Skip to main content

Autor: Knofy68

Handschriftlicher Nachtrag: Ein gültiges Testament muss nicht zwingend in einem Zug errichtet werden

Je früher man vorsorgt, dass nach dem eigenen Ableben alles seine Ordnung hat, desto höher ist natürlich auch das Risiko, dass sich im Laufe der noch verbleibenden Zeit etwas ändert – zum Beispiel die Anzahl liebgewonnener Familienmitlglieder. Ob es für die Wirksamkeit des Testaments aber auch erforderlich ist, die jeweiligen Bestandteile in ihrer zeitlichen Reihenfolge abzufassen, musste im Folgenden das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) entscheiden.

Die Erblasserin hatte zunächst ihre beiden Enkel zu Alleinerben eingesetzt. Das Testament war handgeschrieben und von der Erblasserin mit Datum und Unterschrift versehen. Nach der Geburt eines dritten Enkels wurde das Testament um diesen letztgeborenen Enkel als weiteren Erben handschriftlich ergänzt. Ob diese Ergänzung gültig war oder es sich hierbei um einen Formfehler handelte, musste gerichtlich geklärt werden.

Das OLG hat entschieden, dass eine solche Ergänzung eines bereits abgefassten Testaments zulässig ist, sofern die übrigen Formvoraussetzungen erfüllt sind. Es ist für die Wirksamkeit des Testaments nicht erforderlich, dass die letztwillige Verfügung in einem Zug erstellt wird.

Hinweis: Als Alternative zur physischen Vernichtung des ursprünglichen Testaments und vollständigen Errichtung eines neuen kommt auch die Modifikation eines bestehenden Textes in Betracht. Für die Formgültigkeit kommt es nur darauf an, dass zum Zeitpunkt des Todes eine die gesamten Erklärungen nach dem Willen des Erblassers deckende Unterschrift vorhanden ist.

Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 31.05.2021 – 3 W 53/21

Thema: Erbrecht

80 % Haftungsquote: Wer als Autofahrer ein zu nah am Bordstein stehendes Kind verletzt, trägt die überwiegende Haftung

Abstand ist nicht nur eine Frage des Anstands, sondern vor allem eine Frage der Sicherheit. Dass dieses Prinzip nicht nur Infektionsgeschehnisse eindämmen, sondern vor allem auch im Straßenverkehr vor Unfällen schützen kann, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgerichts Zweibrücken (OLG).

Der zum Unfallzeitpunkt elfjährige Kläger befand sich auf dem Weg zur Schule und wollte eine Straße an einer Fußgängerampel überqueren. Er stellte sich an den äußersten Rand der Bordsteinkante, um dort zu warten, bis die Lichtzeichenanlage „grün“ zeigt. Als eine Autofahrerin in einem Abstand von deutlich unter einem Meter zum rechten Fahrbahnrand an ihm vorbeifuhr, erfasste sie das Kind, so dass es erheblich verletzt wurde.

Das OLG hält die Ansprüche des Klägers zu 80 % für gerechtfertigt. Ein Kraftfahrzeugführer ist grundsätzlich nicht berechtigt, innerorts die Fahrbahn bis an den rechten Bordstein heran zu befahren, wenn hieraus Risiken für Passanten entstehen. Erst recht muss das für am Fahrbahnrand an einer Fußgängerampel stehende Kinder gelten. Zwar ist dem Kläger vorzuwerfen, dass er sich an den äußersten Rand der Bordsteinkante gestellt hatte, so dass er von dem vorbeifahrenden Fahrzeug erfasst werden konnte. Und auch einem elfjährigen Schüler muss bewusst sein, dass diese Position an einer stark befahrenen Straße gefährlich ist und erhebliche Schäden auslösen kann. Dieses Mitverschulden rechtfertigt nach Auffassung des Senats aber keine Mithaftung des jungen Klägers von mehr als 20 %. Denn die Verkehrssituation hätte es zugelassen, mit weit größerem Abstand an dem Kind vorbeizufahren.

Hinweis: Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes hat der Senat auch das Regulierungsverhalten der Haftpflichtversicherung berücksichtigt. Die Versicherung hatte an den Kläger nahezu sieben Jahre lang keinerlei immateriellen Ausgleich geleistet.

Quelle: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 26.04.2021 – 1 U 141/19

 Thema: Verkehrsrecht

Nein heißt nein!: Sexuelle Belästigung auf Dienstreise führt zur fristlosen Kündigung

Eigentlich sollte es mittlerweile jedem klar sein: Wer einen anderen Menschen gegen seinen Willen küsst, begeht sexualisierte Gewalt. Dennoch müssen Gerichte diesen Fakt immer wieder klarstellen – im folgenden Fall war es am Landesarbeitsgericht Köln (LAG), einem Mann seine eindeutigen Grenzen aufzuzeigen, nachdem dies bereits seine (mittlerweile ehemalige) Arbeitgeberin getan hatte.

Der seit vielen Jahren beschäftigte Arbeitnehmer hatte auf einer zweitägigen Teamklausur abends in der Hotelbar mehrfach versucht, einer Kollegin seine Jacke umzulegen – trotz ihrer geäußerten Ablehnung. Später verfolgte der Mann die Frau bis vor deren Zimmer. Dort zog er sie zu sich heran und versuchte, sie zu küssen. Die Arbeitnehmerin drückte ihn weg, er zog sie jedoch erneut zu sich heran und schaffte es, sie zu küssen. Die Arbeitnehmerin drückte ihn nochmals weg. Nachdem sie ihrem Vorgesetzten von dem Vorfall berichtet hatte, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Mannes fristlos, wogegen der Arbeitnehmer vergeblich klagte.

Auch in Augen des LAG war eine vorherige Abmahnung in diesem Fall nicht erforderlich, da für den Mann offensichtlich erkennbar gewesen war, dass er mit seiner sexuellen Belästigung eine rote Linie überschritten hatte, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht hat. Die Arbeitgeberin ist schließlich verpflichtet, ihre weiblichen Mitarbeiterinnen vor sexuellen Belästigungen zu schützen.

Hinweis: Wer sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz erlebt, sollte unverzüglich dagegen vorgehen. Helfen kann neben dem eigenen Rechtsanwalt auch die Arbeitnehmervertretung, wie beispielsweise der Betriebsrat.

Quelle: LAG Köln, Urt. v. 01.04.2021 – 8 Sa 798/20

Thema: Arbeitsrecht

Rechtsweg: Bundesverwaltungsgericht belässt Klagen gegen schulische Schutzmaßnahmen bei Familiengerichten

Das im April von einem Familienrichter in Weimar gefällte – mittlerweile reviderte – Urteil ging bundesweit durch die Medien: Schüler sollten weder Masken tragen noch Abstände einhalten oder an Schnelltests teilnehmen. Zudem sollte weiterhin Präsenzunterricht stattfinden. Der Aufschrei war daraufhin auch auf juristischer Seite groß, denn es bestanden große Zweifel darüber, ob das Amts- bzw. Familiengericht überhaupt zuständig gewesen sei und ob in solchen Fragen nicht künftig auf die Verwaltungsgerichte (VG) verwiesen werden müsse. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat dazu nun verbindlich Stellung genommen.

Die Frage der Zuständigkeit schlug hohe Wellen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bezeichnete den Beschluss des Familienrichters einschließlich seiner Ergebnisse als „ausbrechenden Rechtsakt“. Das VG in Weimar führte in einem Eilbeschluss aus, dass der Weimarer Beschluss „offensichtlich rechtswidrig“ war. Weitere Richter wiesen ähnlich geartete Anträge als unzulässig (keine Zuständigkeit für die Überprüfung von infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen) oder als unbegründet ab (keine konkrete Kindeswohlgefährdung). Andere Gerichte verwiesen direkt an die VG.

Das BVerwG entschied nun, dass eine Verweisung zum VG nicht bindend sei. Für die Entscheidung über eine an ein Amtsgericht gerichtete Anregung, die auf gerichtliche Anordnungen gegen eine Schule wegen Coronaschutzmaßnahmen zielt, seien die Amts- bzw. Familiengerichte zuständig. Die Verweisung an ein VG wegen eines groben Verfahrensverstoßes sei als Ausnahme nicht bindend – sie würde ansonsten zu Brüchen mit den Prozessgrundsätzen der Verwaltungsgerichtsordnung führen. Diese Verwaltungsgerichtsordnung kennt nämlich keine von Amts wegen einzuleitenden Verfahren. Sie überlässt es vielmehr dem Kläger bzw. dem Antragsteller, ob und mit welcher Zielrichtung er ein Verfahren einleiten will. Wäre dem nicht so, fänden sich Kinder sonst in der Rolle von Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens wieder. Das entspräche weder ihrem Willen noch ihrer vormaligen Stellung vor dem Amtsgericht. Deshalb erweist sich die Verweisung mit den geltenden Prinzipien als unvereinbar und löst für das VG keine Bindungswirkung aus.

Hinweis: Es bleibt also dabei, dass die Familiengerichte gemäß § 1666 BGB auf eine Kindeswohlgefährdung prüfen müssen, wenn ein solcher Antrag gegen Coronaschutzmaßnahmen eingereicht wird.

Quelle: BVerwG, Urt. v. 16.06.2021 – 6 AV 1.21

Thema: Familienrecht

Ungewollte Videopräsenz: Polizistin erhält 2.000 EUR Entschädigung für Veröffentlichung in kommerziellem Musikvideo

Der technische Fortschritt, mit dem Smartphone jederzeit und überall ein Aufnahmegerät mit sich zu führen, hat zu einem Wildwuchs an Foto- und Videoaufnahmen geführt. Entsprechend unsicher sind sich viele, was besonders im öffentlichen Bereich rechtmäßig oder eben verboten ist. Das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) zeigt sehr schön, was passieren kann, wenn Polizeivollzugsbeamte im Dienst gefilmt werden.

Eine Polizeibeamtin war in Ausübung ihres Dienstes anlässlich einer Demonstration in der ÖVB-Arena in Bremen eingesetzt. Ohne ihr Wissen und ihre Einwilligung wurde sie dabei gefilmt. Diese Filmaufnahmen wurden später in einem Musikvideo zu Werbezwecken verwendet, das auf YouTube veröffentlicht und über 150.000 Mal aufgerufen wurde. Die Polizistin war dort – in Zeitlupe – für einen Zeitraum von etwa zwei Sekunden zu sehen. Nach einer Abmahnung war sie in dem Musikvideo nur noch verpixelt zu sehen. Nun verlangte sie Erstattung ihrer für die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten sowie eine Geldentschädigung in Höhe von 5.000 EUR.

Das OLG sprach der Frau lediglich den Ersatz der Rechtsanwaltskosten und 2.000 EUR zu. Die zu reinen kommerziellen Zwecken kurze ungerechtfertigte Bildaufnahme einer Polizeibeamtin im Dienst verletzte ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht. Auch gab es für die Aufnahme keinen Anlass. Unter Berücksichtigung der Reichweite der Verbreitung des Musikvideos einerseits und der Kürze der Darstellung andererseits hielt das OLG eine Geldentschädigung von 2.000 EUR für angemessen.

Hinweis: Für das Aufnehmen von Polizeibeamten im Einsatz gelten also die gleichen Regelungen wie für alle anderen (Privat-)Personen. Es dürfen einzelne Personen nur dann aufgenommen werden, wenn ihr Verhalten dazu einen besonderen Anlass gibt.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 19.05.2021 – 13 U 318/19

Thema: Sonstiges

Anschein der Parteilichkeit: Notar verletzt Amtspflichten durch eine Beurkundung in Räumen der Gemeinde

Das Notariat ist ein Amt, dem jegliche Parteilichkeit fremd sein sollte. Im folgenden Fall, der bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging, musste das, was so selbstverständlich klingt, noch einmal in aller Deutlichkeit klargemacht werden.

Ein Notar beurkundete in den Jahren 2016 bis 2018 insgesamt 38 Vereinbarungen und Erklärungen im Zusammenhang mit Grundstücksübertragungen in Räumlichkeiten einer Gemeinde, bei denen diese jeweils selbst Vertragspartei war. Daher leitete die Aufsichtsbehörde ein Disziplinarverfahren ein. Es verhängte gegen den Notar durch Disziplinarverfügung wegen fahrlässigen Verstoßes gegen die Amtspflicht, jedes Verhalten zu vermeiden, das den Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit erzeugt, eine Geldbuße von 2.500 EUR. Dagegen klagte der Notar – ohne Erfolg.

Ein Notar verstößt in den Augen des BGH gegen seine Amtspflicht zur Vermeidung des Anscheins der Abhängigkeit oder Parteilichkeit, sobald er wiederholt Beurkundungen in den Räumen einer Vertragspartei vornimmt, ohne dafür sachliche Gründe vorweisen zu können. Durch ein solches Verhalten erweckt er aus der maßgeblichen Sicht des objektiven, mit den konkreten Gegebenheiten vertrauten Beobachters den Eindruck, den Interessen dieser Vertragspartei näher zu stehen als den Belangen der anderen Partei.

Hinweis: Ein Notar muss stets neutral sein. Gibt es daran Zweifel, sollte der Notar darauf angesprochen werden. Vieles lässt sich durch ein Gespräch regeln.

Quelle: BGH, Beschl. v. 22.03.2021 – NotSt(Brfg) 4/20

Thema: Mietrecht

Sozialhilfeempfänger erbt „Denkmal“: Ein Hausgrundstück mit Immobilie stellt nicht unbedingt verwertbares Vermögen dar

Dass ein Hausgrundstück als Erbschaft nicht immer nur Gutes verheißt, ist sicherlich den meisten klar. Das Hessische Landessozialgericht (LSG) musste sich in einem solchen Fall mit der Frage beschäftigen, ob und wann ein Sozialhilfeträger vom leistungsbeziehenden Erben verlangen kann, sein geerbtes Grundstück zu verwerten.

Der Leistungsberechtigte hatte während des Bezugs von Leistungen von seiner Mutter ein Hausgrundstück geerbt, auf dem sich ein denkmalgeschütztes Gebäude befand. Zwischen dem Erben und dem Träger der Sozialhilfe entstand im Kern ein Streit darüber, ob eine Verpflichtung zur Verwertung der Immobilie bestehe. Nach erfolgter gerichtlicher Beweisaufnahme war davon auszugehen, dass eine Verwertung des Grundstücks jedoch nur nach einem Abbruch des Hauses möglich sei. Dabei blieb unklar, ob die denkmalschutzrechtliche Genehmigung zum Abbruch überhaupt erteilt werde.

Nach Ansicht des LSG handelt es sich bei dem Grundstück nach der maßgeblichen Rechtslage weder um ein einzusetzendes Einkommen noch um verwertbares Vermögen. Der Umstand, dass es sich nicht um einzusetzendes Einkommen handelt, beruhe dabei auf der bis 2016 geltenden Rechtslage, nach der die Erbschaft nur zu berücksichtigen gewesen wäre, wenn diese tatsächlich als liquide Mittel zur Deckung des täglichen Bedarfs zur Verfügung gestanden hätte. Darüber hinaus handelte es sich bei der Erbschaft nicht um ein verwertbares Vermögen. Aufgrund der aus Denkmalschutzgründen resultierenden Ungewissheiten über die Zulässigkeit eines Abrisses könne eine solche Immobilie nicht als „marktgängig“ eingestuft werden. Daher konnte auch nicht davon auszugehen sein, dass die Immobilie tatsächlich verwertbar sei.

Hinweis: Nach der ab 2016 geltende Rechtslage würde die Erbschaft einer Immobilie nicht von vorneherein als Einkommen zu qualifizieren sein. Wäre die Immobilie allerdings verwertbar, hätte eine sozialrechtlich bedarfsmindernde Anrechnung durchaus in Betracht kommen können.

Quelle: Hessisches LSG, Urt. v. 30.04.2021 – L 9 AS 361/17

Thema: Erbrecht

Schadensminderungspflicht nach Verkehrsunfall: Vor Feststellung eines Erwerbsschadens stehen Bemühungen zur Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt

Unfälle können bekanntlich weitaus schlimmere Konsequenzen nach sich ziehen als einen Sachschaden. Wenn Personenschäden nicht mehr ausheilen, kann es sein, dass bei einer Erwerbsunfähigkeit die gegnerische Versicherung hier erheblich zur Kasse gebeten werden kann. Welche Voraussetzungen in solchen Fällen zu beachten sind, stellte im folgenden Fall das Oberlandesgericht Celle (OLG) klar.

Bei einem Verkehrsunfall wurde eine Frau so schwer verletzt, dass sie ihren Arbeitsplatz als Bürokauffrau verlor. Sie nahm deshalb ihre Versicherung in Anspruch, die ihr unter anderem eine Rente zahlte. Denn die Frau sei nunmehr in ihrer Erwerbsfähigkeit so stark eingeschränkt, dass sie in der konkreten Arbeitsmarktsituation kein Erwerbseinkommen erzielen könne. Die Versicherung nahm deshalb die Haftpflichtversicherung des Schädigers in Anspruch und verlangte Regress.

Das OLG wies die Klage jedoch ab, weil die Geschädigte und das Versicherungsunternehmen gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen haben. Aufgabe der Versicherung wäre es gewesen, zu prüfen, ob der Geschädigten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen sei oder nicht. Erst wenn bewiesen sei, dass der Geschädigten erfolglos eine Tätigkeit, Qualifizierungsmaßnahme oder Umschulungsmaßnahme angeboten wurde, kann angenommen werden, dass die Geschädigte keine Aussicht mehr auf eine erfolgreiche Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt habe. Nur wenn derartige Bemühungen gescheitert sind, kann der Versicherer sich mit Erfolg darauf berufen, dass der Arbeitsmarkt der Geschädigten verschlossen ist.

Hinweis: Um einen Erwerbsschaden nach einem Verkehrsunfall erfolgreich geltend zu machen, muss sich der Geschädigte unverzüglich einer geeigneten Weiterbildung oder Umschulung in einen anderen Beruf, der seinen Einschränkungen gerecht wird, unterziehen, wenn damit sein ansonsten eintretender Erwerbsschaden gemindert werden kann.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 07.04.2021 – 14 U 134/20

Thema: Verkehrsrecht

Arbeitgeber muss nachzahlen: Weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit ist keine freie Mitarbeit

Ein wirklich freier Mitarbeiter bekommt natürlich keine Extras wie Urlaub, eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Weihnachtsgeld. Schwierig wird es, wenn der ursprünglich freie Mitarbeiter tatsächlich ein abhängig beschäftigter Arbeitnehmer ist. Sonst kommt es zu Gerichtsfällen wie diesem, der vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) landete.

Ein Unternehmen, das die Reparatur und Wartung von Kompressoren anbot, suchte mit einer schriftlichen Stellenausschreibung nach einem „Mechaniker (m/w/d)“. Daraufhin meldete sich ein Interessent, mit dem das Unternehmen eine Zusammenarbeit vereinbarte. Er war von Anfang der Zusammenarbeit an in das Unternehmen eingegliedert und weisungsabhängig. Trotzdem hatte er ein eigenes Unternehmen angemeldet und stellte seine Leistungen in Rechnung. Den Abschluss eines Arbeitsvertrags hatte der Mechaniker abgelehnt. Schließlich wurde der Mechaniker krank und schickte seinem vermeintlichen Arbeitgeber den gelben Schein – also die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Das Unternehmen reagierte darauf mit einem Schreiben und erklärte die Zusammenarbeit vorerst für erledigt. Außerdem wurde ein vermeintliches Arbeitsverhältnis vorsorglich gekündigt. Dagegen klagte der Mechaniker und verlangte außerdem Geld.

Zwar hielt das LAG die ordentliche Kündigung für wirksam, urteilte aber gleichzeitig, dass ein Arbeitsverhältnis bestanden hatte. Aus der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses hatte sich ergeben, dass der Mechaniker weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verrichtet hatte. Nun muss der Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge, Lohnsteuer, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und eine Urlaubsabgeltung zahlen.

Hinweis: Arbeitgeber sollten sich bei der Beschäftigung freier Mitarbeiter ganz sicher sein, ob diese tatsächlich unabhängig sind. Stellt sich später heraus, dass es sich tatsächlich um abhängig Beschäftigte gehandelt hatte, kann es richtig teuer werden.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 25.03.2021 – 17 Sa 45/20

Thema: Arbeitsrecht

Beleganspruch im Güterrecht: Muss eine Auskunft belegt werden, ist präzise anzugeben, welche Belege verlangt werden

In vielen Bereichen des Familienrechts besteht ein Auskunftsanspruch, und dieser ist meistens mit einem sogenannten Beleganspruch gekoppelt. Werden verlangte Belege dabei nicht vorgelegt, muss der Anspruch gerichtlich geltend gemacht werden. Wie genau dies zu geschehen hat, musste im Folgenden der Bundesgerichtshof (BGH) klären.

Es ging um einen Fall mit türkischem Güterrecht, was nur augenscheinlich eine Rolle spielt. Denn das, was der BGH in seiner Entscheidung ausführt, betrifft nicht nur das deutsche Güterrecht gleichermaßen, sondern ebenso das deutsche Unterhaltsrecht sowie überhaupt alle Auskunfts- und Belegansprüche im Familienrecht. Dabei befand der BGH, dass stets sehr präzise angegeben werden muss, was genau an Auskunft verlangt und erteilt werden muss.

Wenn derjenige, der die Belege vorlegen muss, dies aus welchem Grund auch immer nicht macht, hat das Gericht eine entsprechende Verpflichtung zu verhängen, dies zu tun. Folgt der Verpflichtete dem Richterspruch nicht, erfolgt die Zwangsvollstreckung – der Gerichtsvollzieher wird dann eingeschaltet. Und für diesen muss ganz genau aus dem Beschluss des Gerichts zu ersehen sein, was an Belegen vorzulegen ist. Denn schließlich muss er unter Umständen alle relevanten Unterlagen des Pflichtigen durchgehen und die entsprechend verlangten Belege heraussuchen. Diese Präzision hatte die Vorinstanz vermissen lassen, so dass gegen deren Entscheidung der BGH angerufen worden war. Daher hob der Senat die dort getroffene Entscheidung auf. Er verwies die Sache zurück, damit das nachgeholt wird.

Hinweis: In der Praxis wird mit den Auskunfts- und den Belegansprüchen oftmals etwas salopp verfahren, sowohl auf Seiten der Rechtsanwälte als auch auf Seiten der Gerichte. Das kann sich die jeweilige Gegenseite mitunter zunutze machen. Dazu ist es aber nötig, dass genau hingeschaut wird. Deshalb ist es auch wichtig, unter anderem in diesem Bereich der Geltendmachung von Ansprüchen präzise und genau zu arbeiten.

Quelle: BGH, Beschl. v. 10.02.2021 – XII ZB 376/20

Thema: Familienrecht