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Schlagwort: bgh

Rückständiges Haushaltsgeld: Haftung bei veräußertem Wohnungseigentum

Wer eine Eigentumswohnung kauft, obwohl eine Immobilie noch gar nicht fertiggestellt wurde, ist Mitglied einer „werdenden Eigentümergemeinschaft“ und haftet beispielsweise für die Zahlung des Hausgeldes. Was ist aber, wenn solch eine Person die Immobilie weiterveräußert?

Eine Frau hatte im Juli 2004 von einer Bauträgerin eine Eigentumswohnung sowie zwei Tiefgaragenstellplätze gekauft. Eine endgültige Eintragung in das Grundbuch konnte jedoch nicht erfolgen, da das Haus erst noch errichtet werden musste. Im Oktober 2012 veräußerte die Käuferin die Wohnung nebst Stellplätzen an ihre Eltern. Es erfolgte aber erneut keine Eintragung im Grundbuch, sondern lediglich eine Abtretung der sogenannten Auflassungsvormerkung – denn die Wohnung war noch nicht bezahlt. Im Oktober 2013 wurden die Einheiten in der Zwangsversteigerung einem Dritten zugeschlagen. Nun verlangte die Wohnungseigentümergemeinschaft von den Eltern die Zahlung des rückständigen Hausgeldes und eine anteilige Sonderumlage. Als keine Zahlung erfolgte, ging die Angelegenheit vor Gericht und schließlich musste der Bundesgerichtshof entscheiden. Die Eltern schuldeten die Beiträge nicht, weil sie schlicht und ergreifend ohne Eintragung ins Grundbuch weder Eigentümer noch als sogenannte Zweiterwerber zu werdenden Eigentümern geworden waren.

Hinweis: Erst mit der tatsächlichen Eintragung ins Grundbuch wird Eigentum erlangt. Haftungen können allerdings als sogenannte werdende Eigentümer bereits vorher entstehen – das gilt aber nicht für Zweiterwerber.

Quelle: BGH, Urt. v. 24.07.2015 – V ZR 275/14

Thema: Mietrecht

Ganz oder gar nicht: Reparatur eines schweren Schadens mit Gebrauchtteilen

In Fällen, in denen die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten über der 130-%-Grenze liegen, es dem Geschädigten aber gelungen ist, eine fachgerechte und den Vorgaben eines Gutachtens entsprechende Reparatur durchzuführen, sind die konkret angefallenen Reparaturkosten zu erstatten.

Bei einem Verkehrsunfall wurde das Fahrzeug der Geschädigten erheblich beschädigt. Ein von ihr beauftragter Sachverständiger ermittelte die Bruttoreparaturkosten mit 2.973 EUR. Den Wiederbeschaffungswert gab er mit 1.600 EUR und den Restwert mit 470 EUR an. Die Geschädigte ließ ihr Fahrzeug unter Verwendung von Gebrauchtteilen reparieren, die Reparaturkosten beliefen sich dabei auf 2.079 EUR und lagen somit knapp unterhalb von 130 % des Wiederbeschaffungswerts. Die gegnerische Haftpflichtversicherung zahlte allerdings nur einen Betrag von 1.130 EUR, nämlich den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert.

Der Bundesgerichtshof hat im vorliegenden Fall entschieden, dass der Geschädigten kein weiterer Schadensersatz zusteht. Reparaturkosten, die 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs liegen, können nur dann ersetzt verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in dem Umfang durchgeführt wurde, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung veranschlagt hatte. Im zu entscheidenden Fall hatte die Geschädigte ihr Fahrzeug nicht vollständig nach dessen Vorgabe reparieren lassen. Nach seinen Feststellungen wurden mehrere Zierleisten und ein Kniestück hinten links nicht ersetzt, wie es in der Reparaturkalkulation vorgesehen war.

Hinweis: Der Bundesgerichtshof weist in seiner Entscheidung allerdings darauf hin, dass die Verwendung altersentsprechender und funktionsfähiger Gebrauchsteile einer vollständigen und fachgerechten Reparatur grundsätzlich nicht entgegensteht. Gelingt dem Geschädigten also trotz geschätzter Reparaturkosten über 130 % des Wiederbeschaffungswerts eine vollumfängliche und fachgerechte Reparatur mit altersentsprechenden Gebrauchtteilen, sind die Reparaturkosten zu ersetzen – selbst wenn diese 130 % des Wiederbeschaffungswerts nicht übersteigen.

Quelle: BGH, Urt. v. 02.06.2015 – VI ZR 187/14

Wischiwaschi: Patent zur Bildschirmentsperrung nicht anerkannt

Mit Apple und Motorola stritten zwei Hightech-Riesen vor Gericht über ein fragwürdiges Patent.

In dem Rechtsstreit ging es um das Patent zur Entsperrung eines Touchscreens, das Apple für sich beanspruchte. Das zur Vermeidung von versehentlichen Eingaben gesperrte Gerät kann dabei entsperrt werden, indem man in einer entsprechend festgelegten Abfolge über den Bildschirm wischt. Motorola griff dieses vermeintliche Patent nun mit einer Patentnichtigkeitsklage an. In diesem Zusammenhang musste der Bundesgerichtshof darüber entscheiden, ob das Apple-Patent zur Entsperrung eines Touchscreens überhaupt rechtmäßig war. Und dieses wurde von den Richtern verneint, da es nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte. Es gab außerdem eine ähnliche Erfindung von einem schwedischen Hersteller. Somit war das Patent gar nicht eintragungsfähig.

Hinweis: Patente stellen wichtige Vermögenswerte für Unternehmen dar, weil sie dadurch ihre Produkte zu nahezu beliebigen Preisen am Markt durchsetzen können. Deshalb wird auch so häufig über sie gestritten.

Quelle: BGH, Urt. v. 25.08.2015 – X ZR 110/13

zum Thema: Sonstiges

Wohnungseigentumsgesetz: Fremdnutzer können eine Wohnungssanierung verhindern

In Wohnungseigentumsanlagen gibt es immer wieder Streit bei Umbaumaßnahmen.

Eigentlich war dieser Fall des Bundesgerichtshofs ganz alltäglich. Eine Wohnungseigentümerversammlung hatte die Sanierung von Terrassen und Balkonen beschlossen. Außerdem wurde die Verwalterin ermächtigt, gerichtliche Schritte gegen jene Eigentümer einzuleiten, die eine Durchführung der baulichen Maßnahmen behindern oder den Zugang verweigern. Bewohner einer Wohnung sprachen tatsächlich den beauftragten Handwerkern und Architekten ein Hausverbot aus. Die Angelegenheit landete vor Gericht, wo die Verwalterin im Namen der Eigentümergemeinschaft auf Duldung der Sanierungsarbeiten und Gestattung des Zutritts zur Wohnung klagte. Das Problem des Falls bestand darin, dass die Bewohner der Wohnung lediglich Nießbraucher waren, also nur die Wohnung nutzen durften. Nach dem Wohnungseigentumsgesetz sind aber nur die Eigentümer selbst verpflichtet, baulichen Maßnahmen zuzustimmen und diese durchführen zu lassen. Deshalb konnte nicht aus dem Wohnungseigentumsgesetz gegen die Nießbraucher vorgegangen werden.

Hinweis: Es wäre Sache der Eigentümer der Wohnung gewesen, für die Duldung der Sanierungsmaßnahmen zu sorgen. Das Urteil macht die Angelegenheit für Verwalter von Wohnungseigentumsanlagen nicht gerade einfacher.

Quelle: BGH, Urt. v. 10.07.2015 – V ZR 194/14

Thema: Mietrecht

Rockerkutten: Tragen von Kennzeichen und Ortsbezeichnung eines nicht verbotenen Chapters ist nicht strafbar

Gegen kriminelle Rockervereinigungen will der Staat härter vorgehen. Als ein Mittel hat er sich ein Verbot der sogenannten Kutten ausgedacht.

In dem Fall ging es um zwei örtliche Organisationen des Motorrad-Clubs „Bandidos“ aus Aachen und Neumünster. Diese Ortsgruppen waren durch Verfügung des Innenministeriums verboten worden. Nun traten mehrere Mitglieder der Ortsgruppen Unna und Bochum mit Kutten des weltweit agierenden Clubs auf. Dafür erhielten sie eine Strafanzeige. Der Bundesgerichtshof hat jedoch aktuell entschieden, dass das Tragen von „Rockerkutten“, auf denen gleichzeitig Kennzeichen des Motorrad-Clubs und die Ortsbezeichnung eines nicht verbotenen „Chapters“ angebracht sind, nicht strafbar ist.

Hinweis: Eigentlich ein nicht sonderlich überraschendes Urteil. Trotzdem macht es die Bekämpfung von Rockerkriminalität nicht einfacher. Aber Rechtsstaat muss eben Rechtsstaat bleiben.

Quelle: BGH, Urt. v. 09.07.2015 – 3 StR 33/15

Betreuungsrecht: Die Rechte eines Vorsorgebevollmächtigten haben Grenzen

Mit Eintritt in die Volljährigkeit nimmt man selbständig am allgemeinen Rechtsverkehr teil, unterschreibt alle Verträge selbst und ist für sich auch in rechtlicher Hinsicht in vollem Umfang verantwortlich. Lassen im Alter die körperlichen oder geistigen Kräfte nach, kann Hilfe erforderlich werden. Probleme können sich im Hinblick auf die Frage ergeben, wer die richtige Person für diese Art von Hilfestellung ist .

Hat der Hilfebedürftige keinerlei eigene Vorsorge getroffen, richtet das Gericht eine Betreuung durch einen von ihm bestimmten Betreuer ein. Der Betreuer steht unter der Kontrolle und Überwachung des Gerichts. Dennoch handelt es sich für den Betreuten um eine mitunter unangenehme Situation, weil sich nun ein Fremder um seine wirtschaftlichen und unter Umständen auch privaten Belange kümmert.

Hat der Hilfebedürftige Vertrauen zu einer bestimmten Person, kann er ihr mit einer Vorsorgevollmacht umfassende Berechtigungen einräumen. Da dann ein Bevollmächtigter vorhanden ist, entfällt die Notwendigkeit der Einrichtung einer Betreuung.

Bedauerlicherweise kann das Vertrauen in diesen Bevollmächtigten enttäuscht werden. Missbraucht der Bevollmächtigte das Vertrauen oder erweist er sich ansonsten als nicht geeignet, kann das Gericht einen Betreuer bestellen und ihm unter anderem die Befugnis erteilen, die Vorsorgevollmacht zu widerrufen, wenn der Hilfebedürftige dazu nicht mehr in der Lage ist. Der bisher Bevollmächtigte hat kein Recht, gegen diese Entscheidung des Gerichts eine Beschwerde einzulegen, und muss sie hinnehmen.

Hinweis: Es ist äußerst wichtig, sich rechtzeitig Gedanken über das Alter zu machen. Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Testament sind erforderlich, um gerüstet zu sein, wenn die eigenen geistigen und körperlichen Kräfte nachlassen. Wurden diese Maßnahmen ergriffen, so funktionieren auch die Kontrollen und kann das Gericht gegebenenfalls bei Fehlentwicklungen korrigierend eingreifen.

Quelle: BGH, Beschl. v. 15.04.2015 – XII ZB 330/14
Thema: Familienrecht

Fernabsatzverträge: Widerrufsrecht bei Heizölbestellungen gilt auch für Privatabnehmer

Haben Sie einen Vertrag abgeschlossen, können Sie ihn nicht ohne weiteres widerrufen. Etwas anderes gilt nur bei telefonischen Bestellungen oder Internetgeschäften.

Eine Firma, die im Brennstoffhandel tätig war, bot auch über eine Internetplattform Heizöl zum Kauf an. Eine Verbraucherin bestellte daraufhin 1.200 l Heizöl für ca. 1.000 EUR. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen des Brennstoffhandels sahen vor, dass kein allgemeines 14-tägiges Widerrufsrecht für private Verbraucher gelte. Als die Kundin die Belieferung ablehnte, vielleicht weil zwischenzeitlich der Ölpreis gesunken war, verlangte der Brennstoffhandel eine vertraglich zugesicherte, angemessene Entschädigung. Daraufhin widerrief die Kundin den Vertrag. Und das zu Recht, wie der Bundesgerichtshof urteilte. Auch für Heizöl gilt bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht, durch das der Vertrag beseitigt wird. Damit stand dem Brennstoffhandel auch keine Entschädigung zu.

Hinweis: Wird der Verbraucher auf sein Widerrufsrecht nicht oder nicht ordnungsgemäß hingewiesen, ist ein Widerruf sogar nach Jahren noch möglich.

Quelle: BGH, Urt. v. 17.06.2015 – VIII ZR 249/14
Thema: Mietrecht

Teilungserklärung: Eine Ladenfläche kann nicht einfach zur Gaststätte werden

Mitglieder einer Wohnungseigentumsgemeinschaft haben sich an die Teilungserklärung zu halten.

In einer Wohnungseigentumsanlage gab es nach der Teilungserklärung eine Fläche, die als Ladenraum deklariert wurde. Seit 2007 wurde darin dann eine Gaststätte betrieben, die bis in die frühen Morgenstunden geöffnet war. Das wollten sich andere Eigentümer nicht bieten lassen und fassten einen Beschluss, wonach eine Öffnung nur noch bis 1:00 Uhr morgens erlaubt sein sollte. Und das zu Recht, wie der Bundesgerichtshof entschied. Denn: Durch die Kennzeichnung als Laden durfte die Fläche laut Teilungserklärung gar nicht als Gaststätte betrieben werden. Zwar kann eine jahrelange zweckwidrige Nutzung dazu führen, dass die anderen Eigentümer sich nicht mehr auf ihre Rechte berufen dürfen, da diese verwirkt sind. Das gilt aber dann nicht, wenn neue und vor allem nachteilige Veränderungen vorgenommen werden. Und vor dem Jahr 2007 war die Gaststätte nicht bis in die späten Nachtstunden betrieben worden.

Hinweis: Ein Blick in die Teilungserklärung hätte in diesem Rechtsstreit für viel Klarheit gesorgt. Schon mehrfach haben die Gerichte entschieden, dass ein Laden keine Gaststätte ist.

Quelle: BGH, Urt. v. 10.07.2015 – V ZR 169/14

Thema: Mietrecht

Nivea-Blau: Meinungsforschungsgutachten klärt Eintragungsfähigkeit der Farbe als Marke

Manchmal wundert man sich tatsächlich, über was alles gestritten wird.

In diesem Fall geht es um die Löschung einer Farbmarke. Gestritten hatten sich zwei Unternehmen, die im Bereich der Haut- und Körperpflegeprodukte miteinander seit Jahren konkurrierten. Im Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamts war das Nivea-Blau als Farbmarke eingetragen. Das andere Unternehmen war allerdings der Auffassung, dass dieses nicht richtig war. Denn eine abstrakte Farbmarke sei nicht unterscheidungskräftig und freihaltebedürftig. Blau werde gerade für Haut- und Körperpflegeprodukte häufig verwendet. Während das Bundespatentgericht (BPatG) noch die Löschung der Marke angeordnet hatte, hob der Bundesgerichtshof (BGH) den Beschluss auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Grundsätzlich sind abstrakte Farbmarken nicht unterscheidungskräftig und deshalb nicht eintragungsfähig. In diesem Fall könnte es allerdings sein, dass sich die Farbmarke für die in Rede stehenden Waren als Marke durchgesetzt hat und deshalb nicht gelöscht werden darf. Voraussetzung dafür ist, dass mehr als 50 % des Publikums in der Farbe ein Produktkennzeichen sehen. Das muss das BPatG nun noch feststellen. Und der BGH sagte auch gleich, wie dieses zu geschehen hat: Es muss ein Meinungsforschungsgutachten zum Vorliegen der Voraussetzungen eingeholt werden. Insbesondere darf den zu Befragenden nicht, wie bisher, eine Farbkarte mit einer weißen Umrandung gezeigt werden. Denn die Nivea-Creme weist auch in ihrer Verpackung eine Kombination der Farben Blau und Weiß auf.

Hinweis: Das BPatG wird also ein Meinungsforschungsgutachten einzuholen haben, in dem Personen blaue Karten vorgehalten werden müssen. Sagen dann 50 %, dass sie bei der blauen Farbe direkt an Nivea denken, ist die Farbe eintragungsfähig.

Quelle: BGH, Beschl. v. 09.07.2015 – I ZB 65/13

Thema: Sonstiges

Persönliche Erinnerungen: Altkanzler Kohl darf Tonbänder zurückverlangen

Einmal mehr hat Helmut Kohl vor Gericht gewonnen.

Der ehemalige Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl hatte mit einem Journalisten einen Vertrag über die Memoiren des Altkanzlers abgeschlossen. Die Parteien trafen sich an über 100 Tagen und führten Gespräche, die auf ein Tonbandgerät aufgenommen wurden. Der Journalist nahm die Tonbänder mit nach Hause und plante die Buchveröffentlichung. Alsbald gab es Streit zwischen den Parteien und der ehemalige Bundeskanzler verlangte die Herausgabe sämtlicher Tonaufnahmen. Und das zu Recht, wie der Bundesgerichtshof urteilte. Die Anspruchsgrundlage ergab sich aus dem geschlossenen Vertrag, denn der Altkanzler alleine konnte über den Inhalt der Memoiren entscheiden. Der Journalist als Auftragnehmer musste auf die Interessen seines Auftraggebers achten. Insbesondere darf er keine Vorteile ziehen, die auf Kosten des Auftraggebers gehen. Deshalb musste er nun das Eigentum an den Tonbändern an Herrn Dr. Kohl übertragen.

Hinweis: Ein wohl richtiges Urteil, denn auf den Tonbändern finden sich persönliche Erinnerungen und Gedanken des ehemaligen Bundeskanzlers. Er allein hat darüber zu entscheiden, was damit geschehen darf.

Quelle: BGH, Urt. v. 10.07.2015 – V ZR 206/14

Thema: Sonstiges