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Autor: Knofy68

Sittenwidrige Vergütungsvereinbarung: Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers darf nicht auf dem Arbeitnehmer lasten

Leistungsabhängige Vergütungsbestandteile gehören für viele Arbeitnehmer zum Alltag. Das wirtschaftliche Risiko darf aber nicht auf sie verlagert werden.

Ein Steuerfachgehilfe erhielt zu seinem Grundgehalt eine 30%ige Beteiligung an gegenüber Mandanten seiner Arbeitgeberin abgerechneten Leistungen. Dieser Provisionsanteil machte dabei rund zwei Drittel seiner Gesamtvergütung aus. Die Arbeitgeberin war nun der Meinung, dass der Steuerfachgehilfe nur an erledigten, abgerechneten und bezahlten Umsätzen zu beteiligen sei. Der Steuerfachgehilfe war dagegen der Auffassung, dass auch die nicht weiterberechneten bzw. nicht bezahlten Leistungen für die Mandanten seiner Chefin anteilig zu begleichen seien – und klagte mehr Geld ein.

Er bekam Recht, denn Vergütungsvereinbarungen sind dann sittenwidrig, sobald der Arbeitnehmer mit dem Betriebs- oder Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers belastet wird. Hier war er scheinbar davon abhängig, dass die Arbeitgeberin ihre Honoraransprüche ordentlich durchsetzt, ohne dass er darauf in irgendeiner Weise Einfluss ausüben konnte.

Hinweis: Grundsätzlich darf ein Lohnanspruch nicht von Umständen abhängig gemacht werden, die der Arbeitnehmer nicht beeinflussen kann.

Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 21.04.2015 – 14 Sa 1249/14
Thema: Arbeitsrecht

Verkehrssicherheit: Voraussetzungen für die fiktive Schadensabrechnung

Bei der fiktiven Schadensabrechnung ist nicht nur das Behalten des Fahrzeugs für mindestens weitere sechs Monaten erforderlich, sondern auch die Gewährleistung für dessen Verkehrssicherheit.

Bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall wurde ein Pkw so erheblich beschädigt, dass nach Auffassung eins Kfz-Sachverständigen unter anderem ein Austausch des Lenkgetriebes notwendig war. Der Geschädigte führte die Reparatur des Fahrzeugs jedoch nicht durch und rechnete gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners den Schaden fiktiv ab. Er behauptete, das Fahrzeug auch ohne einen Austausch des Lenkgetriebes fahren zu können. Das tat er dann auch über den Zeitraum der vorgeschriebenen Mindestzeit von sechs Monaten. Doch die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers trat dem entgegen und rechnete den Schaden auf Totalschadenbasis ab.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg konnte im vorliegenden Fall eine Abrechnung nur auf Totalschadenbasis erfolgen. Denn Voraussetzungen für eine fiktive Abrechnung sind zum einen, dass der Geschädigte das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiterhin nutzt, zum anderen, dass die Verkehrssicherheit dafür gewährleistet ist. Weil der Geschädigte aber das von dem Gutachter für erforderlich gehaltene Austauschen des Lenkgetriebes nicht durchführte, fehlte es hier genau daran.

Hinweis: Liegen die vom Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten unterhalb des Wiederbeschaffungswerts, kann der Geschädigte grundsätzlich die Nettoreparaturkosten ersetzt verlangen (fiktive Abrechnung). Dass diese Verfahrensweise auch an Bedingungen geknüpft ist, zeigt diese Entscheidung, die der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht.

Quelle: OLG Hamburg, Urt. v. 08.04.2015 – 14 U 112/14

Thema: Verkehrsrecht

Gewerberäume: Mietvertrag mit einer Aktiengesellschaft

Soll ein Mietvertrag, insbesondere im gewerblichen Bereich, für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden, sollte die Schriftform gewahrt werden. Andernfalls gilt der Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann unter Beachtung der gesetzlichen Fristen gekündigt werden.

Ein Mietvertrag mit einer Aktiengesellschaft (AG) als Mieterin wurde von deren Vorstand und dem Prokuristen unterzeichnet. Mit Nachtrag aus 2004 wurde das Mietverhältnis nach Ablauf der Festmietzeit um fünf Jahre verlängert. Die Option sollte stillschweigend in Kraft treten, wenn der Mieter spätestens 12 Monate vor Ablauf der Mietzeit keine gegenteilige schriftliche Erklärung abgibt. Nun meinte der Vermieter, die Schriftform sei nicht eingehalten worden. Denn den Vertrag habe nur ein Vorstandsmitglied der AG unterschrieben, gesetzlich wird eine AG aber durch den gesamten Vorstand vertreten. Deshalb bestünde kein befristeter Vertrag, sondern ein unbefristeter, den er kündigen könne.

Der Bundesgerichtshof entschied: Handelt es sich bei einer Mietvertragspartei nicht um eine Personenmehrheit, sondern um eine Kapitalgesellschaft, die von mehreren Personen vertreten wird, kann der Eindruck, die Urkunde sei in Bezug auf die Unterschriften noch unvollständig, vermieden werden, wenn wie hier ein Mitglied des Vorstands und ein Prokurist unterzeichnet haben. In zugrundeliegenden Fall ist daher also die Schriftform gewahrt worden.

Hinweis: Das Urteil zeigt aber auch, dass gerade bei befristeten Mietverträgen, in denen die Schriftform zwingend eingehalten werden muss, genau geprüft werden sollte, wer den Vertrag unterschreiben muss.

Quelle: BGH, Urt. v. 22.04.2015 – XII ZR 55/14
Thema: Mietrecht

Wohnungseigentum: Haftung für unterlassene Instandsetzung

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft muss dafür sorgen, dass nötige Sanierungsarbeiten durchgeführt werden. Was aber, wenn eine Partei dies mit ihrer Stimmenmehrheit blockiert?



Folgenden Fall hatte der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr zu entscheiden (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2014 – V ZR 9/14 –):

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft besteht aus zwei Parteien. Einer Partei gehören die Wohnungen in Erd- und Dachgeschoss, der anderen Partei gehört eine Wohnung im Keller. Die Miteigentumsanteile sind so verteilt, dass die Partei mit den zwei Wohnungen die Stimmenmehrheit hat. Die Kellerwohnung ist unbewohnbar wegen eines Feuchtigkeitsschadens, der seine Ursache im Gemeinschaftseigentum hat. Die Partei mit der Stimmenmehrheit sieht die Verantwortlichkeit zur Sanierung allein bei der anderen Partei.

Die Eigentümerin der Kellerwohnung verklagte die übrigen Eigentümer deshalb auf Zustimmung, dass die Kosten für die Sanierung der Kellergeschosswohnung von den Wohnungseigentümern nach Maßgabe ihrer Miteigentumsanteile anteilig getragen werden. Außerdem verlangt sie Schadensersatz.

Der Bundesgerichtshof gab der Klägerin Recht.

Zunächst stellte der BGH klar, dass eine Klage grundsätzlich erst dann zulässig ist, wenn der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zuvor die Gelegenheit gegeben wurde, sich mit dem Anliegen des Betroffenen zu befassen. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Antrag in der Eigentümerversammlung nicht die erforderliche Mehrheit finden wird. In einem solchen Fall wäre die Befassung der Versammlung eine unnötige Förmelei. Da die übrigen Eigentümer bereits im Vorfeld ihre Ablehnung signalisiert hatten, war eine sofortige Klage hier also zulässig.

Auch die Forderung der Klägerin nach Sanierung war berechtigt.

Jeder Wohnungseigentümer kann eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und – soweit solche nicht bestehen – dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht (§ 21 Abs. 4 WEG). Zu der ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung gehört insbesondere die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG). Allerdings haben die Wohnungseigentümer insoweit einen Gestaltungsspielraum. Sie müssen das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und im Grundsatz auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer Rücksicht nehmen. Deshalb sind sie berechtigt, Kosten und Nutzen einer Maßnahme gegeneinander abzuwägen und nicht zwingend erforderliche Maßnahmen ggfs. zurückzustellen. Ist jedoch die sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich, so entspricht nur ihre Vornahme billigem Ermessen. In diesem Fall hat ein einzelner Wohnungseigentümer einen Anspruch auf die Durchführung.

In dem entschiedenen Fall drohte ein Übergreifen der Feuchtigkeitsschäden auf den übrigen Kellerbereich. Außerdem war die Wohnung der Klägerin bereits seit geraumer Zeit unbewohnbar und würde es auch bis zur Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums bleiben. Die Klägerin konnte die Sanierung also beanspruchen.

Die Vorinstanz hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass es den übrigen Eigentümern unzumutbar sei, sich an den Sanierungskosten zu beteiligen, weil diese bereits betagt seien und auch finanziell überfordert wären.

Dem hat der BGH allerdings eine Absage erteilt: Entspricht nur die sofortige Vornahme der zur Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Sanierungsmaßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung, ist für die Berücksichtigung finanzieller Schwierigkeiten (oder des Alters) einzelner Wohnungseigentümer kein Raum. Eine individuelle „Opfergrenze“ gibt es bei dringenden Sanierungsmaßnahmen also nicht.

Die Kosten der Sanierung des Gemeinschaftseigentums waren also auch von den übrigen Eigentümern zu tragen. Es gilt insoweit die allgemeine Regelung in § 16 Abs. 2 WEG, wonach jeder Wohnungseigentümer den anderen gegenüber verpflichtet ist, die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis seines Anteils (Miteigentumsanteil) zu tragen.

Auch die Schadensersatzforderung der Klägerin war berechtigt.

Für die durch eine unterbliebene oder verzögerte Beschlussfassung entstehenden Schäden sind (nur) die Wohnungseigentümer selbst ersatzpflichtig, die schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder gegen die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten haben.

Gerade in kleinen Wohnungseigentümergemeinschaften kann die Stimmverteilung zu einem Patt führen oder dazu, dass die Rechte einer Partei übergangen werden. In solchen Fällen muss gerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen werden, um die nötigen Maßnahmen durchzusetzen. Der Bundesgerichtshof hat einige begrüßenswerte Klarstellungen hierzu getroffen. Denjenigen Parteien, die nötige Arbeiten verhindern, drohen zudem Schadensersatzpflichten.

Thema: Wohnungseigentumsrecht

Autor: Rechtsanwalt Matthias Juhre, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in Wuppertal

Freigabeerklärung: Wohnungskündigung trotz Verbraucherinsolvenz

Ist ein Mieter mit zwei Monatsmieten im Zahlungsrückstand, kann der Vermieter ihm fristlos kündigen. Besonderheiten gelten aber, wenn sich der Mieter in einem Verbraucherinsolvenzverfahren befindet. Mit einem solchen Verfahren kann er nach einigen Jahren schuldenfrei sein.

Über das Vermögen eines langjährigen Mieters wurde im Jahr 2010 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Es wurde eine Treuhänderin für das Vermögen bestellt, die im Juli 2010 die sogenannte „Freigabe“ des Mietverhältnisses erklärte. Daraufhin kündigte die Vermieterin im Oktober 2012 unter Berufung auf die seit März 2009 aufgelaufenen Mietrückstände. Es ging also um fehlende Zahlungen, die mit dem Verbraucherinsolvenzverfahren „erledigt“ werden sollten. Denn klar ist, dass nach der Beendigung des Verfahrens der Mieter diese Zahlungen nicht mehr leisten muss.

Schließlich kam es zu einem Räumungsrechtsstreit und der Bundesgerichtshof urteilte, dass es zwar grundsätzlich eine Kündigungssperre gibt, diese jedoch mit Wirksamwerden der Enthaftungserklärung (auch Freigabeerklärung genannt) entfällt. Eine außerordentliche Kündigung kann also auch auf Mietrückstände gestützt werden, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufen sind.

Hinweis: Eine bittere Pille für insolvente Mieter. Sie müssen nun mit einer Kündigung des Mietverhältnisses rechnen, wenn sie sich nicht um einen Ausgleich der alten Mietschulden kümmern. Das wiederum könnte von einem Amt übernommen werden, um eine drohende Obdachlosigkeit zu verhindern.

Quelle: BGH, Urt. v. 17.06.2015 – VIII ZR 19/14

Thema: Mietrecht

Unverheiratet: Mindestanforderungen an die gemeinsame elterliche Sorge

Sind die Eltern eines Kindes unverheiratet, steht von Gesetzes wegen die elterliche Sorge automatisch allein der Kindesmutter zu. Der Kindesvater muss bei Gericht einen Antrag stellen, um Mitinhaber der elterlichen Sorge zu werden, sollte die Kindesmutter sich seinem Wunsch auf gemeinsame elterliche Sorge widersetzen. Seinem Antrag ist zu entsprechen, wenn sein Anliegen dem Kindeswohl nicht widerspricht.

Der Gesetzgeber hat bewusst die Hürde für den Vater ganz niedrig gelegt, der – ohne mit der Kindesmutter verheiratet zu sein – auch Inhaber der elterlichen Sorge für das gemeinsame Kind werden möchte. Die Grenzen zu finden, gestaltet sich in der Praxis oftmals nicht einfach. Schwierigkeiten in der Kommunikation zwischen den Eltern sind zwar durchaus ein Problem, aber nur selten ein ausreichender Grund, einen Sorgerechtsantrag des Vaters abweisen zu können.

Eher ist das sonstige Verhalten des Vaters zu betrachten. Bestreitet er zum Beispiel die Vaterschaft zunächst und muss aus diesem Grund ein gerichtliches Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft geführt werden, wirkt sich dies nicht negativ für ihn aus. Etwas anderes gilt, wenn er lügt und etwa wahrheitswidrig behauptet, er würde Kindesunterhalt zahlen. Vor allem aber ist von Bedeutung, in welchem Maße er sich um sein Kind kümmert und bemüht. Ein Vater, der keinen Kontakt zu seinem Kind sucht, darf auch nicht erwarten, dass er Mitinhaber der elterlichen Sorge wird.

Hinweis: Leider kommt es relativ häufig vor, dass Väter dann auf ihr Sorgerecht am nichtehelichen Kind pochen, wenn sie auf Unterhalt in Anspruch genommen werden. Dieser berechenbare Umstand allein darf sie ebenso wenig von der elterlichen Sorge ausschließen wie ihr Bemühen, einer Unterhaltspflicht zu entgehen, etwa, indem sie geltend machen, sie würden nicht über die dazu notwendigen finanziellen Mittel verfügen. Mangelndes tatsächliches Interesse ist aber zu berücksichtigen.

Quelle: AG Gießen, Beschl. v. 17.11.2014 – 243 F 514/14

Thema: Familienrecht

Bezug zum Arbeitsverhältnis: Auch die Kündigung eines nationalsozialistischen Erziehers muss korrekt ablaufen

Verbreitet ein Arbeitnehmer nationalsozialistisches Gedankengut am Arbeitsplatz, muss der Arbeitgeber einschreiten.

In einem Fall ging es um einen Erzieher in einer städtischen Kindertageseinrichtung. Es gab begründete Zweifel an der Verfassungstreue dieses Arbeitnehmers. Er nahm an NPD-Veranstaltungen teil, hatte einen entsprechenden Facebook-Auftritt und trug Kleidung der Marke „Thor Steinar“. Aber das Eintreten für verfassungsfeindliche Ziele und insbesondere für die faktisch immer noch nicht verbotene NPD können für sich genommen keine Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen – denn diese muss stets einen Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweisen. Hier machte der Erzieher schließlich einer Arbeitskollegin gegenüber den entscheidenden Fehler, als er ihr sagte: „Wenn es mein Sohn wäre, dann würde er Springerstiefel tragen und eine rote Binde am Arm.“ Das reichte dem Gericht, um die Kündigung zu rechtfertigen.

Hinweis: Bei solchen Äußerungen und einem solchen Verhalten ist in aller Regel eine Kündigung gerechtfertigt.

Quelle: ArbG Mannheim, Urt. v. 19.05.2015 – 7 Ca 254/14

Thema: Arbeitsrecht

Tierhalterhaftpflicht: Schutz greift nicht bei großzügig tolerierter Zerstörungswut

Grundsätzlich können Schäden, die Tiere in der Mietwohnung verursachen, durch eine Versicherung abgedeckt werden. Die vierbeinigen Freunde einfach gewähren lassen, geht allerdings trotzdem nicht.

Eine Frau wohnte bei ihrem Schwiegervater zur Miete. Laut Mietvertrag durfte sie in der Wohnung Haustiere halten, soweit dies nach Anzahl und Größe der Tiere den allgemein üblichen Vorstellungen entsprach. Nun hatte die Mieterin eine Katze. Diese Katze hatte die Dichtungen an der Terrassentür der Wohnung stark zerkratzt und zerstört. Die Mieterin war der Ansicht, es habe sich hier die typische Tiergefahr verwirklicht, wofür ihre Privathaftpflichtversicherung, in die eine Tierhalterhaftpflicht eingeschlossen worden war, zahlen müsse.

Das Amtsgericht urteilte jedoch, dass die Versicherung zwar grundsätzlich zahlen müsse, hier der Schaden aber durch eine übermäßige Beanspruchung verursacht worden war. Die übermäßige Beanspruchung lag hier darin, dass die Mieterin die Verursachung von Substanzschäden durch ihre Katze dadurch begünstigt hatte, dass sie das Tier einfach frei gewähren ließ. Dafür muss aber keine Versicherung zahlen.

Hinweis: Nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen sind Fälle der übermäßigen Beanspruchung grundsätzlich nicht mitversichert. Und so hat das Amtsgericht in diesem Fall nachvollziehbar entschieden.

Quelle: AG Offenbach am Main, Urt. v. 07.05.2015 – 33 C 291/14

Unfallrekonstruktion: Alleinhaftung einer betrunkenenen Fußgängerin durch nachgewiesene Alleinschuld

Kann ein Autofahrer auch bei sofortiger Reaktion das Unfallgeschehen mit einem Fußgänger nicht verhindern, tritt seine Betriebsgefahr vollständig hinter dem schuldhaften Verkehrsverstoß des Fußgängers zurück.

Eine Fußgängerin wollte bei Dunkelheit und Regen innerorts eine Straße überqueren. Zum Unfallzeitpunkt hatte sie eine Blutalkoholkonzentration von 1,75 ‰. Beim Überqueren der Fahrbahn kam es zu einem Zusammenstoß mit einem Pkw, wobei sie sich erheblich verletzte. Von der Haftpflichtversicherung des Pkw-Fahrers verlangt sie 25 % des ihr entstandenen Schadens.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle steht der Fußgängerin jedoch kein Schadensersatz zu. Der Unfall ist allein durch ihr grob verkehrswidriges Verhalten verursacht worden. Laut gerichtlichem Sachverständigengutachten war die Fußgängerin für den Autofahrer 1,5 Sekunden vor der Kollision sicher erkennbar. Da die Aufmerksamkeit des Autofahrers ordnungsgemäß auf seine Fahrbahn gerichtet war, musste er erst dann reagieren, als sich die Frau auf seinen Fahrstreifen zubewegte. Aufgrund der herrschenden Dunkelheit und der schlechten Beleuchtung war ebenso davon auszugehen, dass mit einer Reaktionszeit von nur 1,5 Sekunden ein Ausweichen seinerseits nicht mehr möglich war. Ein die Betriebsgefahr erhöhendes Verschulden des Fahrzeugführers lag nicht vor. Die gegenüber der Fußgängerin verbleibende Gefährdungshaftung überwiegt sogar derart, dass eine Mithaftung des Autofahrers gänzlich ausscheidet.

Hinweis: Ob der Verkehrsunfall für den Pkw-Fahrer unvermeidbar war, lässt sich – wie der vorliegende Fall deutlich zeigt – nur durch Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens sicher feststellen. Von besonderer Bedeutung ist auch die Feststellung des Gerichts, dass der Fahrzeugführer aufgrund der äußeren Umstände (Dunkelheit und Regen) seine Aufmerksamkeit auf die vor ihm liegende Fahrbahn zu richten hatte, sodass ihm unter den beschriebenen Umständen eine erhöhte Reaktionszeit mit realistischen 1,5 Sekunden zugemessen werden konnte.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 19.03.2015 – 5 U 185/11

Schmerzensgeld: Unverhältnismäßiger Zugriff eines Polizeihundes

Polizeihunde sind für die Polizeiarbeit unverzichtbar. Allerdings muss der Hund auch stets gehorchen.

Die Polizei fahndete nach den Tätern eines Raubüberfalls. Als mehrere Jugendliche die Polizeifahrzeuge sahen, liefen sie davon. Die Polizisten hielten das für verdächtig und nahmen an, die Räuber vor sich zu haben. Ein Polizeihundeführer setzte deshalb seinen Hund ein. Der stürzte sich auf einen der Jugendlichen und fügte ihm zahlreiche Bissverletzungen an den Unterarmen, am Oberarm, am Rücken und an einem Bein zu.

Im Nachhinein stellte sich jedoch heraus, dass der Jugendliche mit dem Raub nichts zu tun hatte.

Der Verletzte forderte daher Schmerzensgeld, das er auch erhielt. Allerdings erklärte das Gericht, dass es nicht von einer Amtspflichtverletzung des Diensthundeführers ausging und der alkoholisierte Jugendliche ein erhebliches Mitverschulden trug. Denn die Polizeibeamten waren berechtigt, den Jugendlichen vorläufig festzunehmen, da zunächst tatsächlich der Verdacht einer Straftat bestanden hatte. Nur die Vielzahl der Bissverletzungen, die der Jugendliche erlitten hatte, war nicht verhältnismäßig.

Hinweis: Ein Diensthundeführer muss seinen Hund so beherrschen und kontrollieren, dass ein willkürliches Beißen des Hundes ausgeschlossen ist.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.06.2015 – 9 U 23/14

Thema: Sonstiges