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Schlagwort: Nachlassgericht

Erbquotenverzicht in Erbschein: Widerruf des Verzichts auf Aufnahme von Erbquoten ist nur bis zur Erteilung des Erbscheins möglich

Bei mehreren Erben nach Tod eines Erblassers wird auf Antrag ein sogenannter gemeinschaftlicher Erbschein erteilt, in dem grundsätzlich die Erben in Person sowie ihre Erbanteile angegeben werden. Eine Angabe der Erbteile ist jedoch nicht erforderlich, wenn die Erben bei der Antragstellung auf diese Angabe verzichten. Was passiert, wenn ein Erbe hierzu seine Meinung ändert, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgerichts München (OLG).

Der Verzicht hat sich hier für die beteiligten Erben als Problem erwiesen, da nach Erteilung des Erbscheins durch das Nachlassgericht ein Streit zwischen den Erben über deren Erbquoten entstand. Eine der beteiligten drei Erben vertrat die Ansicht, dass sie nunmehr doch hälftig Erbin nach dem Verstorbenen geworden sei und die übrigen Erben jeweils nur mit einem Viertel an dem Erbe berechtigt seien. Aus diesem Grund beantragte sie unter anderem, den Erbschein wegen Unrichtigkeit einzuziehen.

Doch hier musste das OLG korrigierend eingreifen: Zwar könne ein Erbschein durchaus eingezogen werden, wenn er objektiv unrichtig sei – zum Beispiel wenn die Voraussetzungen für seine Erteilung entweder schon ursprünglich nicht gegeben waren oder nachträglich nicht mehr vorhanden sind. Die fehlende Angabe von Erbquoten, auf die die Beteiligten ausdrücklich verzichtet haben, führe aber nicht zu einer Unrichtigkeit des Erbscheins selbst. Ein Widerruf des Verzichts auf Aufnahme der Erbquoten ist nur bis zur Erteilung des Erbscheins möglich.

Hinweis: Das richtige Timing ist in Rechtsfällen von entscheidender Bedeutung. Wer also eine Entscheidung im Erbrecht zu treffen hat, sollte sich hierzu rechtzeitig von entsprechenden Fachleuten beraten lassen.

Quelle: OLG München, Beschl. v. 10.04.2020 – 31 Wx 354/17

Thema: Erbrecht

Entlassung des Nacherbentestamentsvollstreckers: Ist der Vermögenswert hinreichend bekannt, ist die Erstellung des Nachlassverzeichnisses Förmelei

Häufig entstehen Streitigkeiten zwischen Erben und eingesetzten Testamentsvollstreckern über deren Rechte und Pflichten zur Umsetzung des letzten Willen des Verstorbenen. Dies trifft auch den Testamentsvollstrecker, der zur Umsetzung einer Vor- und Nacherbschaft eingesetzt wird, den sogenannten Nacherbentestamentsvollstrecker. Vorerben stehen im Grunde nur Nutzungsrechte am Erbe zu, weshalb es den Nacherben gerade darauf ankommt, dass das Erbe in seinem wesentlichen Bestand erhalten bleibt. Mit einem solchen Fall hatte im Folgenden das Oberlandesgericht München (OLG) zu tun.

Die Ehegatten hatten sich wechselseitig zu Erben eingesetzt, wobei der überlebende Ehegatte zum Vorerben, die insgesamt sechs Kinder der Eheleute aus erster und zweiter Ehe zu Nacherben eingesetzt wurden. Ferner setzte das Paar den Sohn des Gatten aus erster Ehe als Nacherbentestamentsvollstrecker ein. Mit einem Nachtrag zum Erbvertrag bestimmten sie zudem, dass eine gemeinsame Tochter nach dem Tod der Eltern eine im gemeinsamen Eigentum stehende Immobilie erwerben könne. Als Ausgleich für den Immobilienerwerb habe diese im Fall der Übernahme den Verkehrswert abzüglich von Verbindlichkeiten an die übrigen Nacherben auszubezahlen. Nachdem der Mann verstorben und die Witwe zur Deckung ihrer Lebenshaltungskosten auf weitere finanzielle Mittel angewiesen war, bat der Testamentsvollstrecker das Nachlassgericht um eine Überprüfung zu einer Veräußerung der Immobilie. Doch die Nacherben waren mit einer solchen Veräußerung nicht nur nicht einverstanden – sie beantragten zudem, den Testamentsvollstrecker wegen Pflichtverletzung aus seinem Amt zu entlassen.

Im Beschwerdeverfahren stritten sich die Beteiligten nun darüber, ob der Nacherbentestamentsvollstrecker dazu verpflichtet war, mit Amtsübernahme von sich aus ein Nachlassverzeichnis zu erstellen. Auch war die Frage, welche Gegenstände hiervon umfasst seien und ob dem Testamentsvollstrecker eine grobe Pflichtverletzung vorzuwerfen sei, wenn er ein solches Verzeichnis nicht von sich aus mit Übernahme des Amts erstellt habe und in einem später erstellten Verzeichnis Erinnerungsstücke und Verbindlichkeiten nicht aufgeführt seien.

Da ein Nacherbentestamentsvollstrecker nicht die gleichen Rechte und Befugnisse wie der allgemeine Testamentsvollstrecker hat, stehen ihm zum Beispiel keine allgemeinen Verwaltungs- oder Verfügungsrechte zu. Er nimmt lediglich die Rechte wahr, die den Nacherben gegenüber den Vorerben auch zustehen. Da den Nacherben gegenüber den Vorerben ein Anspruch auf Erteilung eines Nachlassverzeichnisses zusteht, wird überwiegend vertreten, dass die Aufgabe des Nacherbentestamentsvollstreckers darin besteht, diesen Anspruch gegenüber den Vorerben geltend zu machen. Darin sind grundsätzlich alle im Nachlass befindlichen Gegenstände aufzuführen, unter denen allgemein nur Vermögenswerte und keine Verbindlichkeiten verstanden werden.

Macht ein Nacherbentestamentsvollstrecker die Auskunft nicht von sich aus geltend, liegt nach Ansicht des OLG darin noch keine Pflichtverletzung, die zu einer Entlassung aus seinem Amt führt. Dies muss zumindest dann gelten, wenn den Nacherben der alleinige Vermögenswert in Gestalt der Immobilie bereits bekannt war. In einem solchen Fall wäre die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses eine reine Förmelei.

Hinweis: Die Einsetzung eines Nacherbentestamentsvollstreckers kann sinnvoll sein, wenn Grundvermögen vorhanden ist, Nacherben aber im Ausland leben und dementsprechend nicht ohne weiteres die erforderlichen Erklärungen in notariellen Urkunden für das Grundbuchamt abgeben können.

Quelle: OLG München, Beschl. v. 28.01.2020 – 31 Wx 439/17

Thema: Erbrecht

Gemeinschaftliches Testament: Auch die (eigentlich übliche) gegenseitige Erbeinsetzung muss explizit erwähnt werden

Bei gemeinschaftlichen Testamenten setzen sich die Ehegatten üblicherweise gegenseitig zu Erben des Erstversterbenden ein und ihre Kinder zu Erben des Letztversterbenden. Dass dabei aber auf eine genaue und eindeutige Formulierung geachtet werden sollte, zeigt der Erbrechtsfall, der kürzlich vor dem Oberlandesgericht München (OLG) landete.

Ein Ehepaar hatte ein von ihm eigenhändig ge- und unterschriebenes Testament errichtet, in dem es unter anderem verfügte: „Wir (…) wollen, dass nach unserem Tod das Haus unser Sohn … bekommt. Er muss aber unserer Tochter 35 % ausbezahlen.“ Nach dem Tod der Ehefrau beantragte der Ehemann beim Nachlassgericht einen Alleinerbschein, was das Nachlassgericht jedoch ablehnte. Es war der Ansicht, dass das Testament keine Regelung für den ersten Erbfall enthielt – also den Tod eines der Ehegatten.

Das OLG bestätigte in der nächsten Instanz diese Entscheidung. Es stellte klar, dass das Testament keine ausdrückliche Erbeinsetzung des Ehemannes enthält und sich eine solche auch nicht durch Auslegung des Testaments ergibt. Die gegenseitige Erbeinsetzung kann nicht allein aufgrund der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments angenommen werden, wenn sonst keinerlei Anhaltspunkte im Testament zu finden sind. Insbesondere die Formulierung „nach unserem Tod“ hielt das Gericht nicht für einen solchen Anhaltspunkt, da dies auch im Sinne von „wenn wir beide tot sind …“ verstanden werden kann – und das kann ebenso gut zur Begründung dafür herangezogen werden, dass die Eheleute (gerade nur) den Tod des Letztversterbenden regeln wollten.

Hinweis: In dieser Entscheidung stellte das Gericht klar, dass es nicht ausreicht, dass Ehegatten sich in gemeinschaftlichen Testamenten üblicherweise gegenseitig selbst bedenken. Eine Erbeinsetzung, die in dem Testament nicht enthalten und nicht einmal angedeutet ist, kann auch nicht durch Auslegung hineingedeutet werden.

Quelle: OLG München, Beschl. v. 12.11.2019 – 31 Wx 183/19

Thema: Erbrecht

Erben (un-)bekannt: Die ausreichende Wahrscheinlichkeit der gesetzlichen Erbfolge schließt eine Nachlasspflegschaft aus

Wenn über die Person der Erben Unklarheit besteht, kann das Nachlassgericht in einem solchen Fall die Nachlasspflegschaft anordnen. Es wird also eine Person benannt, die sich als gesetzlicher Vertreter der noch unbekannten Erben um die Verwaltung des Nachlasses kümmert und gegebenenfalls die Erben ermittelt.

Eine 1974 verstorbene Frau und ein im Jahre 2016 verstorbener Mann waren Eigentümer eines Grundstücks. Nach dem Tod des Mannes beantragte sein Nachlasspfleger auch eine Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben der verstorbenen Frau, da für sie keine lebenden Erben bekannt waren. Das Gericht weigerte sich jedoch, da die Frau von ihrem 1977 verstorbenen Ehemann und ihren 1989 und 2009 verstorbenen Kindern beerbt worden sei und somit eine Nachlasspflegschaft nicht in Betracht komme.

Auch durch das Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) als nächste Instanz wurde die Anordnung einer Nachlasspflegschaft abgelehnt, da nach Ansicht des Gerichts die Erben der Erblasserin im Rechtssinne nicht unbekannt waren. Bei klaren tatsächlichen Verhältnissen reicht es aus, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit feststeht, wer Erbe geworden ist, um die Erben als bekannt anzusehen. Da keine Anhaltspunkte für eine Verfügung von Todes wegen bestanden und die damaligen familiären Verhältnisse der Erblasserin bekannt waren, ging das OLG davon aus, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit entsprechend der gesetzlichen Erbfolge beerbt worden war. Dass deren Erben wiederum unbekannt sind, spielt nach Ansicht des Gerichts nur eine Rolle für die Frage, ob eine Nachlasspflegschaft für einen oder mehrere dieser Erbeserben einzurichten ist. Das jedoch war nicht Gegenstand des Verfahrens.

Hinweis: Die Entscheidung darüber, ob ein Nachlasspfleger bestellt wird, obliegt dem Gericht. Nach der gesetzlichen Regelung muss das Gericht einen Nachlasspfleger bestellen, sofern ein Bedürfnis besteht, für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen.

Quelle: OLG Braunschweig, Urt. v. 23.10.2019 – 1 W 26/19

Thema: Erbrecht

Gepfändeter Erbanteil: Zur Veräußerung des Erbanteils ist ein gesonderter Beschluss des Vollstreckungsgerichts erforderlich

In der Fachliteratur und Rechtsprechung war bislang umstritten, ob ein gepfändeter Erbanteil freihändig verkauft werden darf. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Frage nun abschließend geklärt.


Drei Personen waren zusammen in Erbengemeinschaft Eigentümer eines Grundstücks. Der Anteil einer dieser Erben wurde gepfändet und von den neuen Eigentümern verkauft. Dagegen wehrten sich jedoch die Miterben, so dass der Fall schließlich beim BGH landete.

Der BGH entschied, dass die Pfändung und Überweisung des Anteils eines Miterben am Nachlass den Vollstreckungsgläubiger nicht dazu berechtigt, den Erbanteil freihändig zu veräußern. Hierzu bedarf es vielmehr eines gesonderten Beschlusses des Vollstreckungsgerichts. Die Veräußerung kann von dem Gericht angeordnet werden, wenn die Veräußerung des Rechts selbst zulässig ist.

Hinweis: Der Anteil eines Miterben an dem Nachlass kann durchaus gepfändet werden. Damit der Gläubiger aber den Pfandgegenstand auch verwerten, also zu Geld machen kann, erfolgt durch das Vollstreckungsgericht die Überweisung der Forderung an den Gläubiger durch einen Überweisungsbeschluss. So kann dieser im Fall eines Erbanteils die Auseinandersetzung betreiben, indem er beim Nachlassgericht einen Antrag auf Vermittlung durch einen Notar stellt oder eine Teilungsklage gegen die Miterben erhebt. Er darf das Recht an dem Erbanteil jedoch nicht auf einen Dritten übertragen. Dazu ist mit dem BGH-Urteil nun ein weiterer Beschluss des Vollstreckungsgerichts nötig, der das Interesse des Gläubigers an der Befriedigung, aber auch das schutzwürdige Interesse des Schuldners berücksichtigt, der den Pfandgegenstand nicht verschleudert sehen möchte.

Quelle: BGH, Beschl. v. 07.02.2019 – V ZB 89/18

Thema: Erbrecht

Grenzüberschreitender Erbfall: Zuständigkeit des Gerichts bei Ausschlagung der Erbschaft mit Auslandsbezug

Nicht selten kommt es vor, dass Erbfälle grenzüberschreitende Bezüge haben – etwa, weil zur Erbmasse Grundstücke im Ausland gehören oder der Erblasser in einem Land lebt, dessen Staatsangehörigkeit er nicht hat. Dann stellen sich die Fragen, welches Recht zur Anwendung kommt und auch welche Gerichte zuständig sind. Auch im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) musste geklärt werden, welches Gericht in der befassten Sache zuständig ist.

Ein Mann wollte eine Erbschaft ausschlagen. Da der Erblasser in Spanien verstorben war, war dem Erben unklar, an welches Gericht er sich dazu wenden musste, so dass er die Ausschlagungserklärung sowohl an das für seinen Wohnsitz zuständige Gericht als auch an das Gericht an dem letzten Wohnsitz des Erblassers in Deutschland sandte. Alle Gerichte erklärten sich jedoch für unzuständig und verwiesen die Sache weiter, so dass schließlich das OLG die Zuständigkeit klären musste. Und dafür nahm es die für die EU-Mitgliedstaaten geltenden Regelungen aus der „Verordnung über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (EuErbVO)“ zu Hilfe.

So entschied das OLG entsprechend, dass für die Entgegennahme der Ausschlagungserklärung das Nachlassgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die erklärende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Durch die Sonderregelungen in der EuErbVO für die Ausschlagung einer Erbschaft soll sie in internationalen Erbfällen erleichtert werden, indem dem Ausschlagenden die Erklärung gegenüber den Gerichten seines eigenen Aufenthaltsstaates ermöglicht wird. Eine Erklärung gegenüber diesem Gericht ersetzt dabei eine Erklärung gegenüber dem nach dem anzuwendenden Erbrecht vorgesehenen Gericht.

Hinweis: Die EuErbVO regelt nicht nur, welches Recht welches EU-Mitgliedsstaates zur Anwendung kommt, sondern auch, welches Gericht zuständig ist. Grundsätzlich kommt dabei das Recht des Staates zur Anwendung, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte – unabhängig davon, welche Staatsbürgerschaft er besaß. Zuständig sind dann auch die Gerichte dieses Landes. In diesem Fall hätte die Erbschaft also in Spanien vor spanischen Gerichten geltend gemacht werden müssen. Nur für die Ausschlagung gilt eine Sonderregelung. Der Erblasser kann aber in seinem Testament auch bestimmen, welches Recht zur Anwendung kommen und auch welches Gericht zuständig sein soll.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.10.2018 – I-3 Sa 1/18

Thema: Erbrecht

Verjährung des Pflichtteilsanspruchs: Eine Stundungsvereinbarung verhindert die Verjährung

Engen Verwandten, die im Testament nicht bedacht werden, steht ein Pflichtteil zu. Häufig ist die Auszahlung des Pflichtteils für den Erben jedoch mit finanziellen Schwierigkeiten verbunden – etwa wenn er Immobilien verkaufen muss, um den Pflichtteil auszubezahlen. Daher werden von den Beteiligten in solchen Fällen häufig Absprachen über eine Ratenzahlung oder einen Aufschub der Zahlung getroffen. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten, da der Pflichtteilsanspruch innerhalb von drei Jahren verjährt.

Eine Frau hatte eine Tochter und einen Sohn, der bereits verstorben war. Sie setzte in ihrem Testament ihre Tochter als Alleinerbin ein. Die Tochter des Sohns machte als Enkelin der Erblasserin daraufhin den Pflichtteil aus dem Erbteil ihres Vaters geltend. Ihre Tante bat als Tochter der Erblasserin jedoch, davon abzusehen, da sie sonst die Eigentumswohnung, in der sie lebte, verkauften müsse. Sie sicherte ihrer Nichte zu, dass diese nach ihrem Tod sowieso alles erben würde, was auch in einem Brief festgehalten war. Die Nichte stimmte diesem Vorgehen zu. 13 Jahre nach dem Tod der Großmutter wollte sie dann aber doch ihren Pflichtteil geltend machen und verlangte Auskunft über den entsprechenden Nachlass. Die Tante lehnte dies jedoch ab und trug vor, dass der Anspruch verjährt sei.

Das Gericht sah dies jedoch anders. Es ging davon aus, dass die Vereinbarung zwischen Tante und Nichte rechtlich eine Stundungsvereinbarung über den Pflichtteil darstellt und nicht etwa einen Verzicht. Die Stundung einer Forderung hemmt gleichzeitig auch die Verjährung. Somit war weder der Auskunfts- noch der Auszahlungsanspruch nach Auffassung des Gerichts verjährt.

Hinweis: Grundsätzlich muss der Erbe den Pflichtteil sofort auszahlen. In der Praxis kommt es jedoch häufig zu Verzögerungen, etwa weil der Erbe keine genaue Auskunft über den Wert des Nachlasses gibt oder einzelne Nachlassgegenstände erst bewertet werden müssen. Sofern sich die Parteien einig sind, gibt es mehrere Möglichkeiten, während dieser Zeit die Verjährung des Anspruchs zu verhindern (z.B. eine Vereinbarung zum Verzicht auf die Einrede der Verjährung oder eine Stundung). Kann jedoch keine Einigung erzielt werden, kann der Pflichtteilsberechtigte die Verjährung dadurch verhindern, dass er Klage erhebt. Der Erbe wiederum kann nicht einseitig die Auszahlung des Pflichtteils verweigern oder verzögern. Nur in Ausnahmefällen, in denen die sofortige Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs für den Erben eine unbillige Härte darstellen würde, kann er beim Nachlassgericht die Stundung des Anspruchs beantragen.
 

Quelle: OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.10.2015 – 9 U 149/14

Thema: Erbrecht

Schlechte Erfolgsaussichten: Die Entlassung eines Testamentsvollstreckers ist nur in Ausnahmefällen durchsetzbar

Die Bestellung eines Testamentsvollstreckers ist für den Erblasser eine gute Möglichkeit sicherzustellen, dass sein letzter Wille auch tatsächlich umgesetzt wird. Je nachdem, wer als Testamentsvollstrecker bestellt wird – insbesondere, wenn diese Person selbst Erbe ist – kann dies zu Streitigkeiten unter den Erben führen. Diese versuchen dann unter Umständen, den Testamentsvollstrecker abzusetzen.

Eine unverheiratete, kinderlose Frau setzte ihre acht Nichten und Neffen in einem notariellen Testament zu gleichen Teilen als Miterben ein. Sie ordnete zudem Testamentsvollstreckung an und setzte einen der Neffen als Testamentsvollstrecker ein. Ein anderer Neffe beantragte dann jedoch nach über zehn Jahren beim Nachlassgericht, den Testamentsvollstrecker zu entlassen.

Das Gericht lehnte dies ab und verwies darauf, dass zur Entlastung des Testamentsvollstreckers grundsätzlich ein wichtiger Grund vorliegen muss – wie etwa eine grobe Pflichtverletzung oder die Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung. Selbst wenn ein solcher Grund vorliegt, kann der Testamentsvollstrecker nur entlassen werden, wenn das Entlassungsinteresse dem Fortführungsinteresse gegenüber überwiegt. Das Gericht sah in diesem Fall hier jedoch keine grobe Pflichtverletzung, sondern vielmehr ein überwiegendes Interesse an der Fortführung der Testamentsvollstreckung. Zum einen waren nur noch weniger bedeutende Angelegenheiten wie die Verteilung des Hausrats der Erblasserin abzuwickeln; zum anderen hatte keiner der Miterben dem Entlassungsantrag zugestimmt.

Hinweis: Grundsätzlich kann zwar ein Testamentsvollstrecker auf Antrag eines Erben, Vermächtnisnehmers oder Pflichtteilsberechtigten vom Nachlassgericht entlassen werden. Jedoch machen die Gerichte von dieser Möglichkeit nur in Ausnahmefällen Gebrauch. Nur bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen – etwa, wenn er einzelne Miterben bevorzugt, gar nichts tut oder sich eine weit überzogene Vergütung aus dem Nachlass entnimmt – und bei einem klaren Entlassungsinteresse wird das Gericht den Testamentsvollstrecker entlassen.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.02.2017 – I-3 Wx 20/16

  Erbrecht

Stundung des Pflichtteils: Auch in Härtefällen müssen Ansprüche nicht sofort ausgezahlt werden

Aufgrund des gesetzlichen Erbrechts ist es grundsätzlich nicht möglich, Angehörige gänzlich vom Erbe auszuschließen: Sie erhalten vielmehr den gesetzlich festgelegten Pflichtteil.

Dies führt in der Praxis immer wieder zu Streitigkeiten, insbesondere wenn das Erbe hauptsächlich aus Immobilien oder Sachwerten besteht und dem Erben eine Auszahlung von Pflichtteilsansprüchen nicht ohne weiteres sofort möglich ist.

Grundsätzlich ist der Pflichtteilsanspruch zwar sofort fällig, jedoch sieht das Gesetz auch eine Stundungsmöglichkeit für Härtefälle vor. Als Beispiel für solche Härtefälle nennt das Gesetz Fälle, in denen die Auszahlung des Pflichtteils zwangsläufig zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts führen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. In solchen Fällen müssen die Interessen abgewogen und die Interessen des Pflichtteilsberechtigten angemessen berücksichtigt werden. Hat der Pflichtteilsberechtigte beispielsweise einen dringenden und nachvollziehbaren Bedarf, seinen Anteil zu erhalten, oder hat er von dem Verstorbenen Unterhalt bekommen, wird eine Stundung in der Regel abgelehnt. Grundsätzlich kann dem Erben aber auch zugemutet werden, zur Auszahlung des Pflichtteils einen Kredit aufzunehmen.

Hinweis: Über die Stundung entscheidet das Nachlassgericht, sofern der Erbe diese beantragt. Das Gericht kann auch Ratenzahlung oder die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung anordnen. Um solche Fälle zu vermeiden, empfiehlt es sich jedoch, schon zu Lebzeiten des Erblassers einen Pflichtteilsverzicht zu vereinbaren und den Pflichtteilsberechtigten anderweitig zu entschädigen.

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Nachweis der Erbschaft: Nicht jeder Erbe braucht einen Erbschein

Der Erbschein ist ein amtliches Zeugnis, das anzeigt, wer Erbe ist. Darüber hinaus lässt sich dem Erbschein entnehmen, ob mehrere Personen Erben sind und zu welchen Teilen sie jeweils geerbt haben, also die sogenannte Erbquote. Auch das Bestehen von Verfügungsbeschränkungen, wie etwa eine Vor- und Nacherbschaft, sind im Erbschein enthalten.

Der Erbschein wird durch das zuständige Nachlassgericht ausgestellt. Dazu ist jedoch ein entsprechender Antrag nötig. Der Antrag kann schriftlich oder zu Protokoll beim Nachlassgericht gestellt werden und muss entsprechende Nachweise – zum Beispiel ein Testament oder Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden – als Beleg der gesetzlichen Erbfolge enthalten. Für die Ausstellung eines Erbscheins fallen Gerichtsgebühren nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz an, deren Höhe vom Nachlasswert abhängt. Der Erbscheinsantrag kann auch durch einen Notar beurkundet werden. Neben dem Erben selbst können auch Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter oder -gläubiger einen Erbschein auf den Namen des Erben beantragen. Befindet sich ein Teil der Erbschaft im EU-Ausland, kann auch ein europäischer Erbschein beantragt werden.

Nicht jeder Erbe benötigt einen Erbschein, da er seine Erbenstellung auch anderweitig belegen kann. Häufig verlangen Banken die Vorlage eines Erbscheins, um Auskünfte über bestehende Konten des Verstorbenen zu geben oder die Auszahlung von Guthaben zu veranlassen. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass auch ein notarielles Testament oder ein Erbvertrag in einem solchen Fall ausreichen und die Bank nicht auf die Vorlage eines Erbscheins bestehen kann, sofern nicht im Einzelfall berechtigte Zweifel an der Erbeneigenschaft bestehen. Für manche Handlungen ist jedoch ein Erbschein im Gesetz vorgeschrieben, etwa als Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt, wenn ein ererbtes Grundstück auf den neuen Eigentümer umgeschrieben werden soll. Auch hier können jedoch ein notarielles Testament und das gerichtliche Eröffnungsprotokoll ausreichen.

Hinweis: Erben sollten also prüfen, ob sie einen Erbschein wirklich benötigen, da die Antragstellung mit Aufwand und Kosten verbunden ist. Liegt ein notarielles Testament vor oder hat der Erblasser eine Konto- und Vorsorgevollmacht ausgestellt, ist ein Erbschein häufig überflüssig. Sofern jedoch nur ein eigenhändiges Testament vorliegt oder ein Testament eine inhaltlich unklare Erbeinsetzung enthält, ist ein Erbschein in der Regel die einzige Möglichkeit zum Nachweis der Erbenstellung.

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