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Schlagwort: bgh

Heckenhöhe in Hanglagen: Das Bodenniveau des höher gelegenen Grundstücks muss mit berücksichtigt werden

Nachbarstreitigkeiten gibt es viele. Einen der zahlreichen Klassiker stellt dabei sicherlich die Höhe der nachbarschaftlichen Heckenbepflanzung dar – und genau hierzu gibt es nun ein neues Urteil.

Die Parteien sind Eigentümer zweier aneinandergrenzender Grundstücke in Bayern. Bei beiden Grundstücken handelt es sich um Hanggrundstücke; das eine Grundstück lag dabei höher als das andere. Zwischen den Grundstücken befand sich eine ca. 1 m bis 1,25 m hohe Geländestufe, an der eine Mauer verlief. Auf dem Grundstück des unteren Nachbarn stand eine 6 m hohe Thujenhecke. Der obere Nachbar verlangte nun, dass die zwischen den Grundstücken stehende Hecke zweimal jährlich auf eine Höhe von 2 m zurückgeschnitten wird – gemessen ab dem oberen Ende der Mauer.

Das Gericht entschied jedoch Folgendes: Bei einer Grenzbepflanzung eines Grundstücks, das tiefer liegt als das Nachbargrundstück, ist die nach den nachbarrechtlichen Vorschriften zulässige Pflanzenwuchshöhe vom höheren Geländeniveau aus zu messen – also dem des oberen Nachbargrundstücks. Denn in diesem Fall ist eine Beeinträchtigung des höher gelegenen Grundstücks erst möglich, wenn die Pflanzen das Höhenniveau erreichen. Hier musste von der circa 1 m hohen Geländestufe gemessen werden – und damit durfte die Hecke lediglich eine absolute Höhe von 3 m nicht überschreiten. Die Klage wurde somit abgewiesen.

Hinweis: Die zulässige Pflanzenwuchshöhe ist bei Hanggrundstücken nicht von der Austrittstelle der Pflanzen, sondern von dem Bodenniveau des höher gelegenen Grundstücks aus zu bestimmen.

Quelle: BGH, Urt. v. 02.06.2017 – V ZR 230/16
Thema: Mietrecht

Abitur-Lehre-Studium-Fälle: Nach Lehrabschluss ist ein Unterhaltsanspruch zur weitergehenden Ausbildung möglich

Der Anspruch auf Kindesunterhalt besteht bis zum Abschluss einer angemessenen Ausbildung des Kindes. Was aber ist als angemessene Ausbildung anzusehen bzw. wie viel Ausbildung ist zu bezahlen?

Mit dieser Frage hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) auseinanderzusetzen. Eine Tochter absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung zur Bankkauffrau. Sie schloss das Studium der Wirtschaftspädagogik an, um Lehrerin an einer berufsbildenden Schule zu werden. Als allgemeines Schwerpunktfach wählte sie die katholische Theologie mit dem Studienziel „Bachelor of Science“, um danach noch im Master-Studiengang den „Master of Education“ machen.

Fälle wie dieser gehören in die Rubrik „Abitur-Lehre-Studium-Fälle“. In diesen Konstellationen ist Unterhalt für die Zeit des Studiums von den Eltern (weiter) zu zahlen, wenn die einzelnen Ausbildungsabschnitte in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und sich sinnvoll ergänzen. Dazu, so der BGH, reicht es aus, wenn die praktische Ausbildung eine sinnvolle und nützliche Vorbereitung für das gewählte Studium ist oder die beiden Ausbildungen sich fachlich ergänzen bzw. eine Weiterführung oder Vertiefung bedeuten. Für den zur Entscheidung anstehenden Fall stellte sich die Frage, ob der Schwerpunkt katholische Theologie gegen den Zusammenhang bzw. die Einheit spreche.

Der BGH meinte, dass dies nicht unbedingt so zu sehen ist. Im Schwerpunktbereich würde nur ein Drittel der Leistungspunkte vergeben, im Fachbereich der Wirtschaftswissenschaften dagegen nahezu die Hälfte. Etliche Einzelheiten des Falls waren hier aber noch zu unklar, woraufhin der BGH diesen Fall deshalb nicht abschließend entschied, sondern die Sache zur weiteren Behandlung an das Vorgericht zurückverwies.

Hinweis: Tendenziell scheint der BGH seine bisher eher strenge Rechtsprechung zu lockern, wonach nur ganz ausnahmsweise nach Abschluss einer praktischen Ausbildung ein Unterhaltsanspruch für ein Studium besteht. Darauf haben sich Eltern künftig einzustellen.

Quelle: BGH, Beschl. v. 08.03.2017 – XII ZB 192/16
Thema: Familienrecht

Elternunterhalt: Einfluss der Erziehung des eigenen Kindes auf zu zahlenden Elternunterhalt

Die Bestimmung des an die eigenen Eltern zu zahlenden Unterhalts erfolgt nach besonderen Regeln. Wenn Kinder für ihre unterhaltsbedürftigen Eltern Unterhalt zu zahlen haben, sind die eigenen Kinder – also die Enkel der Unterhaltsbedürftigen – im Regelfall erwachsen und nicht mehr auf Unterhalt angewiesen. Was aber, wenn man doch gleichzeitig für ein Kind und die Eltern zu sorgen hat?

Dazu hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun eine Entscheidung getroffen. Eine Tochter wurde auf Unterhalt für ihren Vater in Anspruch genommen, als dieser im Pflegeheim war. Die Frau selbst war alleinerziehende Mutter eines zwölfjährigen Sohns und vollschichtig erwerbstätig. Sie machte daher geltend, dass es zu ihren Gunsten zu berücksichtigen sei, dass sie sowohl arbeite als auch einen nicht unerheblichen Zeitaufwand in die Betreuung des Sohns investiere.

Der BGH hat in dieser Frage nun folgenden Weg eingeschlagen, um zu einer ausgewogenen Lösung zu finden: Zuerst ist zu ermitteln, was der Kindesvater und die Kindesmutter zusammengerechnet verdienen. Aus diesem addierten Einkommen ist anhand der Düsseldorfer Tabelle der Kindesunterhalt zu bestimmen, von dem dann noch die Hälfte des staatlichen Kindergeldes abzuziehen ist. Diese Summe ist dann dem Betrag gegenüberzustellen, den der Kindesvater allein auf der Basis seiner Einkünfte (ebenso unter Abzug des halben Kindergeldes) zu zahlen hat. Die Differenz zwischen dem gemeinsamen Betrag und dem, den der Vater allein bestreitet, kann die Mutter dann von ihrem Einkommen abziehen, bevor der Elternunterhalt bestimmt wird. Dass die Kindesmutter ihr Kind betreut, ist dagegen bei der Unterhaltsbestimmung nicht zu berücksichtigen. Die tatsächliche Betreuung wird nämlich nicht monetarisiert – kann also nicht in Geld umgewandelt und in diesem Fall somit auch nicht an- bzw. bei der Ermittlung des Elternunterhalts abgerechnet werden.

Hinweis: Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass jemand, der ein Kind betreut und vollschichtig arbeitet, ggf. „überobligatorisch“ arbeitet. Im Einzelfall könnte ihm also nicht abverlangt werden, was er tatsächlich leistet. Das einzuordnen und entsprechend vorzubringen, bedarf allerdings vertiefter Kenntnisse im Unterhaltsrecht. Auch unter diesem Aspekt ist Elternunterhalt deshalb ein Bereich, in dem anwaltlicher Rat angebracht ist.

Quelle: BGH, Beschl. v. 15.02.2017 – XII ZB 201/16
Thema: Familienrecht

Auf natürliche Personen beschränkt: Eine als Außengesellschaft rechtsfähige GbR genießt keinen Verbraucherschutz

Verbraucher genießen besondere Schutzrechte. Über die Frage, ob eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) auch ein Verbraucher ist, musste jüngst der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.

Eine GbR hatte ein Architektenbüro damit beauftragt, ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung zu errichten. Im Vertrag befanden sich allgemeine Geschäftsbedingungen sowie unter anderem eine Haftungsbeschränkung bei Vorliegen von Mängeln. Es kam, wie es kommen musste: Es entstanden ebensolche Mängel, die Architekten beriefen sich auf die Haftungsbeschränkung und wollten nicht zahlen. Nun ging es um die Frage, ob diese Klausel nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen geprüft werden konnte oder nicht. Denn nur bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher sind besonders strenge Prüfungsmaßstäbe anzusetzen.

Der BGH urteilte, dass eine als Außengesellschaft rechtsfähige GbR, deren Gesellschafter eine natürliche Person und eine juristische Person sind, nicht Verbraucher im Sinne des § 13 Bürgerliches Gesetzbuch ist – unabhängig davon, ob diese GbR lediglich zu privaten Zwecken und nicht gewerblich oder selbständig beruflich tätig ist. Der Begriff des Verbrauchers bleibt allein auf natürliche Personen beschränkt.

Hinweis: Die GbR ist also kein Verbraucher und wird sich den Haftungsausschluss entgegenhalten lassen müssen.

Quelle: BGH, Urt. v. 30.03.2017 – VII ZR 269/15
Thema: Sonstiges

Pay-by-Call-Verfahren: Mutter haftet nicht für Premiumdienstbestellungen ihres nicht bevollmächtigten Sohns

Nicht immer haften die Eltern, sobald ihre Kinder etwas bestellen.

Ein 13-Jähriger nahm an einem zunächst kostenlosen Computerspiel teil, in dessen Verlauf Zusatzfunktionen gegen sogenannte „Credits“ freigeschaltet werden konnten – gegen Bezahlung versteht sich. Die Zahlung erfolgte durch die Nutzung des auf der Internetseite angegebenen telefonischen Premiumdienstes. Nach den entsprechenden Anrufen standen dem Sohn unter seinem Benutzerkonto jeweils die gewünschten „Credits“ zur Verfügung. Die Abrechnung erfolgte über die Telefonrechnung der Mutter, die sich weigerte, die angefallenen rund 1.250 EUR zu zahlen. Daraufhin wurde sie verklagt.

Der Bundesgerichtshof urteilte aber, dass die Frau nicht zahlen muss. Selbst wenn der Sohn eine Willenserklärung auf Abgabe eines Vertrags abgegeben hätte, wäre diese nicht der Mutter zuzurechnen. Denn der Sohn war von seiner Mutter nicht bevollmächtigt worden.

Hinweis: Der Inhaber eines Telefonanschlusses haftet also nicht für die Nutzung durch einen von ihm hierfür nicht autorisierten Dritten im Rahmen eines Pay-by-Call-Verfahrens. Trotzdem sollten Kinder nochmals deutlich auf solche Fallen im Internet hingewiesen werden.

Quelle: BGH, Urt. v. 06.04.2017 – III ZR 368/16
Thema: Sonstiges

Eigenbedarf nicht umgesetzt: Trägt der Vermieter keine plausiblen Gründe für Planänderungen vor, wird es für ihn teuer

Im Wohnraummietrecht benötigt der Vermieter einen Grund für eine Kündigung. Häufig ist das der Eigenbedarf. Was aber, wenn eben dieser nur vorgeschoben wird und tatsächlich gar nicht besteht?

Ein Mieter erhielt die Kündigung seiner Wohnung mit der Begründung, dass ein neuer Hausmeister benötigt werde, der dort einziehen sollte. Nach einer Räumungsklage schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich der Mieter verpflichtete, die Wohnung zu räumen. Nach seinem Auszug bezog allerdings nicht ein Hausmeister, sondern eine Familie die Wohnung. Deshalb klagte der Mieter nun wegen eines vorgetäuschten Eigenbedarfs Umzugskosten sowie die Mehrkosten der höheren Miete für die neue Wohnung ein – knapp 26.000 EUR.

Der Bundesgerichtshof verwies die Angelegenheit an die Vorinstanz zurück. Setzt ein Vermieter den zunächst behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht um, liegt der Verdacht einer Täuschung nahe. Unter diesen Umständen ist es dem Vermieter die Darlegung zuzumuten, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Bedarf nachträglich entfallen sein soll. Das hatte hier der Vermieter allerdings (noch) nicht getan. Allein der Vortrag, der angebliche Hausmeister habe es sich anders überlegt und mitgeteilt, die Wohnung komme für ihn nicht infrage, reichte nicht aus.

Hinweis: Das vorinstanzliche Gericht muss also nochmals verhandeln. Der Vermieter wird genaue Angaben machen müssen, weshalb der ursprüngliche Mieter nicht eingezogen ist. Gelingt ihm das nicht, wird der Mieter seinen Schadensersatz erhalten.

Quelle: BGH, Urt. v. 29.03.2017 – VIII ZR 44/16
Thema: Mietrecht

Was macht mein Kind? Bei Verweigerung des Auskunftsanspruchs drohen Zwangsgelder bis hin zur Zwangshaft

Leben die Kinder nach Trennung der Eltern bei einem Elternteil, besitzt der andere neben seinem Recht auf Umgang mit den Kindern auch einen allgemeinen Auskunftsanspruch über deren persönliche Verhältnisse. Was hat es mit diesem Anspruch auf sich und wie lässt er sich umsetzen?

Funktioniert die Kommunikation zwischen Eltern, kümmern sie sich nach der Trennung beide um ihre Kinder auf Basis gemeinsamer Entscheidung. Selbst bei einem gestörten Austausch der Getrennten erfährt der Elternteil, bei dem die Kinder nicht leben, bei regelmäßigem Kontakt dennoch das meiste über sie bzw. von ihnen, sofern er sein Umgangsrecht entsprechend ausüben kann. Dies ist aber nicht immer der Fall – zum Beispiel wenn es im Rahmen der Trennung zu einer großen räumlichen Entfernung kommt. Faktisch ist dann der nicht betreuende Elternteil darauf angewiesen, informiert zu werden. Erhält er die gewünschten Informationen nicht, kann er diese gerichtlich einfordern – zum Beispiel Bilder der Kinder, Zeugniskopien, ärztliche Atteste über deren Gesundheitszustand und Ähnliches.

Hat ein Gericht diesen Anspruch zugesprochen, ist dennoch nicht gesichert, dass der andere ihn erfüllt. Dann, das hat nun der Bundesgerichtshof festgestellt, durch die Verhängung von Zwangsgeldern kann Druck ausgeübt werden – bis hin zur Anordnung von Zwangshaft, die aber nur in absoluten Ausnahmefällen ergeht. Auf diesem Wege kann dafür gesorgt werden, dass der Elternteil, der nicht mit seinen Kindern zusammenlebt, dennoch informiert wird.

Hinweis: Stockt die Kommunikation der Eltern als Folge der Trennung, wird es mühsam. Zwar gibt es über die sozialen Medien und viele Kommunikationsportale sehr viele Möglichkeiten, sich auszutauschen und zu informieren. Wenn Eltern sich jedoch sperren bzw. die Kommunikation verweigern, helfen sie nicht. Die Rechtsprechung verlangt von den Eltern viel Aufwand, um die elterliche Verantwortung trotz der Trennung wahrzunehmen.

Quelle: BGH, Beschl. v. 15.03.2017 – XII ZB 245/16
Thema: Familienrecht

Erben in der Insolvenz: Selbst Pflichtteilsansprüche sind pfändbar

Bei einem Erbfall spielen nicht nur erbrechtliche Gesichtspunkte eine Rolle, sondern häufig auch steuer-, insolvenz- oder sozialrechtliche. Diese können auch entscheidend sein für die Frage, ob ein Erbe ausgeschlagen oder ein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wird.

Ein Mann befand sich in der Insolvenz. Nach dem Tod seines Vaters verlangte er den Pflichtteil von seiner Mutter und erhielt aufgrund eines Vergleichs 6.750 EUR. Er beantragt daraufhin, einen Großteil dieses Betrags als unpfändbaren Betrag zu behandeln und ihn nicht dazu zu verpflichten, den Betrag in die Insolvenzmasse einzuzahlen, da er noch verschiedene Ausgaben wie eine Krankenhausrechnung und einen Umzug zu bezahlen habe.

Der Bundesgerichtshof hat jedoch entschieden, dass Pflichtteilsansprüche durchaus gepfändet werden können. Dem Pfändungsschutz unterliegen nur selbsterwirtschaftete Einkünfte. Dies soll gewährleisten, dass ein Schuldner seinen Lebensunterhalt durch eigene, wirtschaftliche Bemühungen sichern kann. Ein weitergehender Schutz ist im Gesetz jedoch nicht vorgesehen, da auch das Interesse der Gläubiger an einer effektiven Befriedigung berechtigter Forderungen berücksichtigt werden muss.

Hinweis: Auch ererbtes Vermögen muss grundsätzlich dafür verwendet werden, Schulden zurückzuzahlen. Tritt also ein Erbfall während einer laufenden Insolvenz ein, ziehen es Schuldner häufig vor, auf ihr Erbe zu verzichten, damit der Erbteil den anderen Erben und nicht den Gläubigern zugutekommt. Dem Schuldner steht dann aber unter Umständen ein Pflichtteilsanspruch zu. Er ist jedoch nicht verpflichtet, diesen auch geltend zu machen. Entscheidet er sich für die Geltendmachung des Anspruchs, gehört der Pflichtteilsanspruch in vollem Umfang zur Insolvenzmasse, wenn der Erbfall vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eintritt.

Quelle: BGH, Beschl. v. 07.04.2016 – IX ZB 69/15

Thema: Erbrecht

Darlehensverbindlichkeit: Mitverpflichtung des Ehegatten kann durch Sittenwidrigkeit entfallen

Bauen oder erwerben Ehegatten gemeinsam ein Haus, ist es üblich, dass sie dazu erforderliche Darlehensverträge gemeinsam abschließen. Wird auf einem im Alleineigentum des einen Ehegatten stehenden Grundstück ein Objekt errichtet, ist dies zwar nicht zwangsläufig der Fall – die Banken drängen aber gern darauf. Was, wenn sich der andere Ehegatte mit verpflichtet und dann später Probleme auftreten?

Der Bundesgerichtshof (BGH) stand in diesem Zusammenhang vor folgender Fallkonstellation: Der Ehemann war Alleineigentümer eines Grundstücks, das er zur späteren Vermietung bebauen wollte. Er schloss einen Darlehensvertrag für die Finanzierung des Projekts ab. Den Vertrag unterschrieb – ebenfalls als Darlehensnehmerin – auch seine Frau. Später starb der Mann. Die Frau schlug den Nachlass aus, der überschuldet war. Die Bank wollte sie daraufhin jedoch als Darlehensnehmerin in Anspruch nehmen.

Der BGH ließ die Frau ungeschoren davonkommen. Die Frau ist nicht als Mitdarlehensnehmerin anzusehen, obwohl sie als solche im Vertrag bezeichnet war und unterschrieben hatte. Denn in der Sache hat sich das betreffende Objekt im Alleineigentum ihres Mannes befunden. Für sie sei das Projekt daher von keinem unmittelbaren Vorteil gewesen. Ein mittelbarer Vorteil – etwa infolge späterer Mieteinnahmen – wird in der Rechtsprechung nicht als stark genug angesehen.

Eine vorliegende Mithaftung ist nämlich sittenwidrig, sobald die Frau aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation gar nicht in der Lage ist, die Darlehensverbindlichkeit zu tragen. Diese Umstände lagen hier bei der Frau vor, da diese ein nur geringes Einkommen und Vermögen vorzuweisen hatte. In dieser Lage wird vermutet, dass die Frau nur aufgrund der Nähe zu ihrem Mann den Darlehensvertrag unterschrieben habe. Zwar könnte eine Bank versuchen, diese Vermutung zu entkräften – das gelang ihr hier im entschiedenen Fall aber nicht.

Hinweis: Die Frage nach der Sittenwidrigkeit einer Mitverpflichtung des Ehegatten im Rahmen eines Darlehensvertrags kann hier nur in groben Zügen dargestellt werden und ist mit vielen Detailfragen verbunden. Fachkundige Beratung ist deshalb wichtig.

Quelle: BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16
Thema: Familienrecht

Formgültige Unterschrift: Auch ein unlesbarer Schriftzug kann die Identität des Unterzeichners ausreichend kennzeichnen

Wie unterschreiben Sie? Mit vollem Namen? Oder vielleicht nur mit einem kleinen „Haken“? Dann sollten Sie dieses Urteil kennen, denn es gilt nicht nur für Rechtsanwälte.

Im vorliegenden Fall ging um die Unterschrift eines Rechtsanwalts unter einen wichtigen und fristwahrenden Schriftsatz. Die Unterschrift des Rechtsanwalts bestand aus einem in die Länge gezogenen, nach oben offenen Halbkreis mit nach innen weisenden kurzen Schnörkeln. Der Gegner meinte nun, der Schriftsatz sei nicht rechtmäßig, da die Unterschrift nicht ordnungsgemäß sei.

Das sah der Bundesgerichtshof allerdings anders. Eine Unterschrift setzt danach einen die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzug voraus. Dieser muss individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweisen, die die Nachahmung erschweren. Ebenso muss sich dieser Schriftzug als Wiedergabe eines Namens darstellen und die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lassen. Dies bedeutet, dass auch ein nicht lesbarer Namenszug eine Unterschrift darstellen kann. Es kommt nur darauf an, dass der Name vollständig wiedergegeben wird – wenngleich nicht unbedingt lesbar. Wichtig aber dabei: Es darf sich nicht nur um eine sogenannte Paraphe oder Abkürzung handeln.

Hinweis: Für die Frage, ob eine formgültige Unterschrift vorliegt, kommt es also darauf an, ob der Name vollständig, wenn auch nicht unbedingt lesbar, wiedergegeben wird. Lassen Sie es gar nicht erst auf einen solchen Rechtsstreit ankommen und prüfen Sie Ihre Unterschrift. Nicht, dass vielleicht einmal eine von Ihnen ausgesprochene Kündigung oder Ähnliches wegen einer misslungenen Unterschrift unwirksam ist.

Quelle: BGH, Beschl. v. 29.11.2016 – VI ZB 16/16
Thema: Sonstiges