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Schlagwort: OLG Celle

Undokumentiert und unrepariert: Vorschäden können nach einem erneutem Unfall zum Wegfall sämtlicher Schadensersatzansprüche führen

Bei Vorschäden kommt ein Schadensersatzanspruch aufgrund des erneuten Unfalls nur infrage, wenn dargelegt wird, welcher Art der Vorschaden war, zu welchen Beschädigungen er am Fahrzeug geführt hat und ob und inwieweit diese Vorschäden ordnungsgemäß repariert waren. Tut der Geschädigte dies nicht, kann er auch keinen Schadensersatz verlangen – selbst nicht für die eindeutig mit dem Unfallgeschehen in Verbindung stehenden Schäden.

Ein Mann befuhr mit seinem Fahrzeug einen Kreisverkehr. Dort kam es zu einer Kollision mit einem einfahrenden Fahrzeug, so dass der Wagen des Geschädigten vorn rechts beschädigt wurde. Er verlangte daraufhin Schadensersatz, den ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten errechnet hat.

Das Oberlandesgericht Celle hat dem Geschädigten jedoch keinen Schadensersatz zugesprochen, weil laut gerichtlich eingeholtem Sachverständigengutachten massive Vorschäden am Fahrzeug vorlagen, die in keiner Weise auf den Unfall zurückgeführt werden konnten. Zwar trifft es zu, dass ein durchaus abgrenzbarer Schadensbereich vorlag, der durch den behaupteten Unfall verursacht sein konnte. Nach Auffassung des Gerichts kann hierfür aber kein Schadensersatz verlangt werden. Der Sachverständige konnte nämlich nicht sicher feststellen, dass es sich bei den Vorschäden und den aktuell verhandelten Schäden um klar abgrenzbare Bereiche am Wagen handelte. Ebenso war es durchaus möglich, dass die durch den behaupteten Unfall beschädigten Teile seinerzeit bereits in Mitleidenschaft gezogen und nicht ordnungsgemäß repariert waren. Und genau hier traf es den Geschädigten – denn dieser konnte seinerseits nicht darlegen, ob und inwieweit er diese Vorschäden ordnungsgemäß hat reparieren lassen.

Hinweis: Letztendlich war das Gericht davon überzeugt, dass der Geschädigte den Unfall absichtlich herbeigeführt hat. Im Fall eines reparierten Vorschadens im Bereich des neu eingetretenen Schadens verlangt die Rechtsprechung den sogenannten konkreten Vortrag zu Art und Umfang des Vorschadens und zur fachgerechten und vollständigen Schadensbeseitung.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 19.05.2017 – 14 U 40/17

Thema: Verkehrsrecht

Wie im Wohnraummietrecht: Gewerbevermieter darf Schönheitsreparaturen nicht formularmäßig auf Mieter abwälzen

Als ob das Mietrecht über Wohnräume nicht schon kompliziert genug wäre, wird die komplexe Rechtsprechung dazu immer weiter auf das Gewerberaummietrecht ausgedehnt.

In einem Gewerbemietvertrag hatte sich ein Mieter verpflichtet, die laufenden Schönheitsreparaturen auf seine Kosten fachgerecht durchzuführen. Zwischenzeitlich wechselte der Vermieter. Bei Beendigung des Mietvertrags forderte dieser neue Vermieter den Mieter zur Durchführung der Schönheitsreparaturen auf. Der weigerte sich allerdings, weil er die Räume in einem unrenovierten Zustand übernommen hatte. Daraufhin klagte der Vermieter auf Schadensersatz.

Das Oberlandesgericht Celle erließ einen Hinweisbeschluss und erklärte, dass der Vermieter mit seiner Klage keine Erfolgsaussichten hat. Bei unrenovierten Gewerberäumen darf der Vermieter seinen Mieter nicht durch eine Klausel im Mietvertrag zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichten.

Hinweis: Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur formularmäßigen Abwälzung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter gilt also auch für Gewerbemietverträge.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 13.07.2016 – 2 U 45/16
Thema: Mietrecht

Unbrauchbares Gutachten: Bei fehlerhaften Informationen durch den Geschädigten trägt dieser die Kosten selbst

Hat ein Geschädigter den Gutachter nicht zutreffend über Vorschäden unterrichtet, muss der Schädiger die Kosten für ein unbrauchbares Gutachten nicht tragen.

Nach einem unverschuldeten Unfall hatte der Geschädigte sein Fahrzeug einem Sachverständigen vorgeführt, damit dieser die Schadenshöhe ermittelt. In dem Gutachten des Sachverständigen hieß es, dass visuell keine Vorschäden erkennbar seien, obwohl sich am Verdeck des Fahrzeugs ein Vorschaden befand – was dem Fahrzeugbesitzer durchaus bekannt war.

Das Oberlandesgericht Celle hat deshalb entschieden, dass der Geschädigte die Kosten des von ihm in Auftrag gegebenen Gutachtens selbst zu tragen hat. Dies ergibt sich zum einen aus einer Inaugenscheinnahme der von dem Sachverständigen gefertigten Fotos. Wie der Sachverständige dennoch ausführen konnte, dass visuell keine Vorschäden erkennbar waren, blieb für das Gericht nicht nachvollziehbar. Auch dem Geschädigten war der Vorschaden bekannt und er hat ihn dem Sachverständigen gegenüber nicht offenbart. Es ist daher gerechtfertigt, ihm den Erstattungsanspruch für dieses grob fehlerhafte Gutachten vollständig zu versagen – und zwar für solche Fälle, bei denen diese Tatsache nicht auf eigenständigen Fehlern des Sachverständigen, sondern auf unzutreffenden Informationen des Geschädigten beruht, wie etwa zu Vorschäden.

Hinweis: Stellt sich in einem Gerichtsverfahren heraus, dass das vom Geschädigten eingeholte Gutachten unbrauchbar ist, weil der Sachverständige zum Beispiel überhöhte Reparaturkosten ermittelt hat, hat der Schädiger bzw. seine Haftpflichtversicherung die Kosten des Sachverständigen zu tragen.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 13.07.2016 – 14 U 64/16
Thema: Verkehrsrecht

Oldtimer als Alltagswagen: Versicherer müssen auch bei weiterem Auto im Haushalt den Nutzungsausfall begleichen

Der Halter eines Oldtimers, der gemeinsam mit seiner Ehefrau außerhalb des Ortsbereichs in den Bergen wohnte, wurde unverschuldet in einen Unfall verwickelt.

Sein Fahrzeug erlitt dabei einen Totalschaden. Da er kurz vor dem Unfall sein Hauptfahrzeug verkauft hatte, machte er Nutzungsausfall für 79 Tage geltend: vom Unfalltag bis zum Zeitpunkt der Anschaffung eines Ersatzoldtimers. Seiner Ehefrau stand während dieser Zeit ein eigenes Fahrzeug zur Verfügung. Sowohl bei dem Mann als auch bei seiner Frau handelte es sich in diesem Fall um Ruheständler.

Das Oberlandesgericht Celle hat die gegnerische Haftpflichtversicherung verurteilt, den Nutzungsausfall für 79 Tage zu zahlen, insgesamt etwa 7.500 EUR. Das Gericht war nach durchgeführter Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der verunfallte Oldtimer wie ein normales Verkehrs- und Beförderungsmittel genutzt wurde. Die Ehefrau hat in ihrer Anhörung erklärt, dass ihrem Gatten der vor dem Unfall verkaufte Wagen und der Oldtimer zur Verfügung gestanden hätten, während sie allein ihren eigenen Wagen nutzte. Beide hätten stets spontan entschieden, wann, was und wo eingekauft werden sollte. Aufgrund ihres dezentralen Wohnorts sei es ihnen auch nicht möglich gewesen, Einkäufe etwa mit dem Fahrrad zu transportieren oder auf öffentliche Verkehrsmittel zurückzugreifen. Für das Gericht war es daher nachvollziehbar, dass beide über ein Fahrzeug verfügen und dies auch regelmäßig benutzen. Da es sich bei dem beschädigten Oldtimer um ein hochpreisiges Fahrzeug der (damaligen) Luxusklasse handelte, ist das Gericht von einem Nutzungsausfall pro Tag von 79 EUR ausgegangen.

Hinweis: In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Nutzungsausfall für einen Oldtimer nur bei herkömmlichem Gebrauch als Fortbewegungsmittel und fehlendem Ersatzfahrzeug zu zahlen ist. Insofern besteht eine Parallele zu der Entschädigung des Nutzungsausfalls für ein Wohnmobil. Nach Ansicht des Gerichts ist es außerdem unerheblich, dass das Fahrzeug sowohl der Frau als auch ihrem Ehemann gehörte.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 03.05.2016 – 5 U 60/15
Thema: Verkehrsrecht

Bezahlung von Journalisten: Beiträge sind angemessen zu vergüten und Fotorechte gesondert zu berechnen

Wer schon immer einmal wissen wollte, wie Journalisten bezahlt werden, findet die Antworten in diesem Beitrag.

Ein Journalist hatte in den Jahren 2012 und 2013 insgesamt 14 Artikel in einer Onlinezeitschrift veröffentlicht, teilweise mit Fotografien. Für seine Beiträge hatte er von dem Verlagsunternehmen jeweils eine pauschale Vergütung von 40 EUR bis 100 EUR erhalten – die Bilder wurden dabei jedoch nicht bezahlt. Nun wollte der Journalist das Verlagsunternehmen auf eine diesbezügliche, angemessene Vergütung in Anspruch nehmen und berief sich dazu auf die „Vertragsbedingungen und Honorare für die Nutzung freier journalistischer Beiträge“ des Deutschen Journalisten-Verbands.

Für diese Klage beantragte er Prozesskostenhilfe, die er jedoch deshalb nicht gewährt bekam, da die Klage nur eine ganz geringe Aussicht auf Erfolg hatte. Das Gericht hatte für eine solche Einschätzung auf die „Gemeinsamen Vergütungsregeln aufgestellt für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen“ (GVR Tageszeitungen) zurückgegriffen. Zudem erschien dem Gericht eine Vergütung von 50 EUR je veröffentlichtem Bild für angemessen. Auf Grundlage dieser Einschätzung hatte der Journalist allerdings die 5.000-EUR-Grenze, die die Zuständigkeit des Landgerichts begründet, knapp verfehlt. Daher muss der Journalist bei dem für diese Streitwerte zuständigen Amtsgericht eine neue Klage einreichen.

Grundsätzlich gilt: Die Vergütung eines Journalisten ist dann angemessen, wenn sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit üblicherweise zu zahlen ist.

Hinweis: Die Vergütung eines Journalisten bestimmt sich nach § 32 Abs. 2 des Urhebergesetzes. Darin steht, dass die Vergütung angemessen sein muss. Veröffentlichte Bilder sind in jedem Fall gesondert zu vergüten.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 27.04.2016 – 13 W 27/16

Thema: Sonstiges

Zugewinngemeinschaft: Während der Scheidung kann nicht frei über das eigene Vermögen verfügt werden

Die meisten Ehegatten leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Das ist der Güterstand, der gilt, wenn kein Ehevertrag geschlossen wurde. Verbunden ist er mit einer Einschränkung in der Freiheit, über das eigene Vermögen zu verfügen. Worin besteht diese Einschränkung?

Leben Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, kann jeder von ihnen über sein Vermögen im Ganzen nur verfügen, wenn der andere Ehegatte damit einverstanden ist und einer solchen Verfügung ausdrücklich zustimmt. Eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen liegt bereits vor, wenn es um einen einzelnen Vermögenswert geht, sofern dieser im Verhältnis zum Gesamtvermögen des betreffenden Ehegatten fast bzw. nahezu dessen gesamtes Vermögen ausmacht. Die Notwendigkeit der Zustimmung durch den anderen Ehegatten besteht bis zur Rechtskraft der Scheidung, alternativ bis zu einer ehevertraglichen Aufhebung dieses Güterstands.

Grund für diese Einschränkung: Das Vermögen der Ehegatten soll für den jeweils anderen zum Zwecke der Realisierung etwaiger güterrechtlicher Ausgleichsansprüche erhalten bleiben.

Folge davon ist, dass im Normalfall der Ehegatte, der z.B. Alleineigentümer einer Wohnung oder eines Hauses ist, dieses ohne Zustimmung des anderen Ehegatten erst nach der Scheidung verkaufen kann.

Gleichermaßen verhindert diese Regelung aber auch die zwangsweise Auseinandersetzung von Miteigentum an Grundbesitz. In den meisten Fällen kann die dazu erforderliche Teilungsversteigerung deshalb erst beantragt werden, wenn die Rechtskraft der Scheidung eingetreten ist.

Hinweis: Die Regelung vermögensrechtlicher Fragen im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung bedarf der sorgfältigen Überprüfung und Konzipierung. Der hier dargestellte Aspekt ist nur einer von vielen zu berücksichtigenden Punkten. Die Komplexität verlangt die gründliche Bearbeitung und Beratung durch einen Fachmann.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 25.06.2003 – 15 UF 30/03

Thema: Familienrecht

Vortäuschen eines Diebstahls: Versicherungsnehmer muss im Zweifel seine wirtschaftlichen Verhältnisse darlegen

Es gilt in der Rechtspraxis als anerkannt, dass Schlüsse in Bezug auf die Vortäuschung eines Diebstahls gezogen werden können, sofern die wirtschaftlichen Lage des Versicherungsnehmers darauf hindeutet.

Der Halter eines Mercedes G 400 D machte seiner Kaskoversicherung gegenüber Ansprüche geltend, da sein neues Fahrzeug im Wert von 36.000 EUR angeblich gestohlen worden sei. Er habe im Beisein seines Cousins das Fahrzeug auf einem Parkplatz abgestellt. Nachdem er dorthin zurückgekehrt sei, habe er festgestellt, dass das Fahrzeug gestohlen wurde.

Das Oberlandesgericht Celle hat hier aber dem Versicherer Recht gegeben, da es dessen Ansicht teilte, dass der Diebstahl des Fahrzeugs vorgetäuscht war. Die Gesamtbetrachtung aller Umstände ergab, dass sich der Versicherungsnehmer ein Fahrzeug der Luxusklasse gekauft hatte, das er wegen eines aktuell drohenden Verlusts der Fahrerlaubnis mindestens für Monate – möglicherweise aber auch dauerhaft – nicht (oder nur mit fremder Hilfe) hätte nutzen können. Außerdem war anzunehmen, dass er falsche, zur Irreführung des Versicherers taugende Angaben in der Schadensanzeige gemacht hatte. Obendrein hatte er sich ohne Angabe von Gründen geweigert, die naheliegenden Zweifel der Versicherung zu seinen finanziellen Verhältnissen sowie zu den Kosten von Erwerb und Unterhalt des Fahrzeugs zu beseitigen.

Für das Gericht stand daher fest, dass der in Scheidung lebende Versicherungsnehmer mit den Einkünften als Geselle diese Kosten nicht dauerhaft hätte bestreiten können. Als Versicherungsnehmer hätte er aber durchaus Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen machen müssen – insbesondere darüber, wie er das Fahrzeug finanziert.

Hinweis: In bestimmten Situationen kann also vom Versicherungsnehmer verlangt werden, umfassend über seine wirtschaftlichen Verhältnisse Auskunft zu erteilen, um das Vortäuschen eines Diebstahls auszuschließen.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 13.03.2015 – 8 U 227/14

Thema: Verkehrsrecht

Irreführung: Eine Lagerhalle stellt keinen Standort dar, mit dem geworben werden darf

Irreführende Werbung ist verboten. Und ein solcher Fall liegt dann vor, wenn ein Unternehmen mit einem Standort wirbt, der tatsächlich keinen echten Standort darstellt.

Ein Unternehmen auf dem Gebiet der Dachbeschichtungen verlangte von einem Konkurrenten die Unterlassung von Werbung mit der Angabe zu einem Standort in einer Stadt. Dort unterhielt das beklagte Unternehmen zwar eine Lagerhalle, das reichte dem Oberlandesgericht Celle allerdings nicht aus. Die Richter waren der Auffassung, dass ein Standort zumindest eine Niederlassung mit eigenem Büro und Personal sowie einem Ansprechpartner erfordert. Das alles ist einer Lagerhalle jedoch nicht der Fall. Die Angabe verschiedener Unternehmensstandorte suggeriert jedoch eine besondere wirtschaftliche Bedeutung und Unternehmensgröße, was für viele Kunden durchaus ein Entscheidungskriterium für die Beauftragung eines Unternehmens darstellt. Und das war in dem vorliegenden Fall eine Irreführung.

Hinweis: Der Fall zeigt wieder einmal, dass Ehrlichkeit am längsten währt. Unternehmen dürfen nur mit den Standorten werben, die auch tatsächlich Standorte mit den entsprechenden Funktionen darstellen.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 07.07.2015 – 13 W 35/15

Thema: Sonstiges

Unfallrekonstruktion: Alleinhaftung einer betrunkenenen Fußgängerin durch nachgewiesene Alleinschuld

Kann ein Autofahrer auch bei sofortiger Reaktion das Unfallgeschehen mit einem Fußgänger nicht verhindern, tritt seine Betriebsgefahr vollständig hinter dem schuldhaften Verkehrsverstoß des Fußgängers zurück.

Eine Fußgängerin wollte bei Dunkelheit und Regen innerorts eine Straße überqueren. Zum Unfallzeitpunkt hatte sie eine Blutalkoholkonzentration von 1,75 ‰. Beim Überqueren der Fahrbahn kam es zu einem Zusammenstoß mit einem Pkw, wobei sie sich erheblich verletzte. Von der Haftpflichtversicherung des Pkw-Fahrers verlangt sie 25 % des ihr entstandenen Schadens.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle steht der Fußgängerin jedoch kein Schadensersatz zu. Der Unfall ist allein durch ihr grob verkehrswidriges Verhalten verursacht worden. Laut gerichtlichem Sachverständigengutachten war die Fußgängerin für den Autofahrer 1,5 Sekunden vor der Kollision sicher erkennbar. Da die Aufmerksamkeit des Autofahrers ordnungsgemäß auf seine Fahrbahn gerichtet war, musste er erst dann reagieren, als sich die Frau auf seinen Fahrstreifen zubewegte. Aufgrund der herrschenden Dunkelheit und der schlechten Beleuchtung war ebenso davon auszugehen, dass mit einer Reaktionszeit von nur 1,5 Sekunden ein Ausweichen seinerseits nicht mehr möglich war. Ein die Betriebsgefahr erhöhendes Verschulden des Fahrzeugführers lag nicht vor. Die gegenüber der Fußgängerin verbleibende Gefährdungshaftung überwiegt sogar derart, dass eine Mithaftung des Autofahrers gänzlich ausscheidet.

Hinweis: Ob der Verkehrsunfall für den Pkw-Fahrer unvermeidbar war, lässt sich – wie der vorliegende Fall deutlich zeigt – nur durch Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens sicher feststellen. Von besonderer Bedeutung ist auch die Feststellung des Gerichts, dass der Fahrzeugführer aufgrund der äußeren Umstände (Dunkelheit und Regen) seine Aufmerksamkeit auf die vor ihm liegende Fahrbahn zu richten hatte, sodass ihm unter den beschriebenen Umständen eine erhöhte Reaktionszeit mit realistischen 1,5 Sekunden zugemessen werden konnte.

Quelle: OLG Celle, Urt. v. 19.03.2015 – 5 U 185/11