Wichtig war ihr dabei, dass das Sperma von demselben Spender abstammen sollte wie bei ihrer zuvor geborenen Tochter. Sie wollte nämlich Vollgeschwister haben. Etwa drei Jahre später erfuhr sie dann, dass ihre Kinder jedoch mit den Samen unterschiedlicher Spender gezeugt worden waren. Da sich bei ihr erhebliche körperlich-psychologische Belastungssituationen gezeigt hätten, wollte die Frau Schadensersatz von der Ärztin erhalten. Und da ein Sachverständiger die behaupteten gesundheitlichen Folgen bei der Frau tatsächlich feststellen konnte, erhielt die Mutter 7.500 EUR.

Hinweis: Die Verwechslung einer Samenspende durch den Arzt kann also in besonderen Fällen tatsächlich zu einem Schmerzensgeld führen. Sicherlich kein alltäglicher Fall, der jedoch aufzeigt, dass vor körperlichen Eingriffen stets mindestens zweimal nachgefragt werden sollte, ob alles den gewünschten Gang geht.

Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 19.02.2018 – 3 U 66/16

Thema: Sonstiges

Grob fahrlässiger Fußgänger: In Fragen der Mithaftung gilt der „besonders vorsichtige Fahrer“ als Maßstab

Fährt ein Auto einen Fußgänger an, trifft den motorisierten Verkehrsteilnehmer regelmäßig ein hoher Schuldanteil, wenn nicht sogar der komplette. Wenn ein Fußgänger jedoch nachts bei Regen grob fahrlässig eine Fahrbahn betritt und dabei zu Schaden kommt, mag man meinen, dass ein unterhalb der zulässigen Höchstgeschwindigkeit fahrender Autofahrer daran als völlig schuldlos zu betrachten sei. Doch wie so oft trügt auch hier das erste Bauchgefühl. Das beweist der folgende Fall des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG).


Ein durch einen Unfall verletzter Fußgänger verlangte von einem Pkw-Fahrer Schadensersatz, nachdem es bei Dämmerung und starkem Regen außerorts zu einem Unfall gekommen war. Der Autofahrer war mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h bei erlaubten 100 km/h mit dem von rechts kommenden Mann kollidiert.

Nach Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens hat das OLG entschieden, dass den Pkw-Fahrer durchaus eine Haftung aus der sogenannten Betriebsgefahr trifft, und diese mit 20 % bewertet. Der Unfall ist zwar überwiegend durch das Fehlverhalten des Fußgängers verursacht worden, der auf die Fahrbahn trat, ohne den bevorrechtigten Fahrzeugverkehr passieren zu lassen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen war der Pkw für den Fußgänger schließlich bereits aus einer Entfernung von 60 m erkennbar. Der Fußgänger ist somit gewissermaßen blindlings auf die Fahrbahn getreten, was in der Rechtsprechung in der Regel als grob fahrlässig angesehen wird.

Doch der Senat ist auch zu einer Mithaftung des Pkw-Fahrers von 20 % gekommen, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stets zu prüfen ist, ob ein Idealfahrer bei weit vorausschauender und überobligatorisch vorsichtiger Fahrweise den Unfall hätte verhindern können. Und nach den Feststellungen des Sachverständigen war hier durchaus denkbar, dass ein besonders vorsichtiger Fahrer bei genauer Beobachtung der Fußgänger die Geschwindigkeit tatsächlich noch weiter reduziert und sich so in die Lage versetzt hätte, auf das Fehlverhalten des Fußgängers zu reagieren und somit die Kollision zu vermeiden.

Hinweis: Das Urteil macht einerseits klar, dass selbst vorsichtige Faher bei einer Kollision mit einem Fußgänger mit einer Mithaftung rechnen müssen. Andererseits verdeutlicht es, welche besonderen Sorgfaltsanforderungen Fußgänger beim Überqueren von Fahrbahnen treffen. So muss an nicht besonders vorgesehenen Überquerungsstellen auf den bevorrechtigten Verkehr Rücksicht genommen werden und bei Annäherung eines Fahrzeugs gewartet werden. Es darf insbesondere nicht versucht werden, noch kurz vor einem herannahenden Kraftfahrzeug die Fahrbahn zu überqueren.

Quelle: OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.04.2018 – I-1 U 196/14

Thema: Verkehrsrecht

Falsch geparkt und kaputt: Die Haftungsfolgen sind auch bei Schäden im Parkverbot klar geregelt

Man sollte annehmen, dass ein Kollisionsschaden an einem im Halteverbot abgestellten Fahrzeug unter dem Motto „selbst schuld“ zu verbuchen sei. Dass man hier schnell einem Irrtum aufsitzt, zeigt der folgende Fall, den das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) zu entscheiden hatte.

 

Der Geschädigte hatte sein Fahrzeug unmittelbar hinter einer die Fahrbahn verengenden Verkehrsinsel im Halteverbot am rechten Straßenrand geparkt. Bei Dunkelheit stieß ein Autofahrer ungebremst gegen die hintere linke Ecke dieses widerrechtlich abgestellten Fahrzeugs.

Nach Auffassung des OLG hat der Geschädigte durchaus einen Anspruch auf Schadensersatz – und zwar in Höhe von 75 %. Natürlich trifft den Mann jedoch eine Mithaftung, da der Unfall mit überwiegender Wahrscheinlichkeit hätte vermieden werden können, wenn dieser sein Fahrzeug nicht im Park- und Halteverbot abgestellt hätte. Aber auch in solchen Fällen überwiegt in der Regel der sogenannte Verursachungsanteil des fahrenden Verkehrsteilnehmers. Denn dieser kann bei Tageslicht ein verkehrswidrig parkendes Fahrzeug in der Regel wahrnehmen und bei entsprechender Aufmerksamkeit einen Zusammenstoß ohne weiteres verhindern. Hier war allerdings zu berücksichtigen, dass sich der Unfall bei Dunkelheit ereignet hatte und das Fahrzeug des Geschädigten unmittelbar nach der Verkehrsinsel und der dadurch bedingten Fahrbahnverengung in einem gefährdeten Bereich abgestellt war.

Hinweis: Regelmäßig wird die Mithaftung desjenigen, der sein Fahrzeug im Halteverbot abgestellt hat, mit 25 % bewertet. Gleiches kann bei unerlaubtem Parken in zweiter Reihe gelten.

Quelle: OLG Frankfurt, Urt. v. 15.03.2018 – 16 U 212/17

Thema: Verkehrsrecht

Auffahrunfälle auf Autobahnen: Bei unklarem Ablauf mit Spurwechseln kommt es regelmäßig zur Haftungsverteilung

Bei Auffahrunfällen auf einer Autobahn kommt der Anscheinsbeweis dann nicht zur Anwendung, wenn zwar feststeht, dass vor dem Unfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs stattgefunden hat, der Sachverhalt im Übrigen aber nicht aufklärbar ist.

Auf einer Autobahn musste ein Autofahrer verkehrsbedingt abbremsen, woraufhin ihm der dahinter befindliche Transporter auffuhr. Der Fahrer des wiederum dahinter folgenden Fahrzeugs fuhr dann seinerseits auf den Transporter auf und erklärte, dessen Fahrer hätte unmittelbar vor ihm mit einem Abstand von einer Fahrzeuglänge die Spur gewechselt und anschließend sofort gebremst. Nur deshalb sei es zu dem zweiten Auffahrunfall gekommen.

Das Amtsgericht Kiel (AG) hat dem Halter des zweiten auffahrenden Pkw Schadensersatz von 50 % zugesprochen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war nicht zu klären, ob es zu dem zweiten Auffahrunfall deshalb kam, weil der Fahrer des Transporters unmittelbar zuvor die Spur gewechselt hatte, oder ob der Fahrer des ihm folgenden Pkw aus Unachtsamkeit oder aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit aufgefahren war. Neutrale Zeugen, die den Unfallhergang beobachtet haben, standen nicht zur Verfügung.

Lässt sich allein nur der Auffahrunfall an sich feststellen, sich aber nicht aufklären, ob es sich um einen typischen Auffahrunfall handelt, oder ob dem Unfallgeschehen ein Spurwechsel des Vorausfahrenden unmittelbar vorausgegangen ist, kommen die Regeln über den Anscheinsbeweis nicht zur Anwendung – zumal wenn sich der Unfall auf einer Bundesautobahn ereignet hat. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass unklar geblieben ist, ob der Fahrer des nachfolgenden Pkw bereits so lange in einer Spur hinter dem Transporter hergefahren ist, dass sich beide Fahrer auf die vorangegangene Fahrbewegung hätten einstellen können.

Hinweis: Das Urteil des AG entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Zwar spricht gegen denjenigen, der auf den Vorausfahrenden auffährt, der Beweis des ersten Anscheins. Dieser Grundsatz ist aber gerade bei Unfällen auf einer Autobahn nicht anzuwenden, wenn ein vorausgegangener Spurwechsel nicht auszuschließen ist. 
  
 Quelle: AG Kiel, Urteil vom 27.03.2018 – 115 C 444/17

Thema: Verkehrsrecht

Kontrolle bei Abwesenheit: Weder Mieter noch Eigentümer sind zu mehrfachen Kontrollen in der Woche verpflichtet

In diesem Fall des Bundesgerichtshofs (BGH) geht es um die Frage, welche Pflichten zur Kontrolle der Wohnung bei einer längeren Abwesenheit bestehen.

Eine Frau besaß in Deutschland eine Dachgeschosswohnung in einem Mehrfamilienhaus, lebte aber auf Mallorca. Sie beauftragte eine Firma mit Sanitär- und Heizungsarbeiten. Diese wurden im März durchgeführt und im Juni wurde festgestellt, dass sich auf dem gesamten Fußboden eine 1 cm hohe Wasserschicht befand, wodurch der Fußboden völlig durchnässt und Wände und vier Türzargen beschädigt worden waren. Für die Beseitigung der Wasserschäden und den Schadensersatz für Mietausfall sowie die Gutachterkosten verlangte die Eigentümerin der Wohnung über 40.000 EUR von der beauftragten Sanitär- und Heizungsfirma.

Der BGH entschied, dass die Klage nicht mit der Erwägung abgewiesen werden kann, die Eigentümerin habe wegen eines überwiegenden Mitverschuldens den Schaden allein zu tragen, weil sie die unbewohnte Wohnung für einen mehrmonatigen Zeitraum unbeaufsichtigt gelassen hatte. Welche Maßnahmen zur Verhinderung eines (erheblichen) Wasserschadens der Eigentümer einer unbewohnten Wohnung bei einer längeren Abwesenheit zu treffen hat, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls – etwa nach dem Alter des Anwesens und seiner Versorgungsleitungen, nach der Aufteilung der Wohneinheiten, nach der Umgebung des Hauses sowie nach der jeweiligen jahreszeitlichen Witterung. Es sind allerdings in einer unbewohnten Wohnung nicht wöchentlich mehrmalige Kontrollen geboten und üblich – auch nicht während eines Kurzurlaubs oder einer Dienstreise.

Hinweis: Ein gutes Urteil auch für Mieter. Sie sind weder bei einer Dienstreise noch bei einem Kurzurlaub verpflichtet, für mehrfache Kontrollen in der Woche in der Wohnung zu sorgen, um einen möglichen Wasserschaden abzuwenden. Andererseits: Das Abdrehen des Wassers kann bei einem mehrtägigen Aufenthalt vor großen Schäden schützen. Warum also nicht den Hauptwasserhahn der Wohnung einfach mal zudrehen?

Quelle: BGH, Urt. v. 25.01.2018 – VII ZR 74/15

Thema: Mietrecht

Nur bei höherer Gewalt: Bei Verwicklung in einen unverschuldeten Unfall ist der Haftungsausschluss nicht selbstverständlich

Höhere Gewalt ist ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter (betriebsfremder) Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis. Ein solches Ereignis kann mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch nicht durch äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt verhütet werden und muss auch nicht im Hinblick auf seine Häufigkeit in Kauf genommen werden.

Ein Mann war unverschuldet in einen Unfall verwickelt worden, infolge dessen sein Fahrzeug gegen eine Ampelanlage geschleudert wurde, so dass Sachschaden entstand. Nun fordert die Bundesrepublik Deutschland  von dem Fahrzeughalter bzw. dessen Haftpflichtversicherung Schadensersatz wegen der Beschädigung einer Ampelanlage auf einer Bundesstraße.

Nach Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) besteht gleichwohl eine (Mit-)Haftung, weil die Haftung für den Halter des betroffenen Pkw nicht durch höhere Gewalt ausgeschlossen war. Höhere Gewalt im Sinne des Gesetzes liegt nur bei einem betriebsfremden Eingriff von außen vor, der außergewöhnlich und nicht abwendbar ist. Alle drei Voraussetzungen müssen zusammen vorliegen. Hier fehlt es bereits an einem von außen kommenden, betriebsfremden Ereignis. Vielmehr handelte es sich bei dem Unfall um die Realisierung eines typischen Betriebsrisikos im Straßenverkehr, nämlich um die Kollision zweier Fahrzeuge im Kreuzungsbereich zweier Straßen. Dabei ist unerheblich, dass der in Anspruch genommene Halter des Pkw die Kollision nicht verschuldet hatte. Hier hat sich vielmehr das typische Betriebsrisiko der Teilnahme eines Fahrzeugs am Straßenverkehr realisiert.

Hinweis: Das OLG hat zutreffend unter Hinweis auf den Begriff der höheren Gewalt eine Mithaftung im vorliegenden Fall angenommen. Hieraus darf allerdings nicht der Rückschluss gezogen werden, dass eine Mithaftung nur dann ausgeschlossen ist, wenn höhere Gewalt vorliegt. Kommt es zu einem Verkehrsunfall, an dem mindestens zwei Pkw beteiligt waren, ist danach zu fragen, wer den Unfall verursacht hat und ob sein Verschulden gegebenenfalls derart überwiegt, dass eine Mithaftung des anderen ausgeschlossen ist.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschl. v. 01.11.2017 – 7 W 39/17

Thema: Verkehrsrecht

Verletzung der Aufsichtspflicht: Klären Eltern ihr neunjähriges Kind nicht ausreichend über Gefahren auf, haften sie im Ernstfall

Allgemein gilt, dass Eltern für ihre Kinder haften. Doch ganz so pauschal gilt das nicht. Wenn Eltern ihre Kinder altersentsprechend frei sich bewegen lassen, dann sind sie für eintretende Schäden nicht ohne weiteres verantwortlich.

Das zeigt sich an einem Fall, den das Landgericht Wuppertal (LG) zu entscheiden hatte. Eine Neunjährige fuhr mit dem Fahrrad in Begleitung ihres knapp achtjährigen Bruders von der Sportstunde nach Hause. Dabei fuhr sie schließlich in einen geparkten Pkw, dessen Halter die Eltern des Mädchens auf Schadensersatz verklagte.

 

Doch allein der Umstand, dass die Eltern ihr Kind unbeaufsichtigt vom Sport nach Hause fahren ließen, als es zu dem Vorfall kam, führe laut LG nicht automatisch zu einem Schadensersatzanspruch. Einem neunjährigen Kind attestiert das Gericht die Fähigkeit, ein Rad sicher zu führen. An einer Verkehrserziehung habe es im Zweifel teilgenommen und verfüge auch über eine gewisse ausreichende Fahrpraxis. Auf bekannten Wegen – wie denen zwischen Schule und zu Hause – könne es deshalb unbeaufsichtigt fahren. Wenn es dennoch zu einem Unfall komme, so sei es nicht möglich, die Eltern wegen Verletzung der Aufsichtspflicht zur Verantwortung zu ziehen.

Aber – und das war vorliegend das Besondere: Die Aufsichtspflicht der Eltern umfasse auch die Pflicht, darauf zu achten, dass das Fahrrad des Kindes technisch in Ordnung ist und das Kind beim Fahren geeignete Kleidung trägt. Ferner sei es unerlässlich, dass die Eltern ihr Kind darauf hinweisen, dass das Fahren mit ungeeigneter Kleidung und einem technisch unsicheren Rad Gefahren mit sich bringe.

Im entschiedenen Fall trug das Mädchen eine Jogginghose und das Rad hatte keinen Kettenschutz (Schutzblech). Die mit diesen Umständen einhergehende Gefahr hatte sich realisiert: Die Hose geriert „in die Kette“, das Kind schaute runter, versuchte, die Hose zu befreien, und fuhr genau dabei in das stehende Fahrzeug. Für diesen Schaden hatten die Eltern dann in der Tat geradezustehen – und das wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht.

Hinweis: Richten Kinder einen Schaden an, so haften die Eltern nicht automatisch. Dafür bedarf es stets einer konkreten Aufsichtspflichtverletzung.

Quelle: LG Wuppertal, Urt. v. 17.10.2017 – 16 S 19/17
Thema: Familienrecht

„Selbstverständlich ohne Garantie“: Außer bei arglistiger Täuschung können beim Privatkauf alle Gewährleistungen ausgeschlossen sein

Die Parteien eines Privatkaufvertrags können durch Individualvereinbarung sämtliche Gewährleistungsansprüche wirksam ausschließen. Die Formulierung in einem eBay-Inserat, dass „selbstverständlich ohne Garantie“ verkauft werden solle, kann auch von einem juristischen Laien nur in dieser Weise verstanden werden.

Ein Lkw aus ehemaligen NVA-Beständen wurde über eBay verkauft. Nach der Versteigerung schlossen Käufer und Verkäufer einen vom Käufer vorbereiteten schriftlichen Kaufvertrag über das Fahrzeug unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung ab. Das Fahrzeug aus dem Jahr 1984 war vor Unterzeichnung des Kaufvertrags gestartet und warmgefahren worden. Kurz vor der Unterzeichnung des Vertrags ging der Motor aus und ließ sich nicht mehr starten. Der Käufer erklärte gleichwohl, dass er das Fahrzeug nehmen werde. Nach Unterzeichnung des Kaufvertrags konnte das Fahrzeug dann wieder gestartet werden. Der Käufer stellte allerdings fest, dass es max. 40 km/h fährt. Daraufhin hat er den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten.

Das Landgericht Itzehoe vertritt die Auffassung, dass die Kaufvertragsparteien einen wirksamen Gewährleistungsausschluss vereinbart haben. Dies ergibt sich zum einen aus dem unterzeichneten schriftlichen Kaufvertrag, aber auch aus der Anzeige des Verkäufers bei eBay, wo der eindeutige Hinweis enthalten war, das „selbstverständlich ohne Garantie“ verkauft werde. Dies konnte der Käufer nur so verstehen, dass ein Ausschluss jedweder Gewährleistungsansprüche vereinbart werden sollte. Im Übrigen sei der vom Käufer behauptete Kupplungsschaden nicht bewiesen worden. Unabhängig hiervon sei auch nicht zu erkennen, dass der Verkäufer diesen gekannt oder für möglich gehalten hat, denn das Fahrzeug wurde dem Käufer mit laufendem Motor für eine Probefahrt angeboten. Wenn der Käufer dann aber den Kaufvertrag unterzeichnet, ohne überhaupt eine Probefahrt durchgeführt zu haben, geht dies auf sein eigenes Risiko und lässt auch nicht ansatzweise auf eine betrügerische Absicht des Verkäufers schließen.

Hinweis: Anders als in einem Kaufvertrag mit einem Händler können bei einem privaten Kauf Gewährleistungsansprüche wie Schadensersatz, Wertminderung oder auch ein Rücktritt vom Kaufvertrag ausgeschlossen werden. In diesem Fall sind Gewährleistungsansprüche nur dann gegeben, wenn dem Verkäufer ein arglistiges Verschweigen von Mängeln nachgewiesen werden kann.

Quelle: LG Itzehoe, Urt. v. 28.07.2017 – 1 S 5/16

Thema: Verkehrsrecht

Sturz auf Fluggastbrücke: Das Recht auf Schutz vor Gefahren schließt auch das Be- und Entsteigen eines Flugzeugs ein

Die Rechte von Fluggästen sind in den vergangenen Jahren nicht nur in Sachen Verspätungen enorm erweitert worden – auch bei Unfällen außerhalb ihrer Flugzeuge gibt es nun ein Urteil, das die Luftverkehrsunternehmen zu mehr Sorgfalt in der Verkehrssicherung anhält.

Ein Ehepaar hatte einen Flug von Düsseldorf nach Hamburg gebucht. Beim Einsteigen rutschte die Frau auf einer feuchten Stelle der Fluggastbrücke aus und erlitt einen Bruch der Kniescheibe. Sie machte Schadensersatz für aufgewendete Heilungskosten und die erlittene Erwerbsunfähigkeit sowie eine Entgeltfortzahlung und Schmerzensgeld geltend. Und tatsächlich erhielt sie zunächst im Grundsatz recht. Die Fluggastbrücke birgt wegen des konstruktionsbedingt fehlenden Handlaufs, des abhängigen Gefälles und durch die Gefahr von Kondenswasserbildung spezifische Risiken, vor denen die gesetzlich angeordnete Gefährdungshaftung den Reisenden schützen soll. Kommt der Reisende zu Schaden, weil eine dieser Gefahren eintritt, muss das Luftverkehrsunternehmen hierfür einstehen, soweit nicht ein Mitverschulden des Reisenden vorliegt. Eben diesen Umstand muss das Berufungsgericht nun noch prüfen, das vom Bundesgerichtshof damit erneut betraut wurde.

Hinweis: Fluggesellschaften werden immer mehr zur Verantwortung gezogen. Nun haften sie auch für Unfälle außerhalb ihrer Flugzeuge. Bei Verspätungen sollten Fluggäste ohnehin stets prüfen, ob ihnen Geld zustehen könnte.

Quelle: BGH, Urt. v. 21.11.2017 – X ZR 30/15
Sonstiges

Steinschlag durch Lkw: Stellt die Unfallursache ein unabwendbares Ereignis dar, sind Schadensersatzansprüche nichtig

Wenn ein auf der Straße liegender Stein von einem Lkw aufgewirbelt und auf ein nachfolgendes Fahrzeug geschleudert wird, kann dies trotz womöglich böser Folgen ein unabwendbares Ereignis darstellen.

Ein auf der Fahrbahn liegender Stein wurde durch einen Lkw aufgewirbelt und auf das ihm folgende Fahrzeug geschleudert. Dieses wurde dadurch beschädigt, woraufhin dessen Halter nachvollziehbarererweise Schadensersatz verlangte. Doch das Landgericht Nürnberg-Fürth hat seine Schadensersatzansprüche abgelehnt – denn nach dessen Ansicht handelte es sich bei der Unfallursache um ein sogenanntes unabwendbares Ereignis.

Die Schädigung ereignete sich zwar in einem Baustellenbereich; für den Lkw-Fahrer war allerdings nicht erkennbar, dass auf der Straße Steine lagen – nach Auffassung des Gerichts auch nicht im Widerspruch. Zum einen sind die Bauarbeiten im fraglichen Bereich neben der noch zum Verkehr freigegebenen Spur durchgeführt worden, so dass nicht zwingend mit einer Verschmutzung der Fahrbahn zu rechnen war. Zum anderen ereignete sich der Schadensfall im einspurigen Brückenbereich neben den eigentlichen Fahrspuren. Damit war im streitgegenständlichen Baustellenbereich nicht mit lose herumliegenden Steinen zu rechnen und eine Gefährdung Dritter durch einen hochgeschleuderten Stein nicht voraussehbar.

Hinweis: Als unabwendbar gilt ein Ereignis dann, wenn ein sogenannter Idealfahrer jede nach den Umständen gebotene Sorgfalt beachtet hat. Ist ein auf der Straße liegender Stein nicht erkennbar, ist eine Haftung nach ständiger Rechtsprechung nicht gegeben, wenn dieser hochgeschleudert wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn für den vorausfahrenden Kraftfahrer erkennbar hätte sein müssen, dass sich auf der Straße Steine befinden. Denn dann gilt, was im Verkehr allgemeinhin zwingend ist: Er muss seine Fahrweise den Straßenverhältnissen entsprechend anpassen.

Quelle: LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 30.03.2017 – 2 S 2191/16
 Verkehrsrecht