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Schlagwort: bgh

Trotz Vergleich: Auszug des minderjährigen Kindes ändert die Aufteilung von Bar- und Naturalunterhalt

Meist bleiben mit der Trennung der Eltern die Kinder im Haushalt eines Elternteils. Dieser leistet dann den Naturalunterhalt, indem er den Nachwuchs betreut. Der andere leistet den Barunterhalt, das heißt, er erbringt finanzielle Leistungen. Schwierigkeiten ergeben sich bei Abweichungen.

Mit einem solchen Fall hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) zu beschäftigen. Die minderjährige Tochter lebte bei der Mutter, der Vater zahlte Unterhalt. Dazu hatte er sich durch gerichtlich protokollierten Vergleich verpflichtet. Dann ergeben sich Probleme: Tochter und Mutter überwarfen sich, die Tochter zog zu einer Freundin und war nicht mehr dazu zu bewegen, zur Mutter zurückzukehren. Der Vater richtete ihr ein eigenes Konto ein und zahlte den Barunterhalt darauf ein. Zudem machte er geltend, die Mutter habe sich nun finanziell zu beteiligen. Diese war dazu zunächst nicht bereit. Das Kind könne ja schließlich wieder zu ihr ziehen.

Der BGH sprach der Mutter jedoch das Recht ab, zu bestimmen, in welcher Form sie Unterhalt leistet. Dieses Recht steht nur beiden sorgeberechtigten Eltern gemeinsam zu. Ob die Mutter Natural- oder Barunterhalt leistet, kann sie deshalb nur im Einvernehmen mit dem Vater bestimmen. Da das Einvernehmen nicht vorlag, hat sie nun den tatsächlichen Umständen folgend auch Barunterhalt zu zahlen.

Da nur der Vater Barunterhalt zahlt, so der BGH weiter, kann er von der Mutter den Betrag erstattet verlangen, der er nach dem Auszug der Tochter für sie mitgezahlt hatte. Es ist nun also für die Zeit nach dem Auszug der Unterhalt auf der Basis einer für beide Eltern bestehenden Zahlungspflicht neu zu bestimmen. Zahlt nach dieser Berechnung der Vater zu viel, kann er diesen Überschuss von der Mutter erstattet verlangen. Dass die Höhe des vom Vater zu zahlenden Betrags durch einen gerichtlichen Vergleich geregelt worden ist, ändere nichts. Der Vergleich ist gegebenenfalls abzuändern.

Hinweis: Wurde der zu zahlende Unterhalt durch eine gerichtliche Entscheidung (Beschluss oder Urteil) festgesetzt, ist die Verfahrenssituation eine andere. Bei Änderungen ist deshalb fachkundiger Rat einzuholen.

Quelle: BGH, Beschl. v. 08.02.2017 – XII ZB 116/16
Thema: Familienrecht

Fehlender Pkw-Stellplatz: Ablösebeiträge aufgrund fehlender baulicher Gegebenheiten müssen alle Eigentümer tragen

Die Schaffung eines öffentlich-rechtlich geforderten Stellplatzes in einer Wohnungseigentumsgemeinschaft ist Sache sämtlicher Eigentümer.

In einer Wohnungseigentumsanlage musste u.a. ein Pkw-Stellplatz nach öffentlich-rechtlichen Vorgaben bereitgestellt werden. Die zuständige Stadt wies darauf hin, dass dieser Pkw-Stellplatz nachzuweisen oder alternativ ein Verzicht zu beantragen ist. Auf einer Wohnungseigentümergemeinschaft wurde dann beschlossen, dass der Stellplatz baurechtlich nicht geschaffen werden kann und bei der Stadt deshalb ein Ablöseantrag gestellt werden soll. Den Ablösebeitrag sollten alle Miteigentümer im Verhältnis ihrer Eigentumsanteile zahlen.

Dagegen klagte eine Eigentümerin, die die Kosten nicht mittragen wollte. Der Bundesgerichtshof urteilte jedoch, dass die Eigentümerversammlung einen rechtmäßigen Beschluss gefasst hatte. Denn die beschlossene Kostenregelung entspricht der gesetzlichen Kostenregelung aus § 16 Abs. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes. Es handelt sich um Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums, und für diese haften alle Eigentümer anteilig.

Hinweis: Die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Anforderungen an den Stellplatznachweis ist Aufgabe aller Wohnungseigentümer.

Quelle: BGH, Urt. v. 09.12.2016 – V ZR 84/16

Thema: Mietrecht

„Ohne-Rechnung-Vereinbarung“: Die Beauftragung und Annahme von Schwarzarbeit führt zum Wegfall jeglicher Ansprüche

Finger weg von Schwarzarbeit! Die Rechtsprechung ist bei diesem Thema ausgesprochen konsequent.

Ein Mann beauftragte einen Handwerker, den alten Fußbodenbelag in seinem privaten Wohnhaus zu entfernen und durch einen neuen zu ersetzen. Bei den Arbeiten traten Mängel auf und der Hauseigentümer wollte die gezahlte Summe von über 15.000 EUR zurückerhalten. Vor dem vorinstanzlich mit diesem Fall befassten Oberlandesgericht kam dann die Wahrheit ans Licht: Ursprünglich war ein Vertrag über 16.164 EUR abgeschlossen worden, erst danach einigten sich die Parteien darauf, dass eine Rechnung über 8.619 EUR ausgestellt und weitere 6.400 EUR ohne Rechnung bar ausbezahlt werden sollten. Damit lag ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz vor – der Vertrag war somit nichtig. Daher konnte die Rückzahlung des Geldes nicht verlangt werden. Denn in solchen Fällen bestehen grundsätzlich keine gegenseitigen Ansprüche der Parteien.

Hinweis: Mängelgewährleistungsansprüche scheiden also auch aus, wenn nachträglich Schwarzarbeit durch eine „Ohne-Rechnung-Vereinbarung“ vereinbart wird. Auch aus diesem Grund sollte niemand Schwarzarbeit durchführen oder in Auftrag geben.

Quelle: BGH, Urt. v. 16.03.2017 – VII ZR 197/16

Thema: Mietrecht

Widerruf wegen groben Undanks: Eine Zuwendung kann bei gleichzeitigem Erbverzicht eine Schenkung darstellen

Schenkungen sind grundsätzlich eine gute Möglichkeit, Erbschaftsangelegenheiten bereits zu Lebzeiten zu regeln. Vor allem können durch die entsprechenden Freibeträge Schenkung- bzw. Erbschaftsteuer gespart werden. Da nach einer Schenkung, die zu Lebzeiten des Erblassers erfolgt, naturgemäß einige Zeit bis zu dessen Ableben vergehen kann, kommt es immer wieder vor, dass sich das Verhältnis zum Beschenkten währenddessen ändert und der Erblasser die Schenkung gerne rückgängig machen möchte.

Ein Mann schloss mit seiner Tochter einen notariellen Vertrag ab, der als „mittelbare Grundbesitzschenkung – Erbvertrag – Erb- und Pflichtteilsverzicht“ bezeichnet wurde. Darin wurde festgehalten, dass der Mann seiner Tochter einen Geldbetrag schenkt, den sie ausschließlich zum Erwerb einer bestimmten Eigentumswohnung verwenden darf. Im Gegenzug erklärte die Tochter in einem weiteren Vertragsteil den Verzicht auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht. Noch vor seinem Tod forderte der Mann die Schenkung jedoch wegen groben Undanks zurück. Als Begründung gab er an, dass seine Tochter ihm umfangreiche Unterhaltszahlungen, die sie für seine Enkelin erhielt, verschwiegen und den Kontakt zu der Enkelin unterbunden hatte. Die Tochter wehrte sich mit dem Argument, dass überhaupt keine Schenkung vorliegen würde, da der Geldbetrag nicht unentgeltlich, sondern als Gegenleistung für den Erbverzicht geleistet worden war.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass eine im Zusammenhang mit einem Erbverzicht gewährte Zuwendung nicht notgedrungen entgeltlich sein muss, sondern dies vorrangig davon abhängt, was die Beteiligten gewollt haben. Entspricht die Höhe der Zuwendung in etwa der Erberwartung oder übersteigt sie diese sogar, ist davon auszugehen, dass eine Schenkung vorliegt. Weitere Hinweise können der Wortlaut des Vertrags, die Umstände seines Zustandekommens und die Ausgestaltung im Einzelnen sein. Der BGH konnte diese hier jedoch nicht endgültig aufklären, so dass er den Fall an die Vorinstanz zurückverwies.

Das Oberlandesgericht München stellte daraufhin fest, dass im vorliegenden Fall die Verknüpfung der Zuwendungen mit der Auflage, das Geld zum Erwerb von Wohnraum zu verwenden, durchaus für eine Schenkung sprach. Wäre es dem Erblasser vorrangig auf den Erbverzicht angekommen, hätte er die Zuwendung ohne diese Auflage gewähren können. Kommt es dem Erblasser in erster Linie genau darauf an – nämlich dass der Empfänger auf sein Erbrecht verzichtet -, spricht dies dafür, eine hierfür ausgleichende Zuwendung als „entgeltlich“ anzusehen. Steht dagegen die Zuwendung im Vordergrund und wird der Erbverzicht lediglich als eine besondere Form der Anrechnung auf das Erbrecht gewählt, ist in der Regel von einem „unentgeltlichen“ Charakter auszugehen. Entsprechend liegt in dem vorliegenden Fall eine Schenkung vor. Diese Entscheidung allein half dem verärgerten Vater mit seinem Wunsch jedoch nicht weiter – nach Auffassung des Gerichts stellten die verschwiegenen Unterhaltszahlungen nämlich keinen groben Undank dar. Der Mann konnte das Geld somit nicht zurückverlangen.
Hinweis: Von der Rechtsprechung wurde somit klargestellt, dass eine Schenkung grundsätzlich mit einem Erbverzicht verbunden werden kann. Da es dabei jedoch entscheidend auf die Ausgestaltung und Formulierung der Vereinbarung ankommt, empfiehlt es sich, rechtlichen Rat einzuholen. In dem Vertrag sollte zudem geregelt werden, unter welchen Umständen die Zuwendung zurückverlangt werden kann, so dass im Streitfall nicht auf die gesetzlichen Regelungen zum groben Undank zurückgegriffen werden muss.

Quelle: BGH, Urt. v. 07.07.2015 – X ZR 59/13

Thema: Erbrecht

Eltern im Pflegeheim: Wie sich die Mietersparnis durch Eigenheimnutzung auf die Unterhaltsberechnung auswirkt

Wer in einem eigenen Haus oder in der eigenen Wohnung lebt, spart sich die Miete. Inwieweit dieser Umstand unterhaltsrechtlich von Bedeutung ist, wenn der Unterhalt für die eigenen Eltern zu zahlen ist, hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun geklärt.

Ein erwachsener Sohn musste Unterhalt für seine Eltern zahlen, die in einem Pflegeheim leben. Er selbst bewohnt sein eigenes Haus, das noch belastet war, um Schulden zu bezahlen. Der Träger der Sozialhilfe, der die Kosten der Eltern für das Pflegeheim bestritt, nahm den Sohn auf Unterhalt in Anspruch. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass der Sohn mietfrei im eigenen Haus lebe. Differenziert hat nun der BGH ausgeführt, wie in diesem Zusammenhang die noch auf dem Haus lastenden Schulden zu berücksichtigen sind.

Mietfreies Wohnen ist unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln, weil Ausgaben eingespart werden. Bezogen wird sich dabei etwa nicht auf den Betrag, der objektiv als Miete für die Immobilie bei Fremdvermietung zu zahlen wäre, sondern darauf, was subjektiv auf Basis der individuellen Einkommensverhältnisse an Miete andernorts ausgegeben würde. Die Darlehensbelastungen sind dabei entsprechend gegenzurechnen, wobei die Zinsen ohnehin Abzugsposten darstellen. Der Tilgungsanteil der monatlichen Raten ist zusätzlich bis zur Höhe der gesparten Miete abzuziehen. Ist der Tilgungsanteil höher als die gesparte Miete, wird der überschießende Anteil mit bis zu 5 % des Bruttoeinkommens als zusätzliche Altersvorsorge berücksichtigt. Ist der Tilgungsanteil des Darlehens niedriger als der Wohnvorteil, ist die Differenz Wohnvorteil abzgl. der Tilgungsrate als Einkommen anzusehen.

Hinweis: Elternunterhalt ist ein besonderes Kapitel des Unterhaltsrechts. Es gelten eine Fülle von Besonderheiten. Dringend zu empfehlen ist es, sich frühzeitig kundigen Rat eines Fachmanns einzuholen. Erreichen lässt sich damit in der Regel viel.

Quelle: BGH, Beschl. v. 18.01.2017 – XII ZB 118/16

Thema: Familienrecht

Korrigierter „Sofortkaufpreis“: Onlinekäufern ist das aufmerksame Lesen eines expliziten Hinweises zumutbar

Wenn sich bei einer eBay-Auktion der Sofortkaufpreis vom Kaufpreis in der Artikelbeschreibung unterscheidet, fragt sich der Käufer, welcher Preis nun gelten soll. Und manch einer zieht dann auch gleich vor Gericht.

Ein Verkäufer hatte bei eBay unter Nutzung der Festpreisfunktion „Sofort Kaufen“ ein E-Bike mit einem Sofortkaufpreis von 100 EUR und Versandkosten von 39,90 EUR angeboten. Die unter Verwendung von Großbuchstaben und Fettdruck vorangestellte Artikelbezeichnung lautete allerdings: „Pedelec neu einmalig 2.600 EUR Beschreibung lesen!!“ Dort hatte er dann geschrieben: „Bitte Achtung, da ich bei der Auktion nicht mehr als 100 EUR eingeben kann (wegen der hohen Gebühren), erklären Sie sich bei einem Gebot von 100 EUR mit einem Verkaufspreis von 2.600 EUR + Versand einverstanden.“

Ein Käufer verlangte anschließend die Lieferung zum Kaufpreis von 139,30 EUR und klagte sein vermeintliches Recht ein – allerdings erfolglos. Laut Gericht hatte der Käufer sogar eine Erklärung zum Kauf für einen Preis von 2.600 EUR abgegeben, diese Erklärung jedoch anschließend wirksam wegen eines Inhaltsirrtums angefochten. Denn der Käufer wollte das Fahrrad zu diesem Preis ja gar nicht erwerben.

Hinweis: Wird bei einer eBay-Auktion ein Sofortkaufpreis angegeben und findet sich in der Artikelbeschreibung ein anderer Preis, kann dieser andere Preis also maßgeblich sein.

Quelle: BGH, Urt. v. 15.02.2017 – VIII ZR 59/16

Thema: Sonstiges

Wie geht es meinem Kind? Besitzt das Jugendamt die teilweise oder komplette elterliche Sorge, ist es auskunftspflichtig

Getrennte Eltern können voneinander Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen. Kann das Recht nur zwischen den Eltern oder aber auch anderen gegenüber geltend gemacht werden?

Diese Frage beschäftigte kürzlich den Bundesgerichtshof (BGH). Die Eltern eines 14-jährigen Kindes waren geschieden. Die elterliche Sorge war ihnen teilweise entzogen und auf das Jugendamt übertragen worden. Das Jugendamt erfüllte dabei die Aufgabe eines Ergänzungspflegers, das Kind selbst lebte in einer Pflegefamilie. Der Vater verlangte Auskünfte über die persönlichen Verhältnisse seines Kindes und ging deshalb gerichtlich gegen die geschiedene Frau, das Jugendamt und die Pflegefamilie vor.

Gegenüber der Frau und dem Jugendamt bekam er Recht. Die Pflegefamilie musste ihm dagegen keine Auskunft erteilen. Denn nach der Gesetzesformulierung kann ein Elternteil zwar vom anderen bei berechtigtem Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen – vom Jugendamt oder sonstigen dritten Personen ist im Gesetz jedoch nicht die Rede.

Wenn vom Elternteil die Rede ist, ist laut BGH derjenige gemeint, der Inhaber der sogenannten „elterlichen Sorge“ ist. Ist diese elterliche Sorge nicht oder nur teilweise beim anderen Elternteil, kann aber auch von demjenigen Dritten, der sie ersatzweise ganz oder teilweise zugewiesen bekommen hat, die entsprechende Auskunft verlangt werden. Da hier das Jugendamt teilweise Inhaber dieser elterlichen Sorge war, konnte also auch von diesem eine Auskunft verlangt werden. Die Pflegefamilie dagegen hatte – wie zumindest fast immer – nicht die elterliche Sorge übertragen bekommen. Deshalb schied ein Anspruch ihr gegenüber auch aus.

Hinweis: Die Entscheidung zeigt, dass nicht immer allein auf den Wortlaut einer gesetzlichen Regelung abzustellen ist. Auch Sinn und Zweck einer Norm müssen berücksichtigt werden.

Quelle: BGH, Beschl. v. 14.12.2016 – XII ZB 345/16

Thema: Familienrecht

Eigenbedarf des Vermieters: Der Berufs- oder Geschäftsbedarf ist kein automatischer Kündigungsgrund mehr

Das Kündigungsrecht ist einmal mehr zu Lasten der Vermieter durch den Bundesgerichtshof (BGH) eingeschränkt worden.

Im Vorderhaus betrieb ein Mann ein Beratungsunternehmen, das Hinterhaus war vermietet. Nun wurde den Mietern das Mietverhältnis mit der Begründung gekündigt, dass deren Wohnung zur Erweiterung des ausgeübten Gewerbes benötigt werde, um einen weiteren Arbeitsplatz samt Archiv einzurichten. Als die Mieter trotz Kündigung nicht auszogen, reichte der Vermieter eine Räumungsklage ein.

Überraschenderweise urteilte der BGH nun entgegen seiner bisherigen Praxis. Denn bislang war der Berufs- oder Geschäftsbedarf des Vermieters durchaus ein Kündigungsgrund. Nun aber haben die Gerichte im Einzelfall festzustellen, ob das Interesse des Vermieters berechtigt ist. Es müssen nun also die beiderseitigen Belange abgewogen werden.

Bei einer Mischnutzung – wenn der Vermieter also die begehrte Wohnung sowohl zu Wohnzwecken als auch zu geschäftlichen Zwecken erhalten möchte – liegt eine größere Nähe zum Kündigungsgrund des Eigenbedarfs vor, da der Vermieter dann in der Wohnung auch einen persönlichen Lebensmittelpunkt begründen will. In diesen Fällen wird es nach wie vor mehrheitlich ausreichen, dass ein ernsthafter Nutzungswille besteht. Demgegenüber ist im vorliegenden Fall ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses nicht gegeben. Denn aufgrund der beabsichtigten Nutzung allein für gewerbliche Zwecke hätte die Vermieterseite Gründe von einigem Gewicht darlegen müssen. Das war jedoch nicht geschehen. Deshalb durften die Mieter in ihrem Hinterhaus bleiben.

Hinweis: Der Vermieter von Wohnraum kann also nicht mehr ohne weiteres eine Kündigung wegen beruflicher oder gewerblicher Zwecke aussprechen.

Quelle: BGH, Urt. v. 29.03.2017 – VIII ZR 45/16
Thema: Mietrecht

Ernährung bei Wachkoma: Wie konkret muss die Patientenverfügung sein?

Häufig ist es für die Betroffenen nicht nur wichtig, dass ihr Wille in Bezug auf finanzielle Angelegenheiten beachtet wird; sie sorgen mithilfe von Patientenverfügungen vor allem auch für den Fall vor, dass sie nicht mehr selbst über medizinische Behandlungen entscheiden können. Wie genau Patientenverfügungen jedoch formuliert sein müssen, beschäftigt immer wieder die Gerichte.

Eine Frau erlitt einen Schlaganfall und befand sich seitdem in einem wachkomatösen Zustand, so dass sie künstlich ernährt werden musste. In ihrer Patientenverfügung hatte sie festgelegt, dass – sollte keine Aussicht auf die Wiedererlangung des Bewusstseins bestehen oder aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleiben – lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben sollten. Gegenüber Zeugen hatte sie vor ihrem Schlaganfall zudem geäußert, dass sie nicht künstlich ernährt werden wolle. Ihr Sohn wollte daher im Einvernehmen mit dem behandelnden Arzt die künstliche Ernährung einstellen, wogegen sich ihr Ehemann jedoch wehrte.

Der Bundesgerichtshof (BGH) wies darauf hin, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung in der Patientenverfügung nicht konkret geregelt, sondern der Abbruch der Behandlung allgemein an die Bedingung geknüpft worden war, dass keine Aussicht auf die Wiedererlangung des Bewusstseins bestünde. Des Weiteren war konkretisiert, dass Behandlung und Pflege auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein sollen, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen sei. Dies kann durchaus als Wunsch, die künstliche Ernährung zu beenden, ausgelegt werden. Vorab muss jedoch geklärt sein, ob aus medizinischer Sicht ein irreversibler Bewusstseinsverlust vorliegt. Aus diesem Grund wurde die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Hinweis: Der BGH hat in der Vergangenheit bereits entschieden, dass die Angabe „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ nicht bestimmt genug ist und durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen, spezifizierter Krankheiten oder Behandlungssituationen konkretisiert werden muss. Daran dürfen jedoch keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Wichtig ist nur, dass der Betroffene umschreibt, was er will und was nicht. Ist die Patientenverfügung nicht eindeutig, muss der mutmaßliche Wille des Betroffenen ermittelt werden, wobei frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betroffenen zum Tragen kommen.

Quelle: BGH, Beschl. v. 08.02.2017 – XII ZB 604/15
Thema: Erbrecht

Adoption des Partnerkindes: Mitelternschaften sind bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften nach wie vor nicht möglich

Eine Adoption ist so etwas wie eine juristische Neugeburt. Ein adoptiertes Kind bekommt mindestens einen neuen Elternteil unter Beendigung bisher bestehender verwandtschaftlicher Beziehungen. Laut Gesetz gelten für eine Adoption – zumindest sprachlich – unklare Grenzen, die der Bundesgerichtshof (BGH) nunmehr verdeutlicht hat.

Adoptiert werden kann nicht ohne weiteres. Voraussetzung ist, dass das anzunehmende Kind ein beständiges und ausgeglichenes Zuhause erhält – das heißt, in eine harmonische und lebenstüchtige Familie aufgenommen wird. Um dies zu erreichen, verlangt der Gesetzgeber für den Regelfall, dass die Adoption von einem Ehepaar vorgenommen wird. Dabei kann ein Ehepaar ein Kind gemeinsam annehmen oder ein Ehepartner das Kind seines Ehegatten. In beiden Fällen sind sodann die Ehegatten beide Eltern des angenommenen Kindes. Nicht möglich ist, dass nur ein Ehegatte ein fremdes Kind adoptiert, der andere aber nicht. Einzeln annehmen kann jemand ein Kind nur, wenn er alleinstehend ist.

Und wie ist es, wenn zwei Partner in einer zwar nichtehelichen Lebensgemeinschaft, jedoch ehegleich zusammenleben und einer der beiden ein Kind hat? Kann dann der andere das Kind adoptieren und so auch die Elternschaft begründen?

Nein, so hat der BGH nun entschieden. Denn die Adoption hat zur Folge, dass die meisten bisherigen verwandtschaftlichen Bande des Kindes vollständig erlöschen und zum Adoptierenden neu begründet werden. Nur – und ausschließlich dann -, wenn der Adoptierende mit dem leiblichen Elternteil verheiratet ist, kann die sogenannte „Mitelternschaft“ begründet werden. Dann erlöschen die verwandtschaftlichen Bande zum „weichenden“ Elternteil, nicht aber zum „bleibenden“ anderen Elternteil.

Hinweis: Eine Adoption hat den vollständigen Verlust erbrechtlicher und unterhaltsrechtlicher Ansprüche zum durch die Adoption verdrängten leiblichen Elternteil und zu dessen Familie zur Folge.

Quelle: BGH, Beschl. v. 08.02.2017 – XII ZB 586/15
Thema: Familienrecht