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Schlagwort: Selbstbestimmung

Keine Diskriminierung: Altersvorgabe bei Assistenzleistungen ist laut EuGH möglich

Assistenten unterstützen Menschen mit Behinderungen nicht nur bei allen Tätigkeiten des Alltags – sie sind vielmehr fester Teil des Lebens der Menschen, die sie betreuen. Daher musste sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Folgenden mit der berechtigten Frage beschäftigen, ob bei einer solch engen Beziehung zueinander eine Altersvorgabe bei der Suche nach einer Assistenz einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz darstellt.

Eine GmbH war auf Assistenz- und Beratungsdienstleistungen für Menschen mit Behinderungen spezialisiert. Deshalb suchte sie persönliche Assistentinnen, die eine 28-jährige Studentin in allen Lebensbereichen ihres Alltags unterstützen sollten. Nach der Anzeige sollten die gesuchten Personen „am besten zwischen 18 und 30 Jahre alt sein“. Eine abgelehnte Bewerberin sah sich wegen ihres Alters diskriminiert, da sie nicht dieser Altersgruppe angehörte.

Benachteiligt wurde sie aber nicht. Zunächst stellte der EuGH darauf ab, dass es nach den deutschen Rechtsvorschriften ausdrücklich vorgeschrieben ist, den individuellen Wünschen von Menschen mit Behinderungen bei der Erbringung von Leistungen der persönlichen Assistenz zu entsprechen. Folglich müssen die Betreffenden in der Lage sein, zu entscheiden, wie, wo und mit wem sie leben. Deshalb lässt sich erwarten, dass eine persönliche Assistentin, die derselben Altersgruppe wie der Mensch mit Behinderung angehört, sich leichter in dessen persönliches, soziales und akademisches Umfeld einfügt. Die Festlegung einer Altersanforderung kann daher im Hinblick auf den Schutz des Rechts auf Selbstbestimmung des betreffenden Menschen mit Behinderung notwendig und gerechtfertigt sein.

Hinweis: Es ist also grundsätzlich möglich, dass jemand für persönliche Assistenzdienste eine Arbeitskraft in einem bestimmten Alter sucht. Die dabei entstehende Altersdiskriminierung wird in der Regel wegen der Art der geleisteten persönlichen Assistenzdienste gerechtfertigt sein.

Quelle: EuGH, Urt. v. 07.12.2023 – C-518/22

 

Ex droht mit Nacktfotos: OLG Hamm entscheidet über Verfahrenskostenhilfe zur Durchsetzung der sexuellen Selbstbestimmung

Dass man gewisse Risiken eingeht, wenn man jemandem seine Nacktbilder schickt, liegt auf der Hand – aber immerhin hat man rechtliche Möglichkeiten, sich gegen die Veröffentlichung im Internet zu wehren. Obwohl das nach einer Selbstverständlichkeit klingt, sah das Amtsgericht Bielefeld (AG) das zunächst anders. Doch dann war das Oberlandesgericht Hamm (OLG) am Zug.

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Arbeitsschutzrechtlich angemessen: Schutz- und Hygienekonzept kann einseitige Corona-Testpflicht von Arbeitnehmern rechtfertigen

Lange wurde darüber spekuliert, ob Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer zu Corona-Tests im Betrieb verpflichten dürfen. Da es sich hierbei um eine grundlegende Entscheidung im Arbeitsrecht handelt, verwundert es nicht, dass diese Frage bis vor das Bundesarbeitsgericht (BAG) ging. Lesen Sie hier, wie es nun entschieden und sein Urteil begründet hat.

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Schwerbehindertenrecht

Schwerbehindertenrecht

Begriff und Grad der Behinderung (GdB)

Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

Die Behinderung wird nach dem Grad der Behinderung (GdB) bemessen, der von 10 bis 100 betragen kann. Schwerbehinderung liegt vor, wenn der GdB mindestens 50 beträgt.

Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von 30 bis 50, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen). Der hierfür nötige Gleichstellungsantrag ist bei der Bundesagentur für Arbeit zu stellen.

Rechtsfolgen des GdB

Abhängig von der Höhe des GdB ergeben sich verschiedene Vorteile – unter anderem:

  • ab GdB 30: Steuerfreibeträge
  • GdB 30/40: Gleichstellung mit Schwerbehinderten, Kündigungsschutz bei Gleichstellung
  • ab GdB 50: Schwerbehinderteneigenschaft, Kündigungsschutz, u.a. Kfz-Finanzierungshilfen für Berufstätige, Steuervorteile für Pendler, Freibeträge beim Wohngeld.

Nachteilsausgleiche („Merkzeichen“)

Neben dem Grad der Behinderung können auch bestimmte Nachteilsausgleiche gewährt werden, die als „Merkzeichen“ im Behindertenausweis eingetragen werden. Es gibt die folgenden Merkzeichen mit den folgenden Leistungen:

  • „aG“ (außergewöhnlich gehbehindert): unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr nach Erwerb einer Wertmarke, Kraftfahrzeugsteuerbefreiung, Anerkennung der Kfz-Kosten für behinderungsbedingte Privatfahrten als außergewöhnliche Belastung, kostenloser Fahrdienst in vielen Gemeinden und Landkreisen mit unterschiedlichen kommunalen Regelungen wie Parkerleichterungen, Parkplatzreservierung
  • „B“ (Notwendigkeit ständiger Begleitung) : unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, in bestimmten innerdeutschen Flügen und im internationalen Eisenbahnverkehr
  • „Bl“ (blind): unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr, Kfz-Steuerbefreiung, Befreiung vom Rundfunkbeitrag, Telekom-Sozialtarif, Einkommensteuer-Pauschbetrag, Parkerleichterungen und Parkplatzreservierungen, Blindengeld, Befreiung von der Hundesteuer
  • „G“ (erheblich gehbehindert): unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr nach Erwerb einer Wertmarke oder Kfz-Steuerermäßigung, Steuerabzugsbetrag für behinderungsbedingte Privatfahrten, Mehrbedarfserhöhung um 17 % bei der Sozialhilfe
  • „GL“ (gehörlos): unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr nach Erwerb einer Wertmarke oder Kfz-Steuerermäßigung, Telekom-Sozialtarif, Befreiung vom Rundfunkbeitrag für Taubblinde und Ermäßigung für Gehörlose, Gehörlosengeld
  • „H“ (hilflos): unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr, Kfz-Steuerbefreiung oder Kfz-Steuerermäßigung, Einkommensteuer-Pauschbetrag, Befreiung von der Hundesteuer
  • „RF“ (Befreiung vom Rundfunkbeitrag)

Bestimmung des GdB

Für die Beurteilung des Grades der Behinderung ist die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) maßgeblich.

Der GdB setzt eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. In den Anhängen zur VersMedV sind zu den meisten denkbaren Beeinträchtigungen typische Einzelgrade festgeschrieben.

Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so sind zunächst Einzel-GdB anzugeben. Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB dürfen die Funktionsbeeinträchtigungen jedoch nicht einfach addiert werden. Maßgebend sind vielmehr die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind. Letztendlich obliegt die Bestimmung im Streitfall einem sozialmedizinischen Sachverständigen.

Wenn Ihr Erstantrag oder ein Änderungsantrag nach einer Verschlechterung Ihres Gesundheitszustands abgelehnt wird, unterstützen wir Sie im Widerspruchs- und Klageverfahren. Angesichts der diversen Vorteile durch einen höheren GdB und gegebenenfalls zuzubilligende Nachteilsausgleiche, sollten Sie eine fehlerhafte Entscheidung des Versorgungsamts nicht auf sich beruhen lassen. Ihre ärztlichen Unterlagen sollten Sie hierfür in unserer Kanzlei prüfen lassen. Oftmals erlässt das zuständige Versorgungsamt erst nach einer fundierten Begründung einen Abhilfebescheid. Sofern keine Abhilfe außergerichtlich möglich ist, vertreten wir Ihre Interessen auch im Klageverfahren beim Sozialgericht.

Carola König

T. 0202-38902-18

koenig@kania-partner.de

Sozialrecht und Rentenrecht
  • Rechtsanwalt Peter Kania

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