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Außergerichtliche Streitschlichtung: Anwaltsmediatoren sind gemäß Anwaltsdienstvertrag für Beratungsfehler haftbar zu machen

Ein spannender Fall zur Haftung eines Anwaltsmediators – eines Rechtsanwalts, der zusätzlich über eine besondere Ausbildung als Mediator (Streitschlichter) verfügt.

Ein Ehepaar ging zu solch einer Anwaltsmediatorin und wollte sich möglichst kostengünstig scheiden lassen. Während der Beratung wurde auch über eine Scheidungsfolgenvereinbarung gesprochen. Die Auskünfte für den Versorgungsausgleich, also den Ausgleich der Rentenanwartschaften, hatte die Anwältin dazu allerdings nicht eingeholt. Sodann kam es zum Scheidungstermin; dort wurden die Eheleute von anderen Anwälten vertreten, um eine Interessenkollision zu vermeiden. Eine Besprechung über den Scheidungsantrag fand nicht statt. Beide Anwälte verzichteten dann im Namen der Eheleute auf den nachehelichen Unterhalt und die Durchführung eines Versorgungsausgleichs.

Dann rechnete die inzwischen geschiedene Ehefrau allerdings nach: Bei Durchführung des Versorgungsausgleichs hätten ihr 95.000 EUR zugestanden. Diese Summe verlangte sie von dem Rechtsanwalt, der sie im Scheidungstermin vertreten hatte. Und tatsächlich musste dieser rund 64.000 EUR zahlen. Der Rechtsanwalt verlangte nun seinerseits von der Anwaltsmediatorin zwei Drittel dieses Betrags und klagte.

Die Hälfte des Geldes erhielt der Rechtsanwalt tatsächlich zurück. Denn der Mediationsvertrag war als Anwaltsdienstvertrag zu werten; die Anwaltsmediatorin haftete somit nach anwaltlichen Grundsätzen. Sie hatte ihre Pflicht gegenüber der Ehefrau verletzt, da sie deren Rechtsanwalt nicht darüber informiert hatte, dass noch keine Auskünfte zum Versorgungsausgleich eingeholt worden waren.

Hinweis: Als außergerichtliche Streitschlichtung gewinnt insbesondere die Mediation in Deutschland immer mehr an Bedeutung. Gut, dass nach diesem Urteil auch der Anwaltsmediator für Beratungsfehler entsprechend haftet.

Quelle: BGH, Urt. v. 21.09.2017 – IX ZR 34/17

Thema: Sonstiges

Steuerabzugsfähige Wohnkosten: Mieter haben einen Anspruch auf Aufschlüsselung haushaltsnaher Dienstleistungen

Haushaltsnahe Dienstleistungen können von Mietern bei der Einkommensteuer in Abzug gebracht werden. Und der Vermieter hat dazu sogar entsprechende Bescheinigungen zu erstellen, wie dieser Fall zeigt.

In dem Mietvertrag dieses Falls war der Mieter verpflichtet, Vorauszahlungen auf die Heiz- und Betriebskosten zu leisten. In einer Klausel des Mietvertrags war jedoch ebenso vereinbart worden, dass der Vermieter nicht verpflichtet sei, dem Mieter eine Bescheinigung über haushaltsnahe Dienstleistungen auszustellen. Trotzdem verklagte der Mieter den Vermieter darauf, ihm eine solche Bescheinigung auszustellen. Er meinte, der Vertrag sei an dieser Stelle unwirksam.

Das Landgericht Berlin hat nun entschieden, dass ein Mieter von seinem Vermieter beanspruchen kann, in einer Betriebskostenabrechnung bestimmte Kosten so aufzuschlüsseln, dass der Mieter zum Zweck der Steuerersparnis gegenüber dem Finanzamt haushaltsnahe Dienstleistungen in Abzug bringen kann. Der Mieter muss die Möglichkeit erhalten, selbst anhand der Betriebskostenabrechnung zu ermitteln, welche Dienstleistungen erbracht und welche Beträge dafür aufgewendet worden sind. Dafür sei erforderlich, dass Pauschalrechnungen aufgeschlüsselt werden und der Anteil der Dienstleistungen ausgewiesen wird. Der Vermieter konnte sich dieser Pflicht auch nicht durch den Mietvertrag und die entsprechende Klausel entziehen. Die Klausel benachteiligt den Mieter unangemessen, war überraschend und damit unwirksam.

Hinweis: Aus dem Mietverhältnis ergeben sich verschiedenste Nebenpflichten, die in aller Regel nicht unmittelbar im Mietvertrag geregelt sind. Es handelt sich dabei z.B. um gegenseitige Treuepflichten, die jeder Vertragspartner von dem anderen erwarten kann. 
  
 

Quelle: LG Berlin, Urt. v. 18.10.2017 – 18 S 339/16

Thema: Mietrecht

Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung: Bei geschwisterlicher Regelung zur Lebzeit der Erblasser ist steuerrechtlich Vorsicht geboten

Um Streitigkeiten und Aufteilungsschwierigkeiten zu vermeiden, werden häufig Vereinbarungen zwischen den gesetzlichen Erben dahingehend getroffen, dass auf den Pflichtteil gegen eine Abfindung verzichtet wird. Doch Vorsicht: Dabei sind auch die steuerlichen Konsequenzen zu beachten.

Ein Mann verzichtete für den Fall, dass er durch eine letztwillige Verfügung von der Erbfolge nach seiner Mutter ausgeschlossen wird, gegenüber seinen drei Brüdern auf die Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs. Im Gegenzug zahlten ihm die drei Brüder jeweils eine Abfindung von 150.000 EUR. Nun stellte sich die Frage, wie diese Abfindungen zu versteuern sind.

Der Bundesfinanzhof (BFH) stellte in diesem Zusammenhang klar, dass es sich dabei um eine Zuwendung zwischen Geschwistern handelt – und nicht um eine Zuwendung an ein Kind. Somit kommt in Fällen wie diesem die ungünstigere Steuerklasse II zum Tragen, was einen geringeren Freibetrag und einen höheren Steuersatz nach sich zieht als bei Zuwendungen zwischen Eltern und Kind.

Hinweis: Der BFH hat damit seine bisherige Rechtsprechung geändert. Dies führt bei einer Abfindung bei Pflichtteilsverzicht, der zwischen Geschwistern noch zu Lebzeiten des Erblassers vereinbart wird, meist zu einer höheren Steuerbelastung als bei einer Vereinbarung nach dem Erbfall. Bevor solche Vereinbarungen geschlossen werden, sollte also sachkundiger Rat eingeholt werden.

Quelle: BFH, Urt. v. 10.05.2017 – II R 25/15

Thema: Erbrecht

Drittschäden nach Pkw-Entzündung: Das Landgericht Köln stellt sich in der Haftungsfrage gegen ein BGH-Urteil von 2014

Gerät ein ordnungsgemäß abgestelltes Fahrzeug nach sieben Stunden durch Selbstentzündung in Brand, kann eine Haftung des Eigentümers des brennenden Fahrzeugs entfallen.

Der Eigentümer eines Sportwagens stellte sein Fahrzeug in einer Tiefgarage ab. Daneben stellte ein anderer seinen Bus. Ungefähr sieben Stunden nach dem Abstellen fing der Bus durch Selbstentzündung Feuer. Die Polizei stellte fest, dass weder Fremdeinwirkung noch ein sonstiges Fehlverhalten zum Brandausbruch geführt haben. Der Halter des Luxusflitzers, dessen Wagen durch den Brandfall vollständig zerstört wurde, machte nun Schadenersatzansprüche gegenüber dem ehemaligen Bushalter geltend.

Nach Auffassung des Landgerichts Köln (LG) stehen ihm allerdings solche nicht zu. Eine Haftung aus Verschulden kam nicht in Betracht. Auch eine verschuldensunabhängige Haftung nach den Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes entfiel, da das hierfür erforderliche Tatbestandsmerkmal „bei dem Betrieb“ nicht gegeben war. Um eine Haftung zu begründen, sei es zwar nicht notwendig, dass das Fahrzeug im Moment der Schadensverursachung fährt – ausreichend ist hier ein örtlicher und zeitlicher Ursachenzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs (z.B. eine Selbstentzündung infolge der vorausgegangenen Fahrt). Diese Voraussetzungen sieht das Gericht allerdings nicht gegeben, da es in seinen Augen nach sieben Stunden Fahrzeugstillstand an einem nahen zeitlichen Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang fehlt. 

Hinweis: Die Entscheidung des LG steht im Widerspruch zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2014. In dem damals entschiedenen Fall war ein Kraftfahrzeug mehr als 24 Stunden nach dem Abstellen aufgrund der Selbstentzündung durch einen technischen Defekt in Brand geraten. Der BGH befand damals, dass ein derart gestalteter Schadensfall nicht auf Folgen begrenzt sein soll, die durch den Fahrbetrieb selbst und dessen Nachwirkungen verursacht worden sind.

Quelle: LG Köln, Urt. v. 05.10.2017 – 2 O 372/16

Thema: Verkehrsrecht

Krankheitsbedingte Versetzung: Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist hierbei keine formelle Voraussetzung

Das betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM) ist vor nahezu jeder Kündigung durchzuführen. Doch wie sieht das bei einer Versetzung aus?

Ein Arbeitnehmer, der seit Jahren in der Nachtschicht beschäftigt war, wurde nach längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten und suchtbedingten Therapiemaßnahmen durch seine Arbeitgeberin in eine Tätigkeit in Wechselschicht versetzt. Das wollte der sich aber nicht gefallen lassen und meinte, dass die Versetzung unwirksam sei. Vor der Versetzung hätte die Arbeitgeberin ein bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX durchführen müssen. Das Bundesarbeitsgericht teilte seine Auffassung jedoch nicht.

Die Durchführung eines bEM ist keine formelle Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versetzung ist. Dies gilt ausdrücklich auch in den Fällen, in denen die Anordnung (auch) auf Gründe gestützt wird, die im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers stehen. Trotzdem verwies es die Angelegenheit an die Vorinstanz zurück. Es musste noch geprüft werden, ob die Arbeitgeberin die Versetzung nach billigem Ermessen durchgeführt hatte.

Hinweis: Das bEM ist für Arbeitgeber zu einer großen Falle geworden. Es ist nicht einfach durchzuführen und vor einer Vielzahl von Personalentscheidungen, insbesondere bei krankheitsbedingten Kündigungen, unerlässlich.

Quelle: BAG, Urt. v. 18.10.2017 – 10 AZR 47/17

Thema: Arbeitsrecht

Trennung nichtehelicher Eltern: Nur bei für das Kind unzumutbaren Nachteilen ist eine Namensänderung möglich

Die Zahl der Patchworkfamilien nimmt zu. Damit einher geht zunehmend, dass die einzelnen Mitglieder einer unter einem Dach lebenden Familie verschiedene Nachnamen haben. Wer sich fragt, ob und wie sich das ändern lässt, den sollte der folgende Fall besonders interessieren. Denn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Koblenz belegt, dass die Namensänderung nur nach Überwindung hoher Hürden möglich ist.

Das war passiert: Ein Mädchen kam nichtehelich zur Welt, und die Eltern bestimmten zum Familiennamen des Kindes die Nachnamen beider Elternteile. Doch dann trennten sich der aus Kenia stammende Vater und die deutsche Mutter. Das Kind lebte mit der Mutter und seinen drei älteren Geschwistern zusammen, wobei die Geschwister aus der ersten Ehe der Frau stammen und den Nachnamen ihrer Mutter tragen. Diese beantragte nun, dass ihre vierte Tochter künftig auch nur noch ihren Nachnamen anstelle des Doppelnamens tragen solle. Der Vater widersprach.

Die Klage wurde abgewiesen. Die Mutter war zwar allein sorgeberechtigt. Eine Namensänderung setzt aber stets voraus, dass dazu ein wichtiger Grund vorliegt. Und hierbei geht es ums juristische Detail: Es reicht nicht etwa aus, dass die Änderung dem Kindeswohl nicht widerspricht; sie muss für das Wohl des Kindes vielmehr erforderlich sein. Das würde hier also bedeuten, dass die Beibehaltung des bisherigen Nachnamens eventuell schwerwiegende Nachteile für die Tochter zur Folge haben müsste. Alternativ ist dabei zu fragen, ob die Änderung für das Kind wirkliche Vorteile nach sich zieht, wegen derer die Beibehaltung des aktuellen Namens unzumutbar wäre. Allein der Wunsch des Kindes oder der Mutter oder der sonstigen Familienmitglieder nach einer Namensänderung – etwa damit alle denselben Namen tragen – reicht in diesem Zusammenhang nicht aus. Auch einfache Hänseleien des Kindes durch andere Kinder oder durch das sonstige Umfeld fallen hier nicht entscheidend ins Gewicht. Also wurde dem Begehren der Mutter hier folgerichtig nicht entsprochen.

Hinweis: Chancen, einen Änderungsantrag erfolgreich beschieden zu bekommen, hätten bestanden, wenn der Kindesvater unbekannten Aufenthalts gewesen wäre oder keinerlei Kontakte bzw. keine tatsächliche Beziehung bestanden hätten.

Quelle: VG Koblenz, Urt. v. 18.07.2017 – 1 K 759/16.KO

Thema: Familienrecht

Arbeitsunfall in der Reha: Auch bei Sonntagsspaziergängen kann die Berufsgenossenschaft im Schadensfall haften

Der Arbeits- und Gesundheitsschutz ist wichtig und richtig. Einen wesentlichen Bestandteil für diesen Schutz bildet die gesetzliche Unfallversicherung, deren Umfang das ein oder andere Mal verwundert – so wie im folgenden Fall.

Ein Mann befand sich mit dem Ziel der Gewichtsreduktion in einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Dort wurde er während eines Sonntagsspaziergangs von einem Auto angefahren. Da er der Ansicht war, dass der Unfall als Arbeitsunfall eingestuft werden müsse, verlangte er entsprechende Entschädigungszahlungen. Die zuständige Berufsgenossenschaft weigerte sich, da der Mann zwar grundsätzlich zum versicherten Personenkreis gehöre, es sich jedoch um eine nicht versicherte Tätigkeit gehandelt habe. Die Ärzte hätten dem Mann im Zuge der Therapie zwar Bewegung empfohlen; Spaziergänge – und als einen solchen bezeichnete der Mann seine Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt – seien jedoch für den Sonntag nicht explizit angeraten gewesen. Daher bestand die Genossenschaft darauf, dass sich der Mann zum Unfallzeitpunkt bei einer eigenwirtschaftlichen, unversicherten Tätigkeit befunden und sich der Unfall sich nicht auf explizite mit dem Klinikaufenthalt verbundene Gefahrenmomente bezogen habe. In solchen Fällen sei daher die Krankenkasse zuständig. Dagegen klagte der Mann.

Das Sozialgericht stufte den Unfall tatsächlich als Arbeitsunfall ein. Es bestand ein innerer Zusammenhang zwischen dem Unfall und der Rehabilitationsmaßnahme. Dabei war es für die Richter irrelevant, dass der Sonntagsspaziergang nicht ärztlich angeordnet worden war. Denn bei diesem Spaziergang handelte es sich um eine objektiv kurgerechte bzw. nicht kurschädliche Tätigkeit, die in der Vergangenheit auch schon das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung als Prämisse für derartige Fallkonstellationen vorgegeben hat.

Hinweis: Ein Verkehrsunfall beim Spazierengehen kann also einen Arbeitsunfall darstellen. Dann sollte allerdings der Unfallversicherungsträger davon auch schnellstmöglich Kenntnis erlangen. Und nicht jeder kommt automatisch darauf, einen Unfall beim Spaziergang als Arbeitsunfall einzustufen.

Quelle: SozG Düsseldorf, Urt. v. 20.06.2017 – S 6 U 545/14

Thema: Sonstiges

Preisgebundener Wohnraum: Einseitiger Mietzuschlag ist trotz unwirksamer Schönheitsreparaturklausel rechtens

Der preisgebundene Wohnraum – der sogenannte soziale Wohnungsbau – unterliegt gänzlich anderen Regelungen als das normale Mietverhältnis.

Eine Wohnung wurde mit öffentlichen Fördergeldern errichtet und unterlag dem Wohnungsbindungsgesetz. Im Vertrag mit einem Mieter war jedoch eine unwirksame Klausel zu Schönheitsreparaturen vereinbart worden. Der Vermieter verlangte daraufhin unter Hinweis auf § 28 Abs. 4 der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV) jährliche Kosten für Schönheitsreparaturen von 10,32 EUR je m2. Der Mieter zahlte dies nur unter Vorbehalt, und schließlich landete die Angelegenheit vor Gericht. Er war der Meinung, dass ihm die alternative Möglichkeit zur selbständigen Ausführung solcher Reparaturen vorenthalten wurde und die formularmäßige Klausel somit insgesamt ungültig sei.

Doch der Bundesgerichtshof urteilte zugunsten des Vermieters. Denn wer meint, durch das Unterlassen eines solchen Angebots zur eigenständigen Durchführung wäre der Mieter unangemessen benachteiligt und die Vereinbarung somit automatisch im Gesamten unwirksam, der irrt. Beim preisgebundenem Wohnraum ist entscheidend geregelt, dass der Vermieter die Wohnung nicht gegen ein höheres Entgelt zum Gebrauch überlassen darf, als zur Deckung der laufenden Aufwendungen nachweislich erforderlich ist. Somit verstößt der Vermieter weder gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) noch gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot (§ 241 Satz 2 BGB), nur weil er seinem Mieter im Wege der Individualvereinbarung eine solche Abwälzungsklausel vorenthält.

Hinweis: Bei preisgebundenem Wohnraum gelten andere Regelungen. Das muss jeder Mieter wissen.

Quelle: BGH, Urt. v. 20.09.2017 – VIII ZR 250/16

Thema: Mietrecht

Eigenhändig ist eigenhändig: Auch ein mit der ungeübten Hand unterschriebenes Testament kann gültig sein

Handschriftliche Testamente unterliegen strengen Wirksamkeitsvorschriften und werden in der Praxis häufig angegriffen, sobald die Erben mit dem Inhalt unzufrieden sind.

Ein an Krebs erkrankter Mann hatte Lähmungserscheinungen in seiner rechten Hand. Er unterzeichnete daher sein handschriftliches Testament, in dem er seine Nachbarn als Erben einsetzte, als Rechtshänder mit seiner ungeübten, linken Hand. Seine Verwandten waren daher der Meinung, dass das Testament unwirksam sei und sie aufgrund der gesetzlichen Erbfolge zu Erben wurden.

Das Oberlandesgericht Köln (OLG) holte mehrere Sachverständigengutachten ein und befragte zudem einen Zeugen, der bei der Unterzeichnung anwesend war. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Erblasser selbst unterschrieben hatte – mit jener Hand, die er in gesundem Zustand nicht zum Schreiben gewählt hätte. Das OLG stellte daher klar, dass auch ein mit der ungeübten Hand geschriebenes Testament gültig ist.

Hinweis: Gerade in Situationen, in denen die Wirksamkeit eines Testaments aufgrund von Erkrankungen angezweifelt werden kann, empfiehlt es sich, zur Absicherung entweder verlässliche und unbeteiligte Zeugen bei der Errichtung hinzuzuziehen oder ein notarielles Testament zu errichten.

Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 03.08.2017 – 2 Wx 169/17

Thema: Erbrecht

Versicherer muss zahlen: Ein Geschädigter darf auf das Sachverständigengutachten vertrauen

Nach einem Verkehrsunfall darf der Geschädigte den Angaben seines Sachverständigen zu einem angenommenen Totalschadenfall vertrauen, eine Wiederbeschaffung vornehmen und seinen Schaden auf Totalschadenbasis konkret abrechnen, selbst wenn die Gegenseite danach Einwände erhebt, die den Totalschadenfall infrage stellen können.

Nach einem unverschuldeten Unfall ließ der Geschädigte ein Sachverständigengutachten zur Schadenshöhe erstellen. Der Sachverständige ermittelte Reparaturkosten von 8.000 EUR brutto, einen Wiederbeschaffungswert von 7.500 EUR und einen Restwert von 500 EUR. Nach Erhalt des Gutachtens verkaufte der Geschädigte das Fahrzeug zum ermittelten Restwert und kaufte ein Neufahrzeug für etwa 13.500 EUR. Anschließend erhielt er von der gegnerischen Haftpflichtversicherung einen Brief, in dem ihm mitgeteilt wurde, man hätte das Sachverständigengutachten überprüft und die Nettoreparaturkosten ermittelt. Diese lagen deutlich unter dem gutachterlich kalkulierten Betrag sowie unterhalb des Werts zwischen Wiederbeschaffungs- und Restwert. Und nur diesen Betrag erstattete sie.

Das Landgericht Saarbrücken (LG) verurteilte die Versicherung zur Zahlung des Differenzbetrags zwischen Fahrzeugschaden (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) und ermittelten Nettoreparaturkosten. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass der Geschädigte auf die Angaben des von ihm beauftragten Sachverständigen vertrauen durfte – zumal ihm hier keinerlei Anhaltspunkte vorlagen, dass die Angaben im Gutachten unzutreffend sind. Dem gegnerischen Einwand, dass der Geschädigte auf den Eingang eines Prüfberichts der gegnerischen Haftpflichtversicherung hätte warten müssen, stimmte das LG nicht zu. Zudem rechnete der Geschädigte auch nicht fiktiv nach Gutachten ab, sondern machte seinen Schaden konkret geltend, was sich dadurch auch manifestiert, dass er einen Ersatzwagen gekauft hat.

Hinweis: Die Entscheidung des Gerichts hätte möglicherweise anders ausfallen können, wenn das Schreiben des Versicherers mit dem Prüfbericht vor dem Kauf des Ersatzfahrzeugs bei dem Geschädigten eingegangen wäre. 
  
 

Quelle: LG Saarbrücken, Urt. v. 15. 09.2017 – 13 S 59/17

Thema: Verkehrsrecht