Skip to main content

Schlagwort: OLG Karlsruhe

Überlassene Eigentumswohnung: Kein Anspruch auf Nutzungsentgelt nach trennungsbedingtem Auszug aus der Wohnung der Schwiegereltern

Verlässt ein Ehegatte anlässlich der Trennung die Ehewohnung, kann er vom anderen für die vollständige Überlassung eine Nutzungsentschädigung verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Was das praktisch bedeutet, beschäftigte im Folgenden das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG).


Zunächst einmal zur Ausgangslage, wann unter Billigkeitsgesichtspunkten der Anspruch besteht: Die kinderlosen Ehegatten trennen sich, einer zieht aus der Ehewohnung aus. Die Wohnung gehört beiden je hälftig und ist schuldenfrei, beide verdienen gleich viel, weshalb kein Unterhalt zu zahlen ist. Unter diesen Gegebenheiten kann der ausgezogene Ehegatte vom verbliebenen 500 EUR pro Monat verlangen, wenn sich die Wohnung am Markt für eine Kaltmiete von 1.000 EUR vermieten ließe.

Im Fall des OLG war die Lage jedoch anders. Die Wohnung gehörte den Eltern des Mannes und war ihm und seiner Familie kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Im Zuge der Trennung zog die Frau mit der gemeinsamen Tochter aus und wollte nun eine Nutzungsentschädigung vom Mann, der weiterhin in der Wohnung lebte. Das OLG wies den Antrag jedoch zurück.

Wenn Ehegatten nicht die Eigentümer, sondern Mieter der Ehewohnung sind und der in der Wohnung verbleibende Ehegatte die gesamte Miete nebst Nebenkosten zahlt, entsteht dem ausgezogenen Ehegatten kein Schaden. Wenn die Schwiegereltern nach der Trennung dem eigenen Kind die ihnen gehörende Wohnung kostenfrei überlassen, beruht dies auf dem Verwandtschaftsverhältnis. In beiden Konstellationen sei es dem OLG zufolge unbillig, dem ausgezogenen Ehegatten einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung zuzusprechen.

Hinweis: Für Fälle, in denen die Ehegatten nicht Eigentümer der Ehewohnung sind, sondern nur ein anderweitiges Nutzungsrecht daran haben, ist der Anspruch auf Nutzungsentschädigung damit nicht immer automatisch ausgeschlossen. Es bedarf dann jedoch einer individuellen Prüfung der jeweiligen Konstellation, wofür stets fachkundiger Rat zu empfehlen ist.

Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.01.2019 – 20 UF 141/18

Thema: Familienrecht

Spitzenpegel ist ausschlaggebend: Tägliches Glockenläuten ist auch oberhalb des allgemein gültigen Beurteilungspegels hinzunehmen

Dass nicht nur der Großstadtlärm regelmäßig die Gemüter ersitzt, zeigt der folgende Fall aus dem eher ländlichen Bereich. Denn wo Stille zur liebgewonnenen Gewohnheit gehört, können selbst nur zweimalig am Tag auftauchende Geräusche zum Störfaktor werden, der die Gerichte beschäftigt – wie hier das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG).

In der Stadt Emmendingen, etwa 14 km nördlich von Freiburg im Breisgau, liegt der Ortsteil Maleck, in dem Glockengeläut eine seit Jahrzehnten bestehende Tradition ist. Werktags schlägt die Glocke des früheren Rathauses jeweils um 11 Uhr und um 19 Uhr. Zudem wird einmal im Monat sonntags und an Weihnachten nachmittags zum Gottesdienst geläutet. Das passte aber nicht allen Einwohnern, vor allem nicht dem Nachbarn des Glockenensembles. Und so verlangte hat er als Eigentümer seines Grundstücks von der Stadt, die Lautstärke des Glockengeläuts so zu reduzieren, dass die Geräusche von nicht mehr als 60 dB (A) – bezogen auf den allgemein gültigen Beurteilungspegel – zu hören sind. Doch mit dem Urteil des OLG schlug es für den Kläger leider 13.

Denn laut den Richtern sind die von dem Glockenturm ausgehenden Geräuschimmissionen von nur zwei Mal am Tag und für jeweils nur zweieinhalb Minuten unwesentlich – und daher zu dulden. Zwar überschritt das Glockengeläut den nach den Grenzwerten der TA Lärm –  der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm, einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift in Deutschland – in einem Dorfgebiet zulässigen Beurteilungspegel. Allerdings erreicht das Gebimmel den in einem Dorfgebiet zulässigen Spitzenpegel nicht. Und genau der ist bei der Beurteilung von Glockengeläut ausschlaggebend.

Hinweis: Wenn eine Glocke nur zweimal am Tag und für nur zweieinhalb Minuten läutet, sind das unwesentliche Emissionen, die hingenommen werden müssen. Der in einem Dorfgebiet zulässige Spitzenpegel ist zudem bei der Beurteilung von Glockengeläut ausschlaggebend – nicht der allgemein gültige Beurteilungspegel.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urt. v. 03.08.2018 – 4 U 17/18

Thema: Sonstiges

Verstoß gegen Gemeinschaftsstandards: Wutbürger muss Facebook-Sperre nach Hasskommentar hinnehmen

Endlich greift auch Facebook bei Hasskommentaren deutlicher durch, wie der folgende Fall zeigt, den ein wuterfüllter User vor das Oberlandesgericht Karlsruhe brachte.

Der Mann kommentierte innerhalb von rund drei Jahren in mindestens 100 Fällen Facebook-Postings von Politikern und Medien mit dem Satz: „Flüchtlinge: So lange internieren, bis sie freiwillig das Land verlassen!“ Im Jahr 2018 löschte Facebook einen Beitrag mit der Begründung, dass der User gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen habe, insbesondere gegen die Standards hinsichtlich von „Hassreden“. Zudem sperrte Facebook den Mann für 30 Tage von allen Aktivitäten. Dass der wütende Mensch den Vorwurf der Hassrede nicht sang- und klanglos hinzunehmen bereit war, verwundert nicht. Er sah das Ganze naturgemäß anders und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Doch die Einordnung des Kommentars als „Hassrede“ im Sinn der Gemeinschaftsstandards von Facebook war nach Ansicht der Richter überhaupt nicht zu beanstanden, da der Kommentar dazu aufforderte, Flüchtlinge auszuschließen und zu isolieren, was nach Nr. 12 der Gemeinschaftsstandards von Facebook unzulässig ist. Der Kommentar ging auch über eine bloße Kritik und Diskussion der Einwanderungsgesetze hinaus. Facebook durfte den Mann also sperren.

Hinweis: Facebook und andere soziale Netzwerke dürfen also einen als „Hassrede“ eingestuften Kommentar löschen und den Nutzer zeitweilig sperren.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.06.2018 – 15 W 86/18

Thema: Sonstiges

Das Gotteshaus strahlt: Wann der nächtliche Lichteinfall des Nachbars zu tolerieren ist

Es ist nicht immer nur der Lärm, der vom Nachbarn herüberdringt. Manchmal geht es auch um Gestank oder, wie in diesem Fall, um zu helles Licht.

 

Die Kirche einer Stadt wurde nachts mit mehreren LED-Scheinwerfern angestrahlt. Die Beleuchtung führte zu einem Lichteinfall in die Wohnung einer Frau, die dagegen schließlich eine Klage erhob. Sie meinte, ihre Schlaf- und Ruheräume würden des Nachts ununterbrochen ausgeleuchtet. Sie erfahre dadurch eine elementare Einschränkung ihrer Lebensqualität und körperlichen Unversehrtheit. Das sah das Oberlandesgericht Karlsruhe aber anders.

Ein nachbarrechtlicher Abwehranspruch gegen die Beleuchtung benachbarter Gebäude besteht nicht, wenn durch die Lichtimmissionen nur eine unwesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des eigenen Grundstücks vorliegt. Zur Beurteilung der Wesentlichkeit können die Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz herangezogen werden. Hier hatten entsprechende Messungen allerdings keine zu hohen Werte ergeben.

Hinweis: Ein Abwehranspruch gegen die Beleuchtung des Nachbarn besteht also nicht, wenn nur eine unwesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des eigenen Grundstücks vorliegt.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.02.2018 – 12 U 40/17

Thema: Mietrecht

Verjährung des Pflichtteilsanspruchs: Eine Stundungsvereinbarung verhindert die Verjährung

Engen Verwandten, die im Testament nicht bedacht werden, steht ein Pflichtteil zu. Häufig ist die Auszahlung des Pflichtteils für den Erben jedoch mit finanziellen Schwierigkeiten verbunden – etwa wenn er Immobilien verkaufen muss, um den Pflichtteil auszubezahlen. Daher werden von den Beteiligten in solchen Fällen häufig Absprachen über eine Ratenzahlung oder einen Aufschub der Zahlung getroffen. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten, da der Pflichtteilsanspruch innerhalb von drei Jahren verjährt.

Eine Frau hatte eine Tochter und einen Sohn, der bereits verstorben war. Sie setzte in ihrem Testament ihre Tochter als Alleinerbin ein. Die Tochter des Sohns machte als Enkelin der Erblasserin daraufhin den Pflichtteil aus dem Erbteil ihres Vaters geltend. Ihre Tante bat als Tochter der Erblasserin jedoch, davon abzusehen, da sie sonst die Eigentumswohnung, in der sie lebte, verkauften müsse. Sie sicherte ihrer Nichte zu, dass diese nach ihrem Tod sowieso alles erben würde, was auch in einem Brief festgehalten war. Die Nichte stimmte diesem Vorgehen zu. 13 Jahre nach dem Tod der Großmutter wollte sie dann aber doch ihren Pflichtteil geltend machen und verlangte Auskunft über den entsprechenden Nachlass. Die Tante lehnte dies jedoch ab und trug vor, dass der Anspruch verjährt sei.

Das Gericht sah dies jedoch anders. Es ging davon aus, dass die Vereinbarung zwischen Tante und Nichte rechtlich eine Stundungsvereinbarung über den Pflichtteil darstellt und nicht etwa einen Verzicht. Die Stundung einer Forderung hemmt gleichzeitig auch die Verjährung. Somit war weder der Auskunfts- noch der Auszahlungsanspruch nach Auffassung des Gerichts verjährt.

Hinweis: Grundsätzlich muss der Erbe den Pflichtteil sofort auszahlen. In der Praxis kommt es jedoch häufig zu Verzögerungen, etwa weil der Erbe keine genaue Auskunft über den Wert des Nachlasses gibt oder einzelne Nachlassgegenstände erst bewertet werden müssen. Sofern sich die Parteien einig sind, gibt es mehrere Möglichkeiten, während dieser Zeit die Verjährung des Anspruchs zu verhindern (z.B. eine Vereinbarung zum Verzicht auf die Einrede der Verjährung oder eine Stundung). Kann jedoch keine Einigung erzielt werden, kann der Pflichtteilsberechtigte die Verjährung dadurch verhindern, dass er Klage erhebt. Der Erbe wiederum kann nicht einseitig die Auszahlung des Pflichtteils verweigern oder verzögern. Nur in Ausnahmefällen, in denen die sofortige Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs für den Erben eine unbillige Härte darstellen würde, kann er beim Nachlassgericht die Stundung des Anspruchs beantragen.
 

Quelle: OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.10.2015 – 9 U 149/14

Thema: Erbrecht

Schläge und Reue: Scheitert der Versuch, dem anderen zu verzeihen, kann die Scheidung auch vorzeitig erfolgen

In den allermeisten Fällen setzt eine Scheidung voraus, dass die Ehegatten mindestens ein Jahr getrennt leben. Erst nach dieser Wartezeit kann die notwendige Prognose erfolgen, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten ist. Zu einem früheren Zeitpunkt kann die Scheidung nur verlangt werden, wenn die Fortsetzung der Ehe eine unzumutbare Härte bedeuten würde.

Ab wann eine solche – in der Praxis nur selten bestätigte – unzumutbare Härte vorliegt, musste das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) in diesem Fall entscheiden: Ein Mann hatte seine Gattin mehrfach geschlagen und war auch gegenüber den gemeinsamen Kindern gewalttätig geworden. Die Frau wollte deshalb vor Ablauf des Trennungsjahres geschieden werden. Der Mann trat dem entgegen und lehnte die Scheidung ab. Da die Frau kein Geld hatte, das Scheidungsverfahren zu bezahlen, beantragte sie deshalb vorab Verfahrenskostenhilfe. Das Amtsgericht lehnte diesen Antrag ab, da die Voraussetzungen für eine vorzeitige Scheidung seines Erachtens nach nicht vorlägen. Die Gewalttätigkeiten würden zwar die vorzeitige Scheidung zulassen. Im parallel geführten Verfahren zur Regelung des Umgangs des Vaters mit den Kindern habe die Frau aber erklärt, sie habe ihrem Mann verziehen und wolle wieder mit ihm zusammenleben. Wegen dieser Verzeihung könne eine vorzeitige Scheidung deshalb nicht erfolgen.

Doch auf die daraufhin erfolgte Beschwerde sprach das OLG als nächste Instanz der Frau die Verfahrenskostenhilfe durchaus zu. Das Verzeihen ist nämlich wie ein Versöhnungsversuch anzusehen. Soweit bei einer „normalen“ Scheidung während des Trennungsjahres ein solcher Versöhnungsversuch unternommen wird und dann jedoch scheitert, wird dadurch der Lauf des Trennungsjahres nicht unterbrochen. Dasselbe gilt daher auch für den Fall, dass eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres begehrt wird: Scheitert der Versuch zu verzeihen, ist die vorzeitige Scheidung dennoch auszusprechen.

Hinweis: Scheidungsanträge wegen unzumutbarer Härte bleiben die absolute Ausnahme.

Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 09.12.2016 – 5 WF 133/16
 Familienrecht

Haus nur gegen Rente: Ein Testamentsvollstrecker kann das Vermächtnis bis zur Auflagenerfüllung verweigern

Gerade bei umfangreicheren oder komplizierteren Nachlässen empfiehlt es sich, einen Testamentsvollstrecker zu bestellen, der die Umsetzung des letzten Willens des Erblassers durchsetzt. Über die Befugnisse von Testamentsvollstreckern gibt es jedoch häufig Streit, da sich Erben und Vermächtnisnehmer in ihren Rechten beeinträchtigt sehen.

Ein Mann setzte in seinem notariellen Testament zwei seiner Kinder als Erben ein und vermachte einem weiteren Sohn vier verschiedene Immobilien. Die Vermächtnisse waren mit der Auflage verbunden, der Schwester des Erblassers eine lebenslängliche Rente und die Krankenversicherung zu zahlen. Darüber hinaus wurde in dem Testament die Testamentsvollstreckung angeordnet. Die Testamentsvollstreckerin übertrug einen Teil der Immobilien, weigerte sich dann aber, die letzte zu übertragen, bevor der Sohn nicht die vorgesehenen Zahlungen an die Schwester des Erblassers beglichen hatte. Dagegen klagte der Sohn.

Das Gericht gab der Testamentsvollstreckerin Recht. Mit der Annahme der Vermächtnisse hatte der Sohn auch gleichzeitig die Verpflichtungen aus der Auflage übernommen. Die Durchsetzung einer solchen Auflage gehört mit zum Aufgabenbereich einer Testamentsvollstreckerin, so dass diese hier auch berechtigt war, ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen, bis die Auflage erfüllt war.

Hinweis: Als Auflage können in einem Testament die unterschiedlichsten Dinge vorgesehen werden – etwa regelmäßige Zahlungen an Verwandte, die Grabpflege oder die Pflege von Haustieren des Erblassers. Im Gegensatz zum Vermächtnisnehmer hat der Begünstigte einer Auflage jedoch keinen Anspruch, die Leistung zu verlangen. Daher ist es besonders wichtig, dass ein Testamentsvollstrecker eine solche Auflagenerfüllung hinreichend überwacht. 

Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.04.2017 – 9 W 4/17

zum Thema: Erbrecht

Finanzen in der Pflege: Bei Nachweis der ordnungsgemäßen Verwendung hat der Erbe hat kein Rückforderungsrecht

Werden Angehörige gepflegt, ist es in diesem Zusammenhang häufig auch erforderlich, die Finanzen des Pflegebedürftigen zu verwalten. Dies kann im Nachhinein jedoch zu Streitigkeiten führen, wenn die Erben anzweifeln, dass die Gelder ordnungsgemäß verwendet wurden.

Eine Frau hatte ihre Mutter einige Jahre gepflegt, bevor diese dann ins Pflegeheim kam und schließlich verstarb. Die Mutter hatte der Tochter eine General- und Vorsorgevollmacht ausgestellt und unterschrieb einige Schecks, mit denen die Tochter Geld vom Konto der Mutter abhob. Nach dem Tod der Mutter verlangte der Bruder der Tochter, der Alleinerbe wurde, diese Gelder heraus.

 

Das Gericht untersuchte die einzelnen Geldbeträge und stellte fest, dass ein Großteil des Geldes mithilfe von Schecks abgehoben wurde, die die Mutter selbst unterschrieben hatte. Als Verwendungszweck war dabei „Pflegegeld“ oder „Aufwandsentschädigung“ angegeben. Das Gericht sah dies zusammen mit einem handschriftlichen Vertrag als ausreichenden Beweis dafür an, dass diese Zahlungen – wie von der Tochter angegeben -, als Gegenleistung für Pflege- und Betreuungstätigkeiten geleistet wurden. Mithilfe weiterer Schecks wurden Beträge abgehoben, die der Mutter als Taschengeld ausgehändigt wurden, was das Gericht aufgrund einer Zeugenaussage ebenfalls als erwiesen ansah. Die restlichen Gelder wurden von der Tochter dazu verwendet, Besorgungen wie Kleidungsstücke für die Mutter zu erledigen, als diese sich im Pflegeheim befand. Auch hier sah das Gericht keine Anhaltspunkte für eine unredliche Verwendung der Gelder. Somit hatte der Bruder keinen Anspruch auf Auszahlung des Geldes.

Hinweis: Werden Gelder für Pflegebedürftige verwaltet, empfiehlt es sich, die Vorgänge genau zu dokumentieren. So kann im Streitfall nachgewiesen werden kann, dass die Finanzen nicht unterschlagen oder unrechtmäßig verwendet wurden. Erhält der Pflegende zudem einen finanziellen Ausgleich als Gegenleistung, sollte dies vertraglich festgehalten werden.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urt. v. 16.05.2017 – 9 U 167/15

  Erbrecht

Feuer aus, Schaden da: Ermessensfehlerhafter Einsatz umweltgefährdenden Löschschaums führt zu Ersatzansprüchen

Die Feuerwehr hilft, wenn es brennt. Aber nicht jede Hilfe ist gern gesehen.

Auf einem Firmengelände hatte der den Brandeinsatz leitende Kommandant der Berufsfeuerwehr im Jahr 2010 den Einsatz von Perfluoroctansulfat(PFOS)-haltigem Löschschaum angeordnet. Teile des Löschschaums, der wegen des Inhaltsstoffs PFOS bereits seit Ende 2006 nicht mehr in den Verkehr gebracht und nur noch bis zum 27.06.2011 aufgebraucht werden durfte, gelangten in den Boden des Grundstücks der Klägerin und somit auch in das Grundwasser. Die Eigentümerin des Firmengrundstücks musste daraufhin umfangreiche Sanierungsmaßnahmen auf eigene Kosten durchführen und verlangte dafür Schadensersatz, den sie auch erhielt.

Der Einsatz des Löschschaums war ermessensfehlerhaft. Nach Einschätzung des Brandsachverständigen war der besondere Vorteil dieses Löschschaums – nämlich die Bildung eines Flüssigkeitsfilms auf einer ebenen Fläche (z.B. auf Flüssigkeiten) – in der konkreten Situation des Brandes einer Halle mit einem Trümmerfeld nicht nutzbar. Da die umweltgefährdenden Eigenschaften des Löschschaums zum Zeitpunkt des Löscheinsatzes in Feuerwehrkreisen bekannt waren, hätte der Einsatzleiter damit nicht löschen dürfen.

Hinweis: Natürlich muss sich auch die Feuerwehr an gesetzliche Vorschriften halten. Andernfalls haftet der Träger der Feuerwehr; hier die Stadt. Darüber hinaus kann ein Rückgriff auf den Einsatzleiter durchaus in Betracht kommen.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.01.2017 – 1 U 146/14
Thema: Mietrecht

Radler überholt Radler: Volle Haftung nach Unfall durch lediglich 32 cm Seitenabstand

Ein Radfahrer muss grundsätzlich mit Schwankungen in der eines vorausfahrenden Radfahrers rechnen, so dass ein eingehaltener Seitenabstand von ca. 32 cm in der Regel zu gering ist.

Zwei Radfahrer fuhren auf einem etwa 2 m breiten Radweg zunächst hintereinander. Der hintere Radfahrer entschloss sich, den Vorausfahrenden zu überholen. Hierbei berührte er diesen mit der rechten Schulter. Der vorausfahrende Radfahrer stürzte hierdurch und verletzte sich schwer.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe vertritt die Auffassung, dass den Überholenden die volle Haftung am Zustandekommen des Unfalls trifft. Dieser habe beim Überholen entsprechend den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung einen so großen Seitenabstand einzuhalten, dass eine Gefährdung anderer ausgeschlossen ist. Radfahrer bräuchten allerdings nicht, wie es für Pkw-Fahrer vorgesehen ist, einen Abstand von eineinhalb bis zwei Metern einzuhalten. Ein überholender Radfahrer muss aber berücksichtigen, dass bei dem zu überholenden Radfahrer grundsätzlich mit mehr oder weniger unvermeidlichen Schwankungen zu rechnen ist. Weiterhin muss der Überholende berücksichtigen, dass der überholte Radfahrer nicht ausreichend durch Geräusche des sich rückwärts nähernden Radfahrers vorgewarnt ist. Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger hatte festgestellt, dass der überholende Radfahrer einen Seitenabstand von höchstens 32 cm eingehalten hatte. Das ist für ein gefahrloses Überholen allerdings nicht ausreichend. Ein Überholen ist nur dann sicher möglich, wenn der Überholende sicher davon ausgehen kann, dass er vom anderen Radfahrer wahrgenommen wird und dieser sein Fahrverhalten auf den Überholvorgang einrichtet.

Hinweis: Die Entscheidung des Gerichts macht deutlich, dass ein Radfahrer einen anderen Radfahrer nur dann überholen darf, wenn er sicher davon ausgehen kann, dass eine Gefährdung ausgeschlossen ist. Hierbei muss der Überholende insbesondere auch mit Schwankbewegungen des vorausfahrenden Radfahrers rechnen.

Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.05.2016 – 9 U 115/15
Thema: Verkehrsrecht