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Grob unbilliger Versorgungsausgleich: Einmalzahlungen aus einer Versorgungsanwartschaft können zu Ausgleichskorrekturen führen

Mit der Scheidung wird von Amts wegen der Versorgungsausgleich durchgeführt. Das bedeutet, dass mit der Scheidung die in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte jeweils hälftig vom Rentenversicherungskonto des einen Ehegatten auf das des anderen übertragen werden. Das geschieht zwar schematisch, unterliegt aber einer Billigkeitskontrolle.

Der Versorgungsausgleich unterliegt dem Prinzip der Halbteilung. Die in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte der Ehegatten sollen hälftig auf diese verteilt werden. Ergibt sich bei schematischer Durchführung dieses Prinzips ein grob unbilliges – sprich ungerechtes – Ergebnis, soll eine Korrektur erfolgen. Dabei ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Eine der möglichen Situationen, in denen eine solche Korrektur in Betracht kommt, ist, wenn ein Ehegatte dem Versorgungsausgleich ein Versorgungsanrecht entzieht. Wie kann es dazu kommen?

Es gibt Versorgungsanwartschaften, bei denen ein Wahlrecht besteht. Der Inhaber der Versorgungsanwartschaft kann dabei wählen, ob er die Versorgung kapitalisiert und als Einmalzahlung erhält oder als echte monatliche Rente. Wählt er die Möglichkeit der Einmalzahlung, fällt das Anrecht nicht mehr in den Versorgungsausgleich. Stattdessen fällt dieser Betrag nun in den sogenannten Zugewinnausgleich und ist damit güterrechtlich zu behandeln. So weit, so gut. Dabei gibt es allerdings ein entscheidendes Problem: Haben die Ehegatten nämlich die Gütertrennung vereinbart, hilft dies dem anderen Ehegatten nicht, da durch die Vereinbarung dieses Güterstands güterrechtliche Ausgleichsansprüche ausgeschlossen wurden. Wenn auf diese Weise ein Ehegatte dem Versorgungsausgleich ohne Ausgleich in der sonstigen vermögensrechtlichen Auseinandersetzung ein Versorgungsanrecht entzieht und dabei ansonsten auf der Durchführung des Versorgungsausgleichs besteht, kann dies als grob unbillig anzusehen sein.

Hinweis: Die Einzelheiten des Versorgungsausgleichs sind schwierig. Fachmännischer Rat ist in jedem Fall einzuholen.

Quelle: BGH, Beschl. v. 21.09.2016 – XII ZB 264/13
Thema: Familienrecht

Nach erfolgloser Konfliktbeilegung: Kläger können unter bestimmten Voraussetzungen einen Sachverständigen ablehnen

Viele Gerichtsverfahren sind von den Aussagen eines Sachverständigengutachtens abhängig. Hier lesen Sie, unter welchen Voraussetzungen Sie einen Sachverständigen ablehnen können.

Ein Patient war der Meinung, in einem Krankenhaus fehlerhaft behandelt worden zu sein. Er wandte sich daher an die Gutachter- und Schlichtungsstelle für ärztliche Behandlungen bei der Landesärztekammer. Diese beauftragte daraufhin einen Professor mit der Erstellung eines Gutachtens, der darin das Vorliegen von Behandlungsfehlern verneinte. Trotz des Gutachtens zog der Patient vor Gericht und klagte. Das zuständige Landgericht bestimmte wiederum denselben Professor als Sachverständigen – was der Patient natürlich nicht zu akzeptieren bereit war. Schließlich musste darüber der Bundesgerichtshof entscheiden. Und dieser beschloss, dass das Ablehnen des Professors durch den Patienten hier durchaus begründet war.

Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen abgelehnt werden, die auch zum Ablehnen eines Richters berechtigen. Denn ein Richter kann für solche Fälle von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen werden, in denen er bereits an einer außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hatte. Selbiges gilt hier beim Gutachter: Da der Professor bereits vor der Gutachter- und Schlichtungsstelle tätig gewesen war, durfte er ebenfalls abgelehnt werden.

Hinweis: Ein Sachverständiger kann demnach abgelehnt werden, wenn er in derselben Sache bereits in einem Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat. Das ergibt natürlich nur Sinn, wenn bereits das erste Gutachten für den Kläger negativ ausfiel.

Quelle: BGH, Beschl. v. 13.12.2016 – VI ZB 1/16
Thema: Sonstiges

Schneebedeckte Hundehaufen: Fehlende Aufforderung zur Schadensbeseitigung führt zum Wegfall von Ersatzansprüchen

Hier kommt wieder ein Fall, bei dem man sich unwillkürlich fragt, ob sich die Justiz tatsächlich mit so etwas beschäftigen muss.

Ein recht skurriler Fall: Eine Eigentumswohnung mit Garten wurde im Winter verkauft. Der Verkäufer hatte zuvor seinen Hund öfters in den Garten gelassen. Dort hinterließ dieser eine Vielzahl von Hundehaufen, die dem Käufer allerdings erst einige Wochen nach der Übergabe auffielen. Vorher waren diese Haufen nämlich durch Schnee bedeckt gewesen. Der Käufer beauftragte eine Gartenbaufirma mit der Beseitigung der Haufen, bei der angeblich eine Kontamination des Erdreichs festgestellt wurde. Der Oberboden musste abgetragen werden. Die entstandenen Kosten von 3.500 EUR verlangte der Käufer nun von dem Verkäufer erstattet und klagte seine Forderung ein.

Auch das Gesicht war der Auffassung, dass es sich grundsätzlich um einen Sachmangel handelte. Der Käufer hätte den Verkäufer allerdings zum Entfernen der Haufen auffordern und eine entsprechende Nachfrist setzen müssen. Da er dies versäumt hatte, konnte er nun auch keinen Schadensersatz mehr verlangen. Auf die Tatsache, dass der Käufer die Kontamination des Bodens selbst mit verursacht hat, da er den Kot zu spät beseitigt hatte, kam es letztendlich nicht mehr an.

Hinweis: In diesem Fall hat der Käufer also Pech gehabt. Wie so häufig, muss derjenige, der von einem anderen etwas verlangt, diesen zunächst dazu auffordern. Und diese Aufforderung ist in einer Vielzahl von Fällen auch mit einer Frist zu versehen.

Quelle: AG München, Urt. v. 13.04.2016 – 171 C 15877/15
Thema: Mietrecht

Welches Testament gilt? Der Widerruf eines Testaments per E-Mail ist unwirksam

Häufig ändern sich im Laufe des Lebens die Vermögensverhältnisse und familiären Beziehungen, so dass auch eine Änderung von letztwilligen Verfügungen notwendig wird. Dabei kann es jedoch dazu kommen, dass ältere Testamente übersehen oder diese nicht formgerecht widerrufen oder geändert werden.

Ein Mann verfasste im Jahr 2010 ein handschriftliches Testament und ersetzte dieses im Jahr 2011 durch ein neues handschriftliches Testament. In beiden Testamenten setzte er einen Testamentsvollstrecker ein, den er im Jahr 2012 telefonisch bat, das Testament zu vernichten, da er zu diesem Zeitpunkt alle seine Immobilien bis auf eine veräußert hatte. Der Testamentsvollstrecker vernichtet daraufhin nur das Testament aus dem Jahr 2010, da er von dem aus dem Jahr 2011 nichts wusste. Dieses hatte der Mann beim Nachlassgericht hinterlegt. Im Jahr 2013 teilte der Mann dem Testamentsvollstrecker dann per E-Mail mit, dass er nun auch seine letzte Wohnung überschrieben und somit nichts mehr von Wert zu vererben habe. Für den Rest gehe er von der gesetzlichen Erbfolge aus.

Das Gericht entschied, dass das Testament aus dem Jahr 2011 weiterhin gültig ist. Es wies darauf hin, dass die E-Mail von 2013 kein neues eigenhändiges Testament ist, da sie nicht eigenhändig ge- und unterschrieben war. Die E-Mail ist auch inhaltlich keine Widerrufserklärung, da der Erblasser den Testamentsvollstrecker bereits im Jahr 2012 angewiesen hatte, das bei ihm verwahrte Testament zu vernichten, was er auch getan hatte. Das Testament aus dem Jahr 2011 war nicht in seinem Besitz, so dass er dieses gar nicht vernichten konnte.

Hinweis: Ein eigenhändiges Testament kann grundsätzlich zu Lebzeiten des Erblassers jederzeit widerrufen oder geändert werden. Das kann durch einen reinen Widerruf erfolgen, durch die Errichtung eines neuen Testaments oder durch die Vernichtung der alten Testamentsurkunde. Bei der Errichtung eines neuen Testaments empfiehlt es sich, darin alle vorherigen Testamente zu widerrufen und sämtliche Schriftstücke zu datieren, so dass sich keine Unklarheiten ergeben.

Quelle: KG Berlin, Beschl. v. 15.04.2016 – 6 W 64/15
Thema: Erbrecht

Notrettung beim Arbeitsweg: Ausweichmanöver eines Motorradfahrers zählt als Arbeitsunfall

Stürzt ein Motorradfahrer bei dem Versuch, einem Radfahrer auszuweichen, und verletzt sich dabei, kann durch eine Nothilfe ein Arbeitsunfall vorliegen.

Ein Motorradfahrer musste einem Radfahrer ausweichen, um eine Kollision zu verhindern. Hierbei stürzte und verletzte er sich. Da er sich auf dem Weg zur Arbeit befand, wollte er den Unfall als Arbeitsunfall festgestellt wissen.

Das Sozialgericht Dortmund ging auch tatsächlich von einem Arbeitsunfall aus. Dadurch, dass der Motorradfahrer dem Radfahrer ausgewichen war, wurde der Radfahrer vor erheblichen Verletzungen geschützt bzw. ihm möglicherweise sogar das Leben gerettet. Auch eine ohne intensive Überlegung verrichtete Rettungstat unterfällt dem Versicherungsschutz eines Arbeitsunfalls. Eine Gefahrensituation kennzeichnet sich dadurch, dass sie überraschend auftritt und einer Rettungsentscheidung keine langen Überlegungen ermöglicht. Selbst ein reflexartiges Ausweichmanöver im Straßenverkehr unterliegt dem Versicherungsschutz eines Arbeitsunfalls, wenn die konkrete Gefahrenlage bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv geeignet ist, eine Rettungshandlung auszulösen.

Ohne Bedeutung ist es, dass der Motorradfahrer nicht nur die Gesundheit bzw. das Leben des Radfahrers schützen wollte, sondern auch seine eigene. Es reicht für die Annahme eines Arbeitsunfalls aus, dass die Gefährdungslage auf beiden Seiten gleich gelagert war.

Hinweis: Bei Verkehrsunfällen mit Radfahrern oder Fußgängern kann es für den Geschädigten, der sich beim Versuch der Kollisionsvermeidung verletzt, wesentlich sein, dass er die soziale Absicherung eines Arbeitsunfalls hat. Für den Geschädigten hat dies den Vorteil, dass bei Anerkennung eines Arbeitsunfalls Abzüge wegen einer Mitverursachung nicht vorgenommen werden können. Die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung können im Einzelfall zudem auch über das hinausgehen, was ansonsten im Rahmen eines Haftpflichtfalls geschuldet wird.

Quelle: SG Dortmund, Urt. v. 02.11.2016 – S 17 U 955/14
Thema: Verkehrsrecht

Vorzeitiges Schichtende: Die durch das Arbeitszeitgesetz vorgeschriebene Ruhezeit gilt auch für Betriebsräte

Ein wirklich interessantes Urteil für Betriebsräte, denn es bescheinigt, dass Betriebsratsarbeit letztendlich Arbeitszeit darstellt. Und zwischen zwei Arbeitszeiten muss immer eine entsprechende Ruhezeit liegen.

Nach § 5 Absatz 1 des Arbeitszeitgesetzes ist einem Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden zu gewähren. Im aktuellen Fall arbeitete ein Betriebsratsmitglied im Dreischichtbetrieb und war für die Nachtschicht von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr bei einer Pause von 2:30 Uhr bis 3:00 Uhr eingeteilt. Am folgenden Tag nahm es von 13:00 Uhr bis 15:30 Uhr an einer Betriebsratssitzung teil. Mit Rücksicht auf diese Betriebsratssitzung stellte das Betriebsratsmitglied in der vorherigen Nachtschicht seine Arbeit um 2:30 Uhr ein. Dem Arbeitnehmer wurde für diese Nachtschicht von der Arbeitgeberin jedoch nur der Zeitraum bis 3:00 Uhr und von 5:00 Uhr bis 6:00 Uhr auf seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Dagegen klagte er und verlangte die Gutschrift der beiden weiteren Stunden von 3:00 Uhr bis 5:00 Uhr – mit Erfolg.

Ein Betriebsratsmitglied, das zwischen zwei Nachtschichten außerhalb seiner Arbeitszeit tagsüber an einer Betriebsratssitzung teilnehmen muss, ist berechtigt, die Arbeit in der vorherigen Nachtschicht bereits vor dem Ende der Schicht einzustellen. Das gilt aber nur, wenn nur so eine ununterbrochene Erholungszeit von elf Stunden am Tag gewährleistet ist, in der weder Arbeitsleistung noch Betriebsratstätigkeit zu erbringen ist.

Hinweis: Ein Betriebsratsmitglied darf also seine Arbeit einstellen, wenn es nur dann die elfstündige Ruhezeit vor der nächsten Betriebsratssitzung einhalten kann.

Quelle: BAG, Urt. v. 18.01.2017 – 7 AZR 224/15
Thema: Arbeitsrecht

Phasenverschobene Ehe: Wirksamkeit des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs im Rahmen eines Ehevertrags

Eheverträge sind nicht in jedem Fall wirksam. Zwar haben Ehegatten das Recht, vertraglich zu gestalten, was gelten soll, wenn die Ehe zerbricht. Das gilt aber – insbesondere bezüglich des Versorgungsausgleichs – nur eingeschränkt.

Ohne anderweitige vertragliche Vereinbarung wird bei einer Scheidung der Ehe der Versorgungsausgleich durchgeführt. Das bedeutet, dass die in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte hälftig zwischen den Ehegatten aufgeteilt werden. Ehegatten können zwar vertraglich vereinbaren, dass dies nicht für den Fall der Scheidung ihrer Ehe gelten soll. Dazu muss diese Regelung notariell beurkundet werden. Allerdings wird, wenn es zur Scheidung kommt, die Vereinbarung einer Inhaltskontrolle unterzogen. Das Gericht prüft, ob durch die Vereinbarung einer der Ehegatten unangemessen benachteiligt wird. Ist dies der Fall, ist die Vereinbarung unwirksam. Es kommt dann eben doch zur Durchführung des Versorgungsausgleichs.

Das Kammergericht hatte einen solchen Fall zu entscheiden, in dem eine sogenannte phasenverschobene Ehe vorlag. Die Frau war 25 Jahre älter als der Mann. Sie war Verwaltungsangestellte, während der Mann zunächst bei einem eher niedrigen Einkommen abhängig beschäftigt war und sich dann mit finanzieller Unterstützung der Frau versuchte, selbständig zu machen. Im Rahmen der selbständigen Tätigkeit zahlte er keine Beiträge in die Rentenkasse ein. Der Mann hätte deshalb bei der Scheidung profitiert, wenn der Versorgungsausgleich durchgeführt worden wäre. Die Ehegatten hatten aber einen Ehevertrag geschlossen, in dem sie Gütertrennung, den Verzicht auf etwaige Ansprüche auf Nachscheidungsunterhalt sowie den Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs für den Fall der Scheidung vereinbart hatten. Wegen der Phasenverschobenheit der Ehe und der bisherigen Unterstützung des Mannes durch die Frau war dieser Verzicht wirksam – die Frau behielt ihre Versorgungsanrechte ungekürzt.

Hinweis: Eheverträge wirksam abzufassen ist keine Alltagsaufgabe und verlangt eine ausgiebige Beratung.

Quelle: KG, Beschl. v. 19.02.2016 – 19 UF 79/15
Thema: Familienrecht

Querschnittslähmung: 400.000 EUR Schmerzensgeld nach Falschbehandlung

Eine Querschnittslähmung ist ein unglaublich harter Schicksalsschlag. Wie viel Schmerzensgeld ist dabei aus juristischer Sicht angemessen, um diesen auszugleichen?

Eine Krankenschwester litt jahrelang unter Rückenschmerzen. Sie ließ sich in einem Krankenhaus untersuchen, woraufhin und man ihr eine operative Behandlung im Bereich der Halswirbelsäule durch die Implantation einer Bandscheibenprothese und die Versteifung mehrerer Wirbel empfahl. Diese Operation misslang allerdings gehörig und endete damit, dass die Frau eine Querschnittslähmung unterhalb des dritten Halswirbels erlitt. Sie klagte auf Schadensersatz und verlangte insbesondere ein Schmerzensgeld von 400.000 EUR. Das Gericht holte ein Gutachten ein, das zu dem Ergebnis kam, dass im Krankenhaus unvollständige Befunde erhoben worden waren und eine erforderliche MRT-Untersuchung unterlassen wurde. Zudem war die Operation nicht erforderlich. Es lag ein grober Fehler vor und die Frau erhielt neben weiteren Entschädigungen auch die begehrten 400.000 EUR.

Hinweis: Genau für diese Art von Fällen lohnt sich der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung. Arzthaftungsverfahren sind durch die fast immer einzuholenden Gutachten extrem teuer.

Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 11.11.2016 – 26 U 111/15
Thema: Sonstiges

Betriebskosten bei Wohneigentum: Vereinbarte Jahresfristen müssen auch bei ausstehendem WEG-Beschluss eingehalten werden

Besonders ärgerlich ist es für den Vermieter, wenn der Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage die Betriebskosten so spät abrechnet, dass Nachforderungen gegenüber den Mietern nicht mehr möglich sind.

Der Fall war recht einfach gelagert: Im Mietvertrag hatten sich Vermieter und Mieter darauf geeinigt, dass die Betriebskosten jährlich nach Genehmigung der Abrechnung in der Eigentümerversammlung abgerechnet werden. Die Betriebskosten für die Jahre 2010 und 2011 rechnete ein Vermieter dann allerdings erst mit Schreiben vom 07.12.2013 ab, nachdem die Wohnungseigentümergemeinschaft kurz zuvor den Beschluss über die Jahresabrechnungen der Wohnungseigentümer gefasst hatte. Der Mieter empfand das als zu spät und zahlte die verlangte Nachforderung nicht, da nach dem Gesetz der Vermieter spätestens bis zum 31.12. des Folgejahres über die Betriebskosten abrechnen muss. Schließlich klagte der Vermieter seine Ansprüche ein, da er nach seiner Auffassung die Verspätung nicht zu vertreten hatte.

Der Bundesgerichtshof war allerdings anderer Auffassung. Grundsätzlich muss der Vermieter eine Eigentumswohnung auch dann innerhalb der Jahresfrist über die Betriebskosten abrechnen, wenn der Beschluss der Wohnungseigentümer über die Jahresabrechnung nicht vorliegt.

Hinweis: Vermieter sollten stets die Jahresfrist zur Abrechnung beachten. Eine möglichst frühe und zeitnahe Abrechnung sind sowohl für den Vermieter als auch für den Mieter wünschenswert.

Quelle: BGH, Urt. v. 25.01.2017 – VIII ZR 249/15
Thema: Mietrecht

Nachweis der Erbschaft: Nicht jeder Erbe braucht einen Erbschein

Der Erbschein ist ein amtliches Zeugnis, das anzeigt, wer Erbe ist. Darüber hinaus lässt sich dem Erbschein entnehmen, ob mehrere Personen Erben sind und zu welchen Teilen sie jeweils geerbt haben, also die sogenannte Erbquote. Auch das Bestehen von Verfügungsbeschränkungen, wie etwa eine Vor- und Nacherbschaft, sind im Erbschein enthalten.

Der Erbschein wird durch das zuständige Nachlassgericht ausgestellt. Dazu ist jedoch ein entsprechender Antrag nötig. Der Antrag kann schriftlich oder zu Protokoll beim Nachlassgericht gestellt werden und muss entsprechende Nachweise – zum Beispiel ein Testament oder Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden – als Beleg der gesetzlichen Erbfolge enthalten. Für die Ausstellung eines Erbscheins fallen Gerichtsgebühren nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz an, deren Höhe vom Nachlasswert abhängt. Der Erbscheinsantrag kann auch durch einen Notar beurkundet werden. Neben dem Erben selbst können auch Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter oder -gläubiger einen Erbschein auf den Namen des Erben beantragen. Befindet sich ein Teil der Erbschaft im EU-Ausland, kann auch ein europäischer Erbschein beantragt werden.

Nicht jeder Erbe benötigt einen Erbschein, da er seine Erbenstellung auch anderweitig belegen kann. Häufig verlangen Banken die Vorlage eines Erbscheins, um Auskünfte über bestehende Konten des Verstorbenen zu geben oder die Auszahlung von Guthaben zu veranlassen. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass auch ein notarielles Testament oder ein Erbvertrag in einem solchen Fall ausreichen und die Bank nicht auf die Vorlage eines Erbscheins bestehen kann, sofern nicht im Einzelfall berechtigte Zweifel an der Erbeneigenschaft bestehen. Für manche Handlungen ist jedoch ein Erbschein im Gesetz vorgeschrieben, etwa als Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt, wenn ein ererbtes Grundstück auf den neuen Eigentümer umgeschrieben werden soll. Auch hier können jedoch ein notarielles Testament und das gerichtliche Eröffnungsprotokoll ausreichen.

Hinweis: Erben sollten also prüfen, ob sie einen Erbschein wirklich benötigen, da die Antragstellung mit Aufwand und Kosten verbunden ist. Liegt ein notarielles Testament vor oder hat der Erblasser eine Konto- und Vorsorgevollmacht ausgestellt, ist ein Erbschein häufig überflüssig. Sofern jedoch nur ein eigenhändiges Testament vorliegt oder ein Testament eine inhaltlich unklare Erbeinsetzung enthält, ist ein Erbschein in der Regel die einzige Möglichkeit zum Nachweis der Erbenstellung.

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