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Autor: Knofy68

Arbeitsunfähiger Verwaltungsmitarbeiter : Dienstherr muss Arbeitnehmer, der durch Attest von der Maskenpflicht befreit ist, nicht beschäftigen

Trotz hinlänglich bekannten Missbrauchs sogenannter Maskenbefreiungsatteste darf nicht vergessen werden, dass es durchaus Menschen gibt, denen aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) – insbesondere einer FFP2-Maske – nicht zumutbar ist. Was ein solches Attest arbeitsrechtlich für Folgen haben kann, zeigt der folgende Fall des Landesarbeitsgerichts Köln (LAG).

Sämtliche Mitarbeiter und Besucher eines Rathauses mussten ab Mai 2020 eine Mund-Nase-Bedeckung tragen. Einer der Verwaltungsmitarbeiter legte daraufhin zwei Atteste vor, die ihn von der Maskenpflicht befreiten. Als er daraufhin nicht mehr beschäftigt wurde, stellte er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, um seine Beschäftigung durchzusetzen. Der Antrag wurde jedoch abgewiesen.

Den Arbeitgeber traf laut LAG die Verpflichtung zum Schutz der Beschäftigten. Die Verpflichtung zum Tragen von Masken war auch durch das Direktionsrecht gedeckt. Das Tragen einer FFP2-Maske dient dem Infektionsschutz der Mitarbeiter und Besucher des Rathauses. Wenn der Verwaltungsmitarbeiter meint, eine Maske aus besonderen Gründen nicht tragen zu können, ist er arbeitsunfähig und somit auch nicht zu beschäftigen. Auch eine Beschäftigung im Homeoffice war hier nicht möglich, da zumindest Teile der Aufgaben im Rathaus erledigt werden mussten. Eine teilweise Tätigkeit im Homeoffice beseitigt zudem nicht die Arbeitsunfähigkeit.

Hinweis: Der Arbeitgeber darf bei Vorliegen einer bestimmten Gefährdungslage eine Maskenpflicht nicht nur anordnen – zeitweise war er im Jahr 2021 dazu sogar gezwungen.

Quelle: LAG Köln, Urt. v. 12.04.2021 – 2 SaGa 1/21

Thema: Arbeitsrecht

Umgangsrecht nach Stiefkindadoption: Zeigt ein privater Samenspender Interesse am Kind, kann ihm ein Umgangsrecht eingeräumt werden

Der Kinderwunsch eines lesbischen Paars kann durch eine private Samenspende erfüllt werden. Rechtlich unklar war bislang, ob der Samenspender ein Umgangsrecht hat, wenn das hieraus entstandene Kind durch (Stiefkind-)Adoption bereits zwei Elternteile hat. Da solch eine Frage durch ihre Auswirkungen hochkomplex ist und bestehende Gesetze sich meist auf heterosexuelle Elternschaften beziehen, musste sie vom Bundesgerichtshof (BGH) beantwortet werden.

Das mittlerweile siebenjährige Kind, um dessen Wohl es hier ging, weiß, dass der Kläger sein Erzeuger ist. Denn dieser durfte das Kind in den ersten fünf Lebensjahren auch besuchen. Dann kam es zu einem Zerwürfnis unter den Erwachsenen, als der Mann gegenüber den rechtlichen Eltern den Wunsch äußerte, mehr Umgang mit dem Kind zu haben – auch bei sich zuhause, auch im Alltag und auch mal für einen längeren Zeitraum. Der Kontakt brach ab, und sowohl das Amtsgericht als auch das zweitinstanzliche Berliner Kammergericht (KG) konnten nicht feststellen, dass Verfassung oder Gesetzgeber eine dreifache Elternschaft vorsehen. Denn zwei Eltern habe das Kind schließlich. Rein rechtlich hat das Kind also keinen Vater, sondern zwei Mütter, da die leibliche Mutter ihrer Lebenspartnerin die sogenannte Stiefkindadoption zugestanden hat.

Der BGH sah dennoch den Anwendungsbereich von § 1686a Abs. 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch für gegeben an, der das Umgangsrecht des leiblichen Vaters regelt, sofern dieser ernsthaftes Interesse an dem Kind zeige. Eine Adoption schließe dieses Umgangsrecht nicht aus. Dass das Kind durch eine sogenannte private Samenspende gezeugt wurde, hindert die Anspruchsberechtigung des Erzeugers nicht. Im Unterschied zu einer ärztlich unterstützten Befruchtung ist hier die Feststellung der Vaterschaft gesetzlich auch nicht versperrt.

Letztendlich sieht der BGH in der Sache keinen Unterschied zwischen der Stiefkindadoption durch einen Ehemann oder durch eine Lebenspartnerin der leiblichen Mutter. Ob und in welchem Umfang der Umgang zu regeln ist, beurteilt sich aber auch hier danach, inwieweit der Umgang dem Kindeswohl dient. Dabei hat der leibliche Vater das Erziehungsrecht der rechtlichen Eltern zu respektieren, ohne dass dieses die Eltern zur Verweigerung des Umgangs berechtigt. Die konkreten Umstände muss nun das vorinstanzliche KG ermitteln – und dabei insbesondere auch das betroffene Kind anhören.

Hinweis: Die BGH-Entscheidung ist ein weiterer Schritt zur Gleichstellung homosexueller und heterosexueller Eltern, denn bei der Stiefkindadoption durch einen Ehemann würden auch die Umgangsrechte des leiblichen Vaters nicht gekappt. Für lesbische Paare, die sich für eine private Samenspende entscheiden, bedeutet dies, dass sie den Erzeuger als Vaterfigur einbinden müssen – sofern dieser Interesse am Kind hat.

Quelle: BGH, Beschl. v. 16.06.2021 – XII ZB 58/20

Thema: Familienrecht

Gutscheinlösung zu Pandemiezeiten: Für abgesagte Events dürfen statt Geld nun auch Gutscheine ausgegeben werden

Die Coronapandemie hat die Rechtsprechung nicht nur gefordert, sondern an einigen Stellen auch novelliert. So gibt es auf die Frage, ob es in Ordnung sei, für eine abgesagte Veranstaltung nur einen Gutschein und nicht das Geld zurückzuerhalten, eine neue gesetzliche Grundlage. Und die Antwort formuliert im Folgenden entsprechend der neuen Norm das Amtsgericht Bayreuth (AG).

Es ging um Eintrittskarten für die Veranstaltung „Das ist Wahnsinn! Das Musical mit den Hits von Wolfgang Petry“ im Wert von 154 EUR. Die Veranstaltung konnte im April 2020 wegen der Coronapandemie allerdings nicht durchgeführt werden. Als der Ticketinhaber sein Geld zurückverlangte, war der Veranstalter allerdings nur bereit, dem Mann stattdessen lediglich einen Gutschein für eine weitere Veranstaltung zu geben. Der sah das wiederum nicht ein und klagte.

Die Richter des AG waren allerdings auf Seiten des Veranstalters. Mit der anlässlich der Pandemiefolgen stattgefundenen Einführung des Art. 240 § 5 Abs. 1 Satz 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch sind Veranstalter von Freizeitveranstaltungen berechtigt, anstelle der Rückerstattung des Ticketpreises einen Gutschein zu übergeben, wenn die Veranstaltung aufgrund der COVID-19-Pandemie abgesagt werden musste.

Hinweis: Der Mann erhielt sein Geld also nicht zurück – zumindest vorerst nicht! Denn das Gesetz besagt auch, dass es durchaus das Geld zurückgeben kann, wenn der Verweis auf einen Gutschein für den Kunden angesichts persönlicher Lebensumstände unzumutbar ist oder er den Gutschein bis zum 31.12.2021 nicht eingelöst hat.

Quelle: AG Bayreuth, Urt. v. 11.05.2021 – 102 C 191/21

Thema: Sonstiges

Gutachten bei Härteeinwand: Vorlage ärztlicher Atteste allein reicht nicht gegen Räumungsklage wegen Eigenbedarfs aus

Im Ausnahmefall kann ein Mieter sich gegen eine Räumung mit gesundheitlichen Problemen wehren, die durch den Auszug auftreten könnten. Doch sich allein auf vorgelegte Atteste zu verlassen, reicht hierfür künftig nicht aus. Wie in solchen Fällen in Zukunft vorzugehen ist, hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

In dem Fall ging es um die Eigenbedarfskündigung einer Mietwohnung, in die die Tochter des Eigentümers einziehen sollte, um nach dem Abitur einen eigenen Hausstand zu gründen. Der 67-jährige Mieter widersprach der Kündigung und berief sich auf gesundheitliche Härtegründe. Er sei nach 30 Jahren im Mietverhältnis zu fest mit der Umgebung verwurzelt. Atteste wiesen auf seine Depression mit Suizidversuchen hin, die auch Magen-, Herz- und Kreislaufbeschwerden verursache. Zudem bescheinigten sie dem Mann eine Räumungsunfähigkeit, weil der Mieter „aus medizinisch-orthopädischer Sicht außerstande sei, Gegenstände mit einem Gewicht über zehn Kilogramm zu heben“. Das Landgericht (LG) wies nach einem ersten Urteil durch das Amtsgericht zugunsten des Mieters die Berufung zurück und begründete seine Entscheidung, die Beendigung des Mietverhältnisses würde für den Beklagten wegen seines fortgeschrittenen Alters und seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten.

Schließlich ging die Angelegenheit bis zum BGH, der das vorinstanzliche Urteil aufhob und die Angelegenheit zur erneuten Entscheidung an das LG zurückverwies. Das vorinstanzliche Gericht hätte ein Sachverständigengutachten zu der Art, dem Umfang und den konkreten Auswirkungen der behaupteten Erkrankungen des Mieters vornehmen müssen. Es hätte sich nicht nur alleine auf die vom Mieter vorgelegten Atteste stützen dürfen. Konkret heißt es in der Grundsatzentscheidung, dass künftig ein Sachverständigengutachten „zu der Art, dem Umfang und den konkreten Auswirkungen der vom Beklagten behaupteten Erkrankungen auf dessen Lebensführung im Allgemeinen und im Falle des Verlusts der vertrauten Umgebung“ eingeholt werden müsse.

Hinweis: Alleine die Vorlage eines ärztlichen Attests reicht also nicht aus, um eine Eigenbedarfskündigung erfolgreich abzuwehren. Trotzdem ist ein solches Attest wichtig, um erste Anhaltspunkte zu haben, ob und weshalb eine Räumung der Mietwohnung nicht möglich ist. Den eigenen Arzt mit ins Boot zu holen, ist für Mieter stets von Vorteil. Künftig werden die Gerichte in solchen Fällen zusätzlich ein (teures) Sachverständigengutachten einholen müssen.

Quelle: BGH, Urt. v. 28.04.2021 – VIII ZR 6/19

Thema: Mietrecht

Wissen um einen Erben: Bevor der Fiskus erbt, muss das Nachlassgericht einer erhöhten Ermittlungspflicht nachkommen

Sind nach dem Tod des Erblassers keine Erben bekannt, und können auch innerhalb einer den Umständen nach angemessenen Frist keine Erben ermittelt werden, hat das Nachlassgericht festzustellen, dass der Fiskus Erbe geworden ist. Bevor das Gericht eine solche Feststellung machen kann, müssen Ermittlungen über mögliche vorhandene Erben angestellt werden. Und der Umfang eben solcher Ermittlungen war Gegenstand des folgenden Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Celle (OLG).

Die Erblasserin ist im Februar 2021 tot in ihrer Wohnung aufgefunden worden. Im Zentralen Testamentsregister existierte ein Eintrag über eine Tochter der Frau. Das örtlich zuständige Standesamt und Einwohnermeldeamt teilten dem Nachlassgericht auf dessen Anfrage hin mit, dass die Tochter dort nicht gemeldet sei. Auch bei dem für die Bestattung zuständigen Ordnungsamt waren keine Erkenntnisse über Angehörige vorhanden. Weitere Nachforschungen unterblieben. Das Nachlassgericht stellte daraufhin fest, dass das Land Niedersachsen Erbe nach der Erblasserin geworden sei.

Doch diese Entscheidung hob das OLG wieder auf. Da bekannt war, dass die Erblasserin eine Tochter hatte, sind höhere Anforderungen an die Ermittlungspflicht des Nachlassgerichts zu stellen. Als Faustformel gibt das OLG an, dass mindestens Anfragen an Sterberegister, Eheregister und Geburtenregister der feststellbaren Lebensmittelpunkte eines Erblassers gerichtet werden müssen.

Hinweis: Allein der Umstand, dass der Nachlass eventuell überschuldet sei, befreit nicht von der Ermittlungspflicht des Nachlassgerichts.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 20.04.2021 – 6 W 60/21

Thema: Erbrecht

Langwierige Unfallauswirkungen: Vorsicht: Rechtskraft des Urteils im Vorprozess kann erneutem Schadensersatzanspruch entgegenstehen

Verkehrsunfälle können lebenslange Folgen nach sich ziehen. Wie eine Schadensersatzklage genau vorzunehmen ist, um nicht nur bekannte und absehbare, sondern vor allem auch langwierige Auswirkungen zu mildern, mussten die Beteiligten des folgenden Falls lernen, der vom Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) entschieden wurde.

Die Klägerin begehrte die Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes wegen einer psychischen Erkrankung, die sie auf einen tödlichen Verkehrsunfall ihres Ehemannes zurückführt. Die Frau hatte bereits im Jahr 2007 die Beklagten vor dem Landgericht Duisburg (LG) unter anderem auf Schmerzensgeld wegen infolge des Unfalls erlittener psychischer Beeinträchtigungen in Anspruch genommen. Das LG hatte ihr daraufhin auch ein Schmerzensgeld von 5.000 EUR zugesprochen. 2013 und 2017 begab sich die Klägerin wegen der psychischen Erkrankung erneut in ärztliche Behandlung und verlangte deshalb nun ein weiteres Schmerzensgeld.

Das OLG hat den Antrag jedoch abgewiesen, weil die Rechtskraft des Urteils im Vorprozess einem weitergehenden Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes entgegensteht. Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes ist die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Schmerzensgeldes in einer ganzheitlichen Betrachtung zu bemessen. Dies bezieht die den Schadenfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbilds mit ein. Lediglich Verletzungsfolgen, die zum Beurteilungszeitpunkt von dem Klageantrag nicht umfasst waren, können die Grundlage für einen Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld und den Gegenstand eines Feststellungsantrags bilden. Dies war hier nicht der Fall, da die weitere Behandlung bereits im Vorprozess absehbar war.

Hinweis: Durch den Klageantrag auf uneingeschränktes Schmerzensgeld werden diejenigen Schadensfolgen erfasst, die bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnten. Sollte absehbar sein, dass sich die Behandlung hinzieht und möglicherweise auch weitere Operationen und/oder Therapien erforderlich werden, sollte stattdessen eine offene Teilklage geltend gemacht werden. Nur so können künftige Ansprüche noch geltend gemacht werden.

Quelle: OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.04.2021 – 1 U 152/20

Thema: Verkehrsrecht

Teilzeitanspruch in Elternzeit : Verfügungsanspruch steht behauptetem Beschäftigungsmangel des Arbeitgebers entgegen

Sicherlich kann in einem Jahr betrieblich viel passieren – auch wenn sich Angestellte in Elternzeit befinden. Den Anspruch auf begehrte Teilzeitarbeit von Arbeitnehmern in Elternzeit abzuwehren, ist jedoch nicht ganz so einfach. Und dass Arbeitnehmer diesen Anspruch auch gerichtlich durchsetzen können, zeigt im Folgenden ein Fall, der kürzlich vor dem Landesarbeitsgericht Köln (LAG) landete.

Eine Arbeitnehmerin hatte nach der Geburt ihres Kindes für etwa zwei Jahre Elternzeit beantragt. Nach einem Jahr beantragte sie fristgerecht eine Teilzeitbeschäftigung in Elternzeit im Umfang von 30 Wochenstunden. Die Arbeitgeberin lehnte den Beschäftigungsantrag jedoch mit der Begründung ab, dass sie keine Beschäftigungsmöglichkeit habe.

Das LAG sah das anders, und als Ergebnis muss die Arbeitnehmerin nun auch in Teilzeit beschäftigt werden. Es bestand in den Augen des Gerichts nämlich ein sogenannter Verfügungsanspruch, weil die Arbeitnehmerin die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit glaubhaft gemacht hatte. Zwar kann die Arbeitgeberin grundsätzlich dringende betriebliche Gründe entgegenhalten. Hierzu genügt allerdings nicht die bloße Behauptung, es bestehe keine Beschäftigungsmöglichkeit. Die Arbeitgeberin hätte die genauen Tatsachen bezeichnen müssen – ähnlich wie beim Wegfall von Arbeitsplätzen bei einer Kündigungsschutzklage. Der Verfügungsgrund bestand zudem darin, dass eine umfassende Interessenabwägung ergab, dass die Arbeitnehmerin ohne die Teilzeit beruflich auf das Abstellgleis geraten könne.

Hinweis: Der Anspruch auf eine Teilzeit während der Elternzeit muss genauso wie ein allgemeiner Teilzeitanspruch schriftlich gestellt werden. Äußert sich der Arbeitgeber dazu dann nicht binnen einer bestimmten Frist, gilt der Antrag als genehmigt.

Quelle: LAG Köln, Urt. v. 04.06.2021 – 5 Ta 71/21

Thema: Arbeitsrecht

Kein Respekt vor der Mutter: Sobald der Großelternumgang Loyalitätskonflikte auslöst, gilt er als kindeswohlwidrig

Das Kindeswohl steht bei Umgangsfragen im Fokus, soviel ist bekannt. Dass aber auch beim Großelternumgang gilt, dass der konkrete Umgang dem Kindeswohl dient und es dabei nicht ausreicht, dass er nicht schädlich wäre, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgerichts Braunschweig (OLG).

Hier lebten Vater und Mutter der betreffenden Kinder getrennt, die Großeltern väterlicherseits wollten ihre Enkel regelmäßig an Wochenenden und in den Ferien sehen. Ihre Schwiegertochter wandte jedoch ein, es werde dort wiederholt abwertend über sie geredet, so zum Beispiel, weil sie aus dem Osten stamme. Die Großeltern meinten gar, sie wären als Akademikerpaar für die Förderung der Enkel besser geeignet als die Mutter selbst. Dieses Argument war jedoch ein „Eigentor“.

Das OLG lehnte den Antrag nämlich ab. Es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass die Großeltern den verfassungsrechtlich eingeräumten Erziehungsvorrang der Eltern missachteten. Ein Loyalitätskonflikt des Kindes gilt jedenfalls als kindeswohlwidrig, wenn die Großeltern schlecht über dessen Eltern reden.

Hinweis: Das OLG berief sich hierbei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Kriterien für die Beurteilung des Umgangs von Großeltern für das Kindeswohl angelegt hat. Großeltern sind also stets gut beraten, sich mit den Eltern nicht zu überwerfen und sie respektvoll zu behandeln, wenn sie Kontakt mit ihren Enkeln haben wollen.

Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.06.2021 – 2 UF 47/21

Thema: Familienrecht

Veranstaltungsabsage: Erstattung der Vorverkaufsgebühren darf nicht pauschal via AGB ausgeschlossen werden

Als mit der Coronapandemie das kulturelle Leben per Vollbremsung zum Stillstand kam, standen mit der Masse an Veranstaltungsabsagen die Ticketbesitzer vor den Konzertkassen und verlangten ihr Geld zurück. Dabei rückte die Frage in den Fokus, warum eigentlich Vorverkaufsgebühren einer führenden Anbieterin einbehalten werden dürften. Das Landgericht München I (LG) musste auf Betreiben eines Verbraucherschutzverbandes hierzu eine Antwort finden.

 

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Tickethändlerin war die Erstattung der Vorverkaufsgebühren bei Absage oder Verlegung von Veranstaltungen ausgeschlossen. Das sollte unabhängig von der Vertragsbeziehung gelten – also sowohl bei einer reinen Vermittlungsleistung als auch beim Verkauf in Kommission.

Dagegen ist das LG aber zu der Auffassung gekommen, dass die Vertragsklausel unwirksam sei. Denn zumindest in jenen Fällen, in denen die Tickethändlerin die Tickets auf Kommissionsbasis vertreibt, benachteiligte die Klausel den Kunden entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben in unangemessener Weise. Da sie unterschiedslos für alle ausgeübten Geschäftsarten gelten sollte, war die Klausel insgesamt und damit auch bei ihrer Verwendung im Rahmen der Eigenveranstaltungen und des Vermittlungsgeschäfts unwirksam.

Hinweis: Das LG rügte zudem, dass die Klausel außerdem intransparent sei. Weil die Höhe der Vorverkaufsgebühr beim Abschluss des Ticketkaufvertrags oftmals nicht separat ausgewiesen werde, könne der Kunde sein wirtschaftliches Risiko gar nicht einschätzen, das sich aus dem angeordneten Ausschluss einer Rückzahlung ergebe.

Quelle: LG München I, Urt. v. 09.06.2021 – 37 O 5667/20

Thema: Sonstiges

Ab mit dem Ast: Nachbar darf zur Selbsthilfe greifen, auch wenn der Baum abzusterben und zu kippen droht

Der folgende Fall ist ein klassischer Streit unter Nachbarn, dessen Bewertung wohl niemanden leicht fällt. Darf man Äste eines Baums beschneiden, die von nebenan nicht einfach nur über die Grundstücksgrenze wachsen, sondern zudem auch naturgemäß das eigene Grundstück verschmutzen? Wenn Sie geneigt sind, zu bejahen: Darf man das auch, wenn man dadurch den Baum gefährdet, der zudem umzukippen droht? Sie sehen: Der Bundesgerichtshof (BGH) wurde hier nicht umsonst zur Urteilsprüfung herangezogen.

Auf einem der involvierten Grundstücke standen entlang einer Grundstücksgrenze seit 40 Jahren Schwarzkiefern, die inzwischen stattliche 15 Meter hoch waren. Wie es bei Grundstücksgrenzen nun einmal so ist: Die Bäume interessierten sich nicht dafür, so dass die Äste naturgemäß auch auf das andere Grundstück herüberragten und seit 20 Jahren mit Nadeln und Zapfen auch dem Nachbarn gegenüber nicht geizten. Eben jener Nachbar forderte den Baumbesitzer daher auf, die Äste seiner Kiefern zurückzuschneiden. Als dieser sich weigerte, griff der andere zur Selbsthilfe und schnitt einfach selbst die überhängenden Zweige ab. Der Baumbesitzer sah nun die Standsicherheit eines Baums gefährdet und verlangte von seinem Nachbarn, es zu unterlassen, von der Kiefer oberhalb von fünf Metern überhängende Zweige abzuschneiden.

Der BGH war hier eindeutiger Ansicht: Ein Grundstücksnachbar darf – unter Beachtung des Naturschutzes! – von seinem Selbsthilferecht aus § 910 Bürgerliches Gesetzbuch auch dann Gebrauch machen, wenn durch das Abschneiden überhängender Äste das Absterben des Baums oder der Verlust seiner Standfestigkeit droht.

Hinweis: Da dieses Selbsthilferecht durch naturschutzrechtliche Regelungen (beispielsweise durch Baumschutzsatzungen oder -verordnungen) eingeschränkt sein kann, wird sich das Berufungsgericht hier noch einmal mit den Schwarzkiefern beschäftigen müssen. Denn genau diese Frage war bei der Urteilsfindung nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Quelle: BGH, Urt. v. 11.06.2021 – V ZR 234/19

Thema: Mietrecht