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Schlagwort: Schadensersatz

Glatter Kundenparkplatz: Selbst bei allgemeiner Glättebildung besteht keine uneingeschränkte Räum- und Streupflicht

Wer angesichts des nahenden Wintereinbruchs bald wieder an die Räumgeräte muss, sollte das folgende Urteil kennen. Hier ging die Frage, wann und wie ein Winterdienst den Kundenparkplatz eines Lebensmittelmarkts zu räumen hat, bis vor den Bundesgerichtshof (BGH).

Ein Lebensmittelgeschäft beauftragte für seinen Kundenparkplatz ein Unternehmen mit dem Winterdienst. Als eine Kundin auf dem Parkplatz ihren Wagen abstellte, rutschte sie beim Aussteigen auf einer über Nacht gefrorenen Pfütze aus. Sie zog vor Gericht und verlangte von dem Winterdienstunternehmen Schadensersatz. Doch beim BGH war damit Schluss.

Eine Streupflicht bestand weder für das beauftragte Unternehmen noch für den Lebensmittelmarkt. Es lag nämlich weder eine allgemeine Glätte noch eine erkennbar und ernsthaft drohende Gefahr durch vereinzelte Glättestellen vor. Und selbst bei allgemeiner Glättebildung besteht keine uneingeschränkte Räum- und Streupflicht – diese richtet sich nämlich immer nur nach den Umständen des Einzelfalls. Die Streupflicht soll dabei nur wirkliche Gefahren beseitigen, nicht aber bloßen Unbequemlichkeiten vorbeugen. Außerdem kommt es darauf an, was dem Pflichtigen zumutbar ist. Hier konnten die Kunden nicht davon ausgehen, dass der Parkplatz ständig geräumt und gestreut wird. Denn durch die Tatsache, dass der Parkplatz nicht nur von Kunden, sondern auch von Anwohnern genutzt werde, könne vor der Markteröffnung nicht gewährleistet werden, dass die Stellflächen frei seien und mit zumutbarem Aufwand gestreut werden können.

Hinweis: Eine uneingeschränkte Streupflicht auf einem Parkplatz eines Lebensmittelmarkts besteht demnach nicht, wenn durch eine ständige Benutzung des Parkplatzes die maschinelle Bestreuung des Parkplatzes nicht möglich ist und die Bestreuung per Hand mit einem unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist.

Quelle: BGH, Urt. v. 02.07.2019 – VI ZR 184/18

Thema: Mietrecht

Tankstellenhaftung: Kein Schadensersatz bei durch Scheibenabzieher selbst zerkratzter Motorhaube

Tankstellenbetreiber müssen dafür Sorge tragen, dass ihre Serviceangebote keinerlei Schäden verursachen. Was in der Theorie so logisch klingt, birgt in der Praxis einige Tücken, wie im folgenden Fall des Landgerichts Coburg (LG), bei dem ein Autofahrer eine zerkratzte Motorhaube zu beklagen hatte.

Ein Mann wollte sein Auto in der Waschanlage einer Tankstelle reinigen lassen. Zuvor wollte er seinen Wagen noch von Vogelkot befreien und behalf sich dabei eines Scheibenabziehers, den der Tankstellenbetreiber für die Reinigung von Scheiben zur Verfügung stellte. Es kam, wie es kommen musste: Der Scheibenabzieher zog nicht nur den Vogelkot, sondern auch Lack von der Motorhaube. Ein 1.000 EUR teurer Umstand, den der Mann nicht zu akzeptieren bereit war, ebenso wenig wie das Urteil der Erstinstanz, keinen Anspruch auf Schadensersatz zu haben.

Doch wie bereits die Vorinstanz wies auch das LG die Klage ab. Danach trifft den Geschädigten ein so großes Mitverschulden, dass er im Ergebnis keinen Schadensersatz verlangen kann. Zur Begründung wird ausgeführt, dass sich der Schwamm offensichtlich schon deutlich erkennbar aus der Metallschiene gelöst hatte, bevor der Geschädigte ihn benutzte. Der vom Gericht bestellte Sachverständige bestätigte zudem, dass der Geschädigte den Wischer in einem völlig unüblichen Winkel von 45° mit einigem Druck immer wieder über die Motorhaube gezogen haben muss. Wenn er den Schwamm – wie vorgesehen – flach über die Motorhaube geführt hätte, wäre es zu den Kratzern gar nicht erst gekommen. Auch die Behauptung des Geschädigten, der Schwamm sei anfangs noch intakt gewesen und habe sich erst beim Wischen völlig überraschend von der Metallschiene gelöst, überzeugte das LG nicht. Wenn schon nach seinem eigenen Vortrag der Wischer zunächst in einem optisch einwandfreien Zustand war und sich erst während der Benutzung durch den Kläger von der Metallschiene gelöst hatte, scheidet eine Pflichtverletzung des beklagten Tankstellenbetreibers erst recht aus.

Hinweis: Eine Haftung des Tankstellenbetreibers konnte sich nur aus einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ergeben. Im Rahmen dieser war der Betreiber aber nur verpflichtet, den Wischer regelmäßig zu kontrollieren, zu mehr als einer Sichtprüfung jedoch nicht.

Quelle: LG Coburg, Urt. v. 15.03.2019 – 33 S 70/18

Thema: Verkehrsrecht

Patchworkfamilien: Stiefeltern übernehmen stillschweigend die bestehende Aufsichtspflicht leiblicher Eltern

Ein Teil der elterlichen Sorge ist, dass Eltern in gewissen Grenzen dafür Sorge zu tragen haben, dass sich ihre minderjährigen Kinder nichts zuschulden kommen lassen. Was mit dieser Aufsichtspflicht passiert, wenn ein Elternteil mit dem Kind bei einem neuen Partner lebt, musste das Landgericht Frankfurt am Main (LG) kürzlich bewerten.


Ein 12-Jähriger lud sich mittels Filesharings illegal ein Computerspiel herunter. Sein Stiefvater, in dessen Haushalt der Junge wohnte, wurde daraufhin aufgefordert, eine Unterlassungserklärung abzugeben und Schadensersatz sowie Abmahnkosten zu zahlen. Da der Stiefvater die Zahlung verweigerte, wurde er verklagt.

Da kein Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Stiefkind und seinem Stiefvater besteht, existiert rein gesetzlich auch keine Aufsichtspflicht, die der Stiefvater verletzt haben könnte. Wohl aber hat der Stiefvater laut Ansicht des Gerichts stillschweigend und vertraglich die bestehende Aufsichtspflicht der Mutter für diese übernommen. Eine Ausnahme läge nur vor, wenn beide Partner vereinbart hätten, dass sämtliche Ge- und Verbote dem Kind gegenüber allein vom leiblichen Elternteil ausgesprochen werden. In einem solchen Fall läge keine vertragliche Aufsichtspflicht des Stiefelternteils vor. So etwas ist aber eher ungewöhnlich und lag vor allem im zur Entscheidung anstehenden Fall nicht vor.

Dennoch haftete der Stiefvater in diesem Fall nicht. Denn im Alter von zehn oder elf Jahren war dem Kind von der Mutter und dem Stiefvater erklärt worden, dass es nichts Illegales aus dem Internet runterladen dürfe. Mehr musste nicht geschehen. Dass das Kind dennoch dem Verbot zuwider handelte, führte zu keiner Haftung des Stiefvaters.

Hinweis: Patchworkfamilien werden demnach jedenfalls teilweise wie „normale“ Familien behandelt. Wichtig ist es also, zu wissen, dass damit auch die normalen Pflichten seitens der Stiefeltern gelten und man sich nicht damit zurückziehen kann, gesetzlich nicht „normaler“ Elternteil zu sein.

Quelle: LG Frankfurt am Main, Urt. v. 11.04.2019 – 2-03 S 2/18

Thema: Familienrecht

Mietpreisbremse unwirksam: Formeller Fehler führt nicht zum Schadensersatzanspruch gegen das Land Hessen

Die Mietpreisbremse in Hessen ist unwirksam. Mieter können sich über diese Entscheidung des Landgerichts Frankfurt nicht freuen.


Um hohe Mieten zu verhindern, wurde die Mietpreisbremse in Ballungszentren in Hessen eingeführt. Als ihr Vermieter gegen eben diese Mietpreisbremse verstoßen haben sollte, verlangten Mieter von ihm die Rückzahlung zu viel gezahlter Miete sowie die Herabsetzung der aktuellen Miete.

Da das LG allerdings bereits in einem Urteil 2018 entschieden hatte, dass die Verordnung zur Mietpreisbremse in Hessen aus formellen Gründen unwirksam sei, konnte der Vermieter gar nicht dagegen verstoßen haben. Stattdessen verlangten die Mieter nun vom Land Hessen Schadensersatz, da der Gesetzgeber die Mietpreisbremse nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe.

Doch auch hier musste das LG die klagenden Mieter enttäuschen: Vom Gesetzgeber erhielten sie keinen Schadensersatz. Der Gesetzgeber hat Amtspflichten gegenüber der Allgemeinheit wahrgenommen – und nicht einzelnen Personen gegenüber. Somit konnte keine besondere Beziehung zwischen dem Erlass der Verordnung und den Interessen bestimmter Betroffener – hier der Mieter – geschaffen werden.

Hinweis: Mieter können also wegen eines Verschuldens des Gesetzgebers und der damit verbundenen unwirksamen Mietpreisbremse in Hessen keinen Schadensersatz vom Land Hessen verlangen.

Quelle: LG Frankfurt am Main, Urt. v. 25.03.2019 – 2-04 O 307/18

Thema: Mietrecht

Fracke-Methode: Frankfurt am Main novelliert seine Berechnungsgrundlage zu Mietwagenkosten nach Unfallschäden

Nach Verkehrsunfällen sind viele Geschädigte zeitweise auf einen Mietwagen angewiesen. Seine Berechnungsgrundlage, welche Kosten genau als Schadensersatz gegen die Unfallverursacher bzw. deren Versicherungen geltend gemacht werden können, hat das Landgericht Frankfurt am Main (LG) nun im Rahmen mehrerer Berufungsverfahren angepasst.

Es gilt als allgemein anerkannt, dass nach Verkehrsunfällen bei der Bereitstellung eines temporären Ersatzwagens nur solche Mietkosten ersatzfähig sind, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch für notwendig halten darf. Unter mehreren auf dem örtlichen Markt erhältlichen Tarifen ist dabei grundsätzlich nur der günstigste Mietpreis ersatzfähig. Für die Bewertung des als normal geltenden Mietpreises griffen Gerichte bislang vorzugsweise auf Erhebungen der sogenannten Schwacke-Liste oder der Fraunhofer-Gesellschaft als Schätzungsgrundlage zurück.

Das LG befand nun jedoch, dass beide Listen Schwächen aufwiesen. Nach seiner Ansicht sei es überzeugender und sachgerechter, den Normaltarif nicht etwa aus einer Liste, sondern aus dem arithmetischen Mittel beider zu errechnen. Die allgemeinen Berufungskammern des LG haben ihre Rechtsprechung daher nun angepasst und in einer Reihe von Urteilen übereinstimmend entschieden, dass künftig die sogenannte „Fracke-Methode“ anzuwenden ist. Hierbei wird das arithmetische Mittel  – also der Durchschnittswert – aus den Preisen der Schwacke-Liste und der Fraunhofer-Gesellschaft als Schätzgrundlage ermittelt.

Hinweis: Deutschlandweit ist die Rechtsprechung bei der Berechnung des zu ersetzenden Mietwagentarifs leider uneinheitlich: Teilweise wird für die Schätzung von Mietwagenkosten auf die Erhebungen der Schwacke GmbH, teilweise auf die der Fraunhofer-Gesellschaft zurückgegriffen. Darüber hinaus werden die Mietwagenkosten auch auf Grundlage eines entsprechenden Durchschnittwerts beider Listen geschätzt – wie hier vom LG Frankfurt. Die Unterschiede der Listenpreise sind zum Teil erheblich und führen mitunter zu stark abweichenden Schadensersatzansprüchen. Das gilt es im Bedarfsfall dringend zu berücksichtigen, um auf Mietwagenkosten nicht sitzen zu bleiben.

Quelle: LG Frankfurt am Main, Urt. v. 20.12.2018 – 2-01 S 212/17, 2-01 S 85/18, 2-01 S 97/18

Thema: Verkehrsrecht

Ob Vollbremsung oder nicht: Wer zu dicht auffährt, hat keine Chance auf Verwirkung des Anscheinbeweises

Bei Auffahrunfällen spricht in der Regel der sogenannte Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden. Das heißt, dass bei den gerichtlich entschiedenen Fällen zumeist nachgewiesen werden konnte, dass eben dieser die Schuld an dem Unfall trug. Doch keine Regel ohne Ausnahme – vor allem in der Rechtsprechung. Ob das Oberlandesgericht Hamm (OLG) in einer unerwarteten Bremsung eine solche Ausnahme gesehen hat, lesen Sie selbst.

In einem Kreisverkehr fuhr ein Autofahrer auf das vorausfahrende Fahrzeug auf. Er verlangte von dessen Haftpflichtversicherung Schadensersatz mit der Begründung, der Vorausfahrende habe beim Verlassen des Kreisverkehrs das Fahrzeug abgebremst. Das OLG hat allerdings dennoch die Alleinhaftung des Auffahrenden angenommen, da gegen ihn der Beweis des ersten Anscheins für sein Verschulden spricht.

Das OLG weist darauf hin, dass das bloße Bremsen – auch das plötzliche Abbremsen – nicht ausreicht, um den Anscheinsbeweis zu erschüttern, weil jeder Verkehrsteilnehmer mit einem derartigen Verhalten zu rechnen habe. Selbst ein plötzliches, scharfes Bremsen des Vorausfahrenden hat ein Kraftfahrer stets einzukalkulieren. Der Beweis des ersten Anscheins kommt lediglich dann nicht in Betracht, wenn der Vorausfahrende unvorhersehbar und ohne Ausschöpfung des Anhaltewegs „ruckartig“ zum Stehen gekommen ist, sich der Bremsweg aufgrund dessen verkürzt hat und der Nachfolgende deshalb aufgefahren ist. Ob dies hier der Fall gewesen ist, konnte das OLG in seiner Entscheidung aber unbeantwortet lassen. Denn ein Sachverständiger konnte nachweisen, dass der aufgefahrene Kläger viel zu nah auffuhr. Mit nur rund zwei Metern hatte er einen zu geringen Abstand gewahrt und die Folgen sich somit vollends selber zuzuschreiben – völlig egal, wie stark und unerwartet der Vordermann abgebremst habe.

Hinweis: Der Anscheinsbeweis spricht immer dann gegen den Auffahrenden, wenn sich die beteiligten Fahrzeuge im gleichgerichteten Verkehr bewegt haben und zumindest eine teilweise Überdeckung der Schäden an Front und Heck vorliegt. In der Rechtsprechung ist umstritten, ob der Anscheinsbeweis auch dann zum Tragen kommt, wenn der Vorausfahrende grundlos eine Vollbremsung macht. Teilweise wird vertreten, dass auch hiermit jeder Verkehrsteilnehmer rechnen muss. Andere vertreten die Auffassung, dass ohne zwingenden Grund nicht gebremst werden darf.

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 31.08.2018 – 7 U 70/17

Thema: Verkehrsrecht

41-jähriges Kuckuckskind: Regressforderungen eines langjährigen Scheinvaters richten sich nach der Düsseldorfer Tabelle

Generell gelten die während einer bestehenden Ehe geborenen Kinder als eheliche Kinder. Diese werden im Regelfall von beiden Elternteilen versorgt und unterhalten. Was aber passiert, wenn sich später herausstellt, dass der rechtliche Vater nicht der tatsächliche ist, und wie es sich mit Regressansprüchen des Scheinvaters zu dem seinerseits erbrachten Unterhalt verhält, war im Folgenden die Aufgabe des Bundesgerichtshofs (BGH).

Innerhalb einer Ehe, die 1972 geschlossen wurde, wurde 1975 ein Sohn geboren. Als im Jahr 1988 die Scheidung erfolgte, verpflichtete sich der vermeintliche Vater zur Zahlung von 400 DM Kindesunterhalt. Diesen zahlte er dann auch bis Juli 1992. Als im Jahre 2014 schließlich Zweifel an der Vaterschaft auftauchten, wurde 2016 gerichtlich festgestellt, dass ein anderer der leibliche Vater des Sohns war. Der Scheinvater verlangte von diesem dann auch Schadensersatz wegen des von ihm erbrachten Unterhalts. Das Problem war jedoch, dass sich die Höhe des Unterhalts stets nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen richtet. Hier kommt es zwangsläufig zu einer Differenz zwischen der Höhe des vom Scheinvater tatsächlich erbrachten Unterhalts und der Verhältnisse des tatsächlichen Vaters. Doch wie soll sich angesichts der langen Zeit von 41 Jahren die Höhe des vom Scheinvater in natura geleisteten Unterhalts bestimmen lassen?

Der BGH hat dazu entschieden, dass – wenn sich nichts weiter darlegen und belegen lässt – auf den Mindestbedarf des Kindes abzustellen ist, wie er der sogenannten Düsseldorfer Tabelle zugrunde liegt. Wer nicht mehr als diesen verlangt, muss keine weiteren Ausführungen zu den tatsächlichen Verhältnissen machen. Und wer nur weniger als diesen Betrag zahlen will, muss darlegen können, warum er nicht einmal diesen Mindestsatz zahlen konnte bzw. kann.

Hinweis: Dass für einen lange zurückliegenden Zeitraum Unterhalt gefordert wurde, war zulässig. Die sonst zu beachtenden Verjährungs- und Verwirkungsregeln gelten bei der Regressforderung nämlich nicht.

Quelle: BGH, Beschl. v. 19.09.2018 – XII ZR 385/17

Thema: Familienrecht

Keine Exkulpationsmöglichkeit: Ein Kamel gilt bei Schadensfragen in Deutschland nicht als Haus- oder Nutztier

Jeder Tierbesitzer sollte wissen, dass er für Unfälle zu haften hat, die durch seine/n tierischen Gefährten verursacht werden. Welche Grundlagen für die entsprechende Tierhalterhaftung und welche Voraussetzungen für entsprechende Ausnahmen gelten, zeigt der folgende Fall.


Auf einer Kamelfarm in Deutschland verunglückte eine Frau, die auf einem der Kamele saß, die an einer Kette geführt wurden. Als sich die Tiere durch Hundegebell erschraken und eine abrupte Linksdrehung machten, stürzte sie aus einer Höhe von knapp zwei Metern zu Boden und erlitt dabei schwere Kopfverletzungen. Wegen der Schäden zog sie vor Gericht und bekam dort 70.000 EUR Schmerzensgeld sowie als Schadensersatz für den Verdienstausfall 21.000 EUR zugesprochen. Grundlage für dieses Urteil ist der Anspruch aus der sogenannten Tierhalterhaftung.

Eine Ausnahme der Tierhalterhaftung böte hier zwar die sogenannte Exkulpationsmöglichkeit, die Halter von der Ersatzpflicht befreien könnte. Voraussetzung hierfür ist aber zum einen der Umstand, dass das betreffende Tier der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters dient. Zum anderen muss der Tierhalter dabei auch bei der Beaufsichtigung des Tiers die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachten und im Schadensfall beweisen können, dass der Schaden auch trotz Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre. Und beide Grundvorausetzungen konnte der Halter hier nicht erfüllen: Denn weder ist ein Kamel nach Auffassung der Stuttgarter Richter ein in Deutschland gängiges Haus- oder Nutztier noch erfüllte die Tatsache, die Tiere nicht einzeln, sondern zu mehreren an der Kette zu führen, die genannte Sorgfaltspflicht.

Hinweis: Vorsicht also bei einem Betrieb, dessen Existenz sich auf die Haltung von in Deutschland ungewöhnlichen Tieren stützt. Denn bei einem Kamel handelt es sich laut Rechtsmeinung schon einmal nicht um ein Haus- und Nutztier – jedenfalls nicht hierzulande. Deshalb kann sich ein Kamelführer auch nicht auf das gesetzliche Privileg des Haustierhalters berufen.

Quelle: OLG Stuttgart, Urt. v. 07.06.2018 – 13 U 194/17

Thema: Sonstiges

Keine Exkulpationsmöglichkeit: Ein Kamel gilt bei Schadensfragen in Deutschland nicht als Haus- oder Nutztier

Jeder Tierbesitzer sollte wissen, dass er für Unfälle zu haften hat, die durch seine/n tierischen Gefährten verursacht werden. Welche Grundlagen für die entsprechende Tierhalterhaftung und welche Voraussetzungen für entsprechende Ausnahmen gelten, zeigt der folgende Fall.


Auf einer Kamelfarm in Deutschland verunglückte eine Frau, die auf einem der Kamele saß, die an einer Kette geführt wurden. Als sich die Tiere durch Hundegebell erschraken und eine abrupte Linksdrehung machten, stürzte sie aus einer Höhe von knapp zwei Metern zu Boden und erlitt dabei schwere Kopfverletzungen. Wegen der Schäden zog sie vor Gericht und bekam dort 70.000 EUR Schmerzensgeld sowie als Schadensersatz für den Verdienstausfall 21.000 EUR zugesprochen. Grundlage für dieses Urteil ist der Anspruch aus der sogenannten Tierhalterhaftung.

Eine Ausnahme der Tierhalterhaftung böte hier zwar die sogenannte Exkulpationsmöglichkeit, die Halter von der Ersatzpflicht befreien könnte. Voraussetzung hierfür ist aber zum einen der Umstand, dass das betreffende Tier der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters dient. Zum anderen muss der Tierhalter dabei auch bei der Beaufsichtigung des Tiers die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachten und im Schadensfall beweisen können, dass der Schaden auch trotz Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre. Und beide Grundvorausetzungen konnte der Halter hier nicht erfüllen: Denn weder ist ein Kamel nach Auffassung der Stuttgarter Richter ein in Deutschland gängiges Haus- oder Nutztier noch erfüllte die Tatsache, die Tiere nicht einzeln, sondern zu mehreren an der Kette zu führen, die genannte Sorgfaltspflicht.

Hinweis: Vorsicht also bei einem Betrieb, dessen Existenz sich auf die Haltung von in Deutschland ungewöhnlichen Tieren stützt. Denn bei einem Kamel handelt es sich laut Rechtsmeinung schon einmal nicht um ein Haus- und Nutztier – jedenfalls nicht hierzulande. Deshalb kann sich ein Kamelführer auch nicht auf das gesetzliche Privileg des Haustierhalters berufen.

Quelle: OLG Stuttgart, Urt. v. 07.06.2018 – 13 U 194/17

Thema: Sonstiges

BGH zu Dashcamaufnahmen: Zur Beweisführung sind Datenschutzbedenken im Zweifel nachrangig zu bewerten

Jeder, der sich schon einmal unschuldig in einen Rechtsstreit verwickelt sah, wünschte sich, über eindeutig entlastendes Beweismaterial zu verfügen. Die moderne Technik mag hier Anlass genug geben, sich solches Material für den Fall der Fälle zu sichern. Und so musste der Bundesgerichtshof (BGH) nun in Sachen Dashcamnutzung im Straßenverkehr eine Entscheidung fällen. Und die hat es in sich.

 

Zwei Fahrzeuge waren innerorts beim Linksabbiegen auf zwei nebeneinander verlaufenden Linksabbiegespuren seitlich kollidiert. Die Beteiligten stritten folglich darüber, wer von beiden seine Spur verlassen und die Kollision herbeigeführt hatte. Die Fahrt vor der Kollision und die Kollision wurden von einer Dashcam aufgezeichnet, die im Fahrzeug des Klägers angebracht war, der vom Beklagten nun Schadensersatz verlangte.

Nach Auffassung des BGH ist die vorgelegte Videoaufzeichnung nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen zwar unzulässig, da sie ohne Einwilligung der Betroffenen erfolgt ist. Gleichsam ist die Videoaufzeichnung als Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess jedoch durchaus verwertbar. Verwirrend? Nicht so ganz. Denn der BGH differenzierte hier wie folgt: Über die Frage der Verwertbarkeit ist aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung nach den im Einzelfall gegebenen Umständen zu entscheiden. Die Abwägung erfolgt zum einen zwischen dem Interesse des Beweisführers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, seinem im Grundgesetz verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege. Stellt man all das dem zum anderen geltenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gegebenenfalls als Recht am eigenen Bild gegenüber, führt das zu einem Überwiegen der Interessen des Geschädigten. Immer noch nicht klar? Dann nochmal so:

Das Geschehen ereignete sich im öffentlichen Straßenraum, in den sich der Beklagte freiwillig begeben hatte. Er hat sich durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt. Es wurden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind. Das hat zur Folge, dass Videoaufzeichnungen im Straßenverkehr zwar gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen, in einem Zivilprozess aber verwertet werden können.

Hinweis: Durch das Urteil des BGH ist nunmehr generell entschieden, dass Videoaufzeichnungen in einem Zivilverfahren eingeführt und verwertet werden dürfen. Unfallprozesse können jetzt schneller entschieden werden, da teilweise auf die Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens verzichtet werden kann.
 
 

Quelle: BGH, Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17

Thema: Verkehrsrecht